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Mittwoch, 8. März 2023

Internationaler Weltfrauentag 2023 - Das Urteil

Universität Göttingen

Pünktlich zum internationalen Weltfrauentag 2023 erreicht mich die Mitteilung der Pressestelle des Bundesgerichtshofs Nr. 046/2023, wonach heute, am 8. März 2023, mit Urteil zum Az.: 6 StR 378/22 die Verurteilung eines Hochschullehrers der Universität Göttingen, der als Doktorvater seine Doktorandin schwer misshandelt hatte, teilweise aufgehoben wurde. Der Professor war vom Landgericht Göttingen wegen mehrfacher gefährlicher Körperverletzung im Amt in Tateinheit mit Nötigung und Freiheitsberaubung, mehrfacher Körperverletzung im Amt, teilweise in Tateinheit mit Freiheitsberaubung und Nötigung und teilweise in Tateinheit mit Freiheitsberaubung, sowie wegen fahrlässiger Körperverletzung im Amt, nur zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von elf Monaten zur Bewährung verurteilt worden.

Der zuchtbesessene Hochschullehrer hatte seine Doktorandin in zehn Fällen zu Besprechungsterminen außerhalb der Dienstzeiten in sein Büro bestellt, schloss dieses jeweils ab und eröffnete ihr, dass er sie wegen angeblicher Verfehlungen durch Schläge mit einem "Bambusstock" auf das bekleidete Gesäß und auf ihre Waden sowie – bei späteren Taten – mit der flachen Hand auf ihr entblößtes Gesäß "bestrafen" wolle. Als die Doktorandin dies ablehnte, kündigte der Hochschullehrer jeweils an, die Zusammenarbeit mit ihr zu beenden und ihr Promotionsvorhaben nicht weiter zu betreuen. Aus Angst vor den ihr in Aussicht gestellten beruflichen wie – mit Blick auf ein Stipendium – finanziellen Folgen, "willigte" das Opfer in die Schläge durch den Professor in acht Fällen ein. In zwei weiteren Fällen kündigte der Hochschullehrer diese Folgen für den Fall ihrer Weigerung nicht ausdrücklich an, allerdings "willigte" die Doktorandin gleichwohl ein, weil ihr die von ihrem Professor zuvor benannten Konsequenzen "noch präsent" waren.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat das Urteil des Landgerichts Göttingen vom 30. März 2022 zum Az.: 1 KLs 11/19 jetzt wegen der rechtsfehlerhaften Ablehnung der Strafbarkeit des Hochschullehrers auch wegen Nötigung aufgehoben und an eine andere Kammer des Landgerichts Göttingen zurückverwiesen, weil das Landgericht die letzten beiden Tathandlungen auch unter dem Gesichtspunkt einer konkludenten Drohung hätte würdigen müssen. Das Landgericht Göttingen hatte den strengen Doktorvater nur zu elf Monaten auf Bewährung verurteilt, obwohl die Staatsanwaltschaft Göttingen ein Jahr und acht Monate wegen schwerer Nötigung, Körperverletzung und Freiheitsberaubung gefordert hatte. Wegen der zu milden Strafe legte nicht nur die Doktorandin, sondern auch die Staatsanwaltschaft Revision beim BGH ein, mit dem Ziel, dass der verurteilte Professor nun eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr erhält, die dazu führen würde, dass der Professor seinen Beamtenstatus und seine Versorgungsbezüge verliert.

Montag, 29. Oktober 2018

Veröffentlichung privater Nachricht auf Instagram unzulässig

Innerhalb gesellschaftlicher Randgruppen wird Andersdenkenden oft nicht die Toleranz entgegengebracht, welche die Randgruppe selbst von der Gesellschaft einfordert. Aus diesem Grund musste sich das Landgericht Hamburg mit einer via Instagram und Facebook veröffentlichten Privatnachricht eines homosexuellen Mannes befassen, die mittels dieser Social-Media-Dienste entgegen dem Willen des Versenders veröffentlicht und so für eine Mobbing-Kampagne genutzt wurde.

Die persönliche Nachricht "Hoffentlich ist das ein Sonderzug. Die armen Fahrgäste könnten einem sonst leid tun bei all den Kaputten. Wäre ja Horror, wenn die normal zahlenden Gäste durch solche Clowns belästigt werden. Wieso können homosexuelle Männer sich nicht einfach benehmen wie jeder normale andere Mensch auch? Sind das Männer oder Trullas mit Penis? Alle reden von Gleichstellung, benehmen sich aber wie Crystal Meth Britneys nur saufen, ficken, Drogen... schade eigentlich, dass das auf uns normale homosexuelle Männer immer so abfärbt - obwohl man mit all dem 0 am Hut hat." über die Anreise zu einer Pride erboste den Empfänger derart, dass er glaubte, die nur für ihn bestimmte Mitteilung auf Instagram veröffentlichen zu dürfen.

Ein Irrtum, wie jetzt das Landgericht Hamburg entschied. Denn wie der Bundesgerichtshof bereits in seinem Urteil vom 25. Mai 1954 ausgeführt hatte, sei jede sprachliche Festlegung eines bestimmten Gedankeninhalts Ausfluss der Persönlichkeit des Verfassers, woraus folge, dass ihm grundsätzlich allein die Befugnis zustehe, darüber zu entscheiden, ob und in welcher Form seine Aufzeichnungen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, denn jeder unter Namensnennung erfolgenden Veröffentlichung von Aufzeichnungen eines noch lebenden Menschen werde von der Allgemeinheit eine entsprechende Willensrichtung des Verfassers entnommen. Die Fassung der Aufzeichnungen und die Art ihrer Bekanntgabe unterliege der Kritik und Wertung der öffentlichen Meinung, die aus diesen Umständen Rückschlüsse auf die Persönlichkeit des Verfassers ziehe. Eine ungenehmigte Veröffentlichung oder ungenehmigte Weiterleitung einer privaten Nachricht zur Veröffentlichung sei insoweit ein unzulässiger Eingriff in die für jeden Menschen geschützte Geheimsphäre.

Durch die ursprüngliche Veröffentlichung der persönlichen Nachricht des Antragstellers auf Instagram und dem späteren Teilen der von einem Dritten weiter veröffentlichten Nachricht auf Facebook hatte sich der Antragsgegner die rechtswidrige Veröffentlichung des Dritten zusätzlich zu Eigen gemacht. Er wusste, dass es sich um eine private Nachricht an ihn handelte und er hatte durch das weitere Teilen als Vertiefung der Rechtsverletzung sein Einverständnis mit der folgenden Veröffentlichung der nur an ihn gerichteten Nachricht kundgetan. Zweifelsohne war schon die erste Veröffentlichung der persönlichen Nachricht des Antragstellers auf Instagram eine Persönlichkeitsrechtsverletzung, die später nur noch vertieft wurde und als Auslöser ein nicht hinwegzudenkendes Ereignis für die Hetzkampagne gegen den Antragsteller war.

Die gefestigte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hatte bereits das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg mit Beschluss vom 04. Februar 2013 zum Az.: 7 W 5/13 fortgeführt und bestätigt, dass die Veröffentlichung einer privaten Mitteilung in sozialen Medien grundsätzlich unzulässig sei. Das gilt natürlich auch für die Veröffentlichung einer Privatnachricht mittels Instagram, wie nunmehr das Landgericht Hamburg in seinem Beschluss vom 21.08.2018 zum Az.: 324 O 372/18 festgestellt hat. Der als einstweilige Verfügung erlassene Beschluss wurde mittlerweile durch die Abgabe einer Abschlusserklärung als Entscheidung in der Hauptsache anerkannt und ist insoweit auch rechtskräftig.

Montag, 18. Dezember 2017

Amtsgericht Nienburg: Richterfortbildung durch Fachanwalt

Während sich jeder Rechtsanwalt nach § 43a Abs. 6 der Bundesrechtsanwaltsordnung und jeder Fachanwalt nach § 15 der Fachanwaltsordnung fortbilden muss, gibt es einen ähnlichen Zwang für Richter nicht. Die vom Gesetzgeber seit langem geplante Einführung einer richterlichen Fortbildungspflicht im Deutschen Richtergesetz wird auch mit dem Hinweis, dass darin ein ungerechtfertigter Eingriff in die Richterautonomie nach Art. 97 Abs. 1 GG liegen würde, von der Richterschaft erfolgreich blockiert.

Als Fachanwalt für IT-Recht kann ich die vor den deutschen Gerichten rechtsuchenden Bürger trotzdem beruhigen. Denn die Richter des Bundesgerichtshofs haben das Problem des unvollkommenen rechtlichen Erkenntnisvermögens auf Seiten der Richterschaft ganz geschickt gelöst. Mit Urteil vom 13.10.2016 zum Az.: IX ZR 214/15 haben die Spezialisten vom BGH den "Schwarzen Peter" einfach an die Anwaltschaft weitergereicht und dazu ausgeführt: "Der Rechtsanwalt ist vertraglich verpflichtet, einer gerichtlichen Fehlentscheidung entgegenzuwirken. Mit Rücksicht auf das auch bei Richtern nur unvollkommene rechtliche Erkenntnisvermögen und die niemals auszuschließende Möglichkeit des Irrtums ist es die Pflicht des Rechtsanwalts, nach Kräften dem Aufkommen von Irrtümern und Versehen des Gerichts zu begegnen. Der Rechtsanwalt muss alles - einschließlich Rechtsausführungen - vorbringen, was die Entscheidung günstig beeinflussen kann. Er hat auch eine vom Gericht im Verlauf der Instanz vertretene Rechtsansicht im Interesse seines Mandanten zu überprüfen, selbst wenn sie durch Nachweise von Rechtsprechung und Schrifttum belegt ist. Insbesondere muss der Anwalt zum Beispiel auf die höchstrichterliche Rechtsprechung hinweisen. Der Schutz des Mandanten gebietet es, dass der Rechtsanwalt dafür Sorge trägt, dass diese Argumente bei der gerichtlichen Entscheidung berücksichtigt werden können."

Mit anderen Worten. Jeder Richter kann sich abseits der beruflichen Tätigkeit intensiv mit seiner Briefmarkensammlung beschäftigen, denn für die Berücksichtigung aktueller Rechtsprechung in laufenden Verfahren sind die Rechtsanwälte der Parteien zuständig, die ihm die neusten Erkenntnisse des Bundesgerichtshofs schriftlich unterbreiten müssen, damit sie bei der Urteilsabfassung in den Niederungen der bundesdeutschen Rechtsprechung nicht übersehen werden.

Dieses Fortbildungsprinzip funktioniert auch beim Amtsgericht Nienburg. Zunächst war das Gericht noch der Ansicht, dass ein Verbot beleidigender Äußerungen nur dann missachtet wird, wenn diesem erneut aktiv zuwidergehandelt wird. Dies folge auch aus der Androhung von Ordnungsmitteln „für jeden Fall der Zuwiderhandlung". Nicht sanktioniert sei vom Urteilstenor daher das bloße Unterlassen der Löschung gleichlautender Beleidigungen aus der Zeit vor der Rechtskraft eines Urteils.

Nach einem in der Beschwerdeinstanz erfolgten Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aus seinem Urteil vom  19. November 2015 zum Az.: I ZR 109/14, wonach die Verpflichtung zur Unterlassung einer Handlung, durch die ein fortdauernder Störungszustand geschaffen wurde, mangels abweichender Anhaltspunkte regelmäßig dahin auszulegen ist, dass sie nicht nur die Unterlassung derartiger Handlungen, sondern auch die Vornahme möglicher und zumutbarer Handlungen zur Beseitigung des Störungszustands umfasst, stellte sich der gewünschte Fortbildungseffekt ein und das Amtsgericht Nienburg berücksichtigte diese bislang nicht bekannte BGH-Rechtsprechung im Wege der Abhilfe.

Nach erneuter Prüfung der Sach- und Rechtslage war das Gericht nunmehr der Auffassung des Antragstellers, dass auch das bloße Unterlassen der Löschung eines beleidigenden Kommentars auf Facebook einen Verstoß gegen das Verbot des Urteilstenors "im Internet zu behaupten, der Kläger sei Mitglied einer Betrügergruppe" darstellt. "Auch wenn sich dieses Ergebnis nicht unmittelbar - wie im angefochtenen Beschluss ausgeführt - aus dem Wortlaut des Tenors des Urteils vom 04.01.2017 zu ergeben scheint, folgt es letztlich doch aus Sinn und Zweck dieser Untersagung, künftige Diffamierungen des Antragstellers durch die Antragsgegnerin in den sozialen Medien des Internets zu vermeiden. Dies geschieht nicht nur durch Wiederholung ausdrücklich untersagter Äußerungen, sondern vorliegend mangels entgegenstehender Anhaltspunkte auch durch Aufrechterhaltung entsprechender bereits in der Vergangenheit getätigter Aussagen, die nicht gelöscht werden (vgl. nur BGH, Urteil vom 19.11.2015, Gesch.Nr. l ZR 109/14, bei Juris Rn. 34)."   

Freitag, 19. Februar 2016

Zentrales Gewerberegister zur Erfassung und Registrierung USt-IdNr.

Sie lieben es, amtlich wirkende Formulare auszufüllen, Ihre Firmendaten an überflüssige Internetbuden zu übermitteln und die deutsche Bürokratie hat Ihnen als Kleinunternehmer sämtliche Abwehrkräfte geraubt, so dass Sie bereit sind, jeden Blödsinn mitzumachen, nur um sich der Illusion hinzugeben, irgendwann einmal Ordnung auf dem mit lästigem Papier überhäuften Schreibtisch schaffen zu können? Dann sind Sie der Kandidat für ein Zentrales Gewerberegister zur Erfassung und Registrierung inkl. Umsatzsteueridentifikationsnummern, das von der DR Verwaltung AG, Siemensstraße 36, 53121 Bonn auf einem mit Liebe gestaltetem Formular auch Zentrales Gewerberegister zur Erfassung inkl. USt-IdNr. genannt wird und das durch den auf dem Eintragungsformular verwendeten Doppeladler signalisiert, Albanien näher zu sein als Deutschland.

Wahrscheinlich haben die Jungs der DR Verwaltung AG das Grundsatzurteil des BGH vom 26. 7. 2012 zum Az.: VII ZR 262/11 auch gelesen, in welchem ausgesprochen wurde, dass wenn eine Leistung (Grundeintrag in ein Branchenverzeichnis im Internet) in einer Vielzahl von Fällen unentgeltlich angeboten wird, eine Entgeltklausel, die nach der drucktechnischen Gestaltung des Antragsformulars so unauffällig in das Gesamtbild eingefügt ist, dass sie von dem Vertragspartner des Klauselverwenders dort nicht vermutet wird, gemäß § 305c Abs. 1 BGB nicht Vertragsbestandteil ist und bei der Formulargestaltung versucht, sich nicht an den Kriterien des BGH messen lassen zu müssen.

Daher wird, wenn auch kleindgedruckt, im Formular der DR Verwaltung AG darauf hingewiesen, dass die Erfassung der Unternehmensdaten unter www.ustid-nr.de eine nicht amtliche, kostenpflichtige Eintragung ist, die von der DR Verwaltung AG angeboten wird und bislang keinerlei Geschäftsbeziehung bestünde. Wer überlicherweise nur das Eingangsblabla seines Steuerbescheids liest und es gewohnt ist, seine Augen sofort zum wesentlichen Teil eines behördlichen Formulars schweifen zu lassen, könnte nach dem Ausfüllen und Übermitteln des Formulars der DR Verwaltung AG in Zukunft mehr Arbeit haben, als erhofft, wenn er endlich merkt, dass - wie schon im Formular am Ende aufgeführt - der Veröffentlichungsbetrag für das Spaßregister jährlich 398,88 Euro zzgl. MwSt. beträgt und durch die Veröffentlichung der eingetragenen Firmendaten über einen Zeitraum von mindestens zwei Jahren verbindlich bestellt wurde.

Dienstag, 17. September 2013

Thor Steinar - Markenalarm in Hannover

Hannover - Im Stadteil List hat das Modelabel "Thor Steinar" eine Boutique eröffnet, die nicht nur Anwohner und in räumlicher Nähe tätige Gewerbetreibende in hektische Betriebsamkeit versetzt. Schon für den kommenden Samstag haben mehrere antifaschistische Organisationen eine Demo in der List angemeldet. Die Demonstranten wollen ab 11 Uhr vom Lister Platz die Podbielskistraße entlang  bis vor das umstrittene Geschäft ziehen und ihren Protest dort gegen 15 Uhr beenden. Grund: Waren der Marke "Thor Steinar" werden auch nach Ansicht des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen in der öffentlichen Meinung ausschließlich der rechtsradikalen Szene zugeordnet.

Das höchste deutsche Zivilgericht hatte bereits in zwei Urteilen vom 11. August 2010 zu den Aktenzeichen XII ZR 192/08 und XII ZR 123/09 festgehalten, dass der Verkauf solcher Waren zur Folge haben kann, dass eine Liegenschaft in den Ruf gerät, Anziehungsort für rechtsradikale Käuferschichten zu sein und damit ein Ort, an dem - auch aufgrund von Demonstrationen - gewaltsame Auseinandersetzungen zu erwarten sind. Diese mögliche rufschädigende Wirkung sei geeignet, Kunden fernzuhalten und Dritte von dem Abschluss eines Mietvertrages abzuhalten. Im Deutschen Bundestag und einigen Fußballstadien ist das Tragen von Kleidung dieser Marke verboten.

Die Berührungsängste der meisten Hannoveraner in der physischen Welt scheinen die Branchengrößen im Internet dagegen nicht zu teilen. Weder Facebook noch twitter und auch nicht youtube oder Google zeigen Distanz. Sie beherbergen "Thor Steinar" ohne Scheu und generieren Werbeumsätze mit der umstrittenen Marke.


Wie der gerade abgeebbten Diskussion zu der Veröffentlichung von Interviewfragen zum Migrationshintergrund des Bundesministers für Wirtschaft und Technologie, Philipp Rösler, in der taz zu entnehmen war, hatten zahlreiche taz-Abonnenten mit der Kündigung ihres Abonnements wegen der als rassistisch empfundenen Fragestellungen des Interviews gedroht.















Es bleibt abzuwarten, ob die Global Player der virtuellen Welt wegen ihrer Vorgehensweise auch ins Kreuzfeuer ihrer Kunden geraten oder ob im Netz andere Maßstäbe für zeitgemäße Political Correctness angelegt werden. Denn wer mag schon auf Google, youtube, Facebook oder twitter verzichten?

Sonntag, 16. Oktober 2011

Der Bundesvorsitzende der NPD wird diskriminiert


Die Ehefrau des Bundesvorsitzenden der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD), Udo Voigt, buchte 2009 für beide Eheleute einen Aufenthalt im Esplanade-Hotel in Bad Saarow. Trotz anfänglicher Bestätigung wurde die Buchung storniert und auf Nachfrage ein Hausverbot erteilt. Dieses begründete das Esplanade-Hotel damit, dass die politische Überzeugung des NPD-Mannes nicht mit dem Ziel des Hotels zu vereinbaren sei, jedem Gast nach Möglichkeit ein exzellentes Wohlfühlerlebnis zu bieten. Nach zwei erfolglosen Anläufen vor dem Landgericht Frankfurt/Oder – Az.: 12 O 17/10 – Urteil vom 22. Juni 2010 und dem Brandenburgischen Oberlandesgericht – Az.: 1 U 4/10 – Urteil vom 18. April 2011, verlangt der Bundesvorsitzende der NPD den Widerruf des Hausverbots nun zum Az.: V ZR 115/11 vor dem Bundesgerichtshof in Zivilsachen.

Ein Blick in § 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) vom 14. August 2006 scheint Klarheit zu bringen, denn das Ziel des Gesetzes ist es, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.

Da nach § 2 AGG auch der Zugang zu Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, erfasst wird, verfestigt sich die Vorahnung eines erfolgreichen Vorgehens des NPD-Vorsitzenden beim Bundesgerichtshof.

Erst ein Blick in § 19 AGG, der das zivilrechtliche Benachteiligungsverbot ausdrücklich regelt, läßt die Befürchtung entschwinden, dass das höchste deutsche Zivilgericht am kommenden Freitag gar nicht anders könne, als dem Anliegen des Parteivorsitzenden nachzukommen, denn nur eine Benachteiligung aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, wegen des Geschlechts, der Religion, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität bei der Begründung, Durchführung und Beendigung zivilrechtlicher Schuldverhältnisse, die typischerweise ohne Ansehen der Person zu vergleichbaren Bedingungen in einer Vielzahl von Fällen zustande kommen (Massengeschäfte) oder bei denen das Ansehen der Person nach der Art des Schuldverhältnisses eine nachrangige Bedeutung hat und die zu vergleichbaren Bedingungen in einer Vielzahl von Fällen zustande kommen, ist verboten.

Damit fehlt aber in § 19 AGG - anders als in § 1 AGG zunächst aufgeführt - für den Schutz im Zivilrechtsverkehr das Antidiskriminierungsmerkmal "Weltanschauung". Jedenfalls nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz durfte das Esplanade-Hotel den Bundesvorsitzenden der NPD wegen seiner politischen Ausrichtung diskriminieren und die Verweigerung seiner Beherbergung ausdrücklich auf dessen politische Ansicht stützen. Dass Türsteher von Diskotheken oder Gaststätten sich dieser juristischen Feinheit bedienen, um dunkelhäutige Mitmenschen etwa wegen einer am Revers getragenen Anti-Atomkraft-Plakette den Zutritt zu einem Lokal zu verweigern, hat der Gesetzgeber bei der Verabschiedung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes offenbar nicht befürchtet.

Nachtrag: Bundesgerichtshof in Zivilsachen, Urteil des V. Zivilsenats vom 9.3.2012 - V ZR 115/11 -

Dienstag, 22. März 2011

Sag` zum Abschied leise "Scheiße": Top-Kanzlei im Markenrecht verpasst Frist - Sachsen-Anhalt verzichtet auf Marken zur "Himmelsscheibe von Nebra"


Die Kanzlei zählt zu den größten Anwaltskanzleien in Deutschland, die auf geistiges Eigentum spezialisiert sind und ist mit "ausgewiesenen Experten auf dem Gebiet des Marken- und Patentrechts" besetzt. Obwohl die Sozietät unter "Wettbewerbern und Mandanten einen hervorragenden Ruf" genießt, ist es den Bevollmächtigten des Landes Sachsen-Anhalt nicht gelungen, die Beschwerdegebühren im Streit um die drei Marken "Himmelsscheibe von Nebra" fristgerecht einzuzahlen.

Die Anwälte der Himmelsscheibenwächter aus Magedeburg hatten am letzten Tag der Beschwerdefrist gegen die Löschungsentscheidungen des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 27.09.2010 zu den Aktenzeichen 302 50 476 - S 211/09 Lösch, 305 07 066 - S 216/09 Lösch und 305 06 901 — S 217/09 Lösch jeweils eine Einzugsermächtigung für die "amtliche Gebühr in Höhe von EUR 200,-" erteilt.

Tatsächlich beträgt die amtliche Gebühr - wie in der Rechtsmittelbelehrung der Beschlüsse des DPMA ausdrücklich genannt - jedoch EUR 500,-. Da ein zahlenmäßig bestimmter Geldbetrag nicht auslegungsfähig ist und eine automatische Korrektur von zu niedrig angegebenen Beschwerdegebühren beim DPMA nicht erfolgt, war die korrekte Einzugsermächtigung über EUR 500,- am Folgetag - nach Bemerken des Fehlers - verspätet.

Auch der immerhin 18 Seiten lange Antrag der Markenspezialisten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen eines "Versehens" erschien aussichtslos, denn das Bundespatentgericht hatte in einem sehr ähnlich gelagerten Fall sorgsam und lesenswert begründet auch keine Wiedereinsetzung gewährt. Auf diesen Beschluss des Bundespatentgerichts vom 06.08.2003 zum Az.: 19 W (pat) 40/03 wies das Deutsche Patent- und Markenamt deshalb auch ausdrücklich hin.

Schliesslich erklärte das Land Sachsen-Anhalt seinen Verzicht auf die drei Marken, im Tonfall souverän, wie folgt: "Der Markeninhaber hat sich daher dazu entschieden, seine Rechte an der vorbezeichneten Marke - ohne Präjudiz - nicht weiterzuverfolgen, da der Streit darüber angesichts des bestehenden verwandten Schutzrechts nach § 71 UrhG, das Nachbildungen der Himmelsscheibe von Nebra ohne Zustimmung des Landes Sachsen-Anhalt ohnehin verhindert, müßig erscheint."

Umfangreiche Schriftsätze auf Stundenhonorarbasis im Löschungsverfahren und der ausführliche Wiedereinsetzungsantrag lassen durchaus andere Rückschlüsse zu. Das ein dem angeblichen Rückzugsmotiv Sachsen-Anhalts zu Grunde liegendes Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 19. April 2005 zum Az.: 5 W 32/05 zu § 71 UrhG seit der Motezuma-Entscheidung des BGH vom 22.01.2009 zum Az.: I ZR 19/07 überholt sein dürfte, lässt ebenfalls tief blicken.

Um in Zukunft mit Hilfe des Steuerzahlers dennoch Lizenzgebühren von denjenigen eintreiben zu können, die handgefertigte Nachbildungen des weltweit bekanntesten archäologischen Fundstücks der Bronzezeit anbieten, soll nach der Löschung der drei nationalen Marken das "Raubrittermodell Himmelsscheibe" nun auf ganz Europa ausgedehnt werden. Denn einhergehend mit dem nahenden Untergang der deutschen Marken wurden einfach drei identische Bildmarken (009533423, 009763392 und 009763475) beim Amt der Europäischen Union für die Eintragung von Marken und Geschmacksmustern in Alicante angemeldet. Mit drei leckeren EU-Marken könnten Abmahnungen den Hunger der nimmersatten Himmelsscheibenwächter bald europaweit stillen.

Dienstag, 31. August 2010

Das Spiel ist aus, Herr Tauss!


Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs in Strafsachen (BGH) hat die Revision von Jörg Tauss ohne mündliche Verhandlung im Beschlussverfahren verworfen. Die Bundesanwaltschaft hatte beantragt, die Revision als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen. Das Landgericht Karlsruhe hatte den Angeklagten unter anderem wegen des Sichverschaffens kinder- und jugendpornographischer Schriften in 95 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt und die Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Nach den Feststellungen des Landgerichts hatte der Angeklagte, der im Tatzeitraum Mitglied des Deutschen Bundestages war, Kontakt zu mehreren Personen aus der Kinderpornographieszene, an die er mittels seines Mobiltelefons Bild- und Videodateien mit kinder- und jugendpornograhischen Inhalten versandte und von denen er solche Dateien auch per Mobiltelefon erhielt. Bei einer Durchsuchung seiner Wohnung konnten zudem weitere Bild- und Videodateien sowie drei DVDs mit kinder- und jugendpornographischen Inhalten, die der Angeklagte in der Innentasche eines in seinem Schrank hängenden Jacketts bzw. in der hinteren Reihe eines zweireihig bestückten Bücherregals aufbewahrt hatte, sichergestellt werden.

Jörg Tauss ist damit ein rechtskräftig verurteilter Sexualstraftäter. Das Verfahren ist beendet und das Gejammer hoffentlich auch.

Mittwoch, 11. August 2010

Google Street View: Massenhafter Verstoss gegen das Urheberrecht wegen unerlaubter Vervielfältigung und Verbreitung von Bauwerken?


Bei der Ablichtung und Veröffentlichung von Bauwerken durch Google in Deutschland stellt sich die Frage, ob diese Vervielfältigung und Verbreitung von Bauwerken urheberrechtlich zulässig ist, da die Fotos von einer Kamera auf einem langen Stativ, welches wiederum auf einem Fahrzeug fixiert ist, gemacht werden. Die Kamerasicht ist daher eine besondere Perspektive, die dem gewöhnlichen Passanten nicht zugänglich ist.

Mit der sogenannten Panoramafreiheit des § 59 Abs. 1 UrhG als Schrankenbestimmung für urheberrechtliche Ansprüche von Architekten bezüglich der von ihnen geschaffenen Bauwerke, trägt das Urheberrechtsgesetz zwar dem Interesse der Allgemeinheit an der Freiheit des Straßenbildes Rechnung, weil Werke, die sich dauernd an öffentlichen Straßen oder Plätzen befinden, Gemeingut geworden sind und daher fotografiert und verbreitet werden dürfen.

Durch die Schrankenbestimmung des § 59 Abs. 1 UrhG werden aber nur solche Aufnahmen von urheberrechtlich geschützten Bauwerken privilegiert, die den Blick von der öffentlichen Straße oder dem öffentlichen Platz aus wiedergeben, an denen sich das fragliche Bauwerk befindet.

In der sogenannten Hundertwasser-Haus-Entscheidung des BGH vom 05.06.2003, Az.: I ZR 192/00 hat das höchste deutsche Zivilgericht dann auch ausgeführt, dass es vom Zweck der gesetzlichen Regelung des § 59 Abs. 1 UrhG nicht mehr gedeckt sei, wenn mit dem Mittel der Fotografie der Blick auf ein Bauwerk von einem für das allgemeine Publikum unzugänglichen Ort aus fixiert werden soll. Es bestehe nach dem Sinn der gesetzlichen Regelung keine Notwendigkeit, eine Darstellung oder Aufnahme vom urheberrechtlichen Ausschließlichkeitsrecht auszunehmen, die eine aussergewöhnliche Perspektive darstellt.