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Montag, 15. Februar 2021

Zweites Versäumnisurteil und Berufung

Wer einmal nicht zur mündlichen Verhandlung erscheint, kassiert in der Regel ein Versäumnisurteil, wenn die Klage schlüssig ist. Anschließend kann sich derjenige, gegen den das Versäumnisurteil gerichtet ist, mit einem Einspruch gegen das Versäumnisurteil zur Wehr setzen, § 338 ZPO. Erfolgt kein Einspruch, wird das Versäumnisurteil rechtskräftig, § 514 ZPO. Schwieriger wird es für denjenigen, der in der gleichen Sache zum zweiten Mal die mündliche Verhandlung verpasst, denn dann hilft der Einspruch nicht.

Erscheint eine Partei nach rechtzeitigem Einspruch gegen das erste Versäumnisurteil erneut nicht zur mündlichen Verhandlung über den Einspruch oder erscheint sie, ist aber nicht ordnungsgemäß vertreten oder verhandelt nicht, hat das Gericht nur noch die Voraussetzungen der wiederholten Säumnis, insbesondere die ordnungsgemäße Ladung zum Termin, zu prüfen, bevor es nach § 345 ZPO den Einspruch durch ein zweites Versäumnisurteil zu verwerfen hat. Dann hilft dem zum zweiten Mal nicht Erschienenen nur noch die Berufung gegen das zweite Versäumnisurteil.

Die Berufung gegen ein zweites Versäumnisurteil ist aber nur insoweit statthaft, als sie darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung des zweiten Verhandlungstermins nicht vorgelegen habe, § 514 Abs. 2 Satz 1 ZPO. Von der Schlüssigkeit der Darlegung dazu hängt die Zulässigkeit der Berufung ab. Der vorgetragene Sachverhalt, der danach die Zulässigkeit der Berufung rechtfertigen soll, muss in der Berufungsinstanz abschließend vorgetragen und darf in der Revisionsinstanz nicht ergänzt werden.

Denn wenn die Berufung gegen ein zweites Versäumnisurteil anschließend verworfen wird, bleibt immerhin noch die Rechtsbeschwerde als letztes Mittel. Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO mögliche Rechtsbeschwerde ist aber nur erfolgreich, wenn die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO, die auch bei einer Rechtsbeschwerde gegen einen die Berufung als unzulässig verwerfenden Beschluss gewahrt sein müssen, erfüllt sind. Schließlich kann die Rechtsbeschwerde gem. § 576 ZPO nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf der Verletzung des Bundesrechts oder einer Vorschrift beruht, deren Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Oberlandesgerichts hinaus erstreckt.

Donnerstag, 23. Juli 2020

Turboquerulantin - Stuhlurteil

Rechtsanwalt und Fachanwalt für IT-Recht, Ralf Möbius LL.M. und Alfred Boecker Comte de Montfort l’Amaury, Duc de Bretagne vor dem Amtsgericht Gelsenkirchen
Mit Spannung war gestern die mündliche Verhandlung vor dem Amtsgericht Gelsenkirchen erwartet worden, in welcher sich die Turboquerulantin auf der einen und Alfred Boecker Comte de Montfort l’Amaury, Duc de Bretagne auf der anderen Seite gegenüber standen. Wieder einmal bemühte sich der Vertreter des angesehenen Adelshauses darum, die unzulässigen Kommentare seiner Widersacherin aus Niedersachsen aus deren Twitter-Account entfernen zu lassen, wonach er für Straftaten wie üble Nachrede und Verleumdung verantwortlich sei.

Wer den Ehrenkodex des Comte de Montfort aus Hagen kennt, weiß, dass derartigen Vorwürfen nicht ein Hauch von Wahrheit inne wohnt. Denn im Gegensatz zu Prince Andrew Albert Christian Edward, Duke of York oder Ernst August Prinz von Hannover, Herzog zu Braunschweig und Lüneburg, Königlicher Prinz von Großbritannien und Irland, ist es für den nordrhein-westfälischen Edelmann eine Selbstverständlichkeit seines persönlichen Stils, nicht in Kreisen zu verkehren, die dem Ruf des Adelshauses abträglich sein könnten oder sich öffentlich als Unruhestifter zu präsentieren.

Dennoch begann die mündliche Verhandlung mit einem Paukenschlag, als die Turboquerulantin den Adelsspross mit einer Widerklage auf Schadensersatz und Schmerzensgeld in die Defensive drängen wollte, um den Prozess doch noch zu ihren Gunsten entscheiden zu können. Tatsächlich stand für einen kurzen Moment die Frage nach einer umfangreichen Beweisaufnahme im Raum, wenn es der blonden Prozesshaubitze gelungen wäre, ihre Anspruchsgrundlage zu präzisieren und bezifferte Anträge zu stellen. Glücklicherweise verwies das Gericht jedoch auf den Umstand, das Gerichtskosten für die Widerklage bislang nicht eingezahlt wurden und dass insoweit nicht verhandelt werden würde.

Nachdem die Vorsitzende unserem Turbilein die Möglichkeit gab, in einer Unterbrechung der Verhandlung den erforderlichen Gerichtskostenvorschuss für die Widerklage einzuzahlen und sich daraufhin die freche Phrase "von mir sieht das Gericht keinen Cent" anhören musste, zeichnete sich ein schneller Prozesserfolg für den von uns vertretenen Edelmann ab. Nach der Stellung der Anträge verzichtete das Gericht sogar auf die Anberaumung eines besonderen Verkündungstermins und entschied nach Schluss der mündlichen Verhandlung umgehend durch ein sogenanntes "Stuhlurteil" im Sinne des § 310 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 ZPO.

Das Ergebnis des Prozesses war zu diesem Zeitpunkt keine Überraschung mehr und wieder einmal knallten in Deutschland und Frankreich die Sektkorken, weil es uns abermals gelungen war, die blütenweiße Weste unseres Mandanten Comte de Montfort l’Amaury rein zu halten und einen weiteren hinterhältigen Angriff auf das berühmte Adelshaus abzuwehren. Das zu erwartende Urteil in der Hauptsache dürfte nicht wesentlich anders aussehen, als das im vorangegangenen Verfügungsverfahren erlassene Versäumnisurteil. Natürlich wird ein kurzer Hinweis auf das vollständig begründete Urteil für unsere Leser erfolgen, wenn dies wie gewohnt veröffentlicht wurde.

Sonntag, 27. Mai 2018

Amtsgericht Gelsenkirchen: Hund hat Persönlichkeitsrechte

Für große Aufmerksamkeit unter Tierfreunden sorgt derzeit eine Entscheidung des Amtsgerichts Gelsenkirchen vom 15.05.2018 zum Az.: 405 C 177/18, das die öffentliche Berichterstattung über einen Hund verboten hatte, sofern die Äußerung Rückschlüsse auf dessen Identität zulässt.

Bislang wurde in der bundesdeutschen Judikatur lediglich darüber diskutiert, ob es für Tierhalter ein Recht am Bild des eigenen Tieres gebe, das sich eventuell aus den Persönlichkeitsrechten des Eigentümers herleiten ließe. Nach § 90a BGB sind Tiere nämlich keine Sachen und werden durch besondere Gesetze geschützt. Allerdings sind auf Tiere die für Sachen geltenden Vorschriften nur dann entsprechend anzuwenden, soweit nicht etwas anderes bestimmt ist.

Ohne anderweitige Bestimmungen kann man daher davon ausgehen, dass die Anfertigung von Fotografien fremder Hunde und deren nichtgewerbliche Veröffentlichung allgemein zulässig ist. Jedenfalls gilt dies dann, wenn das Tier frei zugänglich ist und die Anfertigung der Fotografien somit ohne Eingriff in das Hausrecht oder die Privatsphäre des Eigentümers des Gegenstandes möglich ist. Es gibt in Anlehnung an § 22 KunstUrhG kein Recht am Bild der eigenen Sache und damit entsprechend auch kein Recht am Bild des eigenen Hundes. Denn die Herstellung von Abbildungen eines Hundes greift in keiner Weise in das Recht des Eigentümers zum Besitz und zur Benutzung seines Hundes ein. Ein individuelles Tierrecht am eigenen Bild ist ebenfalls nicht ersichtlich.

Obwohl damit bislang einhellige Meinung war, dass selbst die Fotografie eines fremden Tieres nicht in die Rechte des Eigentümers und auch nicht in die Rechte des Tieres eingreift, ist das Amtsgericht Gelsenkirchen nunmehr noch einen Schritt weiter gegangen und hat grundsätzlich sogar die Berichterstattung über einen Familienhund untersagt, sofern dieser durch Namen, Daten oder Abkürzungen identifizierbar ist. Damit hat es dem Hund ein Persönlichkeitsrecht zuerkannt, der im bundesdeutschen Zivilrecht bisher nur für Personen bekannt ist. In der juristischen Fachwelt wird darüber gerätselt, auf welche Rechtsgrundlage das Amtsgericht Gelsenkirchen den Schutz der Persönlichkeit des Hundes stützt. Einigkeit herrscht allerdings darüber, dass sich dieser Schutz nur aus den in § 90a BGB genannten besonderen Gesetzen in Verbindung mit § 1004 Abs. 1 BGB analog ergeben kann. Dazu gehört etwa das Tierschutzgesetz, welches natürlich auch im Hunderecht einschlägig ist.

Weil es sich bei dem Urteil des Gerichts nur um ein Versäumnisurteil handelt, liegen bislang leider keine Entscheidungsgründe vor und es muss erst der endgültige Ausgang des Verfahrens abgewartet werden, um die Entscheidung des Amtsgerichts Gelsenkirchen aus tierrechtlicher Sicht abschließend bewerten zu können. Der einschlägige Tenor des Urteils liegt jedoch schon im Originaltext vor und lautet wie folgt: "Der Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, sich über die Klägerin, ihre Familie (Mutter, Vater, Schwester, Kinder, Hund), ihre Geschichte unter Nennung ihres Namens/Daten/Abkürzungen, unter Nutzung öffentlich zugelassener Beiträge/Kommentare von der Klägerin (bei facebook oder dergleichen) oder in anderer Weise, die geeignet sind, Rückschlüsse auf die Identität zuzulassen, öffentlich zu äußern."

Anfragen zum Urteil beantwortet das nordrheinwestfälische Ministerium der Justiz unter der Telefonnummer 0211 8792-255 oder -464 oder per E-Mail via pressestelle@jm.nrw.de

Dienstag, 24. März 2015

Fachanwalt für Verzögerungsrecht

Bald ist wieder Freitag und es steht ein Gerichtstermin an, der vorher bereits mehrfach verlegt wurde und am Ende in einem Versäumnisurteil mündete, weil das Gericht den Verlegungsanträgen des gegnerischen Anwalts nicht mehr folgen mochte. An einem anderen Gericht wird dem Kollegen nur noch mit Postzustellungsurkunde zugestellt, weil die Empfangsbekenntnisse nicht zurück kommen. Sozusagen ein Fachanwalt für Verzögerungsrecht. Eine Kostprobe der Fantasie des Kollegen, die beim Landgericht Hamburg nicht auf fruchtbaren Boden fiel, möchte ich der Leserschaft nicht vorenthalten:

"Viel schwerer wiegt aber, daß der Unterfertigte seiner 93-jährigen demenzkranken Großmutter einen dingend notwendigem Besuch versprochen hat. Die Umkehr wäre für sie, die mittlerweile verwitwet alleine in der Schweiz lebt nicht tragbar. Ein anderer Besuchstermin ist in naher Zukunft wegen Taufe meiner Tochter und Hochzeiten nicht denkbar. Auch wurde für den. Freitag Abend ein Termin mit dem Verwalter der Vermögensachen meiner Großmutter vereinbart."

Natürlich hat der Kollege Einspruch eingelegt, diesen nicht fristgerecht begründet, es aber geschafft, den darauf folgenden Termin wegen Krankheit erneut verlegen zu lassen. Bei der neuen Terminsladung hat das Gericht nun darauf hingewiesen, dass eine abermalige Verlegung grundsätzlich nicht in Betracht käme. Nun ist immer noch keine Begründung für den Einspruch eingegangen und damit sind vier Schriftsätze von uns unbeantwortet geblieben. Ich bin gespannt, was dem Kollegen für den kommenden Freitag einfällt, Wenn er es erneut schafft, den Termin zu verschieben, verkünde ich nur noch seinen Verlegungserfolg und lasse ihn in meinem Blog zukünftig in Ruhe. Versprochen.

Montag, 6. Mai 2013

Tatbestandsquetsche

Es ist ja noch nicht lange her und ich war fest davon überzeugt, dass das Landgericht Mannheim mit seiner lieblos kurzen und falschen Begründung für lange Zeit seinen Spitzenplatz in meiner Hitliste schlechter Urteile verteidigen würde. Ich erinnere mich noch genau an meine empörte Reaktion beim Lesen des Mannheimer Urteils, die dann zu einer ehrlichen Überschrift beim Schreiben geführt hatte.

Diesmal war es anders - das Landgericht Lüneburg hat mich zum Lachen gebracht. In einem Prozess um Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall hatten wir nach unechtem Versäumnisurteil und gerichtlichem Hinweisbeschluss bezüglich der Aktivlegitimation erst in der zweiten mündlichen Verhandlung eine am Vortag von Zedent und Zessionar unterzeichnete und datierte Abtretungserklärung eingereicht. Verspätung hätte insoweit keine Rolle spielen dürfen - dachte ich.

Die klassische Sachverhaltsquetsche des unbedarften Rechtsreferendars kultiviert das Landgericht Lüneburg nun in Form der Tabestandsquetsche als Grundlage für eine schlanke Klageabweisung:

"Im Termin vom 16.04.2012 überreichte der Kläger eine  - undatierte - Abtretungserklärung" und ferner "Selbst wenn man die erst im Einspruchstermin vorgelegte Abtretungserklärung als „Angriffsmittel“ bzw. als Erfüllung der Auflage gemäß Ziffer 1 des Beschlusses vom 12.12.2012 ansehen würde, ist dieses nicht zuzulassen, denn die Zulassung würde den Rechtsstreit verzögern. Es müssten nämlich in einem neuen Termin Zeugen vernommen werden, die ansonsten bereits zum Termin am 16.04.2013 geladen worden wären. Eine Entschuldigung für seine Verspätung hat der Kläger auch nicht vorgebracht, so dass das Versäumnisurteil vom 19.02.2013 aufrechtzuerhalten ist."

Und ich hatte dem Mandanten gesagt, dass es nach Vorlage der datierten Abtretungserklärung nur einen Beweisbeschluss geben könne ....