Montag, 27. Januar 2020

beA - unerwarteter Fehler

Meine aktuellen Erfahrungen mit dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA) muss ich leider als katastrophal bewerten. Seit mindestens zwei Wochen scheint es ein echtes Glücksspiel zu sein, das eigene Postfach öffnen zu können. Nach der ersten PIN-Eingabe kommt regelmäßig die Aufforderung, die PIN zum zweiten Mal einzugeben und anschließend die Meldung "Fehler Der Server ist nicht erreichbar." Wenn man dieses Spielchen mit viel Geduld sieben oder zehn Mal wiederholt, kann es passieren, dass man nach der zweiten PIN-Eingabe in seinem Postfach landet. Das muss aber nicht so sein und es ist natürlich unzumutbar, 10 bis 15 Minuten zu versuchen, sein Postfach zu öffnen. Manchmal glaubt man, es geschafft zu haben und es erscheint: "Fehler Falscher Schlüssel ausgewählt. Bitte versuchen Sie es erneut."

Das Problem geht auch nicht vom Lesegerät, der Internetverbindung oder gar dem jeweiligen Computer aus. Diese Komponenten sind technisch in Ordnung, denn auch bei Wechsel der Hardware bleibt das Problem bestehen. Da ich über zwei Karten verfüge und das Problem bei beiden Karten gleichsam auftritt, ist auch ein Defekt an den Karten auszuschließen. Immerhin gelingt es ja ab und an, den Zugriff auf das beA zu bekommen und wegen der Aufforderung und Eingabe der ersten PIN ist der Server auch nicht grundsätzlich unerreichbar. In der vergangenen Woche konnte der Server an mehreren Tagen teilweise gar nicht erreicht werden und es erfolgte keinerlei Kommunikation zwischen Lesegerät und Computer sowie dem Postfach. Am Montag den 20.01.2020 gelang es mir noch, nach etwa 15 Versuchen mein Postfach zu erreichen und es erschien dann die für mich ganz neue Meldung "unerwarteter Fehler".

Eine ehrliche Einschätzung. Ich hatte erwartet, die üblichen Fehlermeldungen zu bekommen. Im Postfach dann nicht navigieren zu können, war tatsächlich ein "unerwarteter Fehler". Derzeit ist es jedenfalls Standard, mehrfach erfolgreich die erste PIN einzugeben und nach Eingabe der zweiten PIN immer wieder zu scheitern. Mit Glück kann es im Laufe des Tages gelingen, eine Verbindung zu bekommen. Dass ich nun zwischen erwarteten Fehlern und unerwarteten Fehlern unterscheiden darf und die Nichterreichbarkeit des beA keine Überraschung mehr ist, bewerte ich als Trauerspiel.           

Donnerstag, 23. Januar 2020

Das beidbeinig amputierte Sicherheitsrisiko

Im Moment beschäftige ich mich ein wenig damit, unter welchen Umständen ein Geisteskranker hinter Gitter gebracht werden kann und bin in diesem Rahmen auf § 455 Abs. 4 StPO gestoßen, wonach die Vollstreckung unterbrochen werden kann, wenn der Verurteilte in Geisteskrankheit verfällt, wegen einer Krankheit von der Vollstreckung eine nahe Lebensgefahr für den Verurteilten zu besorgen ist oder wenn der Verurteilte sonst schwer erkrankt und die Krankheit in einer Vollzugsanstalt oder einem Anstaltskrankenhaus nicht erkannt oder behandelt werden kann und zu erwarten ist, dass die Krankheit voraussichtlich für eine erhebliche Zeit fortbestehen wird.

Es gibt also für Geistesgestörte nicht nur die Möglichkeit, wegen ihrer Krankheit in den Knast zu gelangen, sondern auch die Chance, wegen dieser oder einer anderen Krankheit wieder herauszukommen. Das ist doch mal ein schöner Hinweis, der für den einen oder anderen Knacki eine echte Perspektive bietet. Bei einer Einweisung oder Verurteilung gibt es also noch die Möglichkeit, der Justiz durch das Hintertürchen "Krankheit" zu entwischen. Bei der heutzutage oft als Kuscheljustiz belächelten Judikative sollte es daher für besonders pfiffige Rechtsbrecher immer eine Möglichkeit geben, dem Knast lebewohl zu sagen. Weltfremde Gutmenschen in Robe sind bisweilen bereit, die Anliegen von Rechtsbrechern besonders wohlwollend zu betrachten, wenn man die Rechtsprechung einiger Gerichte aufmerksam verfolgt. Insbesondere Amtsrichter scheinen Angst vor Verantwortung zu haben und vermeiden daher oft konsequente Entscheidungen. 

Doch es geht auch anders, insbesondere, wenn Staatsanwaltschaften das Sagen haben. Sogar wenn die Haftanstalt selbst um die Entlassung eines Gefangenen bittet, muss die Staatsanwaltschaft als zuständige Vollstreckungsbehörde nicht unbedingt mitspielen, wenn sich der Entlassungskandidat im Vorfeld über Jahre hin als unbelehrbar und justizresistent erwiesen hat. Als hartgesottener Querulant scheint ein ehemaliger Kollege Entscheidungsträger in Deutschland dermaßen gegen sich aufgebracht zu haben, dass man ihn im wahrsten Sinne des Wortes lieber im Knast verfaulen lässt, als dem Antrag auf Unterbrechung der Strafvollstreckung durch die Justizvollzugsanstalt Brandenburg und des Politquerulanten trotz drohender Lebensgefahr nachzukommen. Ein Unterschenkel hatte bereits amputiert werden müssen, der zweite Fuß faulte vor sich hin. Der Ablehungsbescheid der Staatsanwaltschaft München II könnte dem Drehbuch eines Film noir ohne Altersfreigabe entstammen:         

"Mit Schreiben vom 6. November 2018 beantragte die JustizvollzugsanstaH Brandenburg die Unterbrechung der Haft gemäß § 455 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 StPO wegen Vollzugsuntauglichkeit. Bei dem Verurteilten lagen "multimorbide Krankheiten" vor, die aufgrund des hohen Alters des Verurteilten sowie der vorliegenden akuten Erkrankung und des zu erwartenden Verlaufs eben dieser jederzeit zu akuten Komplikationen würden führen können, die in der Krankenabteilung der Justizvollzugsanstalt nicht behandelbar wären und durchaus lebensbedrohlich werden könnten. Auszuschließen sei auch nicht die Amputation des zweiten Unterschenkels, wobei die daraus resultierende Pflege nur in einem Krankenhaus außerhalb der Anstalt möglich wäre. Aus medizinischer Sicht sei der Verurteilte nicht mehr haftfähig.

Diesem Antrag der Vollzugsanstalt hat sich der Verurteilte mit Schreiben seines Verteidigers vom 5. November 2018 angeschlossen. Der Verurteilte befindet sich seit dem 25. Oktober 2018 auf der externen Bettenstation B1 am Städtischen Klinikum in Brandenburg an der Havel, wo zunächst eine bakterielle Lungenentzündung diagnostiziert und in der Folge antibiotisch behandelt wurde. Hierdurch konnte zunächst eine Stabilisierung des Verurteilten erreicht werden. Problematischer gestaltet sich die Behandlung der fortschreitenden Durchblutungsstörung im rechten Fuß. Insoweit haben sich hier weitere Nekrosen gebildet, die in letzter Konsequenz die Amputation des Unterschenkels erforderlich machen, die von dem Verurteilten jedoch verweigert wird. In den letzten Tagen hat sich der Gesundheitszustand des Verurteilten drastisch verschlechtert Der Verurteilte ist derzeit nicht mehr In der Lage aufzustehen, ist schläfrig und bekommt Morphin gegen die Schmerzen. Gleichwohl kommt eine Unterbrechung der Haft nicht in Betracht." Staatsanwaltschaft München II, Az.: 11 VRs 42142/17, Bescheid vom 22. November 2018.

Da der Gefangene zum Zeitpunkt des Antrags bereits 83 Jahre alt war, befasste sich die Staatsanwaltschaft sogar mit einer palliativen Betreuung in der letzten Lebensphase des Häftlings. Es sei nicht ersichtlich, dass die weitere Behandlung des Verurteilten in medizinischer Hinsicht hinter der Behandlung zurückbleiben müsse, die er außerhalb des Strafvollzuges erhalten würde. Dass die Bettenstation der Justizvollzugsanstalt von ihrer Anlage her nicht auf eine palliative Betreuung ausgerichtet sei und daher eine Verlegung in ein Hospiz oder die häusliche Umgebung aus Sicht der Anstalt wünschenswert wäre, rechtfertige keine Unterbrechung der Strafvollstreckung. Von einer Kuscheljustiz kann wohl nicht die Rede sein, wenn bei einem (mittlerweile) beidbeinig amputierten Greis die Unterbrechung der Vollstreckung wegen eines überwiegenden öffentlichen Sicherheitsinteresses abgelehnt wird. Da sich der gefährliche Delinquent nicht durch Gewalttaten ausgezeichnet hat, sondern durch verbotene Äußerungen, ist die Begründung der Staatsanwaltschaft juristisch nachvollziehbar. Horst Mahler würde seine verbotenen Ansichten in Freiheit wohl bis zum letzten Atemzug verbreiten.

Mittwoch, 22. Januar 2020

Schuldunfähigkeit

Nach dem Gesetz handelt ohne Schuld, "wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung oder wegen Schwachsinns oder einer schweren anderen seelischen Abartigkeit unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln."

Ob ein Delinquent bei seinen Taten schuldunfähig war, lässt sich in der Regel mit einem psychiatrischen oder forensisch-psychologischen Gutachten belegen. Zunächst wird auf Anweisung eines Gerichts von einem spezialisierten Gutachter untersucht, ob der Betroffene an einer krankhaften seelischen Störung, einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung, Schwachsinnigkeit oder einer schweren anderen seelischen Abartigkeit leidet. Es gibt neben dem Schwachsinn also durchaus auch andere seelische Abartigkeiten, allerdings lässt sich das Merkmal des Schwachsinns etwas genauer eingrenzen, weil es dabei um die Intelligenz des Täters geht. Als Schwachsinn werden Abstufungen angeborener Intelligenzschwäche ohne nachweisbare Ursache bezeichnet während Intelligenzschwächen, die im Zuge einer Krankheit entstehen, dem Kriterium der krankhaften seelischen Störung zugeordnet werden.

Für die Feststellung einer geistigen Behinderung wird auf den Intelligenzquotienten (IQ) abgestellt. Der Intelligenzquotient (IQ) ist eine entscheidende Größe zur Bewertung des allgemeinen intellektuellen Leistungsvermögens einer Person, wobei der durchschnittliche IQ der Bevölkerung auf 100 festgelegt wurde. Bei Gutachten zur Ermittlung eines unterdurchschnittlichen intellektuellen Leistungsvermögens wird zwischen leichter geistiger Behinderung (IQ 50 bis 69), einer mäßigen geistigen Behinderung (IQ von 35 bis 49), einer schweren geistigen Behinderung (IQ 20 bis 34) und einer schwersten geistigen Behinderung (IQ unter 20) unterschieden. So liegen durchschnittliche IQ-Werte von Menschen mit Down-Syndrom im Bereich zwischen 40 und 70. Wer also von einem Gutachter mit einem Intelligenzquotienten von 75 bedacht wurde, darf gerade soeben nicht mehr als schwachsinnig bezeichnet werden, sondern lediglich als nicht besonders schlau.

Hat nun ein Gutachter festgestellt, dass ein Täter an einer Geistesgestörtheit leidet, muss außerdem geprüft werden, ob er infolge seines Schwachsinns bei Begehung der Tat unfähig war, das Unrecht seiner Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln. Wenn ein Proband nach Ansicht des Gutachters nicht in der Lage ist, das Unrecht seines Verhaltens zu erkennen, ist er nicht einsichtsfähig. Der Täter kann aufgrund seiner Geistesstörung die äußeren Umstände seines Verhaltens oder die Strafwürdigkeit seines Verhaltens nicht erkennen. Die Steuerungsunfähigkeit fehlt dagegen bei einer Geistesschwäche, wenn ein Täter mögliche Vor- und Nachteile der Tat nicht gegeneinander abwägen kann und sich deshalb nicht für ein normgemäßes Verhalten entscheiden kann. Die Frage der Steuerungsfähigkeit stellt sich allerdings nicht mehr, wenn schon der Mangel der Einsichtsfähigkeit gutachterlich festgestellt wurde.

Erforderlich ist schließlich ein kausaler Zusammenhang zwischen der Geistesstörung und der Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit, um zu einer Schuldunfähigkeit zu kommen. Mit einfachen Worten und um beim Beispiel des schwachsinnigen Täters zu bleiben, reicht es nicht aus, vollkommen bescheuert zu sein, sondern die Blödheit des Delinquenten muss auch die Ursache dafür sein, dass er nicht erkennen konnte, rechtswidrig zu handeln. Je nach Tatvorwurf muss ein Gutachter daher genau untersuchen, ob eine Geistesstörung für die jeweilige Tat ursächlich war. So wird eine leichte geistige Behinderung in der Regel keine Ursache dafür sein, dass Unrecht im Rahmen eines Tötungsdelikts nicht erkennen zu können, wohl aber für den Vorwurf einer Beleidigung, wenn der Täter wegen seiner geistigen Behinderung nicht erkennen konnte, dass seine Äußerung eine schlichte persönliche Herabsetzung ohne den Ansatz einer gerechtfertigten und nachvollziehbaren Kritik war.

Mittwoch, 15. Januar 2020

Knast oder Klapse

"Kriminelle haben Kohle und Irre sind meist pleite", bestätigt mir ein Mandant, den ich seit zwanzig Jahren auf seinem Lebensweg begleite. Er hat Erfahrung, denn er kennt die Klinik für Psychiatrie, Sozialpsychiatrie & Psychotherapie der medizinischen Hochschule Hannover als auch die Justizvollzugsanstalt Hannover in der Schulenburger Landstraße 145 von innen und außen. Das unfreundliche Ambiente im Knast spüre man schon beim Einzug. Persönliche Dokumente müssten bei der Anstaltsdirektion abgegeben werden, alle persönlichen Gegenstände würden kontrolliert. Nur was zum persönlichen Gebrauch gehöre wie Schreibzeug und Bücher dürften die Häftlinge behalten. Die Gefangenen erhielten Kleider, Wäsche und Schuhe und es werde ihnen eine Kontrollnummer zugeteilt. Anschließend geht es in eine Zelle. Zu den Regeln im Knast gehöre aber auch, dass schon am ersten Tag feststünde, wann man wieder frei ist.

Hinter Gittern herrschen knastinterne Gesetze und die Gefangenenhierarchie folgt bekannten Regeln. Im Gefängnis stehen die Sexualstraftäter ganz unten. Wer draußen wegen seines Geldes angesehen war, logiert auch im Gefängnis ganz oben. Wer kein Geld hat und keine Beziehungen nach draußen, bekommt nichts auf dem knastinternen Schwarzmarkt und wer Drogen auf Pump kauft und seine Schulden nicht begleichen kann, lebt gefährlich. Das ist in der geschlossenen Abteilung der Klapse anders. Morgens und abends gibt es eine Schlange vor der Medikamenteneinnahme und jeder muss die für ihn bestimmten Drogen einnehmen. Ganz ohne Geld. Wenn man das aber nicht macht, wird man von der Anstaltsleitung bestraft und nicht von seinen Mitinsassen. Die meisten Bewohner der geschlossenen Abteilung leben schon seit Jahren von Sozialhilfe und Geld spielt nur eine untergeordnete Rolle. Das Klima in der Klapse scheint freundlicher.

Die ungefährlichen Irren laufen innerhalb der Station frei herum, wenn sie nicht gerade wegen eines psychotischen Schubs am Bett fixiert sind. Mit manchen könne man sich unterhalten, mit manchen nicht, aber durch die vielfach verabreichten Psychopharmaka herrsche ein gedämpft friedliches Klima, erzählt der Mandant. Man könnte fast sagen freundlich. Natürlich sind auch hier persönliche Gegenstände erlaubt und die Patienten tragen sogar ihre private Kleidung. Zu den Regeln in der Klapse gehört allerdings auch, dass man nicht immer ganz genau weiß, wann man wieder rauskommt. Es geht zwar nicht wie im Massregelvollzug um grundsätzlich unbefristete Aufenhalte, aber der Patient ist in einem hohen Masse von der Einschätzung des behandelnden Arztes abhängig. Wer unkooperativ ist und die Weisheit mit Löffeln gefressen hat, wird sie bald wieder ausspucken.

Wie im Massregelvollzug steigt der Anteil von Patienten, die wegen Bagatelldelikten oder Geisteskrankheit in einer psychiatrischen Klinik untergebracht sind, bundesweit kontinuierlich an. Allerdings werden proportional viel mehr Personen in den Massregelvollzug eingewiesen, die wegen schwerer Delikte wie Mord verurteilt wurden. Die Tatsache, dass die Zahl der Insassen in psychiatrischen Abteilungen insgesamt kontinuierlich steigt, liegt am gestiegenen Sicherheitsbedürfnis der Gesellschaft und an den steigenden Anforderungen einer Kosnumgesellschaft. Seit den neunziger Jahren hat das Sicherheitsbedürfnis in de Bevölkerung zugenommen und die Richterschaft in ihren Entscheidungen beeinflusst, verhaltensauffällige Täter einzuweisen. Auch der Bau neuer Psychiatrien folgt dem Trend, immer mehr Menschen in Gefängnissen oder Psychiatrien wegzuschließen.

Vor der Beurteilung durch einen Psychiater hat unser Mandant mittlerweile Angst, weil die Gerichte den Ausführungen eines Gutachters immer folgen würden. Die Unterwerfung des Menschen unter eine rein willkürliche Herrschaft von Richtern, Gutachtern und Ärzten lehne er ab, sagt er. Zugedröhnt in einer Klapse herumwanken sei eine Herabsetzung seiner Würde und wenn er die Wahl hätte, würde er lieber auf die Zwangsmedikation verzichten und bei vollem Verstand bleiben. Außerdem käme man leichter in den Knast als in die Klapse, aber auch leichter wieder heraus. Wenn erstmal ein Gutachten angefordert sei und sogar eine vorläufige Unterbringung oder eine Unterbringung zur Beobachtung im Raum stehe, werde man den Ruf als Psycho nicht mehr los, klagt mein Mandant. Viele Freunde würden sich abwenden und oftmals blieben nur noch die Bekanntschaften aus der Psychiatrie mit ähnlichen Problemen - ein Teufelskreislauf. Dann schon lieber Knast.

Freitag, 10. Januar 2020

beA - Ein Fehler ist aufgetreten.

Heute habe ich mein besonderes elektronisches Anwaltspostfach (beA) mal an die Grenze seiner Kapazitäten gebracht und bei der Versendung von vier Nachrichten ‭an vier Gerichte mit je 56.183 KB offensichtlich ein Limit erreicht, das mir eine Mitteilung beschert hat, die ich noch nicht kannte:

"Ein Fehler ist aufgetreten.
Informationen für den Servicedesk
User-Id: Möbius, LL.M., Ralf (30880 Laatzen)
Server Time: 2020-01-09T21:26:40.398+0100
Session: aacbe9ece8d7ba04517668f6396cd8739e757513b0f0e25c691 e27760c5b4e15.node08
Bitte kontaktieren Sie den Servicedesk mit diesen Informationen."

Die Wartezeiten für die einzelnen Versendungen waren enorm und so sass ich noch nach 22:00 Uhr an der Versendung der Nachrichten. Ich hatte mich allerdings schon im Vorfeld auf einen problematischen Versand eingestellt, weil höchstens 100 Anhänge pro Nachricht mit insgesamt maximal 60 MB versandt werden können und es in letzter Zeit überhaupt für mich schwieriger geworden ist, sich erfolgreich einzuloggen und eine Verbindung mit dem Server zu erreichen. Die Wartezeit für die Versendung der vier Nachrichten habe ich dann unter anderem mit diesem Blog-Beitrag verbracht und befürchte immer mehr, dass die Verlässlichkeit des Systems mit steigenden Nutzer-Zahlen weiter abnehmen wird.

Natürlich kann ich mich irren, aber an Hand der wenigen Schriftsätze, die ich über das beA erhalte, meine ich ablesen zu können, dass derzeit nur wenige Kollegen und Gerichte den elektronischen Service nutzen und der Gebrauch nur deshalb für die Kollegen, die das beA regelmäßig nutzen, einigermaßen erträglich ist. Wenn die Nutzung des beA einmal generell verpflichtend ist, dürften sich massive Probleme einstellen, wenn an der Infrastruktur nicht erhebliche Änderungen vorgenommen werden. Schön wäre es, wenn ich mich irre.

Donnerstag, 9. Januar 2020

TWOO und digitale Eifersucht

Digitale Eifersucht ist mittlerweile ein weit verbreitetes Phänomen und führt nicht selten zu Wutausbrüchen oder Gewalt. Immer und überall gibt es die Möglichkeit, per Handy ins Internet zu gelangen und durch zahlreiche soziale Netzwerke wie Facebook, Whatsapp, Instagram oder Twitter sowie zahlreiche Partner- und Sex-Portale bieten sich unbegrenzte Möglichkeiten, Kontakte zu knüpfen.

Diese unbegrenzte Verfügbarkeit menschlicher Kontakte bietet natürlich eine ebenso unbegrenzte Möglichkeit für Eifersuchtsdramen. Wenn dann ein Partner den E-Mail-Account des anderen - einverständlich oder unerlaubt - durchsucht und auf eindeutige Botschaften aus Dating-Portalen trifft, steht das Scheitern der Beziehung im Raum. Die Ausrede unverlangt zugesandter Nachrichten zieht nur in den seltensten Fällen und mindestens der Verdacht, sich in einem Portal angemeldet zu haben, lässt sich kaum ausräumen.

Umso härter kann es Menschen treffen, die tatsächlich unverlangt zugesandte E-Mails von Dating-Sites bekommen, die vorgaukeln, es bestünde bereits ein Kontakt oder eine Mitgliedsanfrage sei lediglich bestätigt worden. In einem solchen Moment kann eine langjährige Freundschaft bereits beendet sein, ohne dass der scheinbar auf der Suche nach sexuellen Abenteuern Ertappte jemals die Möglichkeit erhält, sich zu verteidigen. Innerhalb von Beziehungen wird der Grundsatz rechtlichen Gehörs nämlich nicht immer gewahrt. Wer zum Gefahrentest einmal sein eigenes E-Mail-Konto nach dem Stichwort "TWOO" durchsucht, hat gute Chancen, einen Treffer zu landen, denn die sogenannte Social-Discovery-Plattform TWOO, die 2011 von der Massive Media Match NV gestartet wurde, schickt durchaus unverlangte Werbe-E-Mails, die einen ehrlichen Partner in Bedrängnis bringen können.

Auf unsere Abmahnung im Namen eines unserer Mandanten, der ohne vorherigen Kontakt eine SPAM-E-Mail von TWOO bekommen hatte, reagierte die Massive Media Match NV aus Gent in Belgien jedenfalls nicht, so dass das Amtsgericht Hannover um Hilfe gebeten wurde und schließlich mit Datum vom 24.09.2019 ein Urteil zum Az.: 550 C 8252/19 erließ, mit welchem die Massive Media verurteilt wurde, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, an die vom Kläger unterhaltene E-Mail-Adresse elektronische Post zu Werbezwecken zuzusenden oder zusenden zu lassen. Ob unser Mandant mit diesem Urteil in der Hand seine Beziehung retten konnte, bleibt allerdings geheim.

Montag, 6. Januar 2020

Prozessunfähigkeit

In den vergangenen Jahren musste ich mir zahlreiche Kommentare von verschiedenen Mandanten im Zusammenhang mit fremden Schriftsätzen wie "total bescheuert", "für immer wegsperren", "geisteskrank" oder "Bekloppten-TÜV" anhören, weil die Ausführungen in den gegnerischen Schreiben zum Teil wirklich wahnhafte Züge annahmen. Tatsächlich bekommt man als Anwalt immer wieder Schriftsätze von anwaltlich nicht vertretenen Parteien zu lesen, über die man lachen könnte, wenn deren Inhalt nicht auf eine krankhafte Uneinsichtigkeit schließen ließe. Nun sind nach gerichtlicher Erfahrung Störungen der Geistestätigkeit von Prozessparteien Ausnahmeerscheinungen, so dass im Allgemeinen von der Prozessfähigkeit der Partei auszugehen und anderes nur dann anzunehmen ist, wenn hinreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine sogenannte Prozessunfähigkeit vorliegen könnte. Ob jemand nicht imstande ist, seinen Willen frei und unbeeinflusst von einer vorliegenden Geistesstörung zu bilden und nach zutreffend gewonnenen Einsichten zu handeln, entscheidet dabei stets das Gericht.

Solche hinreichenden Anhaltspunkte für eine Prozessunfähigkeit könnten zum Beispiel dann gegeben sein, wenn sich eine Partei im Hinblick auf den Streitgegenstand überhaupt nicht äußert, absurde Rechtfertigungen für rechtswidrige Taten konstruiert und sogar eigene wahnhaftige Darstellungen in Abrede stellt. Wenn sich daraus eine völlige Uneinsichtigkeit ableiten lässt und die Partei von sich aus beginnt, von einer schweren Krankheit zu sprechen und die völlig aus der Luft gegriffene Behauptung hinzutritt, wonach es der anderen Partei nur darum gehe, die für eine Prozessunfähigkeit in Betracht kommende Partei wegsperren zu lassen, damit sie der Justiz keine weiteren Beweismittel vorlegen könne, wird es für ein Gericht zur Pflicht, durch einen Facharzt für Neurologie, Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik untersuchen zu lassen, ob bei der sich krankhaft verhaltenden Partei eine wahnhafte Entwicklung im Sinne eines sogenannten Querulantenwahns vorliegt. 
   
Das Landesarbeitsgericht Hamburg hält einen ausgeprägten Querulantenwahn dann für gegeben, wenn die Vorstellungen einer Partei von einer eindeutigen Beeinträchtigung eigener Rechte sich stets intensivieren und Zweifel an der Rechtmäßigkeit der eigenen Position nicht mehr zugelassen werden, absolute Uneinsichtigkeit und Selbstgerechtigkeit sich mit einer Ausweitung des Kampfes vom ursprünglichen Gegner auf andere Menschen und Instanzen verbindet und eine Partei nicht mehr in der Lage ist, die verfahrensmäßige Behandlung ihrer Ansprüche durch die Gerichte nachzuvollziehen. Wer den Gerichten bzw. den Richterinnen und Richtern ständig willkürliches bzw. rechtswidriges Verhalten unterstellt, sobald ein Antrag abschlägig beschieden oder der Rechtsauffassung nicht gefolgt werde und die mit den Verfahren befassten Richter häufig als Gegner ansehe und ihnen Böswilligkeit, Schädigungsabsicht und Lügen vorwerfe, den Willen zur Rechtsbeugung unterstelle und die Befähigung zur Ausübung des Richteramtes abspreche, verdiene nach der Ansicht des Landesarbeitsgerichts Hamburg die fachärztliche Einordnung als Querulant.

Um es mit den Worten des Verwaltungsgerichts Düsseldorf aus dessen Urteil vom 07.08.2015, Az.: 26 K 4946/15 zu sagen: „Die Prozessfähigkeit fehlt mithin demjenigen, der sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet, sofern der Zustand nicht seiner Natur nach ein vorübergehender ist (§ 104 Nr. 2 BGB). Nach einhelliger Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum gibt es nach § 104 Nr. 2 BGB eine partielle Geschäftsunfähigkeit und damit gemäß § 62 Abs. 1 Nr. 1 VwGO auch eine partielle, nur für bestimmte Bereiche zu bejahende Prozessunfähigkeit, wie z. B. bei krankhafter Querulanz." Eine solche krankhafte Querulanz im Sinne einer Prozessunfähigkeit liege vor, wenn die über eine Verbohrtheit hinausgehende psychotische Uneinsichtigkeit und die Vielzahl von gerichtlichen Verfahren als auch die wahnhafte Art und Weise der Prozessführung einen krankhaften Zustand von solchem Gewicht und von solcher Dauerhaftigkeit belegen, dass diese zur Annahme einer massiven Störung der Geistestätigkeit führen muss.

Da die Prozessfähigkeit eine zwingende Prozessvoraussetzung ist und das mögliche Fehlen der Prozessfähigkeit in jeder Lage des Verfahrens, also auch noch in der Berufungs- und Revisionsinstanz von Amts wegen zu berücksichtigen ist, kann ein Richter bei hinreichenden Anhaltspunkten jederzeit einen Gutachter hinzuziehen, um die Partei wegen einer möglich erscheinenden Geisteskrankheit untersuchen zu lassen. Belegt das historische Krankheitsbild einer Partei durch Traumata in der Jugendzeit, ausgelöst durch sexuellen Missbrauch oder Misshandlungen durch Eltern oder Pflegeeltern, dass diese auf Grund einer dauerhaften psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung die Notwendigkeit einer ärztlichen Maßnahme nicht erkennen oder nicht nach dieser Einsicht handeln kann, kommt sogar eine betreuungsrechtliche Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 und 2 BGB als Zwangseinweisung in einem psychiatrischen Krankenhaus in Betracht, wenn dies zum Wohl der Partei erforderlich wäre, um einen drohenden erheblichen gesundheitlichen Schaden abzuwenden, der durch keine andere zumutbare Maßnahme abgewendet werden kann.