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Donnerstag, 4. November 2021

Filesharing: Warner Bros. und Frommer Legal verlieren am Amtsgericht Hannover

Ein Geschenk der fortschreitenden Technik an die Nutzer des Internets in Deutschland ist der Umstand, dass auch der unbescholtene Bundesbürger mit Internetzugang aus heiterem Himmel eine Abmahnung wegen einer angeblichen Urheberrechtsverletzung bekommen kann, weil ihm von einer spezialisierten Anwaltskanzlei vorgeworfen wird, dass mit Hilfe seines Internetanschlusses urheberrechtlich geschützte Filme oder Musik über ein Peer-to-Peer-Netzwerk, im Volksmund „Tauschbörse“ genannt, im Internet angeboten wurden.

Denn spezielle IT-Dienstleister sind in der Lage, herauszufinden, welche Daten über welchen Internetanschluss zu einem bestimmten Zeitpunkt auf einer Tauschbörse angeboten werden und mit Hilfe des jeweiligen Internetanbieters und einer gerichtlichen Anweisung lässt sich anschließend ermitteln, wem der betreffende Internetanschluss gehört. Damit ist natürlich noch nicht gesagt, wer genau der angebliche Übeltäter war, denn häufig haben mehrere Personen Zugriff auf einen Internetanschluss. Und natürlich ist auch denkbar, dass sich Fehler in die Ermittlungen eingeschlichen haben oder der angebliche Rechteinhaber gar keine Rechte an dem angeblich verbreiteten Werk hat.

Wenn der Anschlussinhaber zu sorglos mit seinem Internetzugang umgegangen ist, kommt grundsätzlich auch eine Haftung des Inhabers in Betracht, selbst wenn er von der Teilnahme an einer Tauschbörse über seinen Internetanschluss gar nichts wusste. Um den Anschlussinhaber gerichtsfest verantwortlich zu machen, bedarf es allerdings zahlreicher Nachweise des angeblich Berechtigten und dazu gehört natürlich nicht nur der Nachweis, dass über den konkreten Internetanschluss die Teilnahme am illegalen filesharing erfolgte, sondern auch, dass tatsächlich ein geschütztes Musik- oder Filmwerk über den Internetanschluss zum download angeboten wurde.

Und genau an diesem Nachweis sind nun die Kollegen der überregional bekannten Kanzlei Frommer Legal für die Warner Bros. Entertainment GmbH vor dem Amtsgericht Hannover gescheitert. Die Kollegen aus München wollten die Erstattung von Anwaltskosten für die Abmahnung sowie Schadensersatz für die behauptete Verletzung von Nutzungs- und Verwertungsrechten an dem Film „Collateral Beauty“ durchsetzen. Da sich die Beklagte keiner Schuld bewusst war und sämtliche Vorsichtsmaßnahmen zur Verhinderung der illegalen Verwendung ihres Internetanschlusses getroffen hatte, wurde auch ein Vergleichsvorschlag des Gerichts nicht akzeptiert.

In der anschließenden Beweisaufnahme konnte der für den Nachweis der Rechtsverletzung von der Klägerin benannte Zeuge schließlich nur darlegen, dass die technische Ermittlung der IP-Adresse der Beklagten als auch die Verbreitung einer Datei mit einem bestimmten Hash-Wert im Wege des Filesharings zu dem von der Klägerin genannten Zeitpunkt über den Anschluss der Beklagten erfolgte, nicht aber, welchen Inhalt die so verbreitete Datei tatsächlich hatte. Denn die zur Überprüfung übergebene Datei wurde dem Zeugen von den Klägervertretern zur Verfügung gestellt und deren Inhalt wurde vom Zeugen nicht überprüft.

Da es an einem Beweisantritt fehlte, dass die zur Abgleichung an den Zeugen übergebene Datei den Film „Collateral Beauty“ enthielt und der Vortrag der Klägerin, dass der hier streitgegenständliche Film zur Verifizierung eines illegalen Angebots im Vorfeld ermittelt, heruntergeladen, inhaltlich geprüft und die unterschiedlichen Dateiversionen vollständig heruntergeladen und inhaltlich mit dem Originalwerk abgeglichen und nicht eindeutig identifizierbare oder nicht abspielbare Kopien oder falsch benannte Dateien mit anderem Inhalt aussortiert und verworfen worden sind, von der Beklagten bestritten wurde, musste die Klage durch das Amtsgericht Hannover mit Urteil vom 28.10.2021 zum Az.: 513 C 7733/20 abgewiesen werden.

Mittwoch, 30. September 2020

Amtsgericht Hannover: Turboquerulantin darf Turboquerulantin genannt werden

Irgendwann war es selbst mir als seriösem und stets sachlichen Vertreter meines Berufsstands zu viel. Ich konnte den monotonen Singsang der Turboquerulantin in ihren selbstgebastelten Schriftsätzen, ich dürfe sie nicht Turboquerulantin nennen und müsse diesbezüglich alle Artikel in meinem Blog löschen, nicht mehr ertragen. Als dann sogar per E-Mail die Forderung von ihr an mich herangetragen wurde, ich müsse das Betiteln als Turboquerulantin unterlassen und sämtliche Bilder und Karikaturen von meinen Seiten https://fachanwalt-fuer-it-recht-blogspot.com und https://www.facebook.com/garage.hannover unverzüglich löschen, war selbst meine nahezu unerschöpfliche Geduld am Ende.

Der entschlossene Hilferuf ans Amtsgericht Hannover in Form einer negativen Feststellungsklage wurde erhört und nun durfte auch das Amtsgericht Hannover endlich einmal vom hauchzarten Hirnschmalz der niedersächsischen Weltrekordlerin naschen. Die Feststellungen des hannoverschen Gerichts im Urteil vom 15.07.2020 zum Az.: 537 C 1796/20 sind eindeutig und auch für den juristischen Laien unmissverständlich klar formuliert. "Den satirischen Berichten und den Karikaturen des Klägers liegt der erforderliche Tatsachenkern zu Grunde, da es sich um Erfahrungen mit der Beklagten aus seiner anwaltlichen Tätigkeit handelt. Seine Bewertung der Beklagten als Turboquerulantin, seine satirischen Berichte und Illustrationen stehen mit dem tatsächlichen Verhalten der Beklagten in Einklang."

Um unserem Türbchen auch den Zahn zu ziehen, dass deren Bezeichnung als Turboquerulantin "Cybermobbing, Hetze und Beleidigung" sei, wurde das Amtsgericht Hannover überdeutlich: "Die Bezeichnung der Beklagten durch den Kläger als Turboquerulantin sowie dessen Berichte und Illustrationen erfüllen weder Straftatbestände noch verletzen sie das Persönlichkeitsrecht der Beklagten. In dem Verhältnis zwischen den Parteien dieses Rechtsstreits kann in den Berichten, Illustrationen und der Bezeichnung als Turboquerulantin seitens des Klägers keine Ehrverletzung der Beklagten gesehen werden." Kann man die Rechtslage zutreffender wiedergeben, als es das Amtsgericht Hannover getan hat?

Die Antwort lautet natürlich "Nein", denn das Gericht führt überdies in höchst überzeugender Weise aus, weshalb die Turboquerulantin eine Turboquerulantin ist: "Jegliche gedankliche Auseinandersetzung, dass die satirischen Berichte, die Karikaturen und der Begriff "Turboquerulantin" ihre Ursache in dem eigenen Verhalten der Beklagten haben, findet nicht statt. Der Umstand, dass die Beklagte den Kläger sogar für ihre eigenen gesundheitlichen Probleme verantwortlich macht und von einer "organisierten Bande" spricht, spiegelt das Ausmaß der kognitiven Beeinträchtigung der Beklagten wieder. Zudem sind Querulanten für die betroffenen Personen - hier dem Kläger - nicht nur anstrengend, sondern auch zeitraubend."

Damit hat nun das Amtsgericht Hannover als erstes Gericht in Deutschland mit unerschütterlicher Deutlichkeit und zudem unumstößlicher Rechtskraft amtlich festgestellt, dass es sich bei der dauermobbenden Gesetzesbrecherin aus Niedersachsen tatsächlich um eine Querulantin handelt, die angesichts des Ausmaßes ihres rechtswidrigen Handelns und ihrer grenzenlosen Uneinsichtigkeit eine Person ist, die den Titel "Turboquerulantin" ohne Wenn und Aber verdient und von mir deshalb auch genau so bezeichnet werden darf.

Montag, 3. August 2020

Amtsgericht Hannover: Google Bewertung löschen

Bösartige Kommentare im Internet haben Hochkonjunktur. Während das Fußvolk auf Facebook die von der Presse gemeldeten Zahlen von Demonstrationsteilnehmern kommentiert und Deutschlands Elite in Prangerblogs über die Abschaffung des Adels in Deutschland streitet, versucht der von Neid zerfressene Gewerbetreibende die Konkurrenz mit negativen Kommentaren auf Google My Business aus dem Wettbewerb zu drängen. Natürlich gibt es auch unzufriedene Kunden, die sich für das nicht mehr ganz so knackige Frühstücksbrötchen mit einer hasserfüllten Ein-Sterne-Bewertung rächen.

Das Amtsgericht Hannover hat jetzt mit Urteil vom 23.01.2020 zum Az.: 503 C 1026/19 über die Ein-Sterne-Bewertung eines Gewerbetreibenden auf Google My Business entschieden, der sich durch seine überlegte Wortwahl sicher fühlte und auf die Abmahnung wegen seiner ungerechtfertigt schlechten Bewertung eine negative Feststellungsklage erhob. Das entscheidende Kriterium für die ausgeurteilte Löschung war der Umstand, dass nicht das angebotene Kerngeschäft des bewerteten Unternehmens kommentiert wurde, sondern ein Verhalten, dass einem vorangegangenen Rechtsstreit zwischen Bewertendem und Bewerteten zu Grunde lag.

Da ein beruflicher Kontakt zwischen den Parteien im Zusammenhang mit der Erbringung der Dienstleistungen unstreitig  nicht  stattgefunden hatte, stufte das Amtsgericht Hannover die nicht im kontextuellen Umfeld des Rezensionsgeschehens zum Gewerbebetrieb stehende Ein-Sterne-Bewertung als rechtswidrig ein. Die negative Feststellungsklage flog dem siegessicheren Kommentator durch die Erhebung der (positiven) Widerklage der Beklagten um die Ohren und so musste er als Kläger die sich nicht auf die angebotene Dienstleistung beziehende 1-Sterne-Bewertung löschen.

Donnerstag, 19. März 2020

beA - ungültige Empfänger

Wer als Rechtsanwalt mit Abneigung gegen sein besonderes elektronisches Anwaltspostfach (beA) wegen der Ansteckungsgefahr mit dem Coronavirus den Gang zur Post vermeiden wollte und daher nun doch endlich auf das beA zurückgreifen wollte, konnte in den letzten Tagen nicht nur von der Fehlermeldung "Server nicht erreichbar" ausgebremst werden, sondern auch von dem [Fehler: 03-022], der auf ungültige Empfänger verweist. Weder aus der eigenen Favoritenliste noch über den Button "Empfänger hinzufügen" konnte an das Amtsgericht Hannover ein Schriftsatz versendet werden.

Das ist natürlich insbesondere dann schade, wenn man nach 5 oder 6 vergeblichen Versuchen endlich den Server erreicht hat und dann quasi auf der Zielgeraden gestoppt wird. Mittlerweile lasse ich mich von solchen Meldungen aber nicht mehr aus der Ruhe bringen, denn mein beA lügt mich regelmäßig an. Als häufiger Home-Office-User verlege ich den Versand über das beA häufig in die Abend- und Nachtstunden, denn das hat sich bewährt. So gegen 01:00 Uhr war dann auch das Amtsgericht Hannover wieder erreichbar, auch über meine Favoritenliste. Wie gesagt, grundsätzlich ist das beA äußerst nützlich aber leider auch äußerst unzuverlässig. 

Donnerstag, 9. Januar 2020

TWOO und digitale Eifersucht

Digitale Eifersucht ist mittlerweile ein weit verbreitetes Phänomen und führt nicht selten zu Wutausbrüchen oder Gewalt. Immer und überall gibt es die Möglichkeit, per Handy ins Internet zu gelangen und durch zahlreiche soziale Netzwerke wie Facebook, Whatsapp, Instagram oder Twitter sowie zahlreiche Partner- und Sex-Portale bieten sich unbegrenzte Möglichkeiten, Kontakte zu knüpfen.

Diese unbegrenzte Verfügbarkeit menschlicher Kontakte bietet natürlich eine ebenso unbegrenzte Möglichkeit für Eifersuchtsdramen. Wenn dann ein Partner den E-Mail-Account des anderen - einverständlich oder unerlaubt - durchsucht und auf eindeutige Botschaften aus Dating-Portalen trifft, steht das Scheitern der Beziehung im Raum. Die Ausrede unverlangt zugesandter Nachrichten zieht nur in den seltensten Fällen und mindestens der Verdacht, sich in einem Portal angemeldet zu haben, lässt sich kaum ausräumen.

Umso härter kann es Menschen treffen, die tatsächlich unverlangt zugesandte E-Mails von Dating-Sites bekommen, die vorgaukeln, es bestünde bereits ein Kontakt oder eine Mitgliedsanfrage sei lediglich bestätigt worden. In einem solchen Moment kann eine langjährige Freundschaft bereits beendet sein, ohne dass der scheinbar auf der Suche nach sexuellen Abenteuern Ertappte jemals die Möglichkeit erhält, sich zu verteidigen. Innerhalb von Beziehungen wird der Grundsatz rechtlichen Gehörs nämlich nicht immer gewahrt. Wer zum Gefahrentest einmal sein eigenes E-Mail-Konto nach dem Stichwort "TWOO" durchsucht, hat gute Chancen, einen Treffer zu landen, denn die sogenannte Social-Discovery-Plattform TWOO, die 2011 von der Massive Media Match NV gestartet wurde, schickt durchaus unverlangte Werbe-E-Mails, die einen ehrlichen Partner in Bedrängnis bringen können.

Auf unsere Abmahnung im Namen eines unserer Mandanten, der ohne vorherigen Kontakt eine SPAM-E-Mail von TWOO bekommen hatte, reagierte die Massive Media Match NV aus Gent in Belgien jedenfalls nicht, so dass das Amtsgericht Hannover um Hilfe gebeten wurde und schließlich mit Datum vom 24.09.2019 ein Urteil zum Az.: 550 C 8252/19 erließ, mit welchem die Massive Media verurteilt wurde, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, an die vom Kläger unterhaltene E-Mail-Adresse elektronische Post zu Werbezwecken zuzusenden oder zusenden zu lassen. Ob unser Mandant mit diesem Urteil in der Hand seine Beziehung retten konnte, bleibt allerdings geheim.

Freitag, 11. Oktober 2019

Einspruch und Berufung gegen Versäumnisurteil

Ein echter Vorteil des Anwaltsberufs ist der nicht zu verkennende Unterhaltungswert auch in Zivilprozessen. Insbesondere der Umstand, dass der sogenannte Anwaltszwang in der Regel erst bei Streitigkeiten vor dem Landgericht zur Anwendung kommt, führt dazu, dass in Prozessen vor dem Amtsgericht anwaltlich nicht vertretene Parteien bisweilen höchstpersönlich ungebremsten Schwachsinn verbreiten können und zwar nicht nur vor dem Amtsgericht Nienburg und dem Amtsgericht Hagen.

Auch das Amtsgericht Hannover wird dazu benutzt, den dort beschäftigten Juristen nahezulegen, dass die Zivilprozessordnung ein überflüssiges Regelwerk ist, dass eine phantasievolle Prozessführung eher behindert. Das Landgericht Hannover hat mir nun einen Beschluss übersandt, aus welchem sich ergibt, dass der Beklagte neben dem Einspruch gegen ein Versäumnisurteil zur Sicherheit noch das Rechtsmittel der Berufung gewählt hat, um seine Abneigung gegen das Versäumnisurteil des Amtsgerichts Hannover in gebührender Schärfe zum Ausdruck zu bringen.

Ein prozessualer Scherz, den das Landgericht Hannover nun mit einem humorlosen Beschluss quittierte. Dass der Beklagte dann auch den zweiten Termin vor dem Amtsgericht Hannover unentschuldigt verstreichen ließ, deutet auf eine grundsätzliche Fehleinschätzung in Bezug auf die Bedeutung der Zivilprozessordnung hin.

Freitag, 6. September 2019

Verbotene Briefwerbung

Briefwerbung ist mindestens so lästig wie E-Mail-Werbung und gegen beide Formen der Belästigung kann man sich auch als Privatperson wehren. Im vom Amtsgericht Hannover mit Datum vom 04.07.2019 zum Az.: 428 C 7796/19 per Beschluss entschiedenen Fall hatte ein Verbraucher von seiner Krankenkasse Werbung per Post mit dem Slogan „Fitness rauf – Risiko runter“ erhalten, trotzdem er einer solchen Zusendung vorher nicht nur nicht zugestimmt, sondern die Krankenkasse ausdrücklich per E-Mail als auch online über deren Website aufgefordert hatte, ihm keine Werbung mehr zuzusenden, weil er schlicht keine Werbung mehr von seiner Krankenkasse bekommen wollte.

Der Europäische Gerichtshof hatte schon vorher entschieden, dass Krankenkassen trotz ihres öffentlichen Charakters und ihrer im Allgemeininteresse liegenden Aufgabe als „Gewerbetreibende“ im Sinne der Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt anzusehen seien, mit der Folge, dass auch für sie das Verbot unlauterer Geschäftspraktiken gilt. Die Richtlinie würde Körperschaften des öffentlichen Rechts nicht ausdrücklich aus ihrem Anwendungsbereich ausnehmen. Ziel der Richtlinie sei es vielmehr, in Bezug auf unlautere Geschäftspraktiken und insbesondere irreführende Werbung ein hohes Verbraucherschutzniveau zu gewährleisten, und zwar unabhängig vom öffentlichen oder privaten Charakter der fraglichen Einrichtung und von der von ihr wahrgenommenen Aufgabe, vgl. Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 3. Oktober 2013 in der Rechtssache C‑59/12.

Danach ist auch eine nationale öffentlich-rechtliche Einrichtung wie eine Krankenkasse, die mit der Verwaltung eines gesetzlichen Krankenversicherungssystems betraut ist, als „Unternehmen“ im Sinne der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken anzusehen und unterliegt in dieser Eigenschaft den Vorschriften der Richtlinie, wenn sie – wie im vorliegenden Fall – gegenüber ihren Mitgliedern trotz ausdrücklichem Verbot wirbt, vgl. Urteil des BGH vom 30.04.2014, Az.: I ZR 170/10. Maßgebend für den Rechtsweg ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes die Rechtsnatur des erhobenen Anspruches, wie sie sich aus dem tatsächlichen Vorbringen der klagenden Partei ergibt. Stellt sich der Klageanspruch nach der ihm vom Kläger gegebenen tatsächlichen Begründung als Folge eines Sachverhalts dar, der nach bürgerlichem Recht zu beurteilen ist, so ist der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten eröffnet, vgl. BGH, Urteil vom 16.02.1984, Az.: IX 2R 45/83.

Vorliegend richtete sich der Unterlassungsanspruch des belästigten Mitglieds der Kasse nach bürgerlich-rechtlichen Maßstäben, nämlich den §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog wegen eines rechtswidrigen Eingriffs in das allgemeines Persönlichkeitsrecht. Die Zusendung von Werbepost ohne Einwilligung stellt nämlich grundsätzlich einen Eingriff in die geschützte Privatsphäre des Verbrauchers dar. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt den Bereich privater Lebensgestaltung und gibt dem Betroffenen das Recht, im privaten Bereich in Ruhe gelassen zu werden. Hieraus folgt ein Recht des Einzelnen, seine Privatsphäre freizuhalten von unerwünschter Einflussnahme anderer und die Möglichkeit des Betroffenen, selbst darüber zu entscheiden, mit welchen Personen und gegebenenfalls in welchem Umfang er mit ihnen Kontakt haben will.

Angesichts des Rechts des Einzelnen, seine Privatsphäre freizuhalten von unerwünschter Einflussnahme anderer, und die Möglichkeit des Betroffenen, selbst darüber zu entscheiden, mit welchen Personen und gegebenenfalls in welchem Umfang er mit ihnen Kontakt haben will. Denn in der - als solche nicht ehrverletzenden – unrechtmäßigen Kontaktaufnahme liegt eine Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts vor, wenn sie gegen den eindeutig erklärten Willen des Betroffenen erfolgt, da ansonsten die Freiheit kommunikativen Verhaltens schwerwiegend beeinträchtigt wäre (vgl. BGH, Urteil vom 10.07.2018 - VI ZR 225/17). Das unaufgeforderte Zusenden von Briefwerbung stellt aufgrund der damit verbundenen Intensität der Belästigung einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht eines Verbrauchers dar. Auch Privatpersonen steht unter diesem Gesichtspunkt gegen Versender unerbetener Werbung entsprechend §§ 1004, 823 Abs. 1 BGB ein Unterlassungsanspruch zu. Der Eingriff ist auch nicht unerheblich. Denn zum einen besteht die Gefahr, dass durch das Überhandnehmen der Werbepost der Briefkasten blockiert wird, so dass weitere Sendungen zurückgeschickt werden. Zum anderen muss der Adressat zum Durchlesen und Sortieren der Briefpost Zeit aufwenden, um zu erkennen, was überhaupt Gegenstand des Briefes ist.

Die für eine einstweilige Verfügung gegen unzulässige Briefwerbung vorausgesetzte Dringlichkeit ergibt sich aus der Tatsache, dass es dem Inhaber einer absolut geschützten Rechtsposition möglich sein muss, drohende Beeinträchtigungen dieser Position mit sofortiger Wirkung zu unterbinden, vgl. Landgericht Lübeck, Beschluss vom 10.07.2009, Az. 14 T 62/09. Weil die Krankenkasse auf die vorgerichtliche Abmahnung zunächst nicht reagiert hatte, wurde eine einstweilige Verfügung beantragt. Da eine Unterlassungserklärung dann erst nach Beantragung der einstweiligen Verfügung abgegeben wurde, musste der Verfügungsantrag zurückgenommen werden und die Kosten der Antragstellung wurden vom Amtsgericht Hannover mit Datum vom 04.07.2019 antragsgemäß zum Az.: 428 C 7796/19 per Beschluss der Krankenkasse auferlegt, da diese die Unterlassungserklärung nach erhaltener Abmahnung verspätet abgegeben hatte und sich insoweit bereits bei Beantragung der einstweiligen Verfügung im Verzug mit einer ihr obliegenden Rechtspflicht befand, § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO.

Der Streitwert für die unzulässige Briefwerbung wurde durch das Amtsgericht Hannover mit Beschluss vom 04.07.2019 zum Az.: 428 C 7796/19 wie beantragt mit EUR 3.000,- festgesetzt, weil der Bundesgerichtshofs im Hinblick auf den Streitwert bei nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten in seinem Beschluss vom 17.11.2015 – II ZB 8/14 entschieden hatte, dass mangels genügender Anhaltspunkte für ein höheres oder geringeres Interesse in Anlehnung an § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG von dem sich aus dieser Vorschrift ergebenden Wert auszugehen ist, den der Gesetzgeber für eine durchschnittliche nichtvermögensrechtliche Streitigkeit mit EUR 5.000,- angesetzt hat. Wegen des Charakters einer Eilentscheidung als vorläufige Regelung wurde ein Abschlag auf EUR 3.000,- vorgenommen.

Donnerstag, 21. März 2019

Hannover 96 im Abseits

Wenn Spieler des abstiegsbedrohten Fußball-Bundesligisten Hannover 96 ins Abseits laufen, ist das noch verständlich. Wenn das gleiche dem Vorstand von Hannover 96 auf juristischer Ebene passiert und dabei der Abstand zur Rechtsordnung derart groß geworden ist, dass schon die Pfiffe der Gerichte nicht mehr gehört werden, sollte man über eine Auswechselung nachdenken.

Drei Tage vor der Jahreshauptversammlung wurde Hannover 96 nach entsprechenden Urteilen unter Androhung von Zwangsmitteln durch das Amtsgericht Hannover veranlasst, die persönlichen Daten aller Mitglieder an drei Vereinsmitglieder herausgeben, um diesen noch rechtzeitig vor der Jahreshauptversammlung und der Aufsichtsratswahl zu ermöglichen, allen Mitgliedern ihre Kandidaten und deren Konzepte vorzustellen.

Nach dieser klaren und keineswegs überraschenden gerichtlichen Niederlage des Vereins erhielten die Mitglieder eine E-Mail vom Verein mit der Nachricht, dass er vom Amtsgericht Hannover im einstweiligen Verfügungsverfahren und im Hauptsacheverfahren zur Herausgabe der Daten direkt an die Antragsteller und nicht nur an einen Treuhänder verurteilt worden war. Diese Entscheidung widerspreche eklatant geltendem Recht, insbesondere der Datenschutzgrundverordnung. Sie sei "in keiner Weise nachvollziehbar".

Ein geradezu entlarvendes Statement für den Vorstand, dass er die insoweit einhellige bundesdeutsche Rechtsprechung vom Amtsgericht Hannover bis hin zum Bundesgerichtshof in Zivilsachen in keiner Weise nachvollziehen kann. Das ist entweder ein Zeichen für eine schwache Auffassungsgabe oder eine taktische Lüge, um das Behindern der vereinsinternen Opposition gegenüber den Mitgliedern offensiv zu verteidigen. Für die letzte Variante spricht der Umstand, dass sich die Rechtsprechung schon seit langer Zeit klar festgelegt hat und das Prinzip der Mitgliedschaftsrechte auch für Laien recht anschaulich formuliert hat. Daher reichen wenige Zitate von einschlägigen Urteilen aus, um die Entscheidungen des Amtsgerichts Hannover tatsächlich als in jeder Weise nachvollziehbar erscheinen zu lassen:

"Nach nahezu einhelliger Meinung in der Literatur steht einem Vereinsmitglied kraft seines Mitgliedschaftsrechts ein Recht auf Einsicht in die Bücher und Urkunden des Vereins zu, wenn und soweit es ein berechtigtes Interesse darlegen kann, dem kein überwiegendes Geheimhaltungsinteresse des Vereins oder berechtigte Belange der Vereinsmitglieder entgegenstehen. Zu den Büchern und Urkunden des Vereins zählt auch die Mitgliederliste. Sind die Informationen, die sich das Mitglied durch Einsicht in die Unterlagen des Vereins beschaffen kann, in einer Datenverarbeitungsanlage gespeichert, kann es zum Zwecke der Unterrichtung einen Ausdruck der geforderten Informationen oder auch deren Übermittlung in elektronischer Form verlangen. In Übereinstimmung mit der Literatur billigt auch die Rechtsprechung, der sich das Berufungsgericht angeschlossen hat, nahezu einstimmig dem einzelnen Vereinsmitglied einen Anspruch auf Einsicht bzw. Herausgabe der Mitgliederliste jedenfalls dann zu, wenn es ein berechtigtes Interesse geltend machen kann. ... Unter welchen Voraussetzungen ein berechtigtes Interesse des einzelnen Vereinsmitglieds anzunehmen ist, Kenntnis von Namen und Anschriften der anderen Vereinsmitglieder zu erhalten, ist keiner abstrakt generellen Klärung zugänglich, sondern aufgrund der konkreten Umstände des einzelnen Falles zu beurteilen. Ein solches Interesse ist jedenfalls gegeben, wenn es darum geht, das nach der Satzung oder nach § 37 BGB erforderliche Stimmenquorum zu erreichen, um von dem in dieser Vorschrift geregelten Minderheitenrecht, die Einberufung einer Mitgliederversammlung zu verlangen, Gebrauch zu machen. Es kann jedoch selbstverständlich auch außerhalb des Anwendungsbereichs des § 37 BGB zu bejahen sein, wenn aufgrund der Umstände des konkreten Falles die in der Mitgliederliste enthaltenen Informationen ausnahmsweise erforderlich sind, um das sich aus der Mitgliedschaft ergebende Recht auf Mitwirkung an der vereinsrechtlichen Willensbildung wirkungsvoll ausüben zu können (OLG Saarbrücken aaO; OLG München, Urt. v. 15. November 1990 - 19 U 3483/90 juris Tz. 7)"." [Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21.06.2010 - II ZR 219/09]

"Der Beklagte kann sich allerdings nicht auf die Herausgabe bzw. Nennung der Namen der Mitglieder - unter Schwärzung ihrer Adressen - beschränken. Denn durch die Mitteilung der Anschriften soll das die Einsichtnahme begehrende Mitglied gerade in die Lage versetzt werden, sich mit anderen Mitgliedern in Verbindung setzen zu können, um das für die Beantragung einer außerordentlichen Mitgliederversammlung erforderliche Stimmenquorum zu erreichen. Dem steht nicht entgegen, dass der Beklagte mitgeteilt hat, dass einige seiner Mitglieder nicht die Herausgabe bzw. Mitteilung an die Kläger wünschten. Denn allein die lediglich hypothetische Möglichkeit des Missbrauchs der Einsicht in die Liste der Mitglieder beeinträchtigt nicht schon deren Belange; hinzutreten muss vielmehr, dass in der Person der Anspruchsteller konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die durch die Einsicht in die Mitgliederliste offenbarten personenbezogenen Daten für vereinsexterne Zwecke missbraucht werden könnten." [Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 30.07.2014 - 8 U 10/14]

"Weiter zutreffend hat das Berufungsgericht ein berechtigtes Interesse an der Mitgliederliste auch im Hinblick auf die geplante Kandidatur des Geschäftsführers der Klägerin für den Aufsichtsrat des Beklagten bejaht. Dieses Interesse ist entgegen der Ansicht der Revision nicht deshalb zu verneinen, weil der Geschäftsführer der Klägerin sein Desinteresse an einer Kandidatur dadurch dokumentiert habe, dass er sich in der Mitgliederversammlung am 4. Juli 2011 nicht zur Wahl für den Aufsichtsrat gestellt habe, obwohl dies nach § 15 Abs. 4 der Satzung möglich gewesen sei. Die Revision verkennt, dass eine solche Kandidatur ohne vorherige vereinsinterne Wahlwerbung aussichtslos ist (vgl. OLG Saarbrücken, NZG 2008, 677, 678). Eine erfolgversprechende Wahlwerbung vor der Abstimmung in der Mitgliederversammlung kann der Geschäftsführer der Klägerin aber nur betreiben, wenn er die Namen und die Anschriften der anderen Vereinsmitglieder kennt." [Bundesgerichtshof, Urteil vom 23.04.2013 - II ZR 161/11]

"Der Senat verkennt hierbei nicht, dass anwaltliche Vertreter von Anlegern die aus Auskunftsverfahren der vorliegenden Art gewonnenen Erkenntnisse zur Kontaktaufnahme mit bislang unbekannten Anlegern nutzen können. Allein dadurch wird jedoch nicht die konkrete Gefahr eines Datenmissbrauchs begründet. Erfolgt die Kontaktaufnahme etwa im Auftrag des obsiegenden Auskunftsklägers, scheidet ein Missbrauch bereits dann aus, wenn ein Kläger den Kontakt deshalb sucht, um sich mit den anderen Anlegern über aus seiner Sicht hinsichtlich der Gesellschaft bestehende Probleme auszutauschen. Ebenso wenig ist es bedenklich, wenn ein Klägeranwalt im Auftrag seines Mandanten durch die Kontaktaufnahme mit anderen Anlegern z.B. versucht, eine Interessengemeinschaft unter den Anlegern zu organisieren. Nutzt der Anwalt eines (erfolgreich) auf Auskunft klagenden Anlegers dagegen die Daten eigenmächtig, d.h. ohne eine dahingehende Beauftragung durch den Anleger im Rahmen der Verfolgung von dessen Interessen, zur Werbung um konkrete Mandate, liegt darin zwar ein Missbrauch der Daten. Dieser kann aber zum einen nicht dem klagenden Anleger als eigener Missbrauch angelastet werden, sofern er nicht mit dem missbräuchlich Handelnden kollusiv zusammenwirkt. Zum anderen sind in diesem Fall berufsrechtliche (durch Einschaltung der Aufsicht der Rechtsanwaltskammern), wettbewerbsrechtliche (vgl. hierzu OLG München, GRUR-RR 2012, 163; OLG Köln, BeckRS 2013, 01363; allgemein Köhler/Bornkamm, UWG, 31. Aufl., § 4 Rn. 11.96; siehe auch AG Weilheim, NJW 2013, 243) und datenschutzrechtliche (siehe hierzu Paul, GWR 2011, 225, 230) Rechtsbehelfe gegeben, um gegen ein derartiges missbräuchliches Verhalten eines Anwalts vorzugehen. Ein Anlass, wegen der (bloß abstrakten) Gefahr des Missbrauchs der Daten durch seinen Anwalt dem klagenden Anleger die Auskunft zu verweigern, besteht in diesen Fällen nicht." [Bundesgerichtshof, Urteil vom 05.02.2013 - II ZR 134/11]

Die plausible Darstellung der Judikatur des sich aus der Mitgliedschaft bei einem Verein ergebenden Rechts auf Mitwirkung an der vereinsrechtlichen Willensbildung als nicht nachvollziehbar zu erklären, kann damit als durchschaubarer und hoffentlich vergeblicher Versuch gewertet werden, den sich wehrenden Mitgliedern die Schuld an der vereinsinternen Misere zuzuschieben.   

Freitag, 22. Dezember 2017

Die Paketannahme durch den Nachbarn

Tausende von Weihnachtspaketen kreuzen durch Deutschland und viele kommen nicht an. Eine häufige Konstellation ist dabei die Annahme eines Pakets durch den Nachbarn. Das erinnert mich an einen Fall, der jüngst sein 10-jähriges Jubiläum gefeiert hat und natürlich nicht alle denkbaren Möglichkeiten abbildet. Im vom Amtsgericht Hannover mit Urteil zum Az.: 564 C 939/07 entschiedenen Fall wollte der Versender eines Pakets schlicht den Kaufpreis für ein Paar Kinderschuhe, die versendet wurden, aber nie ankamen. Denn: Nachweisbar war zwar die Auslieferung des Pakets an den Nachbarn, aber nicht die Ankunft des Pakets bei der Käuferin. Das bedeutete viel Ärger für alle Beteiligten. Die Verkäuferin bekam keinen Kaufpreis und zahlte sämtliche Prozesskosten, der Nachbar musste vor Gericht aussagen und die modebewusste Mama musste ihren süßen Fratz in popligen Normaloschuhen weiterlaufen lassen. In dieser Variante war die Annahme eines Pakets durch den Nachbarn jedenfalls ein voller Reinfall.

Mittwoch, 1. November 2017

Anwaltstypen: Der Frustbeißer

Es war eine unspektakuläre Sache im Wohnungseigentumsrecht am Amtsgericht Hannover. Die Entlastung für den Verwalter und den Verwaltungsbeirat sowie ein Beschluss über Zahlungsrückstände der Kläger scheiterten an formalen Voraussetzungen, Streitwert um die EUR 1.000,-. Allerdings war ein promovierter Rechtsanwalt Mitglied der beklagten Wohnungseigentümergemeinschaft und insofern natürlich Anführer der übrigen Miteigentümer. Die vollständige Niederlage der WEG-Mannschaft unter seinem Kommando scheint jedoch einen erheblichen Gesichtsverlust für den Kollegen mit sich gebracht zu haben, so dass dem eindeutigen Urteil taktische Spielchen inclusive Verwalterrücktritt ohne Nachfolgeregelung mit diversen Zustellungsproblemen folgten.

Wie man nach der unvermeidlichen und selbstredend erfolglosen Beschwerde gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss seine Enttäuschung über die unerwartete Niederlage weitergehend kompensieren kann, habe ich erst in diesem Verfahren gelernt: Der Befangenheitantrag gegen die den Kostenfestsetzungsbeschluss erlassende Rechtspflegerin und schließlich die sofortige Beschwerde gegen den entsprechenden Zurückweisungsbeschluss. Die Beschlüsse des Amtsgerichts Hannover und des Landgerichts Lüneburg sind lesenswert, jedoch nicht so unterhaltsam, wie die Ausführungen des umtriebigen Kollegen, der sich am Ende sogar noch die Verfahrensakten zur Ansicht kommen ließ - nicht ohne einen lehrreichen Hinweis, den ich so auch noch nicht gelesen hatte: "Es wird darum gebeten, eine sichere Versendungsform und einen zuverlässigen Zustelldienst zu wählen. Es wird weiterhin darum gebeten, den Versendungsstatus und den gewählten Zustelldienst per E-Mail mitzuteilen. Soweit die Versendung mit Rückschein erfolgt, wird um Rücklaufkontrolle gebeten und darauf hingewiesen, dass Rückscheine nur von der Kanzlei des Unterzeichners stammen, wenn sie den Kanzleistempel tragen."

Den Befangenheitsantrag gegen die Rechtspflegerin kann man wie folgt zusammenfassen. Soweit die Rechtspflegerin eine Überprüfung von Zustellungen tatsächlich vorgenommen hätte, wäre ihr aufgrund dieses Vermerks sofort klar gewesen, dass nicht an alle Beklagten eine Zustellung erfolgt ist. Demgemäß wäre sofort eine weitere umfassende Überprüfung notwendig gewesen. Allein anhand der Aktenlage ist feststellbar, dass die Angelegenheit nicht ordnungsgemäß von der Rechtspflegerin bearbeitet worden ist. Wie nachlässig die Rechtspflegerin in dieser Angelegenheit tätig war, ergibt sich im übrigen neben den bereits ausgeführten Punkten auch aus dem Umstand, dass sie in der Verfügung vom 20.02.2017, vgl. Blatt 205 d. A., nicht in der Lage ist, den Unterzeichner ordnungsgemäß zu bezeichnen, wie dies ansonsten in dem Verfahren stets erfolgt ist. Zusammenfassend ist damit festzustellen, dass Fehler bezüglich der Zustellung nicht bei der Serviceeinheit, sondern bei der Rechtspflegerin liegen und die Rechtspflegerin weder in der Lage ist, den Unterzeichner ordnungsgemäß zu benennen noch eine ordnungsgemäße Versendung der Akten zu gewährleisten.

Denn zu allem Übel war die Verpackung der versendeten Akten beim Empfang arg beschädigt worden. Wie man aus den Vorwürfen bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Zweifel an der Unvoreingenommenheit der Rechtspflegerin konstruieren kann, hat der verbissene Kollege leider nicht erläutert. Das war aber wohl auch nicht das eigentliche Ziel stundenlanger Mühen.

Mittwoch, 12. Juli 2017

Amtsgericht Hannover: Anwalt sieht rot

Wer als Anwalt beim Amtsgericht Hannover die Interessen seiner Mandanten vertritt, kommt in der Regel nicht umhin, seinen Fuß entweder in den Altbau des Amtsgerichts zu setzen oder den Neubau zu betreten. Als Hannoveraner sieht man schon gar nicht mehr hin, aber auswärtigen Kollegen werden die roten Skulpturen des Schweizer Bildhauers Jean Albert "Schang" Hutter noch auffallen, sind sie doch seit 1989 unmittelbar vor dem Altbau postiert oder sogar fest mit dem Neubau verbunden.


Erst bei genauerem Hinsehen wird man feststellen, dass die Stolperfallen durch Kabel miteinander verbunden sind und Gesichter haben, die an bebrillte Amtsrichter erinnern, die den vergleichsunwilligen Rechtsanwalt mit langer Nase aufzuspießen drohen. Die Kabel scheinen die Vernetzung der Justiz zu repräsentieren und wenn man nicht genau hinsieht, bleibt man entweder darin hängen oder fliegt auf die Schnauze. Letztlich scheint die auf einer hohen Säule für den Durchschnittsanwalt nicht zu erkennende Figur ein Hinweis darauf zu sein, dass dem einzelnen Anwalt nicht nur die Weitsicht fehlt, sondern auch die Erkenntnis, dass er von der Justiz beliebig geritten werden kann, wenn er sich keinen ausreichenden Überblick verschafft.

 

Mittwoch, 29. Juli 2015

Amtsgericht Hannover: Filesharing-Urteil Note 2

Nach einem kleinen Qualitätsausrutscher in Sachen Filesharing ist das Amtsgericht Hannover mit Urteil vom 26.06.2015 zum Aktenzeichen 524 C 9788/14 nun wieder zu bewährter Qualität zurückgekehrt und hat eine Klage der TopWare Entertainment GmbH und deren in filesharing-Angelegenheiten betrauten Prozessbevollmächtigten, Rechtsanwälte rka aus Hamburg, abgewiesen.

Gegen die Beklagte zu 1. hat das Amtsgericht die Einrede der Verjährung durchgreifen lassen, gegen den Beklagten zu 2. wurde die Klage als unzulässig abgewiesen. Das Gericht folgte den Hinweisen der Beklagten zu 1., dass sich aus §§ 256 Abs. 2, 261 Abs. 2, 297 ZPO ergibt, dass die Erhebung einer neuen Klageforderung oder einer Klageerweiterung durch einen nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichten Schriftsatz unzulässig ist, weil Sachanträge spätestens in der letzten mündlichen Verhandlung gestellt werden müssen. Mangels Antragstellung in der mündlichen Verhandlung darf nämlich über eine nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichte Klageerweiterung nicht entschieden werden.

Weil das Verfahren zuvor gemäß § 240 ZPO unterbrochen wurde, da mit Beschluss des Amtsgerichts Karlsruhe (G1 IN 772/14) am 08.09.2014 ein vorläufiger Insolvenzverwalter für die TopWare Entertainment GmbH bestellt wurde, der das Verfahren anschließend fortführen ließ, bleibt zunächst abzuwarten, was aus dem Kostenerstattungsanspruch der Beklagten zu 1. wird. Übrigens konnte die Note 1 für das Urteil nicht vergeben werden, weil die Beklagte zu 1. mehrfach behauptet hatte, nicht als Anschlussinhaberin qualifiziert zu sein, weil sie dargelegt hatte, weder unter der in der Abmahnung genannten Anschrift noch unter ihrer Wohnadresse einen Internetanschluss gehabt zu haben. Insoweit war der Tatbestand des Urteils, wonach die Beklagte behauptet hätte, dass Familienangehörige Zugang zu ihrem Anschluss hatten, schlicht falsch.

Dienstag, 14. Juli 2015

Amtsgericht Hannover: Filesharing-Urteil Note 6

Eine wichtige Folge der Unabhängigkeit jeden Richters ist sicherlich dessen Gewissheit, auch im Falle völligen Versagens nicht um seinen Arbeitsplatz bangen zu müssen. Allerdings schützt die richterliche Unabhängigkeit nicht davor, sich bisweilen von der nächst höheren Instanz eine Art Leistungsbeurteilung aufschreiben lassen zu müssen, die sich ein Student oder Rechtsreferendar als Kommentar zu einer völlig unbrauchbaren juristischen Leistung hätte einrahmen können.

Beim Streit um die Kosten einer Abmahnung gegen einen Arbeitgeber aus dem Bereich des Filesharings hat das Landgericht Hannover nun auf ein Urteil des Amtsgerichts Hannover mit einem Beschluss reagiert, dessen Deutlichkeit die Anhänger der juristischen Krähentheorie Lügen straft:

"Die Parteien werden auf folgendes hingewiesen:

1. Das Verfahren 1. Instanz dürfte schwerwiegende Verfahrensmängel aufweisen. Daher ist die Aufhebung und Zurückverweisung beabsichtigt. Das Amtsgericht hat vollständig darauf verzichtet, aufzuklären ob hier Dritte als Nutzer in Betracht kommen bzw. verantwortlich für das Filesharing Angebot sind, obwohl beide Parteien hierzu Beweis angeboten haben (vgl. Ss d. Kl. v. 22.1.2015 Bl. 127 d.A. bzw. Ss. d. Bekl. v.13.2.2015, Bl.183 ff d.A.).

2. Die Entscheidungsgründe tragen inhaltlich die Entscheidung nicht. Zutreffend wird zwar auf die für Betriebe geltende Verweisung in § 99 UrhG auf den Unterlassungsanspruch aus § 97 Abs. 1 UrhG verwiesen. Es wird aber weder ausgeführt, ob, noch warum sich diese Verweisung auf die in § 97 Abs. 2 UrhG normierten Schadensersatz-/Lizenzansprüche erstrecken soll, die hier streitig sind.

3. Darüber hinaus werden in den Urteilsgründen mit einer derartigen Häufigkeit Kläger und Beklagte verwechselt, dass die Kammer letztlich nicht sicher ist, ob das Amtsgericht bei der Abfassung tatsächlich die zutreffenden Parteirollen zugrunde gelegt hat."

Wer sich das amtsgerichtliche Urteil genauer ansieht, wird recht schnell erkennen, dass die vom Amtsgericht Hannover ausnahmslos unterstellte Haftung des Arbeitgebers für das Handeln seiner Mitarbeiter von der Rechtsprechung tatsächlich nur eingeschränkt gewährt wird.

Das Recht des Inhabers eines urheberrechtlichen Unterlassungsanspruchs, wonach dieser auch gegen einen Unternehmer vorgehen kann, wenn in dessen Unternehmen ein geschütztes Recht von einem Mitarbeiter verletzt worden ist, setzt voraus, dass der Arbeitnehmer oder Beauftragte die Rechtsverletzung im Rahmen des Tätigkeitsbereichs des Unternehmens begangen hat. Bei Handlungen, die nicht dem Unternehmen, sondern allein dem Handelnden zu Gute kommen, scheidet eine Zurechnung aus. Beim Filesharing von Filmen oder Musikstücken über Tauschbörsen durch Arbeitnehmer mit Hilfe des Internetanschlusses des Arbeitgebers kommt die Anwendung des § 99 UrhG daher regelmäßig nicht in Betracht.

Donnerstag, 30. Oktober 2014

Einer Oma ohne PC und Internet 1.000,- Euro aus den Rippen zu leiern ...

... war die Mission der TopWare Entertainment GmbH aus Ettlingen, vertreten durch die .rka Rechtsanwälte Reichelt Klute Aßmann aus Hamburg. Mit einer Abmahnung wurden Ansprüche auf Unterlassung und Schadensersatz (Anwaltsgebühren und fiktive Lizenzgebühr) wegen eines angeblichen Urheberrechtsverstoßes an dem Computerspiel "Two Worlds II" durch einen Download in einer Internettauschbörse mittels Filesharing geltend gemacht. Mangels Zahlungen wurde schließlich Klage erhoben.

Zunächst lief die Komödie vor dem Amtsgericht Hamburg, dass sich für unzuständig erklärte. Dann ging es zum Amtsgericht Hannover, vor dem der Abmahnbude die Luft ausging. Denn der Kollege der .rka Rechtsanwälte Reichelt Klute Aßmann GbR teilte mit, das beantragt wurde, ein Insolvenzverfahren über das Vermögen der TopWare Entertainment GmbH zu eröffnen:

 "Mit Beschluss des Amtsgerichts Karlsruhe (G1 IN 772/14) wurde am 08.09.2014, 12 Uhr, Herr Rechtsanwalt Harald Kroth, Eisenbahnstraße 19-23, 77855 Achem, zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. Der Schuldnerin wurde mit dem gerichtlichen Beschluss zugleich ein allgemeines Verfügungsverbot hinsichtlich der von ihr geführten Aktiv- und Passivprozesse auferlegt und die Prozessführungsbefugnis auf den vorläufigen Insolvenzverwalter mit den in § 240 Satz 2 ZPO bezeichneten Wirkungen übertragen. Das hier geführte streitige Verfahren ist damit vorerst unterbrochen. Ob und in welchem Umfange der Rechtsstreit fortgeführt wird, wird zu einem späteren Zeitpunkt entschieden. Soweit Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt wurde, bitten wir um Absetzung. Auf Seiten der Klägerin wird niemand  erscheinen."

Das Verfahren wurde gemäß § 240 ZPO unterbrochen. Damit wird die 78-jährige Beklagte ohne Computer und Internetanschluss wohl auf ihren Anwaltskosten sitzen bleiben, denn es wird nicht damit gerechnet, dass der Prozess jemals wieder aufgenommen wird.

Freitag, 4. April 2014

Niedersachsenderby - Hannover 96 zur Ticketherausgabe gezwungen

"Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, dem Antragsteller für das Bundesligaauswärtsspiel der Profimannschaft von Hannover 96 am 06.04.2014 bei Eintracht Braunschweig eine seinem Vertrag entsprechende Eintrittskarte der Kategorie "Stehplatz ermäßigt" im Eintracht-Stadion in Braunschweig zu übergeben, und zwar ohne dass der Antragsteller verpflichtet wird, den durch die Antragsgegnerin bereitgestellten Bustransfer zu dem Spiel zu nutzen."

Mit diesem Tenor zum Beschluss des Amtsgerichts Hannover vom 04.04.2014 zum Az.: 406 C 3516/14 ist die Einigung zwischen Hannover 96, dem Niedersächsischen Innenministerium, der Polizei und dem gastgebenden Club Eintracht Braunschweig auf einen Derby-Zwangstransport für den Auswärtsdauerkarteninhaber, der sich mit einer einstweiligen Verfügung gegen diese Regelung gewehrt hatte, vom Tisch.

Jeder 96-Fan, der über Hannover 96 eines der für Hannoveraner reservierten Auswärtstickets erwerben wollte, sollte dies nur in Verbindung mit einem organisierten Bustransport tun können. Der Beschluss wurde bereits per Gerichtsvollzieher zugestellt und die Karte für das Spiel herausgegeben. Nach Aussagen des Präsidenten von Hannover 96 werden Auswärtsdauerkarten in der nächsten Saison deshalb mit 99%iger Sicherheit nicht mehr angeboten. Selbst schuld ihr bösen Fans, was besteht Ihr auch auf die Einhaltung einer vertraglichen Regelung.

Montag, 31. März 2014

Hannover - Zwangstransport zum Derby bleibt

Weil Hannover 96 den Verfügungsklägern im Streit über die 96-Auswärtsdauerkarten für das Niedersachsen-Derby zwischen Eintracht Braunschweig und Hannover 96 am 06. April 2014 drei Ehrenkarten ohne Verpflichtung zur Anreise im Bus auf der Geschäftsstelle des Amtsgerichts Hannover hinterlegt hat, hat sich nach Ansicht des Amtsgerichts Hannover das Eilbedürfnis für den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung erledigt. Eine Sachentscheidung wird es nicht geben.

Die Verfügungskläger können nun ohne den Zwang zum Bustransport zum Derby fahren und das Gericht wird über die Verfahrenskosten zu einem späteren Zeitpunkt entscheiden. Mit diesem Schachzug hat Hannover 96 grundsätzliche Worte des Gerichts zum Buszwang vermieden und die übrigen Fans, die eines der 2100 Auswärtstickets über 96 in Anspruch nehmen möchten, können dies weiterhin nur in Verbindung mit einer Busfahrkarte zwecks kontrollierter Anreise tun.

Wenn das Gericht im Rahmen der Kostenentscheidung später zu dem Ergebnis kommt, dass Hannover 96 die Verfahrenskosten wegen der Rechtswidrigkeit des Zwangstransports tragen muss, ist das Derby nebst Ticketvergabe natürlich längst zu den Bedingungen des Bundesligaclubs gelaufen.  

Donnerstag, 27. März 2014

Hannover - Zwangstransport für böse Buben

Die Angst vor Krawallen beim Niedersachsen-Derby zwischen Eintracht Braunschweig und Hannover 96 am 06. April 2014 treibt die Verantwortlichen zu rechtswidrigen Absprachen bei der Kartenvergabe. Jeder Normalfan, der über Hannover 96 eines der 2100 Auswärtstickets erwerben möchte, soll dies nur in Verbindung mit einer Busfahrkarte für einen überwachten Transport tun können. Die Tickets werden erst im Bus verteilt. Das gilt auch für die Inhaber der von Hannover 96 zur Saison 13/14 erstmals verkauften Auswärtsdauerkarten.

Ein kurzer Blick in die Allgemeinen Geschäftsbedingungen für den Erwerb der Auswärtsdauerkarte 2013/2014 zeigt, dass die Einigung zwischen Hannover 96, dem Niedersächsischen Innenministerium, der Polizei und dem gastgebenden Club Eintracht Braunschweig zum Zwangstransport jedenfalls im Hinblick auf Auswärtsdauerkarten eine rechtswidrige Seifenblase ist, die der Kollege Dr. Andreas Hüttl nach Informationen des SPIEGEL vor dem Amtsgericht Hannover platzen lassen wird.

Ein erboster Fan beschreibt seine Situation des ihm aufgenötigten Anreisemodus wie folgt: "So wie es bei mir aussieht muss ich von Augsburg (aktueller Wohnort, ICE) - Hannover (wegen der Busfahrt) - aBSchaum (Spiel) - Hannover (Busfahrt zurück) - aBschaum (Zugfahrt) - Salzgitter (Auto), damit ich zu meinen Eltern fahren kann, wo ich dann eine Nacht da schlafen kann."

Der Fan als lästiges Detail im wirtschaftlich orientierten Fußballunternehmen? Nicht ganz - der Zwang zur Anreise im Bus gilt natürlich nicht für die Inhaber von VIP-Tickets.

Montag, 25. Juni 2012

Amtsgericht Hannover: Der aufmerksame Justizwachtmeister

Nach einer Strafverhandlung im Amtsgericht Hannover wollte ich noch Fotos des Gerichts machen. Von der Fassade des Gebäudes versteht sich. Diese Tätigkeit entging einem aufmerksamen Beamten des Justizwachtmeisterdienstes nicht, denn seine Tätigkeit ist vielseitig und verantwortungsvoll.

Zu den Aufgaben eines Justizwachtmeisters gehört nämlich nicht nur die Überwachnung des Post- und Aktenverkehrs und die Tätigkeit als Dienstkraftwagenfahrer und Hausmeister. Ein wichtiger Bestandteil seiner Aufgaben ist auch der Sicherheits- und Ordnungsdienst in Gerichten und Staatsanwaltschaften. Als ein Teil dieser Aufgabe wird der aufmerksame Justizwachtmeister das von ihm initiierte Gespräch verstanden haben:

Haben Sie eine Genehmigung?
Brauche ich nicht.
Aber Sie waren doch eben auch im Gebäude?
Ja.
Haben Sie da auch Fotos gemacht?
Nein.
Sind Sie sicher?
Ja.

Die Unterhaltung war kurz, die Rechtslage eindeutig und den Gesprächspartnern war bekannt, welche Bedingungen (nicht nur) im Amtsgericht Hannover bei Ton- und Filmaufnahmen gelten:

Foto- Film- und Tonaufnahmen während einer Gerichtsverhandlung sind gem. § 169 S. 2 GVG ausnahmslos verboten. Ein Verstoß kann in der Revision zur Urteilsaufhebung führen. Innerhalb des Sitzungssaals aber außerhalb einer Gerichtsverhandlung können Aufnahmen von der Pressestelle genehmigt werden, wenn der oder die Gerichtsvorsitzende einverstanden ist. Die Genehmigung kann davon abhängig gemacht werden, dass die Fotografen oder Kameraleute während der Verhandlung ihre Aufnahmegeräte auf den Richtertisch legen oder nur verpackt in Besitz behalten. Aufnahmen außerhalb einer Gerichtsverhandlung im Gebäude des Amtsgerichts Hannover sind verboten, wenn nicht zuvor eine Ausnahmegenehmigung durch die Pressestelle erteilt worden ist. Derartige Genehmigungen werden in der Regel nur mit der Auflage erteilt, dass die Aufnahmen in Anwesenheit des Pressesprechers oder eines Beauftragten und nach vorheriger Einwilligung aller aufgenommenen Personen gemacht werden.

Ausserhalb des Amtsgerichts Hannover darf das Gebäude ohne Einschränkung fotografiert werden.

Freitag, 4. März 2011

0900er-Nummer mit EUR 2,99 pro Minute als einzige Anwaltsnummer berufsrechtlich zulässig?


Auf die berufsrechtliche Beschwerde des Landgerichts Hannover, wonach ein Rechtsanwalt aus Hannover in seinem Briefkopf ausschliesslich eine kostenpflichtige 0900er-Nummer mit Kosten von EUR 2,99 pro Minute aufführt, hat der Vorstand der Rechtsanwaltskammer in Celle keinen Anlass zu einem berufsrechtlichen Einschreiten gesehen. Im Briefkopf sind auch Fax- und E-Mail-Adresse angegeben.

Der Rechtsanwalt hatte die umstrittene Massnahme wie folgt begründet: "Das hohe Telefonvolumen führte in der Vergangenheit dazu, dass ich keine drei Minuten am Stück an einer Akte arbeiten konnte, bis dass nächste Telefonat reinkam. ... Das Telefonproblem ist mit der 0900er-Nummer derzeit weitgehend gelöst, weil dann ein Telefonat Geld kostet und die Leute sich kürzer fassen und mit mir nicht mehr über Gott und die Welt reden."

Nunmehr beschwert sich das Amtsgericht Hannover bei der Rechtsanwaltskammer, weil ein Empfangsbekenntnis vermisst wurde: "Die Geschäftsstelle hat daraufhin versucht, das Büro des Beklagtenvertreters telefonisch zu erreichen. Dies ist nur unter einer gebührenpflichtigen Telefonnummer (2,99 €/Min.) möglich. Ich bitte um Überprüfung ..."

Nach § 5 der Berufsordnung ist ein Rechtsanwalt verpflichtet, die für seine Berufsausübung erforderlichen sachlichen, personellen und organisatorischen Voraussetzungen vorzuhalten.

Es stellt sich zunächst die Frage, ob überhaupt ein Telefon vorgehalten werden muss. Für die pflichtgemäße Bearbeitung eines gerichtlichen oder aussergerichtlichen Mandats ist ein Telefon jedenfalls nicht notwendig, wenn auch bisweilen nützlich. Mit der grundsätzlichen Bereitstellung eines Telefonanschlusses dürfte die anwaltliche Pflicht jedenfalls erfüllt sein. Die Ausgestaltung der tatsächlichen Erreichbarkeit samt damit verbundener Kostenstruktur muss dem einzelnen Anwalt im Rahmen seiner Berufsfreiheit überlassen werden.