Mittwoch, 28. März 2018

Wie man die Polizei nicht beleidigt - Teil 3/4

Im Umgang mit der Buchstabenfolge ACAB kann man nach den Einschätzungen des Bundesverfassungsgerichts und der Fachgerichte ohne weiteres festhalten, dass ACAB im Bereich der Bundesrepublik Deutschland als englische Parole "all cops are bastards" verstanden werden muss. ACAB wird selbst dann vom Amtsgericht Erfurt und unbeanstandet vom Bundesverfassungsgericht in diesem Sinne verstanden, wenn der Verwender nach außen deutlich zu erkennen gibt, dass diese Abkürzung aus seiner Pespektive anders zu deuten ist.

Das Amtsgericht Erfurt meinte nämlich in dem Aufdruck „A.C.A.B.“ zusammen mit dem Abbild eines kleinen Kätzchens und dem Slogan „All CATS are BEAUTIFUL“ lediglich den Deckmantel der sinnfreien Meinungsäußerung „Alle Katzen sind schön“ zu erkennen, der nur dazu diente, gegenüber einer eingegrenzten Gruppe von Polizeibeamten die Kundgabe einer Missachtung zu entfalten. Mit andern Worten: Der Angeklagte meinte nach Ansicht des Amtsgerichts trotz der Parole "all cats are beautiful" tatsächlich "all cops are bastards".

Wie das Amtsgericht Erfurt zu dieser Erkenntnis kam, ergibt sich aus dem entsprechenden Urteil nur unzureichend. Denn der subjektive Tatbestand der Beleidigung setzt Vorsatz voraus; Fahrlässigkeit genügt dafür nicht. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung gilt der Nachweis des Vorsatzes erst dann als erbracht, wenn mit hinreichender Sicherheit feststeht, dass sich der Beschuldigte der herabsetzenden Wirkung seiner Äußerung bewusst war. Ist dieses Wissen erwiesen, so muss angenommen werden, dass er auch mit Willen handelte, d.h. eine Beleidigung der umstehenden Polizisten beabsichtigt (direkter Vorsatz) oder zumindest in Kauf genommen hat (Eventualvorsatz). Der aufmerksame Leser wird sich - genau wie der Amtsrichter - denken: "Verarschen kann ich mich alleine, natürlich hatte der Typ mit Katzen nichts am Hut, sondern wollte die Bullen mindestens provozieren." Strafrechtlich genügt diese durchaus nachvollziehbare Menschenkenntnis allerdings nicht, um den Nachweis eines Beleidigungsvorsatzes zu führen.

Insbesondere der Umstand, dass der Verurteilte strafrechtlich bislang nicht in Erscheinung getreten war und erst dann ein Verhalten an den Tag legte, dass zu seiner Verurteilung führen konnte, nachdem er vom Einsatzleiter aufgefordert wurde, seine bis dahin zulässige Meinungsäußerung - das Tragen des Stoffbeutels mit den streitgegenständlichen Aufdrucken - zu unterlassen, weckt Zweifel am Vorsatz der Beleidigung. Denn das jemand, der aufgefordert wird, ein rechtlich zulässiges Verhalten zu unterlassen, trotzig reagiert und daraufhin versucht, sein zulässiges Tun gegenüber der auffordernden Polizei durch eine Intensivierung seines Verhaltens sichtbar zu verteidigen, scheint verständlich und hätte einer genauen Untersuchung bedurft. Festzuhalten ist jedenfalls, dass das Kürzel ACAB bei Strafgerichten trotz der durch das Bundesverfassungsgericht aufgezeigten Grenzen eine überaus toxische Wirkung hat, bei der auch geschulte Juristen bisweilen nicht in der Lage sind, eine distanzierte juristische Betrachtung zu gewährleisten.

Unter den geschilderten Umständen scheint selbst die Abstandnahme von der Verwendung der Zeichefolge ACAB hin zur Abkürzung ADAB riskant. Wenn ein Gerichte damit begonnen hat, den Slogan "all cats are beautiful" ohne weiteres als Deckmantel und damit als Synonym für den Slogan "all cops are bastards" zu identifizieren, dürfte es den Gerichten auch nicht sonderlich schwer fallen, einen Schritt weiter zu gehen und in der Abkürzung "ADAB" mit dem Satz "all dogs are beautiful" einen Deckmantel für den Deckmantel "all cats are beautiful" zu erkennen, um damit die Gleichung ADAB = ACAB aufzustellen.

Aus der Sicht eines unbefangenen und verständigen Dritten könnte nämlich auch jede andere Deutung des Schriftzuges „A.D.A.B.“ ausgeschlossen werden, denn es könnte fernliegend sein, daß man in einer Gruppe von Demonstranten durch das Tragen eines Jutebeutels allein darlegen will, daß man „Hunde schön und süß“ findet. Harte Zeiten für Grenzgänger der Meinungsfreiheit, welche ihre allgemeine Ablehnung der Polizei möglichst ohne das Risiko, wegen der Beleidigung von Polizisten verurteilt zu werden, ausdrücken möchten. Darüber, ob nicht ein noch größerer Abstand von der Zeichenfolge ACAB als das Kürzel ADAB hilfreich sein könnte, werde ich im letzten Teil dieser Reihe spekulieren.

Dienstag, 27. März 2018

Wie man die Polizei nicht beleidigt - Teil 2/4

Dass in Deutschland die isoliert betrachtete Buchstabenfolge ACAB als Abkürzung für den englischsprachigen Slogan „all cops are bastards“ verstanden wird, will auch das Bundesverfassungsgericht nicht in Frage stellen. Denkbar sind natürlich auch andere Bedeutungen wie "acht Cola acht Bier", "all christians are brothers", "all crmininals are black" oder auch "all cats are beautiful". Für die Interpretation der Zeichenfolge ACAB wird man daher stets den individuellen Kontext der Äußerung und deren konkrete Verwendung betrachten müssen. Denn sicherlich gibt es im Raum Aachen zahlreiche Autofahrer, die arglos mit den Buchstaben AC AB auf ihrem Nummernschild herumfahren, ohne damit ihre allgemeine Ablehnung unserer Ordnungshüter ausdrücken zu wollen.

In der juristischen Methodenlehre ist nämlich unumstritten, dass der übliche Sinn eines Wortes, eines Gesetzes oder auch einer Abkürzung nur ein Hinweis für deren Auslegung ist und nur der äußerst mögliche Wortsinn die Grenze jeglicher Auslegung darstellt, welche auch mit den sonstigen Interpretationsmethoden nicht überschritten werden darf. Damit wird man die reine Zeichenfolge ACAB in der Regel auf die Bedeutung "all cops are bastards" reduzieren dürfen, wenn der Kontext und die konkrete Verwendung keinen Hinweis auf eine andere Deutungsmöglichkeit, wie etwa bei Nummernschildern, enthält.

Interessant ist daher der Fall eines Katzenliebhabers, der es wagte, mit einem rosafarbenen, ca. 40 x 40 cm großen Stoffbeutel, im oberen Bereich mit dem Aufdruck „A.C.A.B.“, im mittleren Bereich mit dem Abbild eines kleinen Kätzchens und im unteren Bereich mit dem Aufdruck „All CATS are BEAUTIFUL“ versehen, demonstrieren zu gehen. Bemerkenswert ist noch, dass das im oberen Bereich aufgedruckte Kürzel „A.C.A.B.“ und der untere Slogan „All CATS are BEAUTIFUL“ weitgehend in der gleichen Schriftgröße ausgeführt wurden, während das Katzenbild deutlich größer war. Man könnte nun auf die Idee kommen, dass sich der Träger des Beutels mit der Abkürzung ACAB auf die für ihn massgebliche Bedeutung "all cats are beautiful" festgelegt hatte und sich damit ausdrücklich von der herkömmlichen Bedeutung einer abfälligen Äußerung gegenüber der Polizei distanzierte.

Allerdings forderte der Einsatzleiter der Polizei den Tierliebhaber nach den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts in seinem Beschluss vom 13.06.2017 zum Az.: 1 BvR 2832/15 trotz des deutlich sichtbaren Katzen-Slogans auf, seinen Beutel nicht weiter offen zu tragen. Dieser Aufforderung kam der Beutelträger aber nicht nach, sondern präsentierte den Beutel „nunmehr ostentativ“ und „nachgerade paradierend“ vor den die Demonstration abschirmenden Einsatzkräften der Polizei. Eine verständliche Reaktion des Tierfreunds, seine Liebe zu Katzen nun erst recht zu zeigen, weil er in aller Deutlichkeit darauf hinweisen wollte, sich sein Recht als Tierliebhaber darzustellen nicht von der Polizei verbieten lassen zu müssen? Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gibt zu dieser Frage nicht viel her, sondern stellt lediglich fest, dass sich das Amtsgericht hinreichend mit weiteren Deutungsmöglichkeiten der Abkürzung ACAB auseinandergesetzt habe.

Es lohnt daher ein Blick auf das Urteil des Amtsgerichts Erfurt vom 26. März 2015 zum Az.: 830 Js 34947/14 51 Cs, das trotz der sichtbar abweichenden Interpretation meinte, jede andere Deutung des Schriftzuges „A.C.A.B.“ ausschließen und den Angeklagten wegen Beleidigung verurteilen zu können: "Es ist fernliegend, daß der Angeklagte in einer Gruppe von Gegendemonstranten gegen den NPD-Landtagswahlkampf durch das Tragen des Jutebeutels allein darlegen wollte, daß er „Katzen schön und süß“ findet. Denn Farbwahl, Schriftgröße und die näheren Umstände des Tragens des Beutels sprechen dafür, daß der Angeklagte beabsichtigte, dass die Polizeibeamten auf ihn aufmerksam wurden. Unter dem Deckmantel einer (sinnfreien) Meinungsäußerung „Alle Katzen sind schön“ kam es dem Angeklagten darauf an, sich gegenüber den Polizeibeamten der Abkürzung „A.C.A.B.“ zu entäußern und die Polizeibeamten durch diese Kundgabe seiner Missachtung zu beleidigen. Der Streitfall gibt dem Gericht keine Veranlassung, weitergehenden Deutungsmöglichkeiten nachzugehen. In der Literatur wird in Ansehung der länder- und kulturübergreifenden Verwendung der Buchstabenfolge „A.C.A.B.“ jede weitere theoretische Deutung als „Acht Cola acht Bier“, „Alles Christen außer Berti“, „all colours are beautiful“, „Alice Cooper and band“ regelmäßig als Schutzbehauptung angesprochen (vgl. Zöller, ZJS 2013, 102)."

Ob trotz vieler theoretisch denkbarer Deutungen der Buchstabenfolge „A.C.A.B.“ auch dann von einer Schutzbehauptung gesprochen werden kann, wenn der Äußernde eine denkbare Deutung ausdrücklich für sich beansprucht, indem er diese zusammen mit der streitbefangenen Abkürzung und einer entsprechenden bildlichen Darstellung sichtbar präsentiert, kann man durchaus diskutieren. Denn in der Literatur werden die theoretischen Deutungen nur im Zusammenhang mit der isolierten Zeichenfolge ACAB ohne sichtbar beigefügte Eigeninterpretation betrachtet. Wer allerdings um die Neigung von Amtsrichtern weiß, die Kenntnis ihrer Pappenheimer dem Ergebnis einer rechtswissenschaftlichen Subsumption gegenüber höher zu bewerten, sollte sich besser nicht darauf verlassen, eine sichtbar von der üblichen Bedeutung abweichende Interpretation des Slogans ACAB straffrei und unübersehbar paradierend präsentieren zu können. Ob es nicht doch eine Möglichkeit gibt, seine Tierliebe straffrei vor einer hinreichend überschaubaren Polizistengruppe zu demonstrieren, wird daher im folgenden Teil 3/4 zu klären sein.

Sonntag, 25. März 2018

Wie man die Polizei nicht beleidigt - Teil 1/4

Acar und Atac gehören genauso zu Deutschland wie ACAB. Doch während Acar und Atac uns aus dem türkischen Sprachraum heraus beglücken und lediglich Namen sind, wird ACAB vielfach als eine Abkürzung für die englische Parole "all cops are bastards" verstanden und sorgt daher regelmäßig für unglückliche Gesichter, insbesondere in den Reihen der Polizei.

Dass die Buchstabenfolge ACAB als aus dem Englischen stammende Abkürzung zu Deutschland gehört, hat das Bundesverfassungsgericht einmal mehr per Beschluss vom 17.05.2016 zum Aktenzeichen 1 BvR 2150/14 deutlich gemacht, als es davon ausging, dass der Slogan ACAB sowohl der Polizei als auch dem Beschwerdeführer bekannt ist und eine allgemeine Ablehnung der Polizei und ein Abgrenzungsbedürfnis gegenüber der staatlichen Ordnungsmacht zum Ausdruck bringt, die als Meinungsäußerung grundsätzlich durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützt ist.

Das besondere an der Zeichenfolge ACAB, die weder bestimmte Personen benennt noch erkennbar auf bestimmte Personen bezogen ist, sondern ohne individuelle Aufschlüsselung ein Kollektiv erfasst, ist, dass sie auch als Beleidigung verstanden werden kann. Dies gilt es natürlich zu verhindern und dazu muss man wissen, wann das Kürzel ACAB als Angriff auf die persönliche Ehre eines oder mehrerer Mitglieder des Kollektivs "cops" gelten kann.

Denn je größer das Kollektiv ist, auf das sich die herabsetzende Äußerung bezieht, desto schwächer ist die persönliche Betroffenheit des einzelnen Mitglieds, weil es bei den Vorwürfen an große Kollektive regelmäßig nicht um das individuelle Fehlverhalten oder individuelle Merkmale der Mitglieder, sondern um den Unwert des Kollektivs und seiner sozialen Funktion insgesamt geht. Nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts ist es daher zu vermeiden, dass sich die Kundgabe der Zeichenfolge ACAB als Äußerung auf eine hinreichend überschaubare und abgegrenzte Personengruppe bezieht, die Teil des Kollektiv "cops" ist.

Erst der Nachweis einer personalisierenden Adressierung der Parole ACAB an einen oder mehrere Polizisten kann zu einer rechtskräftigen Verurteilung wegen Beleidigung führen, wie schon das Amtsgericht Berlin-Tiergarten im Jahre 2000 zutreffend erkannte. Wer also als Fußballfan oder politischer Aktivist eine Vorladung zu einer polizeilichen Anhörung bekommt, sollte es sich verkneifen, mit seiner Kutte und einem ACAB-Aufnäher oder einem entsprechenden T-Shirt bei der Vernehmung aufzutauchen, da sich der verbeamtete Interviewpartner beleidigt fühlen könnte.

Ins Stadion oder auf eine Demo geht es natürlich auch in Zukunft mit den Insignien der Ablehnung gegenüber der staatlichen Ordnungsmacht, denn der bloße Aufenthalt im Stadion oder die Anwesenheit auf einer Demonstration in dem Bewusstsein, dass die Polizei auch anwesend ist, genügt für eine Konkretisierung der Äußerung ACAB gegenüber bestimmten Polizisten nicht. Unbedingt vermieden werden muss nur, sich ganz bewusst in die Nähe der dort befindlichen Einsatzkräfte der Polizei zu begeben, um diese mit der Parole ACAB zu konfrontieren. Wie streng dieses Gebot befolgt werden muss, ist bald dem in Kürze folgenden Teil 2/4 zu entnehmen.

Mittwoch, 21. März 2018

Wenn der Zahnarzt Schmerzen kriegt

Zahnarzthonorare scheinen bisweilen erschreckend hoch und so landet der Streit um das Honorar von einem Zahnarzt nicht selten vor Gericht. Häufig wird der Einzug derartiger Honorare von Inkassobuden vorgenommen, die sich das Honorar vom Zahnarzt oder der Zahnärztin haben abtreten lassen. Trotzdem spätestens seit des Urteils des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen vom 10.07.1991 zum Az.: VIII ZR 296/90 klar ist, dass die Abtretung einer ärztlichen oder zahnärztlichen Honorarforderung an eine gewerbliche Verrechnungsstelle, die zum Zweck der Rechnungserstellung und Einziehung unter Übergabe der Abrechnungsunterlagen erfolgt, wegen Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht nach § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB gem. § 134 BGB nichtig ist, wenn der Patient ihr nicht zugestimmt hat, klagen Inkassounternehmen immer wieder abgetretene Honorare ein, obwohl der beklagte Patient einer Abtretung gerade nicht zugestimmt hat. Vor dem Amtsgericht Burgwedel hatten wir deutlich auf diese Rechtslage hingewiesen und angeboten, auf eine Strafanzeige gegen die Zahnärztin zu verzichten, welche ihre Honorarforderung abgetreten hatte, wenn die Forderung insgesamt fallen gelassen würde. Leider war das Inkassounternehmen uneinsichtig, so dass nicht nur die Klage auf Honorarzahlung per Urteil abgewiesen wurde, sondern zusätzlich ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen die Zahnärztin wegen Verletzung ihrer ärztlichen Schweigepflicht eingeleitet wurde.

Mittwoch, 28. Februar 2018

Sind Bundesbildungsministerinnen immer doof?

Wohl nicht zwingend, aber auch die Nachfolgerin der unsäglichen Annette Schavan, die aktuelle Bundesministerin für Bildung und Forschung, Prof. Dr. rer. nat. Johanna Wanka, gehört sicher nicht zu den hellsten Lichtern im Parlament. Ihre Steilvorlage für das von der AfD initierte Organstreitverfahren wäre für jeden staatsrechtlich halbgebildeten Politiker in einem öffentlichen Amt vermeidbar gewesen, der verstanden hätte, dass das verfassungsrechtliche Neutralitätsgebot auch Staatsorgane zur parteipolitischen Neutralität verpflichtet.

Um die AfD im parlamentarischen Ränkespiel auszugrenzen, bedarf es geschickterer Strategien, wie etwa die einer allgemeinen Änderung der Geschäftsordnung des Bundestags nur um einen bestimmten Alterspräsidenten der AfD im zukünftigen Bundestag zu verhindern. Nun musste sich Johanna endgültig werbewirksam zu Gunsten der AfD vom Bundesverfassungsgericht per Urteil unter dem Az. 2 BvE 1/16 aufschreiben lassen, dass ihre Veröffentlichung der Pressemitteilung 151/2015 „Rote Karte für die AfD“ auf der Homepage des Bundesministeriums für Bildung und Forschung die Rechte der AfD auf gleichberechtigte Teilnahme am politischen Wettbewerb und auf Versammlungsfreiheit aus Artikel 21 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes verletzt hat.

Im allgemeinen Entsetzen über dieses ministerielle Missgeschick geht etwas unter, dass Johanna die Pressemitteilung 151/2015 längst von der Homepage des Bundesministeriums für Bildung und Forschung entfernt hatte, nachdem ihr dies bereits durch die einstweilige Anordnung des Bundesverfassungsgerichts per Beschluss vom 7. November 2015 im vorangegangenen Eilverfahren unter dem Az. 2 BvQ 39/15 aufgegeben worden war. Schon im Eilverfahren hatte das Bundesverfassungsgericht recht deutlich gemahnt, dass unser Dummerchen mit der Verbreitung der Erklärung über die Homepage des von ihr geführten Ministeriums Ressourcen in Anspruch nahm, die ihr aufgrund ihres Regierungsamtes zur Verfügung stehen und politischen Wettbewerbern verschlossen sind.

Die Entscheidung im Hauptsacheverfahren ist daher entsprechend schnell auf den Punkt zu bringen: "Die chancengleiche Beteiligung an der politischen Willensbildung des Volkes macht es erforderlich, dass Staatsorgane im politischen Wettbewerb der Parteien Neutralität wahren. Demgemäß wird in den Anspruch der Parteien auf Chancengleichheit gemäß Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG eingegriffen, wenn staatliche Organe auf die Ankündigung oder Durchführung politischer Kundgebungen in einseitig parteiergreifender Weise reagieren. Auch außerhalb von Wahlkampfzeiten erfordert der Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien die Beachtung des Gebots staatlicher Neutralität. Denn der Prozess der politischen Willensbildung ist nicht auf den Wahlkampf beschränkt, sondern findet fortlaufend statt."

Was bleibt ist der Beleg, dass die Angst vor der AfD die seit langem etablierten Parteien und ihre Mitglieder immer wieder zu kontraproduktivem und vor allem undemokratischen Aktionismus antreibt, der erschreckend transparent ist und auch am dunkelsten Stammtisch unserer Republik durchschaut wird.

Dienstag, 27. Februar 2018

Amtsgericht Bremerhaven - warum die Beleidigung "Fotze" billig ist

Der Unterlassungsanspruch nach den im Treppenhaus eines Mehrfamilienhauses im Beisen von Familienangehörigen herausgeschriehenen Beleidigungen
  • "Halt Deine Fresse du asoziale Fotze.“
  • „Mach dich in deine stinkende Asi-Bude du stinkende Fotze.“
  • „Ej du stinkende Fotze halt deine Fresse und verpiss dich mit deinem fetten asozialen Arsch“
ist nach Ansicht des Amtsgerichts Bremerhaven mit 500,- EUR wohlüberlegt am untersten Ende der Streitwertskala einzustufen: "Auch wenn es sich bei der Beleidigung um einen geschlechtlich geprägten Begriff handelt, ist die sexuelle Komponente eher zufällig. Einen tatsächlichen sexuellen Bezug gibt es nicht. In gleicher Weise hätte ein Fäkalbegriff gewählt werden können. Die Beleidigung erfolgte zudem im familiären Umfeld. Eine öffentliche, über den Hausflur hinausreichende Äußerung fand nicht statt."  

Die Erwägung "Auch wenn es sich bei dem beschuhten Fuß um ein gefährliches Werkzeug im Sinne des Strafrechts handelt, war der Tritt mit einem Militärstiefel eher zufällig, der Täter hätte auch einen Schlag mit der Hand wählen können", wird man in Urteilsgründen wohl nie zu lesen bekommen, da eine Rechtsverletzung grundsätzlich nicht deswegen milder bewertet wird, weil deren Schwere aus der Sicht des Täters auch hätte vermieden werden können. Eine Beleidigung mit sexuellem Hintergrund soll dennoch nicht als intensiv bewertet werden dürfen, wenn an Stelle eines geschlechtlich geprägten Begriffs auch ein Fäkalbegriff hätte gewählt werden können. Weil bei der Streitwertermittlung im Rahmen des § 3 ZPO nach Ansicht des Bundesgerichtshofs alle Umstände des Einzelfalles, insbesondere der Umfang der Sache und ihre Bedeutung für den Betroffenen, zu berücksichtigen sind und mangels genügender Anhaltspunkte für ein höheres oder geringeres Interesse in Anlehnung an § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG von dem sich aus dieser Vorschrift ergebenden Wert auszugehen sein soll, den der Gesetzgeber für eine durchschnittliche nichtvermögensrechtliche Streitigkeit mit 5.000,- EUR vorgegeben hat, scheint die Begründung des Amtsgerichts Bremerhaven eher unzureichend. Dass eine Beleidigung im familiären Umfeld und der eigenen Wohnbehausung darüber hinaus weniger schwer wiegt, als eine solche in Gegenwart unbekannter Personen in der Öffentlichkeit, vermag ich ebenso wenig nachzuvollziehen.

Da der Bundesgerichtshof beim rechtsverletzenden Filesharing sogar davon ausgeht, dass der Unterlassungsanspruch nach Veröffentlichung eines durchschnittlich erfolgreichen Spielfilms nicht allzu lange nach seinem Erscheinungstermin regelmäßig mit einem Streitwert von nicht unter 10.000,- EUR angemessen bewertet sein soll, fühle ich mich ein wenig an meine ersten Jahre in einem reinen Jungengymnasium erinnert. Filme sind super, Weiber sind scheiße.

Sonntag, 18. Februar 2018

Turboquerulantin und Deniz Yücel frei

Fast gleichzeitig wurden zwei der bekanntesten Journalisten Deutschlands aus der Haft entlassen und überschwenglich in der deutschen Öffentlickeit begrüßt. Natürlich tosten die Wogen der Begeisterung über die Freilassung der Turboquerulantin weitaus höher, als die Wellen der Freude über die Freilassung des türkischstämmigen Journalisten Deniz Yücel. Das hat verschiedene Ursachen, für die an dieser Stelle nach Erklärungen gesucht werden soll.

Es wird sicher nicht daran liegen, dass die Turboquerulantin eine Frau ist und Herr Yücel ein Mann, denn die Qualität eines Journalisten und die Teilnahme an deren Schicksal wird in Deutschland sicher nicht am Geschlecht festgemacht. Auch die Tatsache, dass Her Yücel die türkische Staatsbürgerschaft besitzt und die Turboquerulantin lediglich über einen deutschen Personalausweis verfügt, dürfte nebensächlich sein, obwohl im vorliegenden Vergleich das Sprichwort "Ein Prophet gilt nirgends weniger als in seinem Vaterland" eine Rolle spielen dürfte.

Im osmanischen Reich wird Yücel nämlich wegen der Aufstachelung des Volkes zu Hass und Feindseligkeit verfolgt, während er in Deutschland schon allein für seinen Knastaufenthalt in der Türkei den Theodor-Wolff-Preis vom Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger erhielt. Wie so oft spiegeln gern gegebene Streicheleinheiten des politischen Marionettentheaters nicht das Nähebedürfnis des Volkes wieder, wenn es um Angelegenheiten des Herzens geht. Denn kein Patriot hat je vergessen, dass Yücel als Träger des Kurt-Tucholsky-Preises in der taz den baldigen Abgang der Deutschen als Völkersterben von seiner schönsten Seite begrüßt hat. Insbesondere in Ostdeutschland ist allgegenwärtig, dass er nur den Umstand, dass sich Ossis als Erste abschaffen, für wertvoller eingeschätzt hat, als das Verschwinden der ganzen Nation.

Weitaus weniger gespalten ist unser Land in seiner Freude über die Freiheit der Turboquerulantin, die schon immer die Nähe des deutschen Volkes gesucht hat. Unvergessen sind ihre Reportagen über Mutterglück und Familienfrieden sowie ihre E-Mail-Kampagne zur Beflügelung der Fortpflanzungsfreudigkeit deutscher Männer. Um der Abschaffung des deutschen Volkes mit allen Mitteln entgegenzutreten hat sie nicht einmal davor gescheut, Nacktselfies zu versenden, um wieder etwas Leben in die deutschen Schlafzimmer zu bringen. Anstatt sich dem Gejammer über sinkende Geburtenraten anzuschließen oder das Aussterben des deutschen Volkes zu betrauern, hat sie stets ihre eigene Sexualität in die Waagschale geworfen und auf ihre Weise der Nation gezeigt, das Taten wichtiger als Worte sind.

Wie Yücel ist auch die Turboquerulantin mit ihrer journalistischen Tätigkeit auf wenig Gegenliebe beim jeweils herrschenden Regime gestoßen und so sassen beide für viele Wochen zeitgleich im Knast. Leider erfährt die publizistische Mission der Turboquerulantin in den Medien bis heute nicht halb soviel Wertschätzung wie die investigativen Recherchen Yücels am Bosporus, so dass dem in der Türkei strafrechtlich verfolgten WELT-Korrespondenten sogar das bundesdeutsche Außenministerium zu Hilfe eilte, während der Turboquerulantin in der Haft nicht einmal das Amtsgericht Hamburg unter die Arme griff.

Trotz breiter Unterstützung in den Reihen der Bevölkerung dürfte auch der zukünftige Kampf der Turboquerulantin für die Wahrheit unter einem deutlich ungünstigeren Stern stehen, als die als Journalismus verpackte multimediale Inszenierung Yücels in der Rolle des publizierenden Märtyrers in kommenden Talkshows und anderen lukrativen Formaten. Während die Turboquerulantin als Enthüllungsjournalistin weiterhin am Existenzminimum gegen staatliche Zensur ankämpfen wird, kann sich Deniz Yücel sein Jahr im Knast lässig vergolden lassen. Was bleibt ist der bittere Nachgeschmack, dass der deutsche Staat keine Skrupel hat, sich mit aller Macht in strafrechtliche Verfahren souveräner Nationen einzumischen, während Gesetzgebung und Justiz in Deutschland weiter unbehelligt mit der Unterdrückung der grundgesetzlich garantierten Pressefreiheit beschäftigt sind.

Mittwoch, 14. Februar 2018

Turboquerulantin - Knast schützt nicht vor Ordnungsgeld

Auch während der besinnlichen Knasttage über den Jahreswechsel 2017/2018 mahlten die Mühlen der Justiz beständig weiter und so hat unsere tapfere Protagonistin auch während ihrer Knastzeit einen kleinen Nachschlag erhalten, der es ihr im Jahre 2018 erlaubt, ein weiteres Mal die Vorzüge des Frauenvollzugs in der Justizvollzugsanstalt für Frauen in Vechta zu genießen.

Man darf nicht vergessen, dass durch den selbstlosen Einsatz der Turboquerulantin auch die Rechte der Frauen im Vollzug gestärkt werden, denn Frauen sind als Inhaftierte im Vergleich zu Männern stark unterrepräsentiert. Ihr Anteil in deutschen Gefängnissen beträgt lediglich 5 % und weil der Frauenvollzug in Deutschland deshalb weitestgehend als Anhängsel in Form von untergeordneten Abteilungen größerer Männeranstalten stattfindet, ist jede neue Insassin in Vechta ein weiterer Beleg für den Bedarf an frauengerechten Haftbedingungen.

Der neue Knastgutschein wurde vom Amtsgericht Nienburg für die Fortdauer der Beleidigung "Kanalratte" überreicht, nachdem sich Niedersachsens erfolgreichste Enthüllungsjournalistin die andauernde Verwendung dieser Wortschöpfung in einer ihrer Reportagen trotz des Erlasses einer einstweiligen Verfügung und eines ersten Ordnungsgeldbeschlusses nicht verkneifen konnte. Ob es der Turboquerulantin nach ihrem Gefängnisaufenthalt gelingt, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne rechtswidrige Äußerungen zu führen, kann derzeit natürlich noch nicht gesagt werden.