Posts mit dem Label Streitwert werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Streitwert werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Freitag, 6. September 2019

Verbotene Briefwerbung

Briefwerbung ist mindestens so lästig wie E-Mail-Werbung und gegen beide Formen der Belästigung kann man sich auch als Privatperson wehren. Im vom Amtsgericht Hannover mit Datum vom 04.07.2019 zum Az.: 428 C 7796/19 per Beschluss entschiedenen Fall hatte ein Verbraucher von seiner Krankenkasse Werbung per Post mit dem Slogan „Fitness rauf – Risiko runter“ erhalten, trotzdem er einer solchen Zusendung vorher nicht nur nicht zugestimmt, sondern die Krankenkasse ausdrücklich per E-Mail als auch online über deren Website aufgefordert hatte, ihm keine Werbung mehr zuzusenden, weil er schlicht keine Werbung mehr von seiner Krankenkasse bekommen wollte.

Der Europäische Gerichtshof hatte schon vorher entschieden, dass Krankenkassen trotz ihres öffentlichen Charakters und ihrer im Allgemeininteresse liegenden Aufgabe als „Gewerbetreibende“ im Sinne der Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt anzusehen seien, mit der Folge, dass auch für sie das Verbot unlauterer Geschäftspraktiken gilt. Die Richtlinie würde Körperschaften des öffentlichen Rechts nicht ausdrücklich aus ihrem Anwendungsbereich ausnehmen. Ziel der Richtlinie sei es vielmehr, in Bezug auf unlautere Geschäftspraktiken und insbesondere irreführende Werbung ein hohes Verbraucherschutzniveau zu gewährleisten, und zwar unabhängig vom öffentlichen oder privaten Charakter der fraglichen Einrichtung und von der von ihr wahrgenommenen Aufgabe, vgl. Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 3. Oktober 2013 in der Rechtssache C‑59/12.

Danach ist auch eine nationale öffentlich-rechtliche Einrichtung wie eine Krankenkasse, die mit der Verwaltung eines gesetzlichen Krankenversicherungssystems betraut ist, als „Unternehmen“ im Sinne der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken anzusehen und unterliegt in dieser Eigenschaft den Vorschriften der Richtlinie, wenn sie – wie im vorliegenden Fall – gegenüber ihren Mitgliedern trotz ausdrücklichem Verbot wirbt, vgl. Urteil des BGH vom 30.04.2014, Az.: I ZR 170/10. Maßgebend für den Rechtsweg ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes die Rechtsnatur des erhobenen Anspruches, wie sie sich aus dem tatsächlichen Vorbringen der klagenden Partei ergibt. Stellt sich der Klageanspruch nach der ihm vom Kläger gegebenen tatsächlichen Begründung als Folge eines Sachverhalts dar, der nach bürgerlichem Recht zu beurteilen ist, so ist der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten eröffnet, vgl. BGH, Urteil vom 16.02.1984, Az.: IX 2R 45/83.

Vorliegend richtete sich der Unterlassungsanspruch des belästigten Mitglieds der Kasse nach bürgerlich-rechtlichen Maßstäben, nämlich den §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog wegen eines rechtswidrigen Eingriffs in das allgemeines Persönlichkeitsrecht. Die Zusendung von Werbepost ohne Einwilligung stellt nämlich grundsätzlich einen Eingriff in die geschützte Privatsphäre des Verbrauchers dar. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt den Bereich privater Lebensgestaltung und gibt dem Betroffenen das Recht, im privaten Bereich in Ruhe gelassen zu werden. Hieraus folgt ein Recht des Einzelnen, seine Privatsphäre freizuhalten von unerwünschter Einflussnahme anderer und die Möglichkeit des Betroffenen, selbst darüber zu entscheiden, mit welchen Personen und gegebenenfalls in welchem Umfang er mit ihnen Kontakt haben will.

Angesichts des Rechts des Einzelnen, seine Privatsphäre freizuhalten von unerwünschter Einflussnahme anderer, und die Möglichkeit des Betroffenen, selbst darüber zu entscheiden, mit welchen Personen und gegebenenfalls in welchem Umfang er mit ihnen Kontakt haben will. Denn in der - als solche nicht ehrverletzenden – unrechtmäßigen Kontaktaufnahme liegt eine Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts vor, wenn sie gegen den eindeutig erklärten Willen des Betroffenen erfolgt, da ansonsten die Freiheit kommunikativen Verhaltens schwerwiegend beeinträchtigt wäre (vgl. BGH, Urteil vom 10.07.2018 - VI ZR 225/17). Das unaufgeforderte Zusenden von Briefwerbung stellt aufgrund der damit verbundenen Intensität der Belästigung einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht eines Verbrauchers dar. Auch Privatpersonen steht unter diesem Gesichtspunkt gegen Versender unerbetener Werbung entsprechend §§ 1004, 823 Abs. 1 BGB ein Unterlassungsanspruch zu. Der Eingriff ist auch nicht unerheblich. Denn zum einen besteht die Gefahr, dass durch das Überhandnehmen der Werbepost der Briefkasten blockiert wird, so dass weitere Sendungen zurückgeschickt werden. Zum anderen muss der Adressat zum Durchlesen und Sortieren der Briefpost Zeit aufwenden, um zu erkennen, was überhaupt Gegenstand des Briefes ist.

Die für eine einstweilige Verfügung gegen unzulässige Briefwerbung vorausgesetzte Dringlichkeit ergibt sich aus der Tatsache, dass es dem Inhaber einer absolut geschützten Rechtsposition möglich sein muss, drohende Beeinträchtigungen dieser Position mit sofortiger Wirkung zu unterbinden, vgl. Landgericht Lübeck, Beschluss vom 10.07.2009, Az. 14 T 62/09. Weil die Krankenkasse auf die vorgerichtliche Abmahnung zunächst nicht reagiert hatte, wurde eine einstweilige Verfügung beantragt. Da eine Unterlassungserklärung dann erst nach Beantragung der einstweiligen Verfügung abgegeben wurde, musste der Verfügungsantrag zurückgenommen werden und die Kosten der Antragstellung wurden vom Amtsgericht Hannover mit Datum vom 04.07.2019 antragsgemäß zum Az.: 428 C 7796/19 per Beschluss der Krankenkasse auferlegt, da diese die Unterlassungserklärung nach erhaltener Abmahnung verspätet abgegeben hatte und sich insoweit bereits bei Beantragung der einstweiligen Verfügung im Verzug mit einer ihr obliegenden Rechtspflicht befand, § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO.

Der Streitwert für die unzulässige Briefwerbung wurde durch das Amtsgericht Hannover mit Beschluss vom 04.07.2019 zum Az.: 428 C 7796/19 wie beantragt mit EUR 3.000,- festgesetzt, weil der Bundesgerichtshofs im Hinblick auf den Streitwert bei nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten in seinem Beschluss vom 17.11.2015 – II ZB 8/14 entschieden hatte, dass mangels genügender Anhaltspunkte für ein höheres oder geringeres Interesse in Anlehnung an § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG von dem sich aus dieser Vorschrift ergebenden Wert auszugehen ist, den der Gesetzgeber für eine durchschnittliche nichtvermögensrechtliche Streitigkeit mit EUR 5.000,- angesetzt hat. Wegen des Charakters einer Eilentscheidung als vorläufige Regelung wurde ein Abschlag auf EUR 3.000,- vorgenommen.

Mittwoch, 4. September 2019

Die Turboquerulantin in Hamburg

Als ich im August 2019 ein aktuelles Urteil des Amtsgerichts Hamburg gegen die Turboquerulantin in den Händen hielt, fiel mir gleich die vom Amtsgericht Nienburg in den Ordnungsgeldbeschlüssen Nr. 7, 8 und 9 zum Az.: 6 C 409/16 wiederholt bemühte Phrase ein, wonach unser Türbchen ihre "rechtsfeindliche Gesinnung offenkundig aufgegeben" habe. Tatsächlich kann von der Aufgabe ihrer Rechtsfeindlichkeit natürlich nicht die Rede sein, wenn man sich allein die Hamburger Akte ansieht, die im Jahre 2015 mit dem Verbot genau der Beleidigung durch eine einstweilige Verfügung beginnt, die im August 2019 schließlich im Klageverfahren ausgeurteilt wurde.

Zunächst war das Amtsgericht Hamburg in seinem Beschluss vom 21.10.2015 zum Az.: 4 C 418/15 allerdings noch der Meinung, das als Betrüger beschimpfte Opfer müsse wegen der zusammenhangslosen Beleidigung genauere Angaben zum möglichen Hintergrund der rechtswidrigen Äußerung machen. Eine Fehlvorstellung, die das Landgericht Hamburg mit Beschluss vom 17.11.2015 zum Az.: 324 T 8/15 umgehend korrigierte. Natürlich muss das aus heiterem Himmel als Betrüger bezeichnete Opfer keine Zusammenhänge darlegen, wenn es einen Kontext zur rechtswidrigen Äußerung gerade nicht gibt.

Auch insgesamt sind die sechs bislang unveröffentlichten Entscheidungen aus der Hamburger Akte anschauliche Lehrstücke für die schulmäßige Behandlung eines Unterlassungsanspruchs, weil schon im Verfügungsverfahren die Verhängung eines Ordnungsgeldes durch Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 13.09.2016 genauso wenig fehlen durfte, wie die erfolglose Anfechtung dieser Ordnungsstrafe in Höhe von EUR 1.000,-, welche per Beschluss am 09.01.2017 vom Landgericht Hamburg zum Az.: 324 T 7/16 als angemessen bewertet wurde. Sogar das Oberlandesgericht Hamburg durfte mit der Turboquerulantin Bekanntschaft machen, weil der Streitwert im Eilverfahren zu niedrig angesetzt war und erst mit Beschluss vom 03.06.2016 zutreffend auf EUR 3.000,- festgesetzt wurde.

Folgerichtig setzte das Amtsgericht Hamburg im abschließenden Urteil des Hauptsacheverfahrens dann EUR 5.000,- als Streitwert fest und lag damit genau auf der Linie des Bundesgerichtshofs, der bereits mit Beschluss vom 17.11.2015 zum Az.: II ZB 8/14 darauf verwiesen hatte, dass der Gesetzgeber in § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG für eine durchschnittliche nichtvermögensrechtliche Streitigkeit einen Gegenstandswert von EUR 5.000,- vorgegeben habe.

Festzuhalten bleibt nach zahlreichen Verfahren gegen die Turboquerulantin, dass eine Kleinkriminelle die Ziviljustiz nur deshalb so lange in Atem halten kann, weil sich die Strafjustiz einer angemessenen Lösung in der Vergangenheit stets verweigert hat und das Verständnis der Ziviljustiz für das deliktische Treiben einer Intensivtäterin bisweilen größer zu sein scheint, als jenes für ihre Kritiker, die sich öffentlich um Transparenz der zumindest in Niedersachsen längst aus dem Ruder gelaufenen Justizposse einsetzen.

Dienstag, 27. Februar 2018

Amtsgericht Bremerhaven - warum die Beleidigung "Fotze" billig ist

Der Unterlassungsanspruch nach den im Treppenhaus eines Mehrfamilienhauses im Beisen von Familienangehörigen herausgeschriehenen Beleidigungen
  • "Halt Deine Fresse du asoziale Fotze.“
  • „Mach dich in deine stinkende Asi-Bude du stinkende Fotze.“
  • „Ej du stinkende Fotze halt deine Fresse und verpiss dich mit deinem fetten asozialen Arsch“
ist nach Ansicht des Amtsgerichts Bremerhaven mit 500,- EUR wohlüberlegt am untersten Ende der Streitwertskala einzustufen: "Auch wenn es sich bei der Beleidigung um einen geschlechtlich geprägten Begriff handelt, ist die sexuelle Komponente eher zufällig. Einen tatsächlichen sexuellen Bezug gibt es nicht. In gleicher Weise hätte ein Fäkalbegriff gewählt werden können. Die Beleidigung erfolgte zudem im familiären Umfeld. Eine öffentliche, über den Hausflur hinausreichende Äußerung fand nicht statt."  

Die Erwägung "Auch wenn es sich bei dem beschuhten Fuß um ein gefährliches Werkzeug im Sinne des Strafrechts handelt, war der Tritt mit einem Militärstiefel eher zufällig, der Täter hätte auch einen Schlag mit der Hand wählen können", wird man in Urteilsgründen wohl nie zu lesen bekommen, da eine Rechtsverletzung grundsätzlich nicht deswegen milder bewertet wird, weil deren Schwere aus der Sicht des Täters auch hätte vermieden werden können. Eine Beleidigung mit sexuellem Hintergrund soll dennoch nicht als intensiv bewertet werden dürfen, wenn an Stelle eines geschlechtlich geprägten Begriffs auch ein Fäkalbegriff hätte gewählt werden können. Weil bei der Streitwertermittlung im Rahmen des § 3 ZPO nach Ansicht des Bundesgerichtshofs alle Umstände des Einzelfalles, insbesondere der Umfang der Sache und ihre Bedeutung für den Betroffenen, zu berücksichtigen sind und mangels genügender Anhaltspunkte für ein höheres oder geringeres Interesse in Anlehnung an § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG von dem sich aus dieser Vorschrift ergebenden Wert auszugehen sein soll, den der Gesetzgeber für eine durchschnittliche nichtvermögensrechtliche Streitigkeit mit 5.000,- EUR vorgegeben hat, scheint die Begründung des Amtsgerichts Bremerhaven eher unzureichend. Dass eine Beleidigung im familiären Umfeld und der eigenen Wohnbehausung darüber hinaus weniger schwer wiegt, als eine solche in Gegenwart unbekannter Personen in der Öffentlichkeit, vermag ich ebenso wenig nachzuvollziehen.

Da der Bundesgerichtshof beim rechtsverletzenden Filesharing sogar davon ausgeht, dass der Unterlassungsanspruch nach Veröffentlichung eines durchschnittlich erfolgreichen Spielfilms nicht allzu lange nach seinem Erscheinungstermin regelmäßig mit einem Streitwert von nicht unter 10.000,- EUR angemessen bewertet sein soll, fühle ich mich ein wenig an meine ersten Jahre in einem reinen Jungengymnasium erinnert. Filme sind super, Weiber sind scheiße.

Mittwoch, 31. Januar 2018

Amtsgericht Bremerhaven - billiger als "Fotze" geht nicht

Für das Amtsgericht Bremerhaven sind die Beleidigungen

"Halt Deine Fresse du asoziale Fotze.“
„Mach dich in deine stinkende Asi-Bude du stinkende Fotze.“
„Ej du stinkende Fotze halt deine Fresse und verpiss dich mit deinem fetten asozialen Arsch“

eine absolute Bagatelle, gerade knapp über der Bedeutungslosigkeit. Das sehe ich komplett anders und halte die Streitwertfestsetzung in einem Unterlassungsverfahren auf EUR 500,- für einen schlechten Witz. Der Begriff "Fotze" oder auch "Votze" ist ein obszöner Ausdruck für das weibliche Geschlechtsteil. Darüber hinaus wird der Begriff auch als Schimpfwort für eine weibliche Person gebraucht. Es handelt sich wohl unbestreitbar um eines der vulgärsten und abwertendsten Schimpfwörter, die sich in der deutschen Sprache finden. Durch das Hineinbeziehen einer sexuellen Komponente ist das Schimpfwort regelmäßig in einem frauenverachtenden und diskriminierenden Kontext zu finden. Dies ist auch hier der Fall.

Es versteht sich von selbst, dass es sich um einen diskriminierenden Begriff handelt, der sich alleine gegen weibliche Personen richtet. Der Bezug auf äußere Geschlechtsmerkmale im Zuge einer derartigen Diskriminierung lässt dies besonders deutlich hervortreten. Es handelt sich folglich um einen extrem frauenverachtenden Begriff. In der heutigen Zeit sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, dass derartige frauenverachtende Beleidigungen nicht bagatellisiert, sondern von dem Gericht entsprechend der durch die sexuelle Konnotation schwer verletzenden Wirkung ernst genommen werden. Die Ermessensentscheidung des Gerichts, die Beleidigung "Fotze" auf einen Wert von lediglich 500,- EUR zu setzen und damit in der Größenordnung des gebührenrechtlich niedrigst denkbaren Blechschadens an einem Kraftfahrzeug, ist grundweg falsch.

Mit einer Streitwertfestsetzung am untersten Rand des Möglichen scheint das Gericht signalisieren zu wollen, dass es frauenverachtende Beleidigungen als eine Sache von geringster Bedeutung ansieht. Eine derartige Signalwirkung an die Verletzte und die Verletzerin zu senden, hat die fatale Botschaft einer absoluten Bedeutungslosigkeit der verletzenden Tat. Sexuelle Gewalt und Diskriminierung spielen im Alltag vieler Frauen nach wie vor eine große Rolle, auch in Deutschland. Eine Bagatellisierung dieses Themas schützt Täter und erschwert es Opfern, sich Hilfe zu suchen. Wenn ein deutsches Gericht einen frauenverachtenden Angriff werttechnisch auf die niedrigste Stufe der Gebührenskala stellt, ist dies nur ein weiterer von vielen Faktoren, der dazu führt, dass sich Opfer frauenverachtender Angriffe von der Justiz nicht ernst genommen fühlen und sich nicht hilfesuchend und vertrauensvoll an sie wenden werden. Rechtsanwälte winken mangels kostendeckender Bearbeitungsmöglichkeit ab und es entstehen für die verletzten Frauen weitreichende Entscheidungen, die nicht einmal berufungsfähig sind.

Die Streitwertentscheidung zeugt damit von einer beispiellosen Ignoranz gegenüber der nach wie vor aktuellen Debatte, die sich gerade in den Fällen um die Regisseure Harvey Weinstein und Dieter Wedel manifestiert. Selbstverständlich handelt es sich bei der Antragstellerin nicht um einen Filmstar, allerdings ist auch die persönliche Integrität der Antragstellerin deutlich höher zu bewerten als mit der niedrigsten Stufe der Streitwertskala. Auch Frauen mit Anspruch auf Prozesskostenhilfe sind es Wert, im Namen des Volkes angemessenen und korrekt bewerteten Schutz zu genießen.

Die Entscheidung lässt tief in die immer noch vorherrschenden patriarchalischen Vorstellungen in der deutschen Gerichtsbarkeit blicken, wenn die Streitwerte in markenrechtlichen Verfahren schnell immense Höhen erreichen und die alltägliche Diskriminierung von Frauen in der deutschen Gerichtsbarkeit als niedrigst möglich und damit gänzlich unbedeutend abgetan wird. Da der Streitwert bei nicht vermögensrechtlichen Ansprüchen auf Unterlassung ja gerade den Wert der Sache auch nach ihrer allgemeinen Bedeutung wiederspiegeln soll, drängt sich hier durchaus der Eindruck auf, es handele sich für das Gericht grundsätzlich um eine eher lästige und unbedeutende Angelegenheit.

Die sexistische Herabwürdigung einer auf materielle Hilfe angewiesenen Frau scheint für das Gericht wohl eine derartige Selbstverständlichkeit zu sein, dass keine Notwendigkeit darin gesehen wird, ihrer Bedeutung einen höheren Wert beizumessen. Angesichts der brandaktuellen Diskussionen zum Thema Gleichberechtigung und Sexismus kann es im Jahr 2018 nicht mehr angehen, dass derartige gesellschaftliche Strukturen auch von den Gerichten begünstigt werden. Die Festsetzung des Streitwerts auf das gebührenrechtliche Minimum stellt eine Verharmlosung dieser sexistischen Beleidigungen dar und vermittelt auf untragbare Weise das Gefühl, es handele sich für das Gericht lediglich um ein lästiges Detail.

Für Frauen wie die Antragstellerin die mit sexuellem Hintergrund beleidigt werden, bedeutet die gerichtliche Einordnung der Beleidigung „Fotze“ als geradezu unbeachtlich, dass sie Grenzüberschreitungen nicht wirksam benennen können und keine effiziente Möglichkeit haben, sich dagegen zur Wehr zu setzen. Die Hemmschwelle, sich nach erfolgten Angriffen, seien diese verbaler oder auch körperlicher Art, an die Justiz zu wenden, wird durch derartige Entscheidungen noch heraufgesetzt. Opfern wird suggeriert, sie sollen solche Situationen nicht überbewerten und ihr Gefühl, dass ihre Grenzen verletzt wurden, wird als überempfindlich, wenn nicht sogar hysterisch abgetan.

Der Kampf für Gleichberechtigung und gegen Sexismus muss schließlich auch von den Gerichten gefördert werden. Dies geschieht aber nur, wenn damit auch im Kleinen begonnen wird. Es ist nicht zielführend, wenn lediglich Fälle, denen eine hohe Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit zukommt, angemessen gehandhabt werden. Opfer von derartig herabwürdigenden Angriffen wie im Falle der Antragstellerin, müssen dazu ermutigt werden, sich zur Wehr zu setzen und in die Lage versetzt werden, sich auf einen angemessen honorierten Beistand verlassen zu können.

Donnerstag, 4. Juli 2013

Tschechische Republik mahnt ab und klagt

Der Botschafter der Tschechischen Republik in der Bundesrepublik Deutschland, Dr. Rudolf Jindrák, lässt für sein Land wegen der Registrierung der Domain "czech-republic.de" Abmahnungen aussprechen und die Abmahnkosten einklagen.
Der promovierte Jurist aus Prag, der erst im Jahre 2012 mit dem Kulturpreis Karl IV. für seine Verdienste um die Verständigung zwischen Deutschland und der Tschechischen Republik wegen dessen Engagements für Kultur und Wissenschaft in beiden Ländern ausgezeichnet wurde, unterstreicht mit der von ihm initiierten Klage nicht zuletzt die zum Teil unrühmliche Stellung des deutschen Rechtsinstituts der Abmahnung im europäischen Rechtswesen.

Auch für die jüngste Abmahnung der nur knapp 36 Stunden dauernden Registrierung der Domain "czech-republic.de" hatte der tschechische Botschafter einen findigen Rechtsanwalt aus Berlin beauftragt, der noch am Tag der Registrierung der Domain umgehend tätig wurde. Für das nunmehr als Schadensersatz von der Tschechischen Republik eingeklagte Honorar in Höhe von EUR 2.118,44 nahm sich der Anwalt aus der Bundeshauptstadt natürlich auch an einem Samstag die Zeit, zwei DIN-A4-Seiten seines Briefpapiers leicht zu modifizieren. Ein schönes Geschäft, denn ausser der Anrede des Gegners und der Daten mußte an der Abmahnung nichts geändert werden, weil Botschafter Dr. Jindrák ein gleichlautendes Schreiben genau acht Tage vorher an einen anderen Vorbesitzer der gleichen Domain versenden liess - ebenfalls versehen mit einer Forderung von Anwaltsgebühren in Höhe von EUR 2.118,44.

Die Besonderheit des tschechischen Abmahn-Modells liegt in dem Umstand begründet, dass Tschechien selbst keinerlei Interesse daran hat, die Domain für sich zu registrieren und nur darauf gewartet wird, dass sich der nächste Registrant ins Fadenkreuz einer gebührenträchtigen Abmahnung begibt. Dabei ist die vollständige Rolle des beauftragten Anwalts in diesem Abmahn-Modell noch ungeklärt, weil der abmahnende Rechtsanwalt von Oktober 2007 bis April 2010 selbst noch Inhaber der für ihn heute so einträglichen Domain "czech-republic.de" war.

Zahlreiche Rechtsnachfolger des geschäftstüchtigen Anwalts erhielten bereits eine kostenpflichtige Abmahnung aus seiner Hand. Denkbaren Registrierungskosten der Domain in Höhe von jährlich ca. EUR 10,- stehen so die mit dem Abmahn-Modell einhergehenden Anwaltskosten von je EUR 2.118,44 pro Abmahnung gegenüber, für die das Land zunächst in Vorlage gehen muss. Geht eine Klage auf Abmahnkosten nur einmal ins Leere, bleibt das Land auf Anwaltsgebühren sitzen, für die es die Domain über 200 Jahre lang hätte registriert halten können. Ein wirtschaftlich gesehen inakzeptables Vorgehen und sicher kein Ruhmesblatt für den persönlichen Repräsentanten des Staatsoberhauptes der Tschechischen Republik.

Die Tschechische Republik selbst hält das Honorar in Höhe von EUR 2.118,44 für die von Botschafter Dr. Rudolf Jindrák beauftragte Abmahnung auch wegen des tschechischen Bruttonationaleinkommens und des Staatshaushalts des Landes für gerechtfertigt. Unklar bleibt dabei, wie die aktuell längste Rezession seit der Gründung der Tschechischen Republik den derzeit angenommenen Streitwert in Höhe von EUR 105.000,- für die Abmahnungen beeinflusst hat.

Es erscheint jedenfalls bemerkenswert, dass Dr. Jindrák als Botschafter Tschechiens, dessen Wirtschaftleistung als eine der schlechtesten in Europa wegen eines Verlusts von zirka 3,2 Milliarden Euro im Jahresvergleich gilt, sein Land ausgerechnet auf einen Nebenkriegsschauplatz schickt, der selbst die bundesdeutsche Regierung mit dem "Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken" zum Handeln gegen Massenabmahnungen veranlasst hat.  

Dienstag, 29. Januar 2013

Abmahnung gegen Rechtsanwalt nach Bilderklau

Der beklagte Rechtsanwalt hatte in seine Website, auf der er bundesweit eine rechtsanwaltliche Online-Beratung anbietet, über einen Zeitraum von ca. 18 Monaten ein Lichtbild eingebunden, ohne sich vor dem Einstellen des Bildes auf seiner Seite über eine Berechtigung für sein Vorgehen vergewissert zu haben.

Die Abmahnung der Rechtsanwälte Waldorf Frommer aus München ließ nicht lange auf sich warten und der Kollege gab die geforderte strafbewehrte Unterlassungserklärung ohne Einschränkung ab. Die Kosten für die Abmahnung wollte er allerdings nicht zahlen.

Das Amtsgericht München bescheingte dem Rechtsanwalt für die unberechtigte Nutzung des Bildes mit Urteil zum Az.: 161 C 16360/10  ein Außerachtlassen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt und ein fahrlässiges Handeln gemäß § 276 BGB, weil an das Maß der Sorgfalt strenge Anforderungen zu stellen seien: Wer einen fremden urheberrechtlich geschützten Gegenstand nutzen will, muss sich über den Umfang und Bestand seines Nutzungsrechtes Gewissheit verschaffen und dabei auch die Rechtekette überprüfen, von der er seine Rechtsposition ableitet.

Weil die vom Rechtsanwalt abgegebene Unterlassungserklärung verbindlich und ohne eine Einschränkung hinsichtlich des Unterlassungswillens abgegeben worden sei, sei es ihm hinsichtlich der Abmahnkosten verwehrt, die Aktivlegitimation der Rechteinhaberin zu bestreiten. Bei der Unterlassungserklärung handele es sich um ein Schuldanerkenntnis, mit dem er anerkannt habe, dass der Klägerin der mit der Abmahnung geltend gemachte Anspruch zustehe, sie also Inhaberin der streitgegenständliche Rechte am genutzten Bild sei.

Der von den Rechtsanwälten Waldorf Frommer für den Bilderklau angesetzte Streitwert in Höhe von EUR 10.000,- wurde vom Amtsgericht München bestätigt und der verklagte Kollege zur Zahlung der geltend gemachten Abmahnkosten in Höhe von EUR 651,80 verurteilt. Auch der Schadensersatz in Höhe von EUR 945,- wegen der unberechtigten Verwendung des Lichtbildes wurde in voller Höhe gewährt.

Dienstag, 10. Januar 2012

420.000 EUR Streitwert für eine Filesharing-Abmahnung

Neu in unserer Kategorie der Filesharing-Rechtsanwälte ist Rechtsanwalt Daniel Sebastian aus Berlin, der vorgibt, die Rechte der DigiRights Administration GmbH zu verteidigen.

Neu sind mir auch die die Werke „Mike Candys & Evelyn feat. Patrick Miller - One Night In Ibiza", "Timati & P. Diddy, DJ Antoine, Dirty Money - l'm On You (DJ Antoine vs. Mad Mark Extended Re-Construction)", "Martin Solveig & Dragonette feat. Idoling!!! - Big In Japan", "Tara McDonald vs. Sidney Sam-son - Dynamite (Nicky Romero Remix)", "R.I.O. feat. U-Jean - Turn This Club Around (Extended Mix)", "DJ Antoine feat. Tom Dice - Sunlight (Mysto & Pizzi Extended Mix)", "Re-mady feat. Manu-L - The Way We Are (Extended Mix)", "Sweet Fromage feat Cameleo -Touch Your Sky (Extended Mix)", "Robert Abigail & DJ Rebel ft. The Gibson Brothers -Cuba (Extended Mix)", "Bella Vida - Kiss Kiss Me Bang Bang", "Christopher S feat. Max Urban - Star (Original Club Mix)", "Armin van Buuren feat Nadia Ali - Feels So Good (Tristan Garner Remix)", "Nadia Ali, Starkillers & Alex Kenji - Pressure (Alesso Remix)", "DJ Obek & Ambush - Craissy (Albert Neve & Chuckie Countdown Dub)", "Klaas & Body-bangers - I Like (Klaas Mix)", "Spencer & Hill - Dance (Original Mix)", "The New Iberican League - Keep On Jumping (Original Mix)", "Rene Rodrigezz vs. DJ Antoine feat. MC Yankoo - Shake 3X (Markus Gardeweg Remix)", "Mikael Weermets & Audible ft. Max C - Free (Dimitri Vangelis & Wyman Remix)", "Jaydee - Plastic Dreams (Koen Groeneveld Remix)", "Stefano Noferini - French Kiss (Original Mix)'", "Nature One Inc. - Go Wild - Freak Out (ATB & Tom Novy Anthem Mix)", "Johnny Buss & Daniel Von B feat. J-Sun - Do You Feel The Same (Hard Rock Sofa Mix)", "Patric La Funk & Inpetto - Blizzard (Original Mix)", "Eric Chase - A Night Like This (Original Mix)", "The Ultimate Seduction - The Uitimate Seduction (Dabruck & Klein Remix)", "Federico Scavo feat. Andrea Guzzoletti - Strump (Original Mix)", "Da Hool - No Love Anymore (Holnagee Mix)", "ATB feat. JanSoon - Move On (Jashari Remix)", "Plastik Funk & Fragma - What Love Can Do (Ciub Mix)", "The Cube Guys - La Banda (Original Mix)", "DJ Antoine vs. Timati feat. Kalenna - Welcome To St. Tropez (Houseshaker Remix)", "Mischa Daniels feat. Nikki Belle - Dirty Cash (Extended Mix)", "Manufactured Superstars feat. Seilna Albright - Serious (Extended Mix)", "Radio Killer - Lonely Heart (Club Mix)", "Fly Project - Goodbye (Extended Mix)", "Enzo Siffredi & Jfth feat. The Allstars - Jungle Dancing (Vocal Mix)", "Terri B feat. D.O.N.S. & Shahin -Deeper Love (Pride) (Bodybangers Remix)", "AGO - 1 Thing (Extended Mix)", "Allure feat. Christian Burns - On The Wire (Chris De Seed & Ivan Dulava Remix)", "Hardwell - The World (Original Mix)" und "Taito Tikaro, David Arno, Julio Navas - Situation 2011 (AMO NAVAS TIKARO Club Mix)", an welchen die DigiRights Administration GmbH berechtigt sein soll.

Neu ist auch die Höhe des zu Grunde gelegten Anwaltshonorars. Weil sich die Anwaltskosten regelmäßig nach dem Streitwert richteten und dieser für das Filesharing nur einer Tonaufnahme mit 10.000,00 EUR (vgl. beispielhaft LG Hamburg vom 14.03.2008, AZ: 308 O 76/07; LG Köln, Urteil vom 21.04.2010 - 28 O 596/09) anzusetzen sei, wären angesichts der Verletzung von Rechten an 42 Titeln die Gegenstandswerte entsprechend zu addieren und von einem Streitwert in Höhe von 420.000,00 EUR auszugehen, ... meint jedenfalls der Kollege Rechtsanwalt Daniel Sebastian. An dieser Höhe scheint sich auch die angebotene Vergleichssumme von EUR 4.800,- zu orientieren. Ebenfalls eine neue Dimension. Wird 2012 alles teurer?

Dienstag, 5. Juli 2011

Landgericht Hannover: Anwalt gewinnt Prozess - und legt Berufung ein

Fehler macht jeder Rechtsanwalt irgendwann, aber dass ein Kollege vor dem Landgericht Hannover gewinnt und gegen das Urteil Berufung einlegt, dürfte äußerst selten vorkommen. Das Landgericht Hannover und das Oberlandesgericht Celle standen nach der anschließenden Rücknahme der Berufung vor der schwierigen Frage, wie der Streitwert für die Berufung festzusetzen sei.

Da der Wert des Beschwerdegegenstandes für den Streitwert maßgeblich ist, wegen des gewonnenen Prozesses die Partei des Berufungsführers hier aber gar nicht beschwert war, musste eine Lösung her. Diese hat das OLG Celle zum Az. 14 U 199/03 durch folgende Überlegungen gefunden:

"Der Kläger hat die Berufung gegen das am 17. September 2003 verkündete Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Hannover durch Rücknahme verloren. Er hat die durch das Rechtsmittel entstandenen Kosten zu tragen, § 516 Abs. 3 ZPO. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 600,01 EUR festgesetzt. Der Streitwert ist auf den Mindestwert für eine Berufung festzusetzen, der gemäß § 511 Abs. 2 Ziff. 1 ZPO 600,01 EUR beträgt. Der Kläger hat in erster Instanz voll obsiegt, sodass er durch das angefochtene Urteil nicht beschwert wird. Orientiert man sich für die Festsetzung des Streitwertes auch im Fall einer mangels Beschwer unzulässigen Berufung an dieser, so müsste er 0 EUR betragen mit der Folge, dass keine Kosten entstünden. Der Senat schließt sich der Auffassung des Oberlandesgerichts Frankfurt (MDR 1984, S. 502 f.) an, wonach ein derartiges Ergebnis nicht tragbar ist, weil auch eine unzulässige Berufung einen Bearbeitungsaufwand erfordert, den der Verursacher im Rahmen der gesetzlichen Gebühren zu tragen hat. Die Festsetzung nach dem vollen Streitwert ist nicht sachgerecht, weil keine inhaltliche Prüfung stattfindet; die Festsetzung auf den geringsten Gebührenstreitwert (so Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 11. Aufl., Rdn. 3742; Lappe, KostRspr. GKG, Anm. zu § 14 GKG, Nr. 22) entspricht nicht der Bedeutung der Sache. Da dem Berufungskläger nicht unterstellt werden kann, bewusst ein unzulässiges Rechtsmittel eingelegt zu haben, muss er seiner Rechtsmitteleinlegung zumindest die Bedeutung beigemessen haben, die für ein zulässiges Rechtsmittel vorausgesetzt wird (OLG Frankfurt, a. a. O.)."

Mittwoch, 22. September 2010

Abmahnung im Markenrecht - Rechtsanwalt lässt sich durch Mandantin beraten


Abmahnungen durch Anwälte, die entweder selten eine Abmahnung verfassen oder sich wenig mit dem Markenrecht befassen, angesichts eines hohen Streitwerts aber der Versuchung erliegen, das lukrative Mandat doch anzunehmen, erhellen den Kanzleialltag.

Ein liebenswerter Kollege möchte aus markenrechtlichen Gesichtspunkten eine Domain für seine Mandantin ergattern, die mein Mandant registriert hält und legt die Karten für seinen Standpunkt entwaffnend offen auf den Tisch:

"Wie ich von meiner Mandantin erfahren habe, stehen Ihnen keinerlei Gründe zu Seite, welche Ihr Verhalten rechtfertigen können."

Ich habe erhebliche Zweifel, dass die Mandantin ihren Rechtsanwalt zutreffend beraten hat.