Im Reigen der Nötigung von Parteien zu gerichtlich vorgeschlagenen Vergleichen zwecks Verringerung der richterlichen Arbeitszeit hat das
Amtsgericht Rosenheim nun eine weitere Variante entwickelt, um einer intensiven Auseinandersetzung mit der Materie um einen angeblichen Online-Vertragsschluss aus dem Weg zu gehen.
Ganz im Stile einer Abofalle hat das
Amtsgericht Rosenheim eine List angewandt, um sich des Rechtsstreits unterhalb der Berufungsgrenze mit geringem Arbeitsaufwand zu entledigen: Die Parteien wurden mittels
Hinweises aufgefordert, sich innerhalb einer 3-wöchigen Frist zu einem vom Gericht angedachten Vergleichsvorschlag zu äußern. Zwei Tage nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist folgte die Strafe für die mangelnde Reaktion auf den unattraktiven Vorschlag des Gerichts: Ohne die Andeutung eines schriftlichen Verfahrens nach
§ 495a ZPO wurde die
negative Feststellungsklage gegen die
Melango GmbH mit einem
Überraschungsurteil abgewiesen. Das Amtsgericht Rosenheim hatte den Wechsel zum schriftlichen Verfahren nach billigem Ermessen gemäß
§ 495a ZPO weder angeordnet noch vor Erlass des
Urteils angekündigt.
Keine schlechte Idee im Sinne der Arbeitszeitverkürzung für freizeitorientierte Amtsrichter, würde das höchste deutsche Gericht nicht andere Vorstellungen von den Justizgrundrechten der Bundesbürger haben: Zwar schreibt § 495a ZPO eine Anordnung des vereinfachten schriftlichen Verfahrens nicht vor. Das Bundesverfassungsgericht leitet jedoch aus dem Grundrecht auf rechtliches Gehör gem.
Art. 103 Abs. 1 GG eine dahingehende Pflicht des Gerichts ab, weil den Parteien sonst die Möglichkeit genommen werde, einen Antrag auf mündliche Verhandlung gemäß
§ 495a Satz 2 ZPO zu stellen.
Entscheidet sich ein Gericht daher für ein schriftliches Verfahren, muss es den Parteien seine Absicht und den Zeitpunkt mitteilen, bis zu dem die Parteien ihr Vorbringen in den Prozess einführen können, da andernfalls der Anspruch auf rechtliches Gehör gemäß
Art. 103 Abs. 1 GG verletzt werde.
In der Sache selbst unterstellt das
Urteil gar eine vertragliche Einigung jenseits des objektiven Empfängerhorizonts. Denn der Kläger wollte als Privatperson gerade keinen entgeltlichen Vertrag abschliessen und hatte sich ohne Firmenangabe nur mit seinem Vor- und Nachnamen angemeldet. Melango.de steht ausdrücklich nur Gewerbetreibenden gegen Kostenerstattung offen.
Ob sich das Amtsgericht Rosenheim bei der kommenden
Gehörsrüge gem. § 312a ZPO auf die abofallenmäßige Verteidigungslinie einer versteckten Anordnung im Gewand einer Aufforderung, zu einem gerichtlichen Vergleichsvorschlag Stellung zu beziehen, zurückzieht, ist derzeit noch offen.
Das Bundesverfassungsgericht musste schon
hier und
da missbräuchliche Urteile ohne mündliche Verhandlung nach
§ 495a ZPO von selbstherrlichen Amtsgerichten aus dem Verkehr ziehen, welche ohne die Hilfe der Verfassungshüter mangels Berufungsmöglichkeit rechtskräftig geworden wären.