Immer wieder trifft man im Internet auf die angebliche Kabinettsorder des preußischen Königs Friedrich Wilhelm I. vom 15.12.1726, auf welche die aktuelle Berufstracht von Rechtsanwälten zurückzuführen sei: "Wir ordnen und befehlen hiermit allen Ernstes, daß die Advocati wollene schwarze Mäntel, welche bis unter das Knie gehen, unserer Verordnung gemäß zu tragen haben, damit man die Spitzbuben schon von weitem erkennt." Ich habe die Quelle nicht überprüft und es mag sein, dass einem monarchistischen Herrscher die Widerworte der Anwaltszunft derart sauer aufgestoßen sind, das er sie mit einer Art Robe stigmatisieren wollte. Doch die Zeiten absolutistischer Herrscher sind vorbei und man wird als Rechtsanwalt bisweilen gefragt, welchen Sinn das Tragen der Robe für einen Anwalt heute noch hat. Ich selbst hatte vor Gericht hier und da bereits kleine Diskussionen über meine fehlende Robe, ohne dass dieses je Konsequenzen gehabt hätte. Weshalb es heute überhaupt noch der Vorschrift des § 20 der Berufsordnung für Rechtsanwälte (BORA) folgend eine Berufstracht für Anwälte gibt, wurde in meinem Beisein vor Gericht aber noch nie hinterfragt.
Allerdings erläutert der Senat für Anwaltssachen beim Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 07.11.2016 zum Az.: AnwZ (Brfg) den Sinn und Zweck der vor Gericht getragenen Anwaltsrobe wie folgt: Es besteht ein erhebliches Interesse der Allgemeinheit daran, dass Gerichtsverhandlungen in guter Ordnung und angemessener Form durchgeführt werden können. Diesem Zweck dient es, wenn auch die an der Verhandlung beteiligten Rechtsanwälte eine Amtstracht tragen (BVerfGE 28, 21, 31 f.). Sie werden dadurch aus dem Kreis der übrigen Teilnehmer an der Verhandlung herausgehoben; ihre Stellung als unabhängiges Organ der Rechtspflege (§ 1 BRAO) wird sichtbar gemacht (BVerfG aaO; Scharmer in Hartung/Scharmer aaO Rn. 16, 41; Wolf in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl., § 1 BRAO Rn. 91). Darin liegt auch ein zumindest mittelbarer Nutzen für die Rechts- und Wahrheitsfindung im Prozess; denn die Übersichtlichkeit der Situation im Verhandlungsraum wird gefördert und zugleich ein Beitrag zur Schaffung der Atmosphäre der Ausgeglichenheit und Objektivität geleistet, in der allein Rechtsprechung sich in angemessener Form darstellen kann (BVerfG aaO).
Durch das Anlegen der Robe tritt der Rechtsanwalt mithin als Person hinter seiner Funktion als Prozessbeteiligter zurück (Scharmer in Hartung/Scharmer aaO Rn. 18 f. mwN; Ahrens, Anwaltsrecht Rn. 128). Die Anwaltsrobe verkörpert - im Unterschied zu anderen Berufskleidungen und zu anderen Kleidungsstücken des Rechtsanwalts - für alle Anwesenden erkennbar die Organstellung des Rechtsanwalts und das Ziel einer ausgeglichenen und objektiven Verhandlungsatmosphäre, die durch die Grundsätze der Sachlichkeit und der Rationalität sowie der Verallgemeinerungsfähigkeit der Rechtsanwendung geprägt ist (Scharmer in Hartung/Scharmer aaO Rn. 18 f. mwN; Ahrens, Anwaltsrecht Rn. 128). Eine überaus einleuchtende Erklärung, der ich mich nur anschließen kann. Das Tragen der Robe unterstreicht das distanzierte Auftreten des Anwalts im Rahmen des Sachlichkeitsgebots gem. § 43a Abs. 3 BRAO vor Gericht, wonach sich ein Rechtsanwalt bei seiner Berufsausübung nicht unsachlich verhalten darf. Denn Beleidigungen und andere Persönlichkeitsrechtsverletzungen haben im Rahmen der anwaltlichen Berufsausübung nichts verloren.