Mittwoch, 30. September 2020

Amtsgericht Hannover: Turboquerulantin darf Turboquerulantin genannt werden

Irgendwann war es selbst mir als seriösem und stets sachlichen Vertreter meines Berufsstands zu viel. Ich konnte den monotonen Singsang der Turboquerulantin in ihren selbstgebastelten Schriftsätzen, ich dürfe sie nicht Turboquerulantin nennen und müsse diesbezüglich alle Artikel in meinem Blog löschen, nicht mehr ertragen. Als dann sogar per E-Mail die Forderung von ihr an mich herangetragen wurde, ich müsse das Betiteln als Turboquerulantin unterlassen und sämtliche Bilder und Karikaturen von meinen Seiten https://fachanwalt-fuer-it-recht-blogspot.com und https://www.facebook.com/garage.hannover unverzüglich löschen, war selbst meine nahezu unerschöpfliche Geduld am Ende.

Der entschlossene Hilferuf ans Amtsgericht Hannover in Form einer negativen Feststellungsklage wurde erhört und nun durfte auch das Amtsgericht Hannover endlich einmal vom hauchzarten Hirnschmalz der niedersächsischen Weltrekordlerin naschen. Die Feststellungen des hannoverschen Gerichts im Urteil vom 15.07.2020 zum Az.: 537 C 1796/20 sind eindeutig und auch für den juristischen Laien unmissverständlich klar formuliert. "Den satirischen Berichten und den Karikaturen des Klägers liegt der erforderliche Tatsachenkern zu Grunde, da es sich um Erfahrungen mit der Beklagten aus seiner anwaltlichen Tätigkeit handelt. Seine Bewertung der Beklagten als Turboquerulantin, seine satirischen Berichte und Illustrationen stehen mit dem tatsächlichen Verhalten der Beklagten in Einklang."

Um unserem Türbchen auch den Zahn zu ziehen, dass deren Bezeichnung als Turboquerulantin "Cybermobbing, Hetze und Beleidigung" sei, wurde das Amtsgericht Hannover überdeutlich: "Die Bezeichnung der Beklagten durch den Kläger als Turboquerulantin sowie dessen Berichte und Illustrationen erfüllen weder Straftatbestände noch verletzen sie das Persönlichkeitsrecht der Beklagten. In dem Verhältnis zwischen den Parteien dieses Rechtsstreits kann in den Berichten, Illustrationen und der Bezeichnung als Turboquerulantin seitens des Klägers keine Ehrverletzung der Beklagten gesehen werden." Kann man die Rechtslage zutreffender wiedergeben, als es das Amtsgericht Hannover getan hat?

Die Antwort lautet natürlich "Nein", denn das Gericht führt überdies in höchst überzeugender Weise aus, weshalb die Turboquerulantin eine Turboquerulantin ist: "Jegliche gedankliche Auseinandersetzung, dass die satirischen Berichte, die Karikaturen und der Begriff "Turboquerulantin" ihre Ursache in dem eigenen Verhalten der Beklagten haben, findet nicht statt. Der Umstand, dass die Beklagte den Kläger sogar für ihre eigenen gesundheitlichen Probleme verantwortlich macht und von einer "organisierten Bande" spricht, spiegelt das Ausmaß der kognitiven Beeinträchtigung der Beklagten wieder. Zudem sind Querulanten für die betroffenen Personen - hier dem Kläger - nicht nur anstrengend, sondern auch zeitraubend."

Damit hat nun das Amtsgericht Hannover als erstes Gericht in Deutschland mit unerschütterlicher Deutlichkeit und zudem unumstößlicher Rechtskraft amtlich festgestellt, dass es sich bei der dauermobbenden Gesetzesbrecherin aus Niedersachsen tatsächlich um eine Querulantin handelt, die angesichts des Ausmaßes ihres rechtswidrigen Handelns und ihrer grenzenlosen Uneinsichtigkeit eine Person ist, die den Titel "Turboquerulantin" ohne Wenn und Aber verdient und von mir deshalb auch genau so bezeichnet werden darf.

Montag, 28. September 2020

Drogentests für hannoversche Ratsmitglieder

Mit einem bemerkenswerten Dringlichkeitsantrag hat der parteilose Ratsherr Tobias Braune den Rat der Stadt Hannover in Bedrängnis gebracht. Er hatte als Antrag Nr. 2198/2020 die Ratssitzung aufgefordert, ab Oktober 2020 einen monatlichen Drogentest für alle Ratsherren und Ratsdamen anzubieten und ab 2021 einen Pflichttest pro Quartal für hannoversche Politiker einzuführen. Zur Begründung führte er aus, dass der Rat der Landeshauptstadt Hannover allein 2020 ein Budget von ca. 2.200.000.000,- Euro und einem Nachtragskredit von ca. 800.000.000,- Euro zur Verfügung habe und damit eine hohe Verantwortung trage.

Um sicherzustellen, dass die Bürgervertreter stets bei klarem Verstand Entscheidungen für eine zukunftsfähige Stadt träfen, sei ein obligatorischer Test auf die besinnungseinschränkenden Drogen Alkohol, THC, Opiate und Cristal Meth hilfreich. Auch ein Busfahrer müsse alle 2 Jahre zu einer medizinisch-psychologischen Untersuchung und Leistungssportler würden mehrfach im Jahr auf illegale Substanzen geprüft, ohne auch nur annähernd eine ähnlich hohe Verantwortung zu tragen, wie die hannoverschen Ratspolitiker.

Wer sich daran erinnert, dass schon im Jahre 2000 von SAT.1-Reportern in 22 Toiletten des Reichstags und des Berliner Abgeordnetenhauses Spuren von Kokain gefunden worden waren, die anschließend in Nürnberg vom Institut für biomedizinische und pharmazeutische Forschung verlässlich untersucht worden sind, wird sicherlich auch in Erinnerung haben, dass diese Entdeckung keinerlei Konsequenzen hatte. Auch der Fund von Crystal Meth beim ehemaligen Bundestagsabgeordneten Volker Beck im Jahre 2016 führte lediglich zu einer Verfahrenseinstellung wegen geringer Schuld nach § 153a StPO gegen Zahlung einer Geldauflage von 7.000,- Euro.

Selbstverständlich hat auch der Dringlichkeitsantrag von Tobias Braune keinerlei Aussicht auf Erfolg, denn insbesondere in der Politik verhält sich die Neigung zur Selbstkontrolle reziprok zu den Missbrauchsmöglichkeiten, welche die Privilegierung als politscher Abgeordneter mit sich bringt. Immerhin erfreulich, von einem Mandatsträger zu hören, der sich entsprechend seiner Verpflichtung, als Ratsherr seine Aufgabe nach bestem Wissen und Gewissen unparteiisch zu erfüllen, noch traut, bei seinen Mitparlamentariern unbeliebte Forderungen zu erheben.

Donnerstag, 24. September 2020

schwule Sau

Bei einem Wahlkampftermin in Bergisch Gladbach am 29. August 2020 soll ein unzufriedener Mitbürger den homosexuellen Bundesminister für Gesundheit, Jens Spahn, deutlich hörbar als "schwule Sau" bezeichnet haben. Nachdem der Bundesgesundheitsminister rechtzeitig den zur strafrechtlichen Verfolgung einer Beleidigung notwendigen Strafantrag gestellt hatte, hat die Kölner Staatsanwaltschaft nun ein Ermittlungsverfahren gegen den zum fraglichen Zeitpunkt von der Polizei identifizierten mutmaßlichen Täter eingeleitet.

Anders als das gewöhnliche Fußvolk müssen sich Politiker nicht mit der Standardfloskel der Staatsanwaltschaften begnügen, welche die Verfahren bei Beleidigungen regelmäßig mit dem Hinweis, dass kein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung bestehe und der Privatklageweg offen stehe, einstellen. Rechtlich dürfte der mutmaßliche Täter kaum etwas gegen eine tatbestandsmäßige Beleidigung vorzubringen haben, denn schon das Landgericht Köln hatten in seinem Urteil vom 05.06.2002 zum Az.: 28 O 12/02 zur Bezeichnung "schwule Sau" deutliche Worte gefunden:

"Vorliegend kann dahinstehen, ob mit der zweifachen Betitelung des Klägers mit dem Wort "schwul", das mit der vorgenommenen Einspielung Prominenten in den Munde gelegt wurde, eine ehrkränkende Herabsetzung des Klägers verbunden ist. Jedenfalls das von ... stammende und durch den Zusammenschnitt der Szenen offensichtlich auf den Kläger bezogene Zitat "schwule Sau" ist seiner Natur nach offensichtlich geeignet, den Kläger herabzusetzen. Die Kundgabe der Nicht- bzw. Missachtung liegt hierbei nach Auffassung der Kammer weniger in der Frage der angeblichen sexuellen Orientierung des Klägers (also auf Tatsachenebene), sondern vielmehr auf der Wertungsebene, durch die zusätzliche Verwendung des Wortes "Sau". Hiermit ist der Tatbestand der Beleidigung grundsätzlich erfüllt."

Als denkbarer Ausweg erscheint für den Täter zunächst der Vortrag, er habe den Gesundheitsminister mit den Worten "schwule Sau" möglichst prägnant und in aller Kürze auf die Wiedereröffnung des hannoverschen Szeneclubs "Schwule Sau" hinweisen wollen, der am 10.10.2020 nach rund 7 Monaten wieder seinen Betrieb aufnehmen wird. Diese Ausrede dürfte allerdings schon daran scheitern, dass die Wiedereröffnung des Clubs am Tag der Tat noch gar nicht bekannt war.

Mittwoch, 23. September 2020

Spitzenjurist

Wer mit dem Begriff "Prädikatsanwalt" wirbt, sollte auch ein Spitzenjurist sein. Dies erläuterte der dritte Senat des Oberlandesgerichts Nürnberg in seinem Urteil vom 13.07.2009 zum Az. 3 U 525/09 mit der Auffassung, dass der Referenzverbraucher unter "Prädikatsanwalt" einen Anwalt verstehe, der nicht nur ein Examen mit dem in Bayern gebräuchlichen "kleinen Prädikat" erworben habe, sondern zu einer kleinen Gruppe von auch prüfungsmäßigen Spitzenjuristen zähle. Schon das Landgericht Regensburg hatte im Urteil vom 20.02.2009 zum Az. 2HK O 2062/08 geäußert, dass auch bei einer Quote von 47 % der Examenskandidaten, die in Bayern 2007 das 2. Staatsexamen bestanden haben und damit zumindest das "kleine Prädikat" erworben haben, welches bereits bei 6,5 von 18 möglichen Punkten verliehen werde, solche mit dem Begriff "Prädikatsanwalt" versehenen Rechtsanwälte nicht notwendig zu einer kleinen Gruppe von Spitzenjuristen zählen, die ihr Examen mit einer sehr guten Note bestanden haben. Zu sehr weiche die Vorstellung "Spitzenjurist" von der bei einer nennenswerten Zahl von "Prädikatsanwälten" tatsächlich vorhandenen Befähigung ab.

Damit stellten die Richter klar, dass die Werbung mit der Bezeichnung "Prädikatsanwalt" für einen Rechtsanwalt wegen der zumindest in Bayern äußerst verwässerten Bedingungen bei der Erreichung eines Prädikatsexamens beim Verbraucher die falsche Vorstellung auslöse, es tatsächlich auch mit einem Spitzenjuristen zu tun zu haben. Nach den Kriterien des Bundesgerichtshofs in seinem Urteil vom 16.11.2017 zum Az.  ZR 160/16 setzt eine zulässige Spitzenwerbung voraus, dass die Werbebehauptung wahr ist, der Werbende einen deutlichen Vorsprung gegenüber seinen Mitbewerbern vorzuweisen hat und der Vorsprung die Aussicht auf eine gewisse Stetigkeit bietet. Im Zusammenhang mit dem Umstand, dass ich im vergangenen Sommer den höchsten Berggipfel Deutschlands vom österreichischen Ehrwald aus zu Fuß erreicht habe, darf auch ich mich als Spitzenjurist bezeichnen. Ob die Verwendung dieser Bezeichnung für mein berufliches Wirken außerhalb der Zugspitzbesteigung zulässig wäre, lasse ich an dieser Stelle einfach mal offen.

Montag, 21. September 2020

Querulanten-Gebühr



In der ersten Bundesratssitzung nach der Sommerpause am 18.09.2020 wurde der Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer besonderen Verfahrensgebühr für Vielkläger im sozialgerichtlichen Verfahren eingebracht. Ziel der Gesetzesinitiative des Bundeslands Hessen ist eine Entlastung der Sozialgerichtsbarkeit durch die Einführung einer besonderen Verfahrensgebühr für Querulanten. Diese Gebühr soll für diejenigen anfallen, die innerhalb der letzten zehn Jahre zehn oder mehr Verfahren in einem Bundesland angestrengt haben. Die Höhe der Verfahrensgebühr soll EUR 30,- betragen. Erst wenn die Gebühr entrichtet ist, kann das Verfahren weiter betrieben werden. Um die gewünschte Wirkung der Querulantengebühr zu erreichen, soll die Gebühr nicht vom Anspruch auf Prozesskostenhilfe umfasst sein. Die Gebührenhöhe soll sehr niedrig sein, damit sie auch aus Existenzsicherungsleistungen erbracht werden kann. Gewinnt der Querulant, wird die Q-Gebühr erstattet.

In der Bundesrats-Drucksache 495/20 wird im Einzelnen erläutert, dass die Verfahren dieser Querulanten einen erheblichen Anteil der Ressourcen der Justiz beanspruchen. Die richterliche Erfahrung und die hohe Zahl der erfolglosen Verfahren der Querulanten zeige, dass in einer Vielzahl dieser Verfahren tatsächlich keine Rechtsverletzungen festgestellt werden können und dass diese Verfahren von den Klägerinnen und Klägern nur geführt werden, weil diese kostenfrei sind und Querulanten eine Plattform bieten, ihre oft schon mehrfach geprüften Anliegen immer und immer wieder vorzubringen. Querulanten vertreten sich typischerweise selbst oder sie werden von Familienmitgliedern vertreten. Auch Rechtsanwälte werden in den seltensten Fällen eingeschaltet.

Die Präsidentin des Sozialverbands Verband der Kriegsbeschädigten, Kriegshinterbliebenen und Sozialrentner Deutschlands (VdK) Deutschland e. V. sieht das Querulantentum kritisch: "Der Schritt ist überfällig. Zu viele Querulanten tummeln sich in Sozialrechtsverfahren, weil keine Gerichtskosten anfallen. Wir brauchen ein Preisschild für offensichtlich mutwillig erhobene Klagen. Sonst legen ein paar Streitsüchtige die Gerichte lahm. Klägerinnen und Kläger mit echten existenziellen Sorgen hängen in der Warteschleife bei Gericht. Sie kommen nur verzögert zu ihrem Recht, weil ein paar Freizeitjuristen gerne ihre Aufsätze an die Sozialgerichte schicken. Unsolidarisches Verhalten darf in einem Rechtsstaat in diesem Fall gerne etwas kosten."

Auch die stellvertretende Leiterin des Ressorts Politik der Bild am Sonntag (BamS), Angelika Hellemann, ist empört: "Diese Zahlen machen sauer! Acht notorische Nörgler klagen in zehn Jahren 2614-mal vorm Sozialgericht. Damit beschäftigte jeder dieser Querköpfe im Schnitt 32-mal pro Jahr einen Richter! Unser Sozialstaat muss gegen Leute, die ihn ausnutzen wollen, wehrhaft sein. Wer Richter mit Klagen zumüllt und Gerichte lahmlegt, den muss der Staat ausbremsen. Deshalb ist die Querulanten-Gebühr gut!" Ich bin der Meinung, dass sich der gewöhnliche Querulant von der geplanten Gebühr in Höhe von EUR 30,- nicht abhalten lassen wird, sein Steckenpferd vor den Sozialgerichten weiter zu reiten. Wenn sich die Turboquerulantin (ohne Berücksichtigung der Kosten des gesamten zivilrechtlichen Verfahrens) nicht einmal von zehn Ordnungsgeldern in einer Gesamthöhe von EUR 8.700,- in einem einzigen Zivilprozess bremsen lässt, dürften EUR 30,- für den einfachen Querulanten im Zuge eines Verfahrens auch keine entscheidende Hürde sein.

Mittwoch, 16. September 2020

Turboquerulantin - Schurkentag

Das Datum hat sich tief in die Geschichte unserer Welt eingebrannt. Am 20. April ist auch in Deutschland traditionell Schurkentag und in manch schimmeliger Mietwohnung rotten sich zwielichtige Gestalten zusammen, um den Tag zu feiern, an dem eine der finstersten Gestalten das Licht der Welt erblickt hatte, die je auf deutschem Boden ihr Unwesen trieb. So war es auch kein Wunder, dass sich die 8. Zivilkammer des Landgerichts Hagen just am 20. April 2020 zusammensetzte, um die Turboquerulantin mit einer kleinen Überraschung für ihre Führungsrolle in der deutschen Querulantenszene zu belohnen.

Ein didaktisch wertvoll aufbereiteter Beschluss mit dem harmonisch eingefügten Wappen Nordrhein-Westfalens würdigte an diesem besonderen Tag das Wirken der Turboquerulantin auf der Internetplattform Twitter, auf welcher sie mit gewohnt sicherer Hand gegen die ihr auferlegte Unterlassungspflicht aus dem vorangegangenen Beschluss vom 19.02.2020 mittels fortgesetzter Veröffentlichung der Unterschrift des ihr unliebsamen Comte de Montfort verstieß. Wie üblich warf unser kleinkrimineller Sausewind zur Garnierung des wirren Treibens in seiner gerichtlichen Stellungnahme mit den ihm vertrauten Begriffen "Prozessbetrug", "Betrugsdelikte", "Strafanträge" und "Bandenkriminalität" um sich. 

Das Ordnungsgeld in Höhe von EUR 500,- ist natürlich nur ein äußerst gering bemessener Anerkennungsbetrag für einen vorsätzlichen Verstoß, der auch in der Querulantenszene mehr Beachtung verdient hätte. Innovativ war sicherlich der Vorwurf der Turboquerulantin, dass das Landgericht Hagen im Beschluss vom 19.02.2020 nicht nach Recht und Ordnung gehandelt habe und sich der Mittäterschaft bei den schweren Straftaten ihres blaublütigen Gegners schuldig gemacht hätte. Natürlich darf auch der Vorwurf der Rechtsbeugung gegen das erkennende Gericht nicht fehlen und es ist daher zu erwarten, dass unser Türbchen auch in dieser Sache noch lange nicht klein beigeben wird.

Montag, 14. September 2020

Warum Anwälte eine Robe tragen



Immer wieder trifft man im Internet auf die angebliche Kabinettsorder des preußischen Königs Friedrich Wilhelm I. vom 15.12.1726, auf welche die aktuelle Berufstracht von Rechtsanwälten zurückzuführen sei: "Wir ordnen und befehlen hiermit allen Ernstes, daß die Advocati wollene schwarze Mäntel, welche bis unter das Knie gehen, unserer Verordnung gemäß zu tragen haben, damit man die Spitzbuben schon von weitem erkennt." Ich habe die Quelle nicht überprüft und es mag sein, dass einem monarchistischen Herrscher die Widerworte der Anwaltszunft derart sauer aufgestoßen sind, das er sie mit einer Art Robe stigmatisieren wollte. Doch die Zeiten absolutistischer Herrscher sind vorbei und man wird als Rechtsanwalt bisweilen gefragt, welchen Sinn das Tragen der Robe für einen Anwalt heute noch hat. Ich selbst hatte vor Gericht hier und da bereits kleine Diskussionen über meine fehlende Robe, ohne dass dieses je Konsequenzen gehabt hätte. Weshalb es heute überhaupt noch der Vorschrift des § 20 der Berufsordnung für Rechtsanwälte (BORA) folgend eine Berufstracht für Anwälte gibt, wurde in meinem Beisein vor Gericht aber noch nie hinterfragt.     

Allerdings erläutert der Senat für Anwaltssachen beim Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 07.11.2016 zum Az.: AnwZ (Brfg) den Sinn und Zweck der vor Gericht getragenen Anwaltsrobe wie folgt: Es besteht ein erhebliches Interesse der Allgemeinheit daran, dass Gerichtsverhandlungen in guter Ordnung und angemessener Form durchgeführt werden können. Diesem Zweck dient es, wenn auch die an der Verhandlung beteiligten Rechtsanwälte eine Amtstracht tragen (BVerfGE 28, 21, 31 f.). Sie werden dadurch aus dem Kreis der übrigen Teilnehmer an der Verhandlung herausgehoben; ihre Stellung als unabhängiges Organ der Rechtspflege (§ 1 BRAO) wird sichtbar gemacht (BVerfG aaO; Scharmer in Hartung/Scharmer aaO Rn. 16, 41; Wolf in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl., § 1 BRAO Rn. 91). Darin liegt auch ein zumindest mittelbarer Nutzen für die Rechts- und Wahrheitsfindung im Prozess; denn die Übersichtlichkeit der Situation im Verhandlungsraum wird gefördert und zugleich ein Beitrag zur Schaffung der Atmosphäre der Ausgeglichenheit und Objektivität geleistet, in der allein Rechtsprechung sich in angemessener Form darstellen kann (BVerfG aaO).
 
Durch das Anlegen der Robe tritt der Rechtsanwalt mithin als Person hinter seiner Funktion als Prozessbeteiligter zurück (Scharmer in Hartung/Scharmer aaO Rn. 18 f. mwN; Ahrens, Anwaltsrecht Rn. 128). Die Anwaltsrobe verkörpert - im Unterschied zu anderen Berufskleidungen und zu anderen Kleidungsstücken des Rechtsanwalts - für alle Anwesenden erkennbar die Organstellung des Rechtsanwalts und das Ziel einer ausgeglichenen und objektiven Verhandlungsatmosphäre, die durch die Grundsätze der Sachlichkeit und der Rationalität sowie der Verallgemeinerungsfähigkeit der Rechtsanwendung geprägt ist (Scharmer in Hartung/Scharmer aaO Rn. 18 f. mwN; Ahrens, Anwaltsrecht Rn. 128). Eine überaus einleuchtende Erklärung, der ich mich nur anschließen kann. Das Tragen der Robe unterstreicht das distanzierte Auftreten des Anwalts im Rahmen des Sachlichkeitsgebots gem. § 43a Abs. 3 BRAO vor Gericht, wonach sich ein Rechtsanwalt bei seiner Berufsausübung nicht unsachlich verhalten darf. Denn Beleidigungen und andere Persönlichkeitsrechtsverletzungen haben im Rahmen der anwaltlichen Berufsausübung nichts verloren.

Freitag, 4. September 2020

Foto vom Grabstein im Internet. Erlaubt?

Nachdem wir bereits geklärt hatten, dass die Veröffentlichung von einem Kinderbild im Internet ohne Einverständnis des Sorgeberechtigten rechtswidrig ist, mehrere Gerichte entschieden haben, dass die Veröffentlichung von persönlichen Bildern im Internet ohne Einverständnis des Abgebildeten dessen Recht am eigenen Bild verletzt und zuletzt das Landgericht Hagen ausgeführt hat, dass auch die Veröffentlichung einer Unterschrift das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Unterzeichners und dessen Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt, stellte sich nun einem Mandanten die Frage, ob die Veröffentlichung eines Fotos des Grabsteins eines Verwandten rechtsverletzend sein kann.  

Grundsätzlich verfügt nämlich auch ein Toter über das sogenannte postmortale Persönlichkeitsrecht, welches den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts über den Tod hinaus fortsetzt. Das Andenken an den Verstorbenen wird gegen Angriffe auf seinen durch die Lebensleistung erworbenen Geltungswert und die ihm als Mensch allgemein geschuldete Achtung geschützt. Allerdings nimmt dieses Recht mit zunehmendem Abstand vom Todeszeitpunkt stetig ab und der Geltungswert des Verstorbenen wird durch die bloße Veröffentlichung eines Fotos seines Grabsteins nicht beeinträchtigt. 

Auch die reine Wiedergabe des Namens auf dem Foto des Grabsteins kann als reine Namensverwendung keine vom Schutzbereich des § 12 BGB betroffene Rechtsverletzung sein, weil weder eine Namensleugnung oder eine Namensanmaßung vorliegt. Auch der Schutz des Rechts am eigenen Bild nach § 22 KUG wird durch die Veröffentlichung eines Bildes von einem Gegenstand nicht berührt. 

In Betracht kommt schließlich noch eine Rechtsverletzung auf Grund der Bestimmungen der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), da durch die Veröffentlichung des Fotos des Grabsteins eine automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten (Name, Geburtstag und Sterbetag) in einem Dateisystem erfolgt ist. Allerdings sind personenbezogene Daten im Sinne der DSGVO nur Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person (betroffene Person) beziehen, so dass angesichts der Tatsache, dass mit dem Tod das Dasein als natürliche Person als beendet angesehen werden kann, ein unmittelbarer Schutz der Daten des Toten durch die DSGVO entfallen sein könnte.

Jedenfalls kann aber das sich aus Art. 17 DSGVO ergebende Recht auf Löschung oder das Recht auf Vergessen werden nicht zu einem Löschungsanspruch des Verwandten führen, wonach eine betroffene Person zwar das Recht hat, von dem Verantwortlichen zu verlangen, dass sie betreffende personenbezogene Daten unverzüglich gelöscht werden, weil diesem Recht dann kein Anspruch auf Löschung des Fotos eines Grabsteins folgt, sofern die Veröffentlichung des Grabsteins im Rahmen der Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und Information erfolgt. Dies dürfte jedenfalls so lange der Fall sein, wie sich die im Internet abgebildeten Informationen auch dem öffentlich zugänglichen Grabstein selbst entnehmen lassen.