Montag, 30. Januar 2017

Die Turboquerulantin schreibt Rechtsgeschichte

Mit Hilfe das Amtsgerichts Nienburg ist es nunmehr nicht nur gelungen, gegen Deutschlands bekannteste Mobberin einen Unterlassungstitel im Hauptsacheverfahren an ihrem allgemeinen Gerichtsstand durchzusetzen, sondern auch deren Kampfname "Turboquerulantin" in die amtliche deutsche Jurisprudenz einzuführen. Denn mit dem Urteil vom 04.01.2017 zum Az.: 6 C 409/16 hat das Amtsgericht Nienburg die Frage behandelt, ob Kommentare des von der Turboquerulantin Beleidigten im Blog seines Anwalts zur Straffreiheit der sprachgewaltigen Hetzerin führen könnten:

"Schließlich kann nicht allein aus dem Umstand, dass auch der Kläger ehrenrühriges Verhalten zu Lasten der Beklagten an den Tag gelegt haben könnte, indem er sich an einem eventuell die Beklagte allein aufgrund des Titels „Turboquerulantin" diffamierenden Blog beteiligt hat, unter Anwendung des Rechtsgedankens von § 199 StGB, wonach auf der Stelle erwiderte Beleidigungen für straffrei erklärt werden können, hergeleitet werden, dass deswegen die Bezeichnung des Klägers als „Betrüger“ durch die Beklagte auch zivilrechtlich sanktionslos bleiben müsse. Dem steht bereits die Überlegung entgegen, dass dann gerade auch in den sozialen Medien des Internets ein rechtsfreier Raum für wechselseitige Beleidigungen der Beteiligten entstünde, obwohl diese nach den allgemein bekannten Erkenntnissen ohnehin schon - wie dieser Fall auch zeigt - jedes erträgliche Maß deutlich überschreiten." 

Die mit der Urteilsbegründung aufgeworfene Frage, ob bereits die Namensgebung „Turboquerulantin" diffamierenden Charakter habe, wurde vom Amtsgericht Nienburg offen gelassen. Bei Wikipedia findet man zur Grundform der Begriffsschöpfung die Definition eines Menschen, der trotz geringer Erfolgsaussicht besonders unbeirrbar und zäh einen Rechtskampf führt. "Dabei steht ein geringfügiger oder vermeintlicher Anlass kaum noch in einem angemessenen Verhältnis zum rechthaberischen, misstrauischen, fanatischen und unbelehrbaren Vorgehen der so bezeichneten Menschen." Ob die Bezeichnung Querulantin unter Zuhilfenahme des Präfixes "Turbo" eine von der Meinungsfreiheit gedeckte Äußerung ist, wird man daher wohl nur durch Auflistung sämtlicher bekannter Streitigkeiten klären können. Allein über die Anzahl der von uns geführten Verfahren habe ich ehrlich gesagt den Überblick verloren, aber die jährliche Misserfolgsquote der Turboquerulantin dürfte in etwa bei 30:0 liegen.

Donnerstag, 26. Januar 2017

Kennen Sie den Unterschied zwischen Uli Hoeneß und Änis Ben-Hatira?

Im Grunde ganz einfach. Uli Hoeneß hat mehrere Millionen Euro an sich selbst gespendet und Änis Ben-Hatira einige tausend Euro an die Hilfsorganisation Ansaar International. Uli Hoeneß wurde deshalb im Jahre 2014 von der 5. Strafkammer des Landgerichts München II wegen Steuerhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren verurteilt und trat daraufhin als Präsident des FC Bayern München e. V. und als Vorsitzender des Aufsichtsrats der FC Bayern München AG zurück. Änis Ben-Hatira wurde dafür im Jahre 2017 von Hessens Innenminister Peter Beuth scharf kritisiert und hat nach Protesten von Darmstädter Fans seinen Fussball-Profivertrag beim SV Darmstadt 1898 e.V. aufgelöst.

Anders als Uli Hoeneß, der nach seiner Freilassung aus der Haft im November 2016 erneut zum Präsidenten des derzeitigen Tabellenführers der Fussball-Bundesliga gewählt wurde, hat Änis Ben-Hatira auch ohne Gefängnisaufenthalt beim aktuellen Tabellenletzten der Bundesliga als Spieler keine Zukunft mehr. Dass beide Ex-Bundesligaprofis am Anfang ihrer Karriere in den Nachwuchsmannschaften des Deutscher Fussball-Bund e.V. gute Leistungen gezeigt haben, ist eine kleine Gemeinsamkeit, der in Zukunft wohl keine große Aufmerksamkeit mehr geschenkt werden wird.

Dienstag, 24. Januar 2017

Schmusebeschluss

Vielleicht kommt es mir nur so vor, aber die Amtsrichter dieser Republik machen regelmäßig Dinge, die mich  - im Gegensatz zum Vorgehen der meisten Land- und Oberlandesgerichte - überraschen. Nun ist es diesmal zum Glück nicht die absurde Gewährung von Schriftsatznachlass im Verfügungsverfahren oder die Einbehaltung eines abgelaufenen Personalausweises, sondern ein echter Schmusebeschluss des Amtsgerichts, für den man den knuffigen Amtsrichter selbst als Klägervertreter fast in den Arm nehmen möchte.

Es ging um die Veröffentlichung persönlicher Nachrichten auf Facebook und dem Beklagten nach Abgabe einer strafbewehrten Unterlasungserklärung insbesondere darum, die für die Abmahnung angefallenen Anwaltskosten nicht bezahlen zu müssen. Angesichts der Bandbreite möglicher Entscheidungen von schrulligen Amtsrichtern ist das bei einer begründeten Klage entstandene Kuschelbedürfnis eine durchaus erträgliche Variante richterlicher Reaktionsmöglichkeiten, weshalb dieses durch Wiedergabe des Berschlusses in voller Länge hinreichend gewürdigt werden soll:            

Das Gericht soll gemäß § 278 I ZPO in jeder Lage des Verfahrens auf die gütliche Beilegung eines Rechtsstreites bedacht sein. Zwischenzeitlich hat das Gericht diese Sache nach gründlicher Prüfung daraufhin durchdacht und hält - nach vorläufiger Auffassung - folgende Anmerkungen für geboten:

1) Freilich hätte der Kläger hier auch selbst noch bei dem Beklagten zunächst rückfragen können und eine weitere Gefahr lag nicht wirklich nahe, aber von Rechts wegen lässt sich gegen das Vorgehen des Klägers letztlich nichts einwenden. Die Erstbegehung indiziert nach ständiger Rechtsprechung die Wiederholungsgefahr. Es blieb ihm auch unbenommen, einen Rechtsanwalt mit der Verfolgung seiner Interessen zu beauftragen, er musste nicht selbst aktiv werden. Der Beklagte hätte diese Nachricht des Klägers nicht veröffentlichen dürfen. Der angenommene Gegenstandswert ist akzeptabel. Der Beklagte hat demgemäß die Unterlassungserklärung auch zu Recht abgegeben. Einen durchgreifenden Grund, die dafür angefallenen Kosten demgegenüber nicht zu übernehmen, sieht das Gericht vorliegend nicht.

2) Nach gerichtlicher Auffassung sollte der Beklagte daher bemüht sein, die Angelegenheit mit dem geringst möglichen entstehenden Kosten zu bereinigen. Ein Termin zur mündlichen Verhandlung würde erhebliche Kosten zur Folge haben, da die Klägervertreter entweder anreisen oder weitere Rechtsanwälte vor Ort bestellen müssten. Ein Anerkenntnis würde weitere Anwaltsgebühren entstehen lassen. Das Gericht möchte daher vorschlagen, dass der Beklagte die geltend gemachten Kosten an die Klägervertreter überweist. Dann können die Klägervertreter den Rechtsstreit für erledigt erklären, und der Beklagte kann die Kosten übernehmen. Dies hätte den Vorteil, dass zum einen keine weiteren Anwaltsgebühren anfallen und zum anderen sich die Gerichtsgebühren um 2/3 reduzieren!

3) Es wird daher angeregt, dass der Beklagte innerhalb von spätestens zwei Wochen entsprechend vorgeht, d. h. die Zahlung vornimmt. Leider kann das Gericht dem Beklagten keine angenehmere Nachricht übermitteln. Um Verständnis wird gebeten.

Richter am Amtsgericht

Ich selbst möchte den armen Beklagten natürlich auch um Entschuldigung bitten, dass ich das Mandat angenommen habe, seinen Rechtsbruch zu unterbinden. Beim nächsten Mal werde ich meinen Mandanten inständig darum bitten, zunächst selbst alles erdenkliche zu tun, um das Vermögen des bedauernswerten Rechtsbrechers nicht mit den Kosten meiner Inanspruchnahme zu belasten.

Freitag, 20. Januar 2017

Jens Maier, Richter am Landgericht Dresden und AfD-Direktkandidat

Über deutsche Richter berichte ich in der Regel anonym, weil meine Beiträge meistens etwas mit den von mir bearbeiten Fällen zu tun haben. Nun habe ich gerade über einen Richter Jens Maier gelesen, dessen Äußerungen die Medienlandschaft in helle Aufregung versetzen. Schon in der Vergangenheit hätte ich auf Jens Maier stoßen können, wenn ich den einen oder anderen juristischen Blog konsequent verfolgt hätte.

Nun soll der am Landgericht Dresden beschäftigte Richter in einer Rede gesagt haben, dass die Herstellung von Mischvölkern in Europa nicht zu ertragen sei. Jens Maier hat Zeitungsangaben zu Folge auch in Bezug auf den Umgang der Deutschen mit dem Nationalsozialismus während einer AfD-Veranstaltung mit Björn Höcke konstatiert "Ich erkläre hiermit diesen Schuldkult für beendet, für endgültig beendet." Die NPD sei nach Richter Maier deshalb gewählt worden, weil sie als einzige Partei immer geschlossen zu Deutschland gestanden habe. Auf derselben Veranstaltung am 17.01.2017 hatte der Thüringer AfD-Vorsitzende Björn Höcke vom Holocaust-Mahnmal in Berlin als „Denkmal der Schande“ gesprochen.

Unter dem Aspekt der Meinungsfreiheit und des richterlichen Dienstrechts sind die dem Dresdner Robenträger zugeschriebenen Äußerungen unspektakulär. Ungewöhnlich ist dagegen die Offenheit des Richters, der sich selbst als deutschen Patrioten bezeichnet und seine Ansichten im Namen der AfD verbreitet, die nicht nur in der Medienöffentlichkeit stark kritisiert wird. Auch im Gericht scheint die Sonne für Meier nicht mehr ganz so hell zu scheinen: "Sobald bekannt ist, dass Du in dieser Partei bist, da kannst du erleben, wie sich das Klima abkühlt, das sonst eigentlich freundlich um dich herum gewesen ist." Das klingt schwer nach Kantinenmobbing, Höchsstrafe für jeden Schwarzkittel. Wer sich einen näheren Eindruck über Richter Jens Meier verschaffen möchte, kann seinen Worten vor dem AfD-Kreisverband Dresden lauschen.

Donnerstag, 19. Januar 2017

Prozessbeobachter

Der Öffentlichkeitsgrundsatz im deutschen Prozessrecht hat ihren Ursprung in der Idee der Kontrolle der Gerichtsbarkeit durch das Volk, in dessen Namen durch die Gerichte Recht gesprochen wird. Das Gerichtsverfassungsgesetz bestimmt in § 169, dass die Verhandlung vor dem erkennenden Gericht einschließlich der Verkündung der Urteile und Beschlüsse grundsätzlich öffentlich ist. Dies bedeutet, das eine unbestimmte Zahl von Zuhörern ohne Rücksicht auf Herkunft oder persönliche Einstellung die Möglichkeit des Zutritts zum Gerichtsaal haben muss. Der Ausschluss der Öffentlichkeit ohne rechtfertigenden Grund ist im Strafverfahren (§ 338 Nr. 6 StPO), im Zivilverfahren (§ 547 Nr. 5 ZPO) und im Verwaltungsgerichtsverfahren (§ 138 Nr. 5 VwGO) ein absoluter Revisionsgrund.

Trotzdem ist ein Andrang in den mündlichen Verhandlungen der Gerichte der Republik nur dann vorhanden, wenn es ein besonderer Prozess ist, der das Interesse der Medien auf sich zieht. Für manche Richter ist die Anwesenheit von Zuschauern im Gerichtssaal so ungewohnt, dass schon mal nachgefragt wird "und wer sind Sie?" Seit einigen Jahren haben sich bundesweit wackere Bürger die Kontrolle der Gerichte auf die Fahne geschrieben und besuchen regelmäßig Gerichtsverfahren. Deutschlands bekanntester Prozessbeobachter Rolf Schälike präsentiert seine persönliche Gerichtsberichterstattung auf der Seite "buskeismus.de", um die Rechtsprechung gegen die Meinungsfreiheit und massive Einschränkung des Äusserungsrechts zu dokumentieren.

Dass sich manche Richter angesichts gut informierter Prozessbeobachter nicht besonders wohl fühlen, musste ein anderer Öffentlichkeitsvertreter bereits im Jahre 2002 erfahren, als er den Gerichtssaal (wiederholt) mit einem T-shirt und der Aufschrifft „Beamtendumm-Förderverein (BdF), Prozessbeobachter, Justiz-Opfer-Bürgerinitiative“ betrat. Zur Beurteilung des Zwischenfalls muss man wissen, dass Berufsrichter aufgrund der richterlichen Unabhängigkeit keine Beamten sind, sondern nach Art.98 Grundgesetz in einem besonderen Dienstverhältnis zum Staat stehen und die Rechte und Pflichten der Richter im Deutschen Richtergesetz geregelt sind.

Im Ergebnis wurde der Auftritt des mutigen Prozessbeobachters wegen des Aufdrucks auch vom Oberlandesgericht Hamm als Ungebühr im Sinn von § 178 GVG gewertet, weil hinreichend deutlich geworden sei, dass sich der Text auf dem T-shirt nicht nur auf Beamte, sondern auch auf Richter beziehe. Dies sei durch den Hinweis auf die Tätigkeit als Prozessbeobachter hinreichend deutlich geworden, denn durch die Wortwahl „Beamtendumm-Förderverein“ und die gleichzeitige Mitteilung, Prozessbeobachter zu sein, könne der Text auf dem T-shirt nur dahingehend ausgelegt werden, dass Richter als „dumm“ im Sinne von unwissend, einfältig, unverständig und unvernünftig anzusehen seien, von ihnen also ein willkürliches und nicht nachvollziehbares Verhalten zu erwarten sei, das einer Kontrolle durch einen „Prozessbeobachter“ bedürfe.

Zugegeben, wer als Richter an einem Oberlandesgericht noch nicht gelernt hat, gewünschte Ergebnisse halbwegs geschickt in eine juristische Begründung zu kleiden, hat die staatstragenden Vorzüge der richterlichen Unabhängigkeit nicht recht verstanden. Im Fall des bedauernswerten Prozessbeobachters liegt der Schlüssel zum Ergebnis der Ungebühr in der Redewendung "kann nur dahin ausgelegt werden", was soviel bedeutet wie "Es gibt keine andere Möglichkeit, als dass auch nichtbeamtete Richter von der  Formulierung Beamtendumm erfasst sein sollen". Jeder Laie würde das genau anders sehen. Wenn Richter keine Beamte sind, sollen sie mit "Beamtendumm" auch nicht gemeint sein. Schließlich gibt es mehr Justiz-Opfer im täglichen Umgang mit Beamten bei Behörden als in Prozessen und weil der Öffentlichkeitsgrundsatz ein prägendes Element der deutschen Gerichtsbarkeit ist, kann die Mitteilung Prozessbeobachter zu sein auch nicht als konkreter Vorwurf gegenüber bestimmten Richtern eingeordnet werden.

Nicht immer sind falsche Entscheidungen von Gerichten so einfach zu entlarven wie die des OLG Hamm im vorliegenden Fall und den meisten Fehlentscheidungen mit Strafcharakter folgen härtere Konsequenzen als lediglich vier Tage Ordnungshaft. Die Idee, sich die Arbeit der Richter im Namen des Volkes als Prozessbeobachter öfter anzusehen, hat insofern seine Berechtigung erfahren und sollte daher als richtiger Schritt im Sinne der Schaffung von mehr Transparenz in Gerichtsprozessen verstanden werden und nicht als feindlicher Akt unerwünschter Störenfriede, die es mit Macht aus dem Gerichtsaal zu verbannen gilt.

Dienstag, 17. Januar 2017

SCHÜLERZEITUNG

Dass die juristische Berichterstattung des SPIEGEL mit Vorsicht zu genießen ist, habe ich schon mehrfach festgestellt. Heute hat die Laienspielschar des SPIEGEL allerdings den Bundesadler abgeschossen, als auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Januar 2017, Az.: 2 BvB 1/13, die Eilmeldung "Bundesverfassungsgericht verbietet NPD" verbreitet wurde, obwohl das Bundesverfassungsgericht den Verbotsantrag tatsächlich abgelehnt hat, weil es an konkreten Anhaltspunkten von Gewicht fehlt, die eine Durchsetzung der von der NPD verfolgten verfassungsfeindlichen Ziele möglich erscheinen lassen.

Wie wenig vertraut die Redakteure Deutschlands größter Schülerzeitung mit juristischen Prozessen sind, lässt sich folgender Erklärung der Redaktion entnehmen:
  
"Als der Vorsitzende des Zweiten Senats, Andreas Voßkuhle, zu reden begann, zitierte er zunächst den Antrag auf das NPD-Verbot. Der Antrag wurde von uns versehentlich mit dem - tatsächlich anderslautenden - Urteil verwechselt."

Vielleicht gönnt sich der SPIEGEL ja auf diese Blamage hin endlich mal einen schreibenden Volljuristen für die Gerichtsberichterstattung.

Montag, 16. Januar 2017

Die Turboquerulantin im freien Fall

Als treue Begleiterin meines beruflichen Wirkens habe ich die Turboquerulantin schätzen gelernt und bei aller Routine angesichts der Masse an gewonnenen Verfahren gibt es wenigstens ab und an ein kleines Schmankerl, das es Wert ist, der Gemeinde zu berichten. Dass gegen eine einstweilige Verfügung ein Widerspruch gem. § 924 ZPO eingelegt werden kann, mit der Folge, dass dann in einer mündlichen Verhandlung über die Rechtmäßigkeit der einstweiligen Verfügung durch Endurteil entschieden werden muss, gehört schon fast zur Allgemeinbildung der Leser juristischer Blogs.

Ein nicht ganz so geläufiger Rechtsbehelf gegen eine erlassene einstweilige Verfügung ist dagegen der Antrag auf Anordnung der Klageerhebung gem. § 926 ZPO. Der Antragsgegner kann den Antragsteller mit diesem Antrag vor die Alternative stellen, entweder eine endgültige Entscheidung im Hauptsacheverfahren herbeizuführen oder mangels Klageerhebung die Aufhebung der einstweiligen Verfügung hinzunehmen. Der Antragsgegner zwingt den Antragsteller also faktisch, die Hauptsache – das Klageverfahren – einzuleiten.

Genau diesen listigen Schachzug hat der Bevollmächtigte der Turboquerulantin nach Erhebung des Widerspruchs, zahlreichen Terminsverlegungsanträgen und anschließender Rücknahme des Widerspruchs gewählt. Mit dem Antrag auf Anordnung der Erhebung der Klage in der Hauptsache waren wir gezwungen zu reagieren, um der Aufhebung der von uns erwirkten einstweiligen Verfügung zu entgehen. Natürlich haben wir uns der Aufgabe gestellt, die Rechtsfragen des Prozesses im Hauptsacheverfahren zu klären und fristgerecht Klage eingereicht.

Der Kollege an der Seite der Turboquerulantin war von ihr via Facebook als Top-Anwalt angekündigt worden und wir waren auf einen harten Schlagabtausch gefasst. Umso enttäuschter sind wir nun, dass nach Erlass eines ersten Versäumnisurteils auch im zweiten Verhandlungstermin niemand erschienen ist und die taktische Variante der Turboquerulantin durch ein schmuckloses zweites Versäumnisurteil endete. Dieser Sack ist jetzt endgültig zu und wir erwarten nun in den noch offenen Verfahren das versprochene juristische Duell auf hohem Niveau.

Donnerstag, 12. Januar 2017

Der hinterhältige Amtsrichter

Vor einem heimeligen deutschen Amtsgericht hatten wir, nichts Böses ahnend, die Gewährung von Prozesskostenhilfe beantragt und wie üblich darum gebeten, erst nach Gewährung von Prozesskostenhilfe über den Klageantrag zu entscheiden. Ein umtriebiger Amtsrichter lud dennoch flugs zum frühen ersten Termin, setzte dem Gegner eine Frist zur Erwiderung auf die Klageschrift und teilte anschließend auf unsere Bitte, im Hinblick auf den anberaumten Verhandlungstermin vorher über den PKH-Antrag zu entscheiden, mit, dass der frühe erste Termin und der Prozesskostenhilfe-Prüftermin am gleichen Tag durchgeführt würden.

Trotzdem der antragstellenden Partei im Falle der Abweisung des PKH-Antrags ausreichende Überlegungszeit zur Verfügung stehen muss, innerhalb derer sie sich über den Fortgang des Verfahrens schlüssig werden und ggfls. Beschwerde einlegen kann, sollten beide Termine gleichzeitig stattfinden. Dass für den Fall, dass Prozesskostenhilfe bis zum Verhandlungstermin nicht gewährt würde, sich die Prozessvertreter außerstande sahen, im auswärtigen Termin aufzutreten und einem Antrag auf Säumnisentscheidung für diesen Fall nach einhelliger Rechtsauffassung auch nicht stattgegeben werden dürfte, interessierte den Amtsrichter nicht.

Daher erschien der Antragsteller alleine zum Prozesskostenhilfe-Prüftermin. Dass dieser nach abgelehnter Prozesskostenhilfe keinen weiteren Antrag stellte, um sich nach deren Ablehnung über den Fortgang des Verfahrens beraten lassen zu können, versteht sich von selbst. Der schneidige Amtsrichter nutzte auch diese Gelegenheit und erließ ohne zu zögern nicht nur ein Versäumnisurteil gegen den Prozesskostenhilfe-Antragsteller, der noch gar keine Klage erhoben hatte, sondern behielt auch noch den vom "Kläger wider Willens" vorgelegten Personalausweis ein. Die Gültigkeitsdauer war abgelaufen. Am Ende war der Ausweis weg, die Prozesskostenhilfe nicht gewährt und eine noch gar nicht erhobene Klage schon durch Versäumnisurteil abgewiesen. Wie hinterhältig, Herr Amtsrichter.

Dienstag, 10. Januar 2017

OPFER

Zu dem nicht anwaltlich vertretenen Schaumschläger hat sich im letzten Jahr das nicht anwaltlich vertretene Opfer gesellt. Wie der besagte Schaumschläger ist auch das nicht anwaltlich vertretene Opfer chronisch knapp bei Kasse und glaubt ebenso in der Rolle des Rechtsbrechers fest daran, von der Justiz ungerecht behandelt zu werden. Das gegen null tendierende prozessuale Wissen wurde vom vermeintlichen Opfer im vorliegenden Fall wenigstens dazu genutzt, den im Verfahren beteiligten Juristen ein mildes Lächeln abzuringen.

Aufgeschnappte Brocken der in § 397a StPO normierten Bestellung eines Beistands für den Fall der Nebenklage des Opfers einer Nachstellung, wenn diese bei ihm zu schweren körperlichen oder seelischen Schäden geführt hat, werden vom Beklagten im zivilrechtlichen Verfahren in tragikomischer Weise zu einer Collage verarbeitet, die selbst mir als Klägervertreter eine Nuance nicht gekannten Mitleids aufkeimen läßt:        

Sehr geehrte Damen, sehr geehrte Herren, hiermit lege ich Beschwerde ein, da ich OPFER bin und als OPFER nichts bezahlen muss! Ausserdem habe ich den xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx als Richter für befangen erklärt und lehne ihn auch weiterhin hiermit weiterhin ab! Da er nicht neutral und unbefangen ist da er für die Gegenseite unberechtigter Weise schon im Vorfeld PKH bewilligt hat. Weiter ergeht hiermit dass mir als OPFER nicht mal meinen RA xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx zur Seite gestellt wird und meine PKH abgelehnt werden! Mir als OPFER steht das aber zu! Somit werden erneut meine ganzen Rechte hiermit weiterhin verletzt! Sie haben meinen RA xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx beizuordnen was mir als OPFER zusteht! Zeugen: Opferstelle xxxxxxxxxxx! Fachärzte aus der Psychiatrie xxxxxxxxx! Es ist auch zu unterlassen. dass man mir weiterhin gesundheitlichen Schaden durch Retraumatisierungen etc. zufügt! Hiermit erwarten wir (RA xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx und ich) dass jetzt mal richtig von der Justiz gearbeitet wird und meine PHK-Kosten als OPFER, die mir zustehen bewilligt werden! Es wird um unverzügliche, schriftliche Rückantwort nach Eingang erwartet! Kosten werden von mir als OPFER nicht bezahlt!

Dass dem Beklagten weder Prozesskostenhilfe bewilligt und er antragsgemäß verurteilt wurde, ist nur eine Randnotiz des Verfahrens.

Montag, 9. Januar 2017

Der wehrhafte Gottesmann

Dass die Freiheit des Glaubens in Deutschland mittlerweile auch für Christen ein hart umkämpftes Rechtsgut sein kann, wird angesichts der allgegenwärtigen Islamdebatte derzeit etwas in den Hintergrund gedrängt. Umso erfreulicher ist ein klares Signal des Landgerichts Hagen in Form eines Urteils zu Gunsten eines Geistlichen christlichen Glaubens, der sich gegen bösgemeinte Attacken eine lokalen Zeitung zur Wehr setzen musste.

Der ehrenamtlicher Priester der Freie Katholische Gemeinde Deutschland e.V. aus Duisburg hatte sich mit der untragbaren Auffassung von Religionsfreiheit einer kleinen niedersächsischen Zeitung auseinanderzusetzen, die ihm schlichtweg das Recht absprach, Messen halten zu können, freie Hochzeiten und Taufen zu feiern oder als Geistlicher bei Beerdigungen sprechen zu dürfen. Die kleinstädtische Postille hatte sich blindlings auf die falschen Äußerungen eines Geistlichen der Christus-Gemeinde Wunstorf e.V. verlassen und daraus ein eigenes Statement gebastelt, das jeder tatsächlichen und rechtlichen Grundlage entbehrte.

Ob der Herausgeber und Geschäftsführer des Zeitungsverlags die Tragweite der verfassungsmäßig gewährten Religionsfreiheit trotz aufklärender Abmahnung verkannt hat, wonach die Glaubensfreiheit nicht nur den Mitgliedern anerkannter Kirchen und Religionsgemeinschaften, sondern auch den Angehörigen anderer religiöser Vereinigungen zusteht, konnte vor dem Landgericht Hagen nicht abschließend geklärt werden. Denn auch der Rechtsanwalt des Herausgebers zeigte sich gegenüber den Ausführungen des geduldigen Vorsitzenden der 2. Kammer des Landgerichts Hagen arg verschlossen und mochte der Erläuterung der Auswirkungen des für den Staat verbindlichen Gebots weltanschaulich-religiöser Neutralität nicht so recht lauschen.

Damit blieb der Zivilkammer des Landgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 03.08.2016 nichts anderes übrig, als außer den Auswirkungen des Artikels 4 unseres Grundgesetzes in einem auch für juristische Laien verständlich gehaltenen Urteil zusätzlich aufzuschreiben, worin die Geheimnisse des besonderen Gerichtsstands der unerlaubten Handlung liegen. Auch Ausführungen zur Anonymisierung und Auslegung von Zeitungsartikeln blieben dem Gericht nicht erspart, da der gegnerische Kollege und der von ihm vertretene Zeitungschef sich ganz und gar nicht mit einer gütlichen Einigung arrangieren konnten. Vergelt's Gott.