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Freitag, 13. September 2019

beA-Warnung: Aufgrund der aktuellen Uhrzeit kann die Übertragung vor 24:00 Uhr womöglich nicht abgeschlossen werden.

Mit Beschluss vom 20. August 2019 zum Az.: VIII ZB 19/18 hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass ein Rechtsanwalt nicht ohne Weiteres schon um 20:00 Uhr vor Ablauf einer um 24:00 Uhr endenden Frist mit weiteren Übermittlungsversuchen für einen fristgebundenen Schriftsatz per Fax an ein Gericht aufhören darf, weil der Anwalt in Betracht ziehen muss, dass das bisherige Scheitern auf einer erhöhten Beanspruchung des Faxanschlusses des Gerichts während der üblichen Bürozeiten beruht habe.

Weil das anwaltliche Faxgerät von 15:43 Uhr bis 19:22 Uhr bei mehr als 54 Übermittlungsversuchen die Rückmeldung "besetzt" angezeigt hatte, gab der Kollege schließlich entnervt auf. Zu früh, wie der Bundesgerichtshof meint. Für den dadurch verspäteten Fristverlängerungsantrag wurde deshalb auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt und die Frist galt als versäumt.

Die diesem Beschluss zu Grunde liegende Konstellation ist zwar nicht direkt mit der Problematik vergleichbar, mit welcher ich mich kurz vor einem Fristablauf durch das besondere elektronische Anwaltspostfach konfrontiert sah, aber dennoch stand kurzfristig die Frage einer drohenden Fristversäumnis im Raum. Denn um 23:55 Uhr übermittelte mir mein elektronisches Anwaltspostfach beim E-Mail-Versand die Warnung: "Aufgrund der aktuellen Uhrzeit kann die Übertragung vor 24:00 Uhr womöglich nicht abgeschlossen werden."

Kurz darauf kam allerdings die Bestätigung der erfolgreichen und fristgemäßen Versendung, was aber nicht immer garantiert werden kann, denn auch technische Probleme wie Fehler beim Hochladen sind bei Verwendung des beA nicht ausgeschlossen, wie folgende Mitteilung zeigt und dann wird man sich als Rechtsanwalt möglicherweise ein nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes und kausales Verschulden bei der Versäumung einer Frist vorwerfen lassen müssen.

Sonntag, 8. September 2019

Frauenknast Vechta

Als ich vor Kurzem das Amtsgericht Vechta kennen lernen durfte, bin ich vorher an der Justizvollzugsanstalt für Frauen vorbeigefahren, die unmittelbar neben dem Amtsgericht liegt. Nach der mündlichen Verhandlung im Amtsgericht bin ich dann noch einmal um die Justizvollzugsanstalt herum gegangen, um mir das Gebäude wenigstens von außen anzusehen. Weil ich wohl etwas zu nah an den Eingang herangetreten bin, sprang mir ein freundlicher Justizbeamter entgegen und wollte wissen, ob er mir helfen könne. Als ich ihm sagte, dass ich Anwalt sei und eine Mandantin habe, die kürzlich eine Ladung zum Haftantritt für die JVA Vechta bekommen hatte, hellte sich seine Miene etwas auf und er fragte mich, ob sie das Merkblatt zum Strafantritt bekommen hätte. Ich sagte vorsichtshalber "nein" und 60 Sekunden später hatte ich das Merkblatt in der Hand.

Der Wachtmeister gab mir noch den freundlichen Hinweis, dass Zigaretten auch von Nichtrauchern mitgenommen werden sollten, weil Tabak im Knast eine gängige Währung sei. Das Merkblatt zählte folgende Mitbringsel als erlaubt auf: 5 x Oberbekleidung (z. B. 2 Röcke, 3 Hosen, 5 Pullover), 1 Oberjacke, 2 Blusen, 4 Paar Schuhe ohne Stahlkappe (1 Paar Schuhe, 1 Paar Turnschuhe, 1 Paar Badelatschen,1 Paar Hausschuhe), 3 Handtücher, 2 Badehandtücher, 2 Geschirrtücher, 3 Waschlappen 2 Jogginganzüge, 1 Bademantel, 2 Nachthemden oder Schlafanzüge, div. Unterwäsche und Socken, 10 T-Shirts, 2 Strickjacken, 1 Kulturtasche ungefüttert, nicht mehr als 5 Schmuckstücke einschließlich Armbanduhr, 1 Kaffeemaschine mit Glaskanne (ohne Thermoskanne), 1 CD-Player oder Radio, 1 Fön bis 1200 Watt, 2 x Bettwäsche komplett und Genussmittel wie Kaffee, Tee, Zigaretten und Tabak im Gesamtwert von bis zu EUR 40,-.

Fast hätte ich noch nachgefragt, warum Schachspiel oder Skatkarten nicht erlaubt seien, aber da hätte ich ohnehin den Falschen gefragt. Wenn man davon ausgeht, dass sich weibliche Kriminalität häufig auf gewalttätige Väter und Partner zurückführen lässt, die ihre Familien schlecht versorgt und Frauen und Töchter oftmals sexuell missbraucht haben, mag der Drang zu männlich dominierten Gesellschaftsspielen im Frauenknast ohnehin nicht sehr ausgeprägt sein. Von Kollegen hatte ich außerdem gehört, dass die meisten Insassinnen mit Drogenproblemen zu kämpfen hätten und gar nicht in der Lage seien, sich auf irgendetwas zu konzentrieren. Meine Mandantin hatte das Merkblatt auch schon bekommen, Skat- oder Schachspielen kann sie gar nicht. Da bleibt dann wohl nur noch Fernsehen oder Radiohören. Auf 8 Quadratmetern. Für mich wäre das nichts.

Freitag, 9. August 2019

"Ich muss zugeben, Sie sind sehr pervers"

Wie schön, wenn man als rechtschaffener und anständiger Anwalt ein reines Gewissen hat und weder Porno-Webseiten besucht, noch vor seinem Laptop masturbiert. Dann kann einen folgender Versuch einer Erpressung via E-Mail nicht aus der Fassung bringen:

"Ich schreibe Ihnen, weil Ich ʍalwаre auf die Ƿorno-Website
gesetzt habe, die Sie besucht haben.

Mein Vίrus hat all Ihre persönlichen Daten gesammelt,
und hat Ihre Kаmerа während Ihrer ʍasturbation eingeschaltet.

Ich muss zugeben, Sie sind sehr pervers.....

Zudem hat die Software Ihre Kontakte kopiert.
Ich werde das Videо löschen, wenn Sie mir 2.000 EUR in Bitcoin zahlen.
2.000 EUR = 0.1932835 BTC

Dies ist Adresse für die Zahlung :

3NeWuR1YTCWeGL3bkJqA1FufhXR85XGF1c

Wenn Sie die Zahlung nicht innerhalb von 48 Ştunden abschicken,
werde ich dieses VΙdeo an alle Ihre Freunde und Bekannten schicken.
Ich weiß, wo Sie wohnen.

Ich gebe Ihnen 48 Ştunden für die Zahlung.

Es ist nicht notwendig, mir zu sagen,
dass Sie mir das Geld geschickt haben.

Diese Adresse ist mit Ihnen verknüpft, mein System wird alle Daten
nach der Übertragung automatisch löschen.

***********************************************
Senden Sie sofort 2.000 EUR (0.1932835 BTC) an diese Adresse:

0.1932835 BTC
an diese Adresse:

3NeWuR1YTCWeGL3bkJqA1FufhXR85XGF1c
(Kopieren Sie es und fügen Sie es ein)
***********************************************

1 BTC = 10.420 EUR also senden Sie 0.1932835 BTC
an die oben genannte Adresse..

Wenn Sie nicht wissen, wie man Bitcoin sendet, googeln Sie es.

Sie können die Polizei einschalten, aber niemand wird Ihnen helfen können.
Wenn Sie versuchen, mich zu verarschen, werde ich das bemerken!

Ich lebe nicht in deinem Land. Also wird man mich auch
nach 9 Monaten nicht finden können.
Bis bald. Denken Sie an die Schande und dass Sie ruiniert werden können.

Anonymer Hɑcker"

Sonntag, 28. Juli 2019

Mal wieder die Robe

"Ich habe Sie gar nicht erkannt", sagte der Amtsrichter zu Beginn der mündlichen Verhandlung. Ich hätte ja keine Robe an. Es ging wohl weniger ums Erkennen, sondern um den Mangel des Auftretens ohne Robe vor Gericht. Derartiges ist mir schon so lange nicht mehr passiert, dass ich nicht umgehend mit dem genauen Paragraphen glänzen konnte, der da regelt, dass das Tragen der Robe in Zivilsachen vor dem Amtsgericht keine Pflicht ist.

Nach Meinung des Amtsrichters könne nur er selbst mich vom Tragen der Robe befreien. Die Diskussion wurde nicht vertieft, die Verhandlung ging ohne Aufregung weiter und endete mit dem gewünschten Ergebnis. Ich habe natürlich im Büro gleich nachgesehen und § 20 der Berufsordnung für Rechtsanwälte wiedergefunden: "Der Rechtsanwalt trägt vor Gericht als Berufstracht die Robe, soweit das üblich ist. Eine Berufspflicht zum Erscheinen in Robe besteht beim Amtsgericht in Zivilsachen nicht." Die Bedeutung dieser Vorschrift scheint vielen Amtsrichtern nicht präsent und ist durch den Verweis auf die Üblichkeit auch nicht ganz eindeutig.

Noch im Jahre 2014 verweigerte das Amtsgericht Augsburg daher die Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit einem Anwalt ohne Robe und sah sich durch das Landgericht Augsburg bestätigt, weil das Tragen der Robe jedenfalls vor dem Amtsgericht Augsburg lang anhaltendes Gewohnheitsrecht sei. Erst das Oberlandesgericht München kam zu dem Schluss, dass Anwälte in Zivilsachen vor dem Amtsgericht keine Robe tragen müssen, weil das Gewohnheitsrecht durch die vom Gesetzgeber an die Berufsvertretung der Rechtsanwälte übertragene Möglichkeit zur Regelung eigener Belange, die unter anderem durch die Regelung des § 20 BORA erfolgt ist, überholt sei. Jedenfalls in Zivilprozessen vor einem Amtsgericht kann die Robe deshalb im Büro hängen bleiben.

Freitag, 3. Mai 2019

Prozessbetrug, strafbare Beihilfe oder nur berufstypisches Verhalten

Die kompromisslose Unterstützung der Mandanten ist für den Rechtsanwalt einerseits berufliche Pflicht, denn ein Anwalt hat die Ansprüche seines Mandanten in jeder Phase des Mandats zu sichern. Andererseits dürfen prozessuale Pflichten der Partei eines Rechtsstreits, wonach deren Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben sind, nicht dadurch umgangen werden, dass der Anwalt  - und nicht der Mandant - dem Gericht falsche Tatsachen mitteilt. Entscheidend für eine Strafbarkeit des Prozessbevollmächtigten ist daher, ob der Rechtsanwalt über die Wahrheit informiert ist oder nicht. Fraglich ist möglicherweise auch, ob der Anwalt die Wahrheit erkennen musste, wenn sie ihm nicht positiv mitgeteilt wurde. Ein Rechtsanwalt kann sich daher, wenn er die subjektiven Voraussetzungen seines Mandanten nicht erfüllt, immer noch der strafbaren Beihilfe schuldig machen. Strafbare Beihilfe ist die vorsätzliche Hilfeleistung zu einer vorsätzlich begangenen Straftat eines anderen. Als Hilfeleistung im Sinne des § 27 StGB ist dabei grundsätzlich jede Handlung anzusehen, welche die Herbeiführung des Taterfolges des Haupttäters objektiv fördert, ohne dass sie für den Erfolg selbst ursächlich sein muss. Gehilfenvorsatz wird angenommen, wenn der Gehilfe die Haupttat in ihren wesentlichen Merkmalen kennt und in dem Bewusstsein handelt, durch sein Verhalten das Vorhaben des Haupttäters zu fördern. Einzelheiten der Haupttat muss er nicht zu kennen. Es reicht, dass die Hilfe an sich geeignet ist, die fremde Haupttat zu fördern oder zu erleichtern, und der Rechtsanwalt dies weiß.

Die Mitwirkungshandlung eines Rechtsanwalts in einem Zivilprozess, etwa durch Einreichung von Schriftsätzen oder Unterlagen, könnte daher schnell zu einer Beihilfestrafbarkeit führen, wenn die eingereichten Dokumente im weitesten Sinne falsch sind und der Rechtsanwalt dies wusste oder aber erkennen musste. Allerdings korrigiert die Rechtsprechung eine ausufernde Beihilfestrafbarkeit von Anwälten durch die Frage nach der objektiven Zurechnung von Hilfeleistungen zur Tatbestandsverwirklichung des Haupttäters. Teilweise wird vertreten, dass eine Beihilfestrafbarkeit dann ausscheide, wenn es sich bei den Handlungen des Rechtsanwalts um "neutrales" oder "berufstypisches" Verhalten handele oder sich der Handelnde noch im Rahmen seiner "professionellen Adäquanz" bewege. Danach soll der Anwalt bereits objektiv keinen Straftatbestand erfüllen, der sich an die für seine Tätigkeit geltenden Normen und Regeln halte. Der strafrechtlich relevante Bereich werde erst dann erreicht, wenn die für Anwälte geltenden Regeln verletzt würden, um rechtswidrige Ziele zu erreichen. Solange sich für das Handeln des Rechtsanwalts nicht nur deliktische, sondern neutrale Gründe finden ließen, liege ein strafloses berufsübliches Verhalten des Rechtsanwalts vor.

Eine andere Ansicht lehnt zwar das Abstellen auf "professionelle Adäquanz" ab, weil es zu einer Privilegierung der Rechtsanwälte oder Steuerberater führe, nimmt aber dennoch bei "berufstypischen" Handlungen nur dann eine Strafbarkeit an, wenn der Anwalt seine Berufsausübung den deliktischen Plänen des Mandanten anpasse. Dies soll insbesondere dann der Fall sein, wenn er seine beruflichen Handlungen im Hinblick auf die Straftat eines Mandanten modifiziere, z. B. durch Bereitstellung einer Infrastruktur, die ohne deliktischen Sinnbezug nicht mehr erklärt werden könne. Ein sozialtypisches Verhalten solle dann nicht mehr vorliegen, wenn der deliktische Wille des Mandanten offensichtlich sei. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt die Ansicht, die eine Strafbarkeit von Rechtsanwälten nur bei Vorliegen einer "besonderen Sachlage" annimmt. Davon abweichend geht eine weitere Ansicht davon aus, dass die Handlung eines Rechtsanwalts nur dann tatbestandsmässig eine strafrechtlich relevante Beihilfehandlung sein könne, wenn sie unmittelbar den tatbestandlichen Erfolg herbeiführe, weil der Anwalt keine Garantenstellung für die Einhaltung der rechtlichen Verpflichtungen des Mandanten habe.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind für die Beihilfestrafbarkeit bei berufstypischen „neutralen“ Handlungen schließlich die folgenden Grundsätze maßgeblich: Ist das Handeln eines Mandanten ausschließlich darauf ausgerichtet, eine strafbare Handlung zu begehen, und weiß dies der Rechtsanwalt, so ist sein Tatbeitrag als Beihilfehandlung zu werten. In diesem Fall verliert sein Handeln stets den beruflichen Alltagscharakter, ist als „Solidarisierung“ mit dem Mandanten zu werten und dann auch nicht mehr als sozialadäquat einzuordnen. Weiß der Anwalt dagegen nicht, wie sich von ihm eingereichte Schriftsätze oder Urkunden im Zivilprozess auswirken werden und zu welchem verborgenen Zweck sie der Mandant eingereicht sehen möchte und hält er es lediglich für denkbar, dass sein Beitrag als Rechtsdienstleister zur Begehung einer Straftat genutzt wird, so ist das anwaltliche Handeln regelmäßig noch nicht als strafbare Beihilfehandlung zu beurteilen. Mit diesen Kriterien scheint der Bundesgerichtshof das strafrechtliche Risiko von Anwälten im Berufsalltag ausreichend minimiert zu haben und es ist zu hoffen, dass auch die Staatsanwaltschaften die Kriterien des Bundesgerichtshofs verinnerlichen.

Donnerstag, 2. Mai 2019

Hannovers Oberbürgermeister vor Gericht II

In meiner Studienzeit war der Begriff "Sozpäd" unter Juristen fast so etwas wie ein Schimpfwort. Sozialpädagogen wurden für ihr Studium belächelt. Es war wohl nicht hart genug. Immerhin konnte Stefan Schostok als Sozialpädagoge Oberbürgermeister von Hannover werden, denn er hatte sich bei der Stichwahl um das Amt des hannoverschen Verwaltungsoberhaupts am 6. Oktober 2013 mit 66,3 % der abgegebenen Stimmen gegen den in Hannover durchaus bekannten Anwalt Matthias Waldraff durchgesetzt und damit einen Juristen abgehängt. "Sozpäd" 1 - "Jura" 0.

Nun ist Schostok vom Amt des Oberbürgermeisters zurückgetreten, weil ihm andere Juristen, nämlich die der Staatsanwaltschaft Hannover, Untreue in einem besonders schweren Fall wegen von ihm zu verantwortender überhöhter Mitarbeiterzahlungen vorwerfen. Er selbst glaubt, unschuldig zu sein, aber schon der Vorwurf allein wiegt zu schwer, als dass sich Schostok in Hannover an der Macht halten konnte. "Sozpäd" 1 - "Jura" 1.

Schostok macht auf unwissend. Im Studium hätten ihm die Juristen das sofort abgenommen. Heute nicht mehr, denn sein ehemaliger Personaldezernent ließ im Mai 2017 ein Rechtsgutachten anfertigen, nach welchem es "keine gesetzliche Grundlage" für die überhöhten Zahlungen gegeben hätte. Schostok hatte das zweiseitige Gutachten bei sich zu Hause mit dem Handy abfotografiert und dann per WhatsApp weitergeleitet. Er behauptet trotzdem, den Inhalt nicht gekannt zu haben, weil er ihn nur überflogen habe. Wer fotografiert schon unbekannte Mitteilungen ab, um sie an Mitarbeiter weiterzuschicken? "Sozpäd" 1 - "Jura" 2.

In der jetzt von ihm beantragten Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand hätte Schostok allerdings sofort Anspruch auf ein lebenslanges Ruhegehalt von knapp EUR 4.000,- pro Monat, weil er länger als fünf Jahre das Amt des Oberbürgermeisters inne gehabt hat. "Sozpäd" 2 - "Jura" 2. Da bleibt für die Juristen noch die Strafverhandlung vor dem Landgericht Hannover und das beamtenrechtliche Disziplinarverfahren, um das Blatt noch zu wenden. Immerhin droht vor Gericht eine Bewährungsstrafe und anschließend die Kürzung oder gar Aberkennung des Ruhegehalts. Mein Tipp: Einsicht und Reue zeigen, Bewährungsstrafe akzeptieren, mit dem verbleibenden Ruhegehalt knapp 10 Jahre vor Erreichen des durchschnittlichen Rentenalters auf Weltreise gehen und die Partie damit doch noch als Sieger beenden.

Dienstag, 19. Februar 2019

Prozessbetrug

Als Anwalt steht man manchmal mit einem Bein im Knast, insbesondere dann, wenn die Arbeit als Rechtsanwalt zu falschen Ergebnissen führt. Ein Klassiker zahlreicher Ermittlungsverfahren gegen Rechtsanwälte ist in diesem Zusammenhang der Vorwurf des Prozessbetrugs. Wer als Anwalt wegen betrügerischer Einflussnahme auf ein Gerichtsverfahren ins Visier der Staatsanwaltschaft gerät, hat selbst als Rechtsanwalt allen Grund, sich nach einem erfahrenen Strafverteidiger umzusehen, denn neben einer strafrechtlicher Verurteilung wegen Betrugs steht dann auch die Rücknahme und der Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft nach § 14 der Bundesrechtsanwaltsordnung im Raum.

Die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft ist nämlich zwingend zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt infolge strafgerichtlicher Verurteilung die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter verloren hat. Bei einem Prozessbetruges geht es dabei um eine strafbare Täuschung in Anwesenheit eines oder mehrer Richter, die dazu führt, dass ein falsches Urteil oder ein falscher Beschluss ergeht und sich dadurch die Vermögenslage der Gegenpartei verschlechtert, um einen Vermögensvorteil zu erlangen. Die Täuschung eines Richters kann durch falschen Tatsachenvortrag oder die Vorlage gefälschter Urkunden erfolgen, wobei im letzteren Fall noch eine Urkundenfälschung verwirklicht sein dürfte. Da der Richter als getäuschte Person und der Prozessgegner als geschädigte Person nicht identisch sind, nennt man diese Form des Betrugs auch einen Dreiecksbetrug.

Bei der Verurteilung des Rechtsanwalts sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs allerdings folgenden Grundsätze zu beachten: Zielt das Handeln des Mandanten ausschließlich darauf ab, eine strafbare Handlung zu begehen und weiß dies der Rechtsanwalt, so ist sein Tatbeitrag als Beihilfehandlung zum Betrug zu werten. Sein Handeln wird als „Solidarisierung“ mit dem Täter gewertet und nicht mehr als sozialadäquates Verhalten eines Anwalts. Weiß der Rechtsanwalt dagegen nicht, wie die von ihm erbrachte Dienstleistung vom Mandanten als Täter verwendet wird und hält er es lediglich für möglich, dass sein Tun zur Begehung einer Straftat genutzt wird, so ist sein Handeln regelmäßig noch nicht als strafbare Beihilfehandlung zu beurteilen.

Anders sieht es aus, wenn das vom Anwalt erkannte Risiko strafbaren Verhaltens seines Mandanten derart hoch war, dass er sich mit seiner Hilfeleistung die Förderung eines erkennbar tatgeneigten Täters vorwerfen lassen muss. Insbesondere bei der Vorlage ausländischer Urkunden vor Gericht kann von einem Rechtsanwalt jedoch nicht verlangt werden, dass er die Hintergründe der Abfassung einer Urkunde erforscht und sich von einen Sachverständigen versichern lässt, dass die Urkunde allen Anforderungen an eine verkörperte Gedankenerklärung genügt, die allgemein oder für Eingeweihte verstehbar ist, einen Aussteller erkennen lässt und zum Beweis von rechtserheblichen Tatsachen geeignet und bestimmt ist.

Montag, 19. November 2018

Die in Verlust geratene Strafakte

Das Gericht schreibt:

"Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt,
In der Strafsache
gegen xxxxxxxxxxxxx 
wird angefragt, ob sich dort evtl. noch Kopien aus dem Verfahren befinden.
Die Akte ist hier in Verlust geraten und es muss eine Ersatzakte angelegt werden."

Eine rechtskräftige Verurteilung gibt es noch nicht und der Mandant hätte es sicherlich gerne, wenn die Akte für alle Zeiten "in Verlust geraten" bleibt. Tatsächlich liegt die Strafakte hier als Kopie vollständig vor. Gegen den Willen des Mandanten darf die Akte nicht herausgegeben werden, so dass ein klares "Nein" als eindeutige Lüge sicherlich der einfachste Weg wäre. Aber eine Lüge scheidet - selbstverständlich - aus. Denn § 43a Absatz 3 der Bundesrechtsanwaltsordnung bestimmt: "Der Rechtsanwalt darf sich bei seiner Berufsausübung nicht unsachlich verhalten. Unsachlich ist insbesondere ein Verhalten, bei dem es sich um die bewusste Verbreitung von Unwahrheiten oder solche herabsetzenden Äußerungen handelt, zu denen andere Beteiligte oder der Verfahrensverlauf keinen Anlass gegeben haben."

Dennoch muss man sich natürlich darüber Gedanken machen, ob die Mitteilung der Wahrheit nicht die Interessen des Mandanten gefährden könnte. Denkbar wäre nämlich eine Beschlagnahme der Akten in unserer Kanzlei. Dass dies zur Herstellung einer Ersatzakte zulässig ist, begegnet gewichtigen Bedenken. Denn richtet sich eine strafrechtliche Ermittlungsmaßnahme gegen einen Berufsgeheimnisträger in der räumlichen Sphäre seiner Berufsausübung, so bringt dies darüber hinaus regelmäßig die Gefahr mit sich, dass unter dem Schutz des Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG stehende Daten von Nichtbeschuldigten, etwa den Mandanten eines Rechtsanwalts, zur Kenntnis der Ermittlungsbehörden gelangen, die die Betroffenen in der Sphäre des Berufsgeheimnisträgers gerade sicher wähnen durften.

Dadurch werden nicht nur die Grundrechte der Mandanten berührt. Der Schutz der Vertrauensbeziehung zwischen Anwalt und Mandant liegt auch im Interesse der Allgemeinheit an einer wirksamen und geordneten Rechtspflege. Diese Belange verlangen eine besondere Beachtung bei der Prüfung der Angemessenheit der Zwangsmaßnahme. Die Durchsuchung bei einem Nichtbeschuldigten, der durch sein Verhalten auch aus Sicht der Ermittlungsbehörden in keiner Weise Anlass zu den Ermittlungsmaßnahmen gegeben hat, stellt erhöhte Anforderungen an die Prüfung der Verhältnismäßigkeit und die Rekonstruierung der Akten wegen eines Fehlers der Strafverfolgungsbehörden würde eine Beschlagnahme damit sicherlich als unangemessen erscheinen lassen.

Dem Gericht die Wahrheit mitzuteilen dürfte dem Mandanten daher nicht zum Nachteil gereichen. Eine besonders sichere Verwahrung dieser Akte sollte vorsichtshalber dennoch in Betracht gezogen werden.

Mittwoch, 24. Oktober 2018

Wir schaffen das

Mittlerweile habe ich mich an die anrüchige Atmosphäre der Willkür in Zivilprozessen vor den Amtsgerichten gewöhnt. Ich will nicht sagen, dass ich diese Atmosphäre mag, aber natürlich ist der ‚Film noir‘ immer interessanter als eine Folge "Wetten, dass..?". Eine der letzten düsteren Szenen möchte ich meinen Lesern nicht vorenthalten und schicke deshalb die Aufklärung über eine kleine Passage aus der Zivilprozessordnung (ZPO) voraus. § 121 ZPO bestimmt, dass wenn eine Vertretung im Prozess durch Anwälte nicht vorgeschrieben ist, der Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl beigeordnet wird, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist.

Nun saßen an einem kleinen Amtsgericht irgendwo in Deutschland ein sportlicher Amtsrichter der schutzbedürftigen Klägerin und ihrer nicht ganz so schutzbedürftigen Anwältin gegenüber und warteten auf den bösen Beklagten, dessen schamloses Treiben es zu stoppen galt. Beide Parteien hatten einen Antrag auf Prozesskostenhilfe gestellt und da der Beklagte nicht erschien, hätte dem Erlass eines schlanken Versäumnisurteils nur der Umstand im Wege gestanden, dass für den Beklagten die Bewilligung für Prozesskostenhilfe in Betracht gekommen wäre, wenn die Klägerin anwaltlich vertreten gewesen wäre. In diesem Fall hätte die Klage dann natürlich zunächst noch dem beizuordnenden Anwalt der Wahl des Klägers zugestellt und neu terminiert werden müssen.

Ich denke nicht, dass sich die im Termin anwesenden Volljuristen lange zuzwinkern mussten, um den Termin zur Zufriedenheit der Erschienen gestalten zu können. Klare Worte, großzügige Gesten oder was auch immer der Anlass war, dass die Rechtsanwältin der schutzbedürftigen Klägerin mit einem Sprung gekonnt auf die Zuschauerbänke hechtete um von dort aus völlig unbeteiligt und mit treuherzigem Augenaufschlag der Verhandlungsführung des wohlwollenden Amtsrichters zu lauschen, führten jedenfalls dazu, dass die Klägerin plötzlich nicht mehr durch ihre Rechtsanwältin vertreten war. Und siehe da, weil nun die Klägerin gar nicht anwaltlich vertreten war, musste dem bösen Beklagten auch kein Anwalt beigeordnet werden und das gewünschte Versäumnisurteil wurde erlassen.

Alter Indianertrick, denke ich. Scheißdreck, dachte sich der Beklagte als er das Terminsprotokoll las und stellte einen Antrag auf Protokollberichtigung, weil er mittlerweile erfahren hatte, dass die Kollegin im Termin mit der Klägerin zwar anwesend war, im Protokoll aber nicht erwähnt wurde. Die Antwort des fürsorglichen Amtsrichters lässt sich der obigen Grafik entnehmen und spricht für sich. Ich persönlich finde die vorgenommenen Unterstreichungen toll, mit denen augenscheinlich die gewitzte Taktik des pfiffigen Richters besonders hervorgehoben werden sollte. Selbstredend schloss sich dem erfolglosen Protokollberichtigungsantrag ein ebenso erfolgloser Befangenheitsantrag an, auf welchen sich der hilfreiche Amtsrichter wie folgt dienstlich äußerte: 

"Soweit der Beklagte seinen Antrag auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 10.04.2018 in der Sache 405 C 171/18 stützt, wird der Inhalt der mündlichen Verhandlung durch dieses Protokoll völlig zutreffend wiedergegeben. Der Klägerin wurde erläutert, wie der Verfahrensablauf (Trennung der Anträge) war, des Weiteren wurden erforderliche Hinweise zur Zuständigkeit erteilt und nach Hinweis der Klägerin, dass sie selbst auch einen Gewaltsschutzantrag gestellt habe, auf die fehlende Eilbedürftigkeit für dieses Verfahren hingewiesen und in diesem Zusammenhang ausführlich erläutert, aus welchem Grunde das Gericht keine Erfolgsaussicht für das Verfahren sieht. Sie wurde insbesondere darauf hingewiesen, dass aus Sicht des Gerichts die Eilbedürftigkeit fehlt, weil sie entsprechende Anträge auch bei unterstellter Richtigkeit ihres Vortrags viel früher stellen können. Andererseits wurde die Klägerin auch darauf hingewiesen, dass im Hauptsacheverfahren schlüssig vorgetragen wurde und ggf. nach Ablauf der Stellungnahmefristen zu Gunsten des Beklagten kurzfristig terminiert werden kann. Eine Rechtsberatung hat in keiner Weise stattgefunden."

Fehlt eigentlich nur noch der Zusatz "und die Rechtsanwältin der Klägerin hat während der ausführlichen Verhandlung vergeblich versucht, ihren zwischen zwei Zuschauerbänken eingeklemmten Fuß zu befreien, um doch noch neben der Klägerin Platz nehmen zu können. Deshalb hat auch eine anwaltliche Vertretung in keiner Weise stattgefunden."

Montag, 30. Juli 2018

Datenspass im Anwaltszimmer

Mit einem Kollegen habe ich mich kürzlich über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) und die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) unterhalten. Wir waren uns einig, dass Datenschutz eine wichtige Sache ist und insbesondere im anwaltlichen Berufsalltag eine hohe Bedeutung zum Schutz der Persönlichkeitsrechte der Mandanten hat.

Zu fortgeschrittener Stunde und nach einigen Weizenbieren hat mir der Kollege dann noch eine Geschichte* zum Datenschutz auf den Weg gegeben, welche das Bemühen um die Datensicherheit zur vertraulichen Kommunikation im Rechtsverkehr wie einen schlechten Witz erscheinen lässt. Die Geschichte handelte von einem Anwalt, der im Anwaltszimmer des Landgerichts regelmäßig und ungeniert ins Gerichtsfach einer vorwiegend im Familienrecht tätigen Kanzlei greift, um gerichtlichen Beschlüssen und Urteilen sowie Schriftsätzen die Namen, Adressen und andere Informationen von Personen zu entnehmen, die sich in Scheidungsverfahren befinden.

Dazu muss man wissen, dass sich die Gerichtsfächer der Rechtsanwälte im Anwaltszimmer des Landgerichts befinden und mit fortlaufenden Nummern und Namensschildern versehen sind. Jedes Gerichtsfach ist mit einer kleinen Klappe versehen, die es erlaubt, von außen zu sehen, ob sich Gerichtspost im Fach befindet. Die Klappen sind nicht verschlossen und jeder, der sich im Anwaltszimmer befindet, kann etwas einwerfen oder auch entnehmen. Diesen Umstand soll sich der Kollege zu nutze gemacht haben, um mit wenig Aufwand an Adressen zu gelangen, bei denen gezielte Werbung Erfolg verspricht. Ein Flyer "Kostenlose Erstberatung bei Scheidungsfällen" in jeden Briefkasten des Hauses eines Scheidungsopfers könnte selbst im Zeitalter von Google-Werbung erfolgversprechend sein.

Ich habe nicht näher nachgehakt, was der Kollege tatsächlich mit den Adressen gemacht hat, vielleicht hat er die Informationen ja auch nur zur Erstellung einer persönlichen Singlebörse verwendet. Ich weiß allerdings, dass prinzipiell jeder ins Anwaltszimmer latschen kann, um sich mit vertraulicher Post zu versorgen und ein Rechtsanwalt, der ein eigenes Fach hat, kann nahezu gefahrlos auf die Gerichtspost von Kollegen zugreifen. Wenn man an die Diskussion um die Sicherheit des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs oder die Umsetzung der Datenschutz-Grundverordnung denkt, ist der eher sorglose Umgang mit der Datensicherheit bei den Gerichtsfächern im Anwaltszimmer des Landgerichts ein bestenfalls schrulliges Überbleibsel aus vergangenen Tagen.

*Die Personen und die Handlung dieser Geschichte sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit tatsächlichen Begebenheiten oder lebenden oder verstorbenen Personen wären rein zufällig.

Donnerstag, 7. Juni 2018

Rolf Schälike - Interview mit einem Justizkritiker - Teil 3

Mö: Immerhin lässt sich Ihren Worten entnehmen, dass Sie sehr prozesserfahren vor Hamburger Gerichten sind und dass Ihre Erfahrungen wohl mit dem Umstand zu tun haben, dass der Genuss Ihrer persönlichen Meinungsfreiheit für Dritte vielfach unerträglich zu sein scheint. Weshalb ist es für Ihre Gegner so wichtig, Ihnen vor Gericht Grenzen setzen zu lassen? Hat Ihr Wort für Ihre Gegner eine immense Bedeutung? Reicht es andererseits nicht aus, Ihre persönlichen Meinungen über Dritte im privaten Bereich kund zu tun?

RS: Die Meinungsfreiheit hat einen hohen, falls nicht den höchsten Stellenwert für die Entwicklung der Menschheit. Insofern messe ich den Pressekammern - de facto Zensurkammern - entscheidende Bedeutung zu, der Hamburger eine besondere. Mir geht es nicht um den Genuss meiner persönlichen Meinungsfreiheit, sondern um mein Recht darauf. Ich genieße meine Berichte etc. nicht, wie Sie „genießen“ verstanden haben, ich gebe nur beobachtete Tatsachen wieder, inzwischen mit meinen Bewertungen. Mit meinem „genießen“ oben meinte ich den Genuss, in einem Land zu leben, in dem Meinungsfreiheit einen großen Wert hat. Dass das für Dritte unerträglich ist, ist das Problem der Dritten, denn die meisten von denen, denen meine Berichte etc. unerträglich sind, sind in ihrem eigenen Handeln wesentlich unerträglicher, nicht selten höchst kriminell, Lügner etc. gegenüber anderen. Die machen sich keine bzw. sehr wenig Gedanken darüber, dass andere leiden, oder habe sich herrliche Ausreden zurecht geschmiedet. Ich erhalte nicht wenige Mails und Anrufe und erfülle nicht selten die Wünsche nach Anonymisierung. Kommt auf den Einzelfall an, Betrüger und Kriminelle haben bei mir wenig Chancen. Anders bei Buske&Käfer. Welche persönlichen Meinungen über Dritte, die ich kundtue, meinen Sie? Die Meinungen über die Juristen in Robe? Die Öffentlichkeit hat das Recht zu erfahren, was tatsächlich in den Gerichtssälen passiert, welche Menschen dort das Sagen haben und wie diese entscheiden. Die deutsche Justiz erzeugt sehr viel Unheil, Unrecht. Verantwortlich dafür sind sehr konkrete Juristen in Robe.

Mö: Natürlich hat die Öffentlichkeit das Recht zu erfahren, was tatsächlich in den Gerichtssälen passiert, aber Sie haben nicht die Pflicht, die Öffentlichkeit zu unterrichten. Deutschland scheint glücklich zu sein mit "Wetten, dass…?" und "Dschungelcamp". Was treibt Sie persönlich an, für die Information der Öffentlichkeit eigenes Geld und Zeit zu investieren?

RS: Pflicht? Sind Sie verpflichtet Rechtsanwalt zu sein? War ich verpflichtet, Physik zu studieren und als Physiker zu arbeiteten? War ich verpflichtet, nach meinem SED-Rausschmiss (1966) und Berufsverbot als Dolmetscher und Übersetzer zu arbeiten? War ich verpflichtet, mit Robert Havemann und Wolf Biermann befreundet zu sein? War ich verpflichtet, in der DDR unerwünschte Bücher zu lesen und anderen zum Lesen zu geben? War ich verpflichtet, nach meiner Verhaftung im März 1985 und Verurteilung zu 7 Jahren Haft Berufung eizulegen, 38 Tage in Hungerstreik zu treten und das Oberste Gericht der DDR zu zwingen, das Terrorurteil aufzuheben? Was dann in der Bundesrepublik passierte, bis ich auf Buske traf, ist möglicherweise Ihre Frage. Dazu verkürzt: Ich wollte nach 1986 nicht mehr in der Politik öffentlich sein, habe 1989 eine Firma gegründet und bis 2003 recht erfolgreich gearbeitet, eine gute Wohnung als Eigentum erworben, abgezahlt, habe vier Kinder, welche gesund sind und im Leben stehen. 2003 wurde ich (unsere Firma) von meinem Partner (er war Mitgesellschafter) existenzbedrohend beschissen. Er – genauer seine Frau – musste mir später (2008) an die 100.000,- € zurückzahlen. So hatte das Landgericht Hamburg beschlossen. Das Geld erhielt ich umgehend von der Firma des Vaters dieser Frau, denn ich pfändete in dessen große Schmuckfirma in Pforzheim. In der Zwischenzeit hatte ich das Glück gehabt, Buske kennen zu lernen. Ich hatte vorab einen Anwalt vor mir gewarnt, er sollte wissen, mit wem er es zu tun hat. Der Anwalt (war damals auch HSV-Anwalt) heulte später vor Gericht. Buske hatte ich auch mitgeteilt, mit wem er es bei mir zu tun hat. Hat Buske offenbar nicht verstanden, wie Mauck zunächst auch nicht, später schon („Wir haben uns in Schälike geirrt, in seinem Anliegen“). Damit war Prof. Dr. Christian Schertz bei Mauck erledigt. Buske dachte offenbar, ich wäre ein kleines Arschloch, welches man verarschen kann. Ich erkannte die politische Brisanz des Zensurgeschehens in Deutschland mit dem damaligen Zentrum in Hamburg und habe beschlossen, wieder in der Politik mitzumischen, Wissenschaft zu betreiben, publizistisch tätig zu sein und mit Realsatire etwas zur Kunst beizutragen. Im Prinzip bin ich Buske für diese Möglichkeit dankbar. Buske ist nicht irgendwer. Buske und Käfer sowie die, die gegen mich klagen, tun mir eigentlich leid. Sie wissen nicht, was sie tun, sind sich sicher mit ihren kriminellen Ansprüchen, Gebaren, Handlungen.

Mö: Ich gehe mal davon aus, dass der Anwalt nicht wirklich geweint hat, ihm aber zum Heulen zumute war. Einen weinerlichen Anwalt zu haben oder mit ihm in einer traurigen Prozesslage zu stecken, dürfte keiner Partei gefallen. Was macht für Sie einen guten Anwalt aus, wann ist Ihrer Ansicht nach ein Rechtsanwalt schlecht?

RS: Es ist eine Einzelfallsache. Von Fall zu Fall anders. Wegen der Anwaltspflicht ist es schwer zu erkennen (zu formulieren), was einen guten Anwalt ausmacht. Ich habe meine Bedingungen, unter denen Anwälte für mich arbeiten. Diese Bedingungen gefallen den meisten Anwälten nicht. Deswegen habe ich Schwierigkeiten, Anwälte zu finden. Benötige gegenwärtig Gott sei Dank keine. Meine Bedingungen sind:
- Nur nach RVG
- Schriftsätze ans Gericht gehen nur mit meiner Zustimmung und vorheriger schriftlichen Abstimmung. Der Anwalt muss, darf kein Chaot sein, diese Zeit einplanen.
- Die Anwaltsschriftsätze darf ich korrigieren
- Meine Schriftsätze macht sich mein Anwalt zu Eigen
- Alle meine Anträge in der mündlichen Verhandlung muss der Anwalt stellen (außer Befangenheitsantrag, das kann ich allein)
- Anträge stellt mein Anwalt in der Verhandlung erst nach meiner ausdrücklichen Zustimmung
und einiges mehr.

(Teil 1 des Interviews - Teil 2 des Interviews - Teil 4 des Interviews).

Mittwoch, 6. Juni 2018

Rolf Schälike - Interview mit einem Justizkritiker - Teil 2

Mö: Das klingt nach schweren Zerwürfnissen mit der Hamburger Justiz, die ich im Einzelnen nicht nachvollziehen kann und hier auch nicht vertiefen möchte, weil dieser Konflikt auf Ihrer Seite buskeismus.de hinreichend präzisiert wird. Daher besteht auch ein konkretes Interesse an der Erforschung der Aktenzeichenvergabe beim Landgericht Hamburg derzeit jedenfalls nicht. Lassen Sie uns auf den Ihrer Ansicht nach unnötigen Anwaltszwang zurückkommen. Was stört Sie daran, sich vor einem Landgericht vertreten lassen zu müssen?

RS: Ihr Kommentar zeugt davon, dass Sie Fakten ausweichen und rein theoretisch, Ideologie behaftet denken und fühlen. Für mich sind Tatsachen von Bedeutung. Als Physiker weiß ich, dass die Gültigkeit von Gesetzen an den Extremwerten geprüft wird. So gilt das Ohmsche Gesetz, z.B., nicht bei sehr hohen Strömen. Die Newtonschen Gesetze gelten nicht bei hohen Geschwindigkeiten. Eine Gesellschaft wird bewertet nach ihrem Umgang mit Minderheiten, Minderheitsmeinungen, in Europa speziell am Umgang mit den Juden. Insofern verlieren Sie an Durchblick, wenn Sie meine konkreten Fälle mit schweren Zerwürfnissen begründen. Wie kommen Sie darauf, dass ich schwere Zerwürfnisse mit Buske, Käfer etc. habe? Ich hatte Ihnen auch angeboten, Beispiele anderer Fälle zu bringen. Sie haben kein Interesse bezeugt. Zum Anwaltszwang. Was mich stört? Mich stören die unnötigen Kosten meines Anwalts. Dann stört mich die Tatsache, dass in den Verhandlungen durch die Anwesenheit des Anwalts den Argumenten des Mandanten weniger Aufmerksamkeit – falls überhaupt – geschenkt wird. Außerdem verweigern manche Anwälte, Anträge zu stellen, bzw. stellen falsche Anträge. Bei Landgerichten dürfen die Mandanten keine Anträge stellen. Das muss der Anwalt tun, der Mandant muss es seinem Rechtsanwalt gegenüber durchsetzen. Ferner werden einem Beklagten die Kosten (Zeitaufwand u.a.) eines unnötigen Rechtsstreits nicht zurückerstattet, es sei denn der Beklagte ist Rechtsanwalt und vertritt sich selbst. Noch etwas zu Ihrer früheren Aussage, ein vom falschen Richter getroffenes Urteil sollte spätestens vor dem Bundesverfassungsgericht keinen Bestand haben. Diese Aussage ist schlicht falsch. Das Bundesverfassungsgericht korrigiert keine Fehlurteile der unteren Instanzen, wenn es schon zu solchen Fällen eindeutige Entscheidungen des BVerfG gibt. Die unteren Instanzen dürfen bewusst Fehlurteile treffen. Das gehört zur Politik und zur Gewährleistung des Machterhalts. Das Bundesverfassungsgericht behandelt nur Sachen mit neuen rechtlichen Gesichtspunkten. In der Praxis ist das rechtliche Vorgehen gegen offensichtliche juristische Fehlurteile sehr schwer, weil das an der Ideologie rüttelt, dass die Endentscheidungen Richter zu treffen haben, auch wenn es eine falsche Entscheidung ist. Anders kann ein Rechtsstaat angeblich nicht funktionieren.

Mö: Unser Gespräch soll für den Durchschnittsleser interessant bleiben, daher möchte ich nicht zu sehr ins Detail gehen und verwies für Interessierte auf Ihre Website. Dort steht unter anderem "VorsRi‘in xxxxxx xxxxx regt zum Lügen an.", "Vorsitzende Richterin xxxxxx xxxxx unterstützt Kriminalität" und "Richterin xxxxxx xxxxx und Rechtsanwalt Dr. xxxx xxxxxx sind gefährlich und Teil der organisierten Hamburger Justizkriminalität". Da bekomme ich als distanzierter Schreiber ja schon feuchte Finger beim Zitieren und gleichzeitig die Idee, Sie hätten schwere Zerwürfnisse mit der Hamburger Justiz. Ist diese Idee insoweit fernliegend?

RS: Ich begründe das ja. Zu "VorsRi‘in xxxxxx xxxxx regt zum Lügen an." Bei Gericht  – nicht nur bei xxxxx – gilt die prozessuale Wahrheit nicht die materielle. Die Partei, welche besser lügt, obsiegt. Das sind allgemein bekannte unbestrittene Tatsachen. Was xxxxx betrifft, so gibt es dafür genug Beispiele: Dr. xxxxxxxx xxxxx, xxxxxxx xxxxxx u.a.. Sie können bei mir dazu suchen und finden die Argumente. Auch in der Verhandlungsführung regt xxxxx zum Lügen an, schon allein aus prozessökomischen Gründen. Zu "Vorsitzende Richterin xxxxxx xxxxx unterstützt Kriminalität" Kriminelle haben bei xxxxx mehr Chancen als biedere Bürger. Das sind Tatsachen. Auch dazu schreibe ich konkret. Beispiele: Dr. xxxxxxxx xxxxx, xxxxxx xxxxxxxxx u.a.. Zu "Richterin xxxxxx xxxxx und Rechtsanwalt Dr. xxxx xxxxxx sind gefährlich und Teil der organisierten Hamburger Justizkriminalität". Siehe dazu meine Site: http://www.buskeismus-lexikon.de/Hamburger_organisierte_Justizkriminalität. Da kommt xxxxx namentlich vor. RA Dr. xxxx xxxxxxx klagt erfolgreich für Kriminelle. Das sind auch Tatsachen. Das sind alles keine Geheimnisse. Zu " ... schwere Zerwürfnisse mit der Hamburger Justiz. Ist diese Idee insoweit fernliegend?" Diese Idee ist fernliegend. Ich gewinne in Hamburg, sogar manchmal bei Käfer, beim dem Amtsgericht-Mitte immer. Beim Amtsgericht Hamburg-Altona inzwischen ebenfalls. Es gibt in Hamburg nicht wenige Richter, mit denen ich mich relativ ausführlich unterhalten kann und es auch tue, auch beim OLG. Auch nicht mit wenigen Mitarbeitern, welche keine Richter sind, habe ich ein gutes Verhältnis. Wie kommen Sie darauf, dass ich Zerwürfnisse mit der Hamburger Justiz habe? Ich halte allerdings die ganze deutsche Justiz für mehr als problematisch und spreche vom persönlichen Glück, auf Buske, inzwischen auf Käfer, gestoßen zu sein, welche mit ihrem Zensururteilen das besonders offenbaren. Das verstehen natürlich viele Richter nicht, nicht wenige haben was gegen meine Form der Justizkritik Das ist verständlich, aber aus meiner Sicht eben rückständig und für den Rechtsstaat gefährlich. Wertvoll sind für mich meine DDR-Erfahrungen und die aus der ehemaligen Sowjetunion, u.a mit deren Geheimdiensten, die mit mir nicht fertig geworden sind. Meinungsfreiheit ist ein sehr hohes Gut, das wird in Hamburg mit den Füßen getreten. Leider nicht nur in Hamburg. Persönlich habe ich nichts gegen Buske und Käfer, auch wenn diese Akten xxxxxxxx. Das ist menschlich. Die sollen mich nur in Ruhe lassen bei meiner Buskeismus-Forschung und meinem Realsatire-Projekt. Was feuchte Finger beim Zitieren betrifft, so sollte man auch bei unverfänglichen Sachen mit Vorsicht zitieren und aufpassen, sich etwas nicht zu Eigen machen, was man nicht versteht. Zitieren Sie mich und bekommen Sie dabei mit der Justiz Schwierigkeiten, so dürfen Sie nicht mit meiner Unterstützung rechnen. Das Zensurgeschäft, die Zensurrechtsprechung ist recht kompliziert, zitieren ist oft gefährlich, für den Zitierende nicht selten gefährlicher als für den Autor. Ich möchte nicht, dass sich jemand hinter mir versteckt. Sie wissen, alles ist ein Einzelfall. Meine Formulierungen dienen lediglich dem Nachdenken. Wenn Ihre Erfahrungen als Rechtsanwalt meine Erfahrungen nicht bestätigen, dann ist es Ihr Problem, nicht meins. Ich möchte niemanden von etwas überzeugen. Ich möchte nur meine Meinungsfreiheit genießen. Ich bin kein Zensurgegner. Hätte ich einen Blog mit einer Kommentarfunktion, würde ich ganz schön zensieren die vielen Trolls. Anonymität würde ich auch nicht zulassen. (Teil 1 des Interviews - Teil 3 des Interviews - Teil 4 des Interviews).

Dienstag, 5. Juni 2018

Rolf Schälike - Interview mit einem Justizkritiker - Teil 1

Mö: Herr Schälike, Juristen kennen Sie und Ihre Website www.buskeismus.de als kritische Stimme gegen die Justiz. Die Berufsordnung für Rechtsanwälte (BORA) beschreibt die Freiheit der Rechtsanwälte in Deutschland als Garant für die Teilhabe des Bürgers am Recht. Die Tätigkeit eines Rechtsanwalts soll der Verwirklichung des Rechtsstaats dienen. Konnten Ihre regelmäßigen Beobachtungen in deutschen Gerichtssälen den hohen Anspruch der anwaltlichen Berufsordnung, der die Anwaltschaft als einen wesentlichen Teil des Rechtsstaats sieht, bestätigen?

RS: Nein, kann ich nicht bestätigen. Geht auch nicht, der hohe Anspruch widerspricht der Praxis, der Realität. Rechtsanwälte sind Geschäftsleute. Das RVG legt Mindesthonorare fest. Damit sind Rechtsanwälte Teil des Staatskapitalismus, den es in der Sowjetunion und der DDR gab. Man kann das auch Sozialismus nennen. Wäre aber falsch. Das Geschäftliche bestimmt in der westlichen Wertegemeinschaft das Leben. Es heißt zwar im Grundgesetz, dass Eigentum verpflichtet, die Realität ist aber weit davon entfernt. Nicht anders mit der so genannten Verwirklichung des Rechtsstaates. Was heißt überhaupt Rechtsstaat? Die offizielle Definition der westlichen Wertegemeinschaft für einen „Rechtsstaat“ ist weit entfernt von dem positiven Zustand, in den die Menschheit hinsteuern könnte. Meine Kritik ist nicht gegen die Justiz, sondern ich übe Kritik an der Justiz, informiere die Öffentlichkeit, was in den Gerichtssälen tatsächlich passiert.

Mö: Wäre es Ihrer Meinung für die Verwirklichung des Rechtsstaats nützlich, wenn man Rechtsanwälte in das Justizsystem derart einbindet, wie das bei Richtern und Staatsanwälten der Fall ist? Der Anwalt als Staatsbediensteter mit festen Bezügen ohne ein eigenes finanzielles Interesse, einen Konflikt möglichst vor Gericht und dort bis zur höchsten Instanz zu treiben?

RS: Mit Lösungsvorschlägen bin ich vorsichtig. Lösungsvorschläge müssen im Team von vielen gemeinsam erarbeitet werden. Voraussetzung ist allerdings Konsens über den Ist-Zustand. Damit beschäftige ich mich. Anwalt als Staatsbediensteter halte ich allerdings als einen falschen Weg aus praktischen aber auch aus prinzipiellen Gründen. Die Anwälte müssen die Bürger gegen Fehler des Staates verteidigen, vertreten, nicht Teil des Staates sein. Mein Thema ist der unnötige Anwaltszwang - nicht zu verwechseln mit dem Recht auf einen Anwalt - und die fehlende Verfolgung von Befangenheitsanträgen. Ein Beklagter sollte die Möglichkeit erhalten, sich die Richter auszusuchen. Dann gibt es mehr Vertrauen in die Justiz.

Mö: Stellen Sie sich vor, ein regional bekannter Unternehmer, von dessen Unternehmungen eine Region wirtschaftlich abhängig ist, schikaniert Zulieferbetriebe und Subunternehmer, zahlt Rechnungen nicht, beleidigt Angestellte und im Falle eines Prozesses soll er sich den Richter vor Ort auch noch aussuchen können? Ein gerichtlicher Geschäftsverteilungsplan ist dagegen eine abstrakt generelle Regelung, die im Voraus die Zuständigkeit bestimmt. Es gehört zum Begriff des gesetzlichen Richters, dass nicht für bestimmte Einzelfälle bestimmte Richter ausgesucht werden können, sondern dass die einzelne Sache aufgrund objektiver Kriterien und nach allgemeinen, vorab festgelegten Merkmalen an den entscheidenden Richter gelangen muss. Ist das nicht doch ein vertrauenserweckendes Prinzip?

RS: Mit Richter aussuchen dürfen meine ich nicht, jeden beliebigen Richter. Das Aussuchen könnte an Bedingungen geknüpft sein. Ich könnte mir vorstellen, dass nicht jeder Richter berechtigt ist, ausgesucht zu werden. Dafür könnten die Richter eine besonders gute Qualifikation nachweisen müssen. Wie schon geschrieben, es geht ums Prinzip, die Details können nur im Team entwickelt werden. Die heutige Verteilung nach dem Geschäftsverteilungsplan lässt Manipulationen zu Gunsten des Klägers zu. Kläger sind für mich in der Regel die fieseren Typen, weil die es nicht geschafft haben, außergerichtlich die Probleme zu lösen, die zu faul sind und die Lösung ihrer Probleme das an Fremde delegieren, den Staat und die Richter. Die Geschäftsverteilungspläne sind, was Hamburg, Zivilkammer 24 und Zivilsenat 7 betrifft, nur Scheinpläne. Diese werden nicht eingehalten, die Rechtsanwälte interessiert das nicht, die Mandanten sind der Justiz hilflos ausgeliefert. Richterwahl durch die Beklagten würde die Beklagten mehr dazu zwingen, unabhängig von seinen Rechtsanwälten zu werden, für die ein Mandant nicht mehr als ein Objekt ist, wie für Betriebswirte das Geschäft unabhängig von dem Produkt. Das Zufallsprinzip, welches den Geschäftsverteilungsplänen zu Grunde liegen sollte, wird in den meisten Geschäftsverteilungsplänen, die ich kenne, nicht eingehalten. Die Bearbeitung von Befangenheits-Beschwerden geht immer an den 7. Senat von allen Zivilkammern des Landgerichts. Beim AG Ahrensburg bearbeitet alle Beschwerden zunächst immer eine namentlich genannte Richterin. Bei der Zivilkammer 24 des Landgerichts Hamburg werden die Richter nach der Endnummer des Aktenzeichens bestimmt. Wer und wie die Aktenzeichen (Nummern) vergibt bzw. vergeben werden, ist nicht zu erfahren, ist nicht öffentlich, eine Kontrolle ist ausgeschlossen. Die Wahl des Richters würde eine bessere Kontrolle zulassen. Im Abmahnunwesen wäre Rechtsmissbrauch weniger möglich, weil der Antragsgegner sich schon vor dem Beschluss wehren könnte. Die sofortige Eilbedürftigkeit ist in den meisten Verfügungsverfahren nicht gegeben. Ich kann es mir vorstellen, dass ein Beklagter bestimmen könnte, welche Richter über die Verfügungsanträge zu entscheiden haben. Ich, z.B., hätte seinerzeit Richter Mauck (LG Berlin) gewählt, weil er mich verstanden hat, und Rechtsanwalt Schertz Paroli bot. Richterin Käfer ist nicht weitsichtig genug, Richter Buske hat Probleme mit mir wegen Buskeismus. Beide sind doch per se befangen.

Mö: Ihre Vorwürfe sind schwerwiegend. Zunächst was mögliche Manipulationen bei den Geschäftsverteilungsplänen der Gerichte angeht, aber auch, dass diese Rechtsanwälte nicht interessieren. Immerhin ist das Recht auf den gesetzlichen Richter in Artikel 101 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz (GG) und § 16 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) festgeschrieben und soll garantieren, dass jeder Rechtsuchende einen Anspruch auf eine im Voraus festgelegte und hinterher überprüfbare Richterfestlegung hat. Ein vom falschen Richter getroffenes Urteil sollte spätestens vor dem Bundesverfassungsgericht keinen Bestand haben. Das müsste doch jeden – vor Gericht unterlegenen - Rechtsanwalt interessieren?

RS: Tatsache ist, dass das die meisten Anwälte nicht interessiert. Habe schon mehrmals darauf konkret hingewiesen, nicht in meinen Verfahren, sondern in anderen. Weder die Beklagten noch deren Anwälte interessiert das, weil das angeblich keine praktische Bedeutung hat und zu keinen neuen Gebühren für die Anwälte führt. Urteile mit falscher Besetzung haben Rechtskraft. Die falsche Besetzung kann man in der Berufung rügen, führt aber nicht automatisch dazu, dass eine Zurückweisung an die richtige Besetzung erfolgt. Beschwerden beim Bundesverfassungsgericht sind praktisch aussichtslos. Benötigen Sie konkrete Bespiele? Machen Sie mit bei der Recherche der Aktenzeichenverteilung bei der Zivilkammer 24 beim Landgericht Hamburg? An dieser Stelle nur etwas zu meinem letzten Fall: Das letzte Urteil (Az. 324 O 454/14) gegen mich wurde am 11.08.2017 von den Richterinnen Käfer, Mittler, Dr. Gronau unterzeichnet. Die Verhandlung war am 09.01.2015. Die Verkündung war erst so spät (2 ½ Jahre nach der Verhandlung), weil ich die Richterinnen zeitlich ununterbrochen mit Befangenheitsanträgen überhäufte. Richterin Mittler war seit März 2017 nicht mehr bei der ZK 24, Richterin Dr. Gronau seit Juni 2017 auch nicht mehr. Im Urteil gibt es Bezüge zu einem BVerfG-Urteil nach dem März 2017. Richterin Mittler durfte also nicht mehr beraten haben. Wir haben das bei Buske in der Berufung gerügt. Trotzdem ist das Urteil gültig, wird nicht automatisch zurückverwiesen. Stirbt der Kläger, bleibe ich auf den Kosten sitzen. Inhaltlich ist das Urteil so und so höchster Schwachsinn – Verbot der Namensnennung in Verbindung mit dem Korpus Delicti bei dessen Klage gegen Google. Nicht befangene Richter würden anders entscheiden bzw. ich würde mir mehr Gedanken machen darüber, was ich falsch gemacht mache, was ich tatsächlich nicht berichten darf. (Teil 2 des Interviews - Teil 3 des Interviews - Teil 4 des Interviews).

Donnerstag, 8. Februar 2018

facebook-sperre.de

Einen Mandantenköder unter dem schlagkräftigen Domain-Namen "facebook-sperre.de" hat ein geschäftstüchtiger Anwalt aus Regensburg mit der mutigen Forderung "Facebook wegen Sperrung jetzt verklagen!" in den Ozean der Facebook-Fischchen geworfen. Grundsätzlich eine tolle Idee, denn "Wenn es uns allen gemeinsam gelingt, Facebook durch viele tausend Klagen unter Druck zu setzen, wird sich an der Löschpraxis von Facebook etwas ändern."

Bei vielen tausend Klagen wird sich natürlich auch ein bisschen was am Honoraraufkommen der Anwaltschaft ändern, wenn der bayerische Kollege bereit ist, die vielen tausend Klagen nicht ganz alleine durchzuziehen. So ganz alleine soll die Prozessflut gegen Facebook ohnehin nicht gestemmt werden, denn "Aufgrund des Prozessrisikos empfehlen wir derzeit, nur bei Bestehen einer Rechtsschutzversicherung gegen Facebook vorzugehen." Das nenne ich mal eine faire Geste gegenüber den vielen tausend Facebook-Nutzern, diese nicht ohne den Kostenschutz einer willigen Rechtsschutzversicherung ins offene Messer laufen zu lassen.

Ich gehe mal davon aus, dass auch der pfiffige Rechtsanwalt aus Regensburg eine allumfassende Rechtsschutzversicherung hat, denn seit dem Urteil des Landgerichts Hamburg in Sachen "Ebay-Anwalt" vom 17.06.2008 zum Az.: 312 O 937/07 sollte zumindest einschlägig spezialisierten Kollegen bekannt sein, dass es Dritten gemäß §§ 4, 14 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 5 MarkenG sogar dann untersagt ist, ohne Zustimmung des Inhabers einer Marke im geschäftlichen Verkehr ein mit der Marke identisches oder ein ähnliches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, wenn die angebotenen Dienstleistungen nicht einmal denen ähnlich sind, für die die Marke Schutz genießt, wenn es sich bei der Marke um eine im Inland bekannte Marke handelt und die Benutzung des Zeichens die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der bekannten Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzt.

Im besagten Urteil hatte das Landgericht Hamburg seinerzeit recht überzeugend bekräftigt, dass der Rechtsanwalt durch die Verwendung des Zeichens "ebay" in mehreren Domain-Namen den Ruf der Marke und des gleichlautenden Unternehmenskennzeichens mit deren Qualitätsvorstellungen genutzt hat, um diese auf seine Anwaltskanzlei zu übertragen. Der Anwalt nutzte die Unterscheidungs- und Anziehungskraft sowohl der Marke "ebay" als auch des gleichlautenden Unternehmenskennzeichens unter anderem mit der Domain „rechtsberatung-ebay.de“ aus, um auf sein geschäftliches Angebot aufmerksam zu machen. Ob das bei der Domain "facebook-sperre.de" auch der Fall ist? Immerhin ist Facebook zweifelsohne eine bekannte Marke und so darf man gespannt sein, wie lange der mutige Kollege seine anwaltlichen Dienste noch mit Hilfe einer Domain unter Verwendung des Namens des größten sozialen Netzwerks der Welt anbietet.

Donnerstag, 30. November 2017

Turboquerulantin - jetzt am Landgericht Duisburg

Vielleicht erinnert sich ja noch jemand an die falsche Behauptung der Turboquerulantin auf Facebook, unser Mandant hätte ein Massaker im Amtsgericht Nienburg angedroht. Die Verbreitung dieser "Räuberpistole" war unserer Heldin vom Amtsgericht Duisburg-Ruhrort zunächst mit einer Säumnisentscheidung und schießlich durch Urteil vom 10.04.2017 zum Az.: 10 C 313/16 verboten worden.

Nachdem ihr tapferer und stets ausdauernder Rechtsanwalt aus Ettlingen schließlich die Flinte ins Korn geworfen hatte, versucht nun ein nicht minder zäher Anwalt aus Oberhausen die mittlerweile obdachlos gewordene Kampfmaschine mit dem leicht verschobenen Gerechtigkeitssinn im Berufungsverfahren aus den Klauen der Justiz zu befreien. Leider mit mäßigem Erfolg, wie ein ausführlicher Hinweisbeschluss des Landgerichts Duisburg vom 16.10.2017 zum Az.: 11 S 44/17 belegt.

Das Landgericht möchte dem munteren Zickzack-Kurs der Turboquerulantin nicht so recht folgen und beabsichtigt, die Berufung durch Beschluss zurückzuweisen. Auch die eher halbherzigen Äußerungen des in die Bresche gesprungenen Kollegen zu den Hintergründen des verworrenen Facebook-Krimis vermochten nicht wirklich zu überzeugen. Allerdings wurde die Stellungnahmefrist zur geplanten Zurückweisung der Berufung durch das Gericht für die Turboquerulantin großzügig verlängert, da ihr ein Krankenhausaufenthalt in die Quere gekommen ist. Vielleicht gelingt ja nach einer kurzen Erholungspause mit einem festen Dach über dem Kopf am Ende doch noch der große Wurf in einer bislang (noch) aussichtslos scheinenden Sache.

Sonntag, 26. November 2017

Kinderbild auf Facebook

Kinderbilder auf Facebook. Eine Seuche, die recht unkontrolliert durch das beliebte Social-Network schwappt. Wenn nur ein Elternteil das Sorgerecht innehat, läßt sich der Unfug allerdings recht einfach durch die sorgeberechtigte Mutter oder den sorgeberechtigten Vater stoppen. Ist nämlich die auf dem Foto abgebildete Person geschäftsunfähig, bedarf es der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters für die Veröffentlichung eines Bildes dieser Person. Bestenfalls bei einsichtsfähigen Minderjährigen wird als Ausfluss des Bestimmungsrechts des Minderjährigen eine Doppelzuständigkeit angenommen. Bei einem Kleinkind kommt es daher allein auf die Einwilligung des gesetzlichen Vertreters an. Wenn der sorgeberechtigte Elternteil die Kinderfotos des nicht sorgeberechtigten Elternteils nach einem Wochenendbesuch auf dessen Facebook-Profil unerträglich findet, lässt sich die Entfernung des Bildes durch eine Abmahnung per Anwalt oder bei Uneinsichtigkeit auch durch eine einstweilige Verfügung mit gerichtlicher Hilfe schnell durchsetzen. Die Argumente, "es sind meine Fotos" oder "es ist auch mein Kind", verhallen vor Gericht ungehört, wie jüngst das Amtsgericht Bremerhaven per Beschluss vom 09.05.2017 zum Az.: 56 C 750/17 bestätigt hat. Denn das Recht, über die nach § 22 KUG erforderliche Einwilligung für die Veröffentlichung des Kinderbilds zu entscheiden, steht gem. §§ 1626, 1626 a Abs. 2, 1627, 1629 BGB allein dem sorgeberechtigten Elternteil zu.

Donnerstag, 23. November 2017

Abmahnung.org und Fachanwalt.de

Längst hat es sich auch unter Anwälten rumgesprochen, dass über das Internet Mandate verteilt werden. Ich erinnere mich noch gut an eine Unterhaltung unter Kollegen im Jahre 2000, in der ein Anwalt meinte, dass er noch nie gehört hätte, dass auch nur ein einziges Mandat über eine Homepage gekommen sei. Zu diesem Zeitpunkt wurden etwa 60% meiner Mandate über rechtsanwaltmoebius.de generiert.

Das war allerdings auch im Bereich des Internetrechts, das damals gerade erst richtig anlief und bundesweit nur wenige Anwälte hinter dem Ofen vorgelockt hat. Den Titel "Fachanwalt für IT-Recht" gab es noch nicht und das EULISP Studienprogramm an der Leibniz Universität Hannover im Bereich der Rechtsinformatik war gerade angelaufen. Mittlerweile ist das erste Semester des LL.M.-Studiengangs im IT-Recht auf die Anforderungen an die theoretische Qualifikation für den Erwerb der Fachanwaltschaft Informationstechnologierecht nach § 14k FAO abgestimmt und Studenten können die von der Fachanwaltsordnung geforderten Kenntnisse während des Semsters in Hannover erwerben.

Heutzutage ist es auch kein Geheimnis mehr, dass es sich lohnt, die Begriffe, mit denen man als Rechtsanwalt mit seiner Internetpräsenz bei Google gefunden werden möchte, bereits in der Domain seines Auftritts zu führen. Auf diesen Umstand setzen auch die beiden Anwaltsportale "Abmahnung.org" und "Fachanwalt.de", die interessierten Kollegen die Möglichkeit geben, sich dort mit ihren Webseiten zu präsentieren. Eine solche Verlinkung auf die eigene Homepage dürfte angesichts der bekannten Google-Algorithmen für die eigene Präsenz durchaus nützlich sein und ist angesichts der von diesen Portalen angebotenen Inhalte und beworbenen Schlagworte "Abmahnung" und "Fachanwalt" durchaus zu empfehlen, wenn man seine Fachkenntnisse entsprechend bewerben möchte.

Weil es angesichts der unzähligen Anwaltswebsites für die ganz überwiegende Anzahl von Präsenzen naturgemäß unmöglich ist, bei beliebten Suchworten auf der ersten Seite bei Google angezeigt zu werden, gibt es so wenigstens Hoffnung, in einem nach Orten strukturierten Internetverzeichnis neue Mandate generieren zu können. Unschlagbar sind natürlich eigene und möglichst exklusive Inhalte für den Netzauftritt, bei dem man darauf achten muss, dass dieser auch für Mobilgeräte optimiert sein muss, um Google gnädig zu stimmen. Altbackene Programmierungen, die sich nicht auf Smartphones darstellen lassen, werden nämlich von Google gnadenlos mit Verliererplätzen abgestraft, wie ich selbst leidvoll erfahren musste.

Ich hatte als Handyverweigerer eigentlich vor, das Grundgerüst meiner seit 1999 bestehenden Homepage nie zu ändern und wollte mich bis ans Ende meines Berufslebens nicht nur mit einem veralteten Foto präsentieren, sondern auch mit einem Design aus dem vorigen Jahrhundert. Nachdem mich Google aber monatelang freundlich darauf hingewiesen hatte, dass meine Seite nicht für mobile Endgeräte optimiert sei und ich die Raten für meinen gebrauchten Ferrari kaum noch zahlen konnte, hat mir ein guter Freund unter die Arme gegriffen und meine Website unter vollständiger Aufrechterhaltung der internen Struktur neu programmiert. Ist immer noch oldschool, aber Google mag mich wieder und bis zum Ruhestand sollte es reichen.

Dienstag, 21. November 2017

Schiedsmann verarscht Anwalt

In meinem Studium und Referendariat hat das Schiedswesen überhaupt keine Rolle gespielt, Kenntnisse darüber wurden mir jedenfalls nicht vermittelt und auch in meinen juristischen Examina hat diese Unkenntnis keinen Nachteil bedeutet. Als Anwalt sieht das ganz anders aus, denn für bestimmte Streitigkeiten ist ein Schiedsverfahren zwingend vorgeschrieben, bevor sich ein Amtsgericht inhaltlich damit befassen kann. Dazu zählen das Nachbarrecht, Ansprüche wegen Verletzung der persönlichen Ehre und einige Ansprüche aus dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz. Erhebt ein Rechtsanwalt Klage ohne ein obligatorisches Schlichtungsverfahren durchgeführt zu haben, wird diese vom Amtsgericht als unzulässig abgewiesen und der Mandant bleibt auf allen Kosten sitzen, auch wenn er noch so grob beleidigt wurde.

In einem gerade vor dem Amtsgericht Burgdorf verhandelten Streit unter Nachbarn um Hunde und veröffentlichte Schreiben mit den Personalien der Klägerinnen über das Internetportal Facebook fanden die Parteien mit Hilfe eines Schiedsmannes in erster Runde eine gemeinsame Lösung. Allerdings veröffentlichte die Beklagte das Protokoll der Sitzung vor dem Schiedsmann und einen Artikel aus der Zeitung über die Arbeit des Schiedsmannes unter Hinweis auf die Klägerinnen auch wieder über Facebook, so dass der Streit in eine neue Runde ging.

Soweit nicht unbedingt spannend, denn der Anwalt der Klägerinnen beantragte umgehend ein neues Schiedsverfahren und machte bis zu diesem Zeitpunkt alles richtig. Wenn nicht der Schiedsmann gewesen wäre, der auf den erneuten Antrag folgendes antwortete, wäre die Sache auch nicht der Rede wert, aber es kam eben anders: „Nach dem Niedersächsischen Schlichtungsgesetz (NSchlG) Leitlinien § 1 VV zum NschlG Obligatorische Streitschlichtung 2.1.2 handelt es sich in diesem Fall nicht um eine obligatorische Streitschlichtung, d.h., dass dieser Fall nicht schiedsamtspflichtig ist und eine Schlichtungsverhandlung vor dem Schiedsamt nicht vorgeschaltet sein muss. Ich bitte Sie sich deshalb in dieser Sache mit Ihren Anwälten in Verbindung zu setzen, damit Sie den weiteren Verfahrensweg abklären können.“

Man ahnt das Drama, was nun folgte. Der wackere Rechtsanwalt der Klägerinnen verließ sich auf die Einschätzung des Schiedsmannes und erhob schnurstracks Klage auf Unterlassung vor dem Amtsgericht Burgdorf mit dem Ziel, die Veröffentlichung des dem ersten Streit vorangegangenen Schlichtungsverfahrens und damit zusammenhängende ehrverletzende Kommentare zu unterbinden.

Da § 1 Abs. 2 Nr. 3 des Niedersächsischen Schlichtungsgesetzes die außergerichtliche Streitschlichtung nur für Verletzungen der persönlichen Ehre vorschreibt, die nicht in Presse oder Rundfunk begangen worden sind, entbrannte ein Streit darüber, ob das soziale Netzwerk Facebook insoweit nicht auch zu Presse und Rundfunk gezählt werden müsste, so dass ein Schlichtungsverfahren entbehrlich gewesen wäre. Das Amtsgericht Burgdorf gab zunächst einen richterlichen Hinweis auf den Beschluss des Landgerichts Oldenburg zum Az.: 5 T 529/12 und entschied sich mit Urteil vom 14.11.2017, Az.: 5 T 529/12, erwartungsgemäß dafür, Facebook nicht mit Presse und Rundfunk gleichzusetzen und wies die erhobene Klage als unzulässig ab. Ein Schlichtungsverfahren hätte trotz anderslautender Behauptung des zunächst angerufenen Schiedsmannes durchgeführt werden müssen. Böser Schiedsmann ;-)

Sonntag, 19. November 2017

männlich, 55+ und einem "Nein" nicht gewachsen

Es gibt viele Fälle, in die steigt man als Anwalt ein und ist sich relativ sicher, dass der Rechtsstreit spätestens nach einer Instanz beendet sein wird. Der Grund dafür ist regelmäßig die als eindeutig abzuschätzende Rechtslage und bisweilen auch die Schriftsätze des gegnerischen Kollegen, aus denen man abzulesen meint, dass er mit der den Fall beherrschenden Rechtsmaterie nicht besonders vertraut ist und dem Anspruch der eigenen Mandantschaft daher wenig entgegenzusetzen hat. Das passiert häufiger im Markenrecht, in denen hohe Streitwerte die Regel sind und im Markenrecht nicht besonders bewanderte Kollegen die Sache genau aus diesem Grund ungern aus der Hand geben, sollte sich einmal ein Mandant mit entsprechendem Anliegen zu ihnen verirren. Jeder Rechtsanwalt möchte ab und an auch mal überdurchschnittlich hohe Gebühren kassieren.

Vielen Kollegen ist der Umstand daher nicht bewußt, dass das Markenrecht nicht nur eingetragene Marken durch die Eintragung eines Zeichens als Marke in das vom Patentamt geführte Register gem. § 4 Markengesetz schützt, sondern ohne formelle Eintragung in gleicher Weise auch geschäftliche Bezeichnungen in Form eines Unternehmenskennzeichens oder Werktitels gem. § 5 Markengesetz. Der Schutz einer geschäftlichen Bezeichnung entsteht dann durch deren Benutzung im Geschäftsverkehr und ist mangels formeller Eintragung in ein Register natürlich deutlich schwerer nachzuweisen. Als Rechtsanwalt ist man in einem solchen Fall gefordert, einen Haufen Rechnungen, Briefverkehr und sonstige Unterlagen bei Gericht einzureichen, die eine möglichst lückenlose Benutzung der geschäftlichen Bezeichnung im Geschäftsverkehr nachweisen.

Wenn man dann einen schweren Packen an Unterlagen als Anlagen zur Klage bei Gericht eingereicht hat, um das eigene Recht zu belegen und in der Klageerwiderung liest "Es bleibt auch angesichts der immensen Stärke des vorgelegten Schriftsatzes, der dann allerdings nur fünf Seiten Vortrag enthält, die Frage offen, was die Klägervertreter mit einem solchen Vorgehen überhaupt erreichen wollten.", kann man darauf vertrauen, dass der Kollege den zentralen Punkt der Klage überhaupt nicht erkennt und die mühsam vorgetragene Benutzung der Geschäftsbezeichnung nicht angreifen wird. Sollte dann in einem weiteren Schriftsatz behauptet werden, "dass die Klägerin gleichwohl die von ihr behaupteten Rechte gerade nicht haben kann, da insoweit der Auszug aus dem DPMA-Register deutlich zeigt, dass die Schutzrechte für die Zeichenfolge, die sich dann insoweit aus der Eintragung des Markenrechts in das Register ergibt, bei ganz anderen Rechtsinhabern liegen als bei der Klägerin", scheint die Sache definitv gelaufen.

Umso überraschender ist es daher, wenn der durch das Markenrecht strauchelnde Kollege trotz didaktisch hervorragend aufgebautem Urteil erster Instanz in die Berufung geht. Die Überraschung legt sich ein wenig, wenn man in der Berufungsbegründung den schlechten Bauerntrick einer zwischenzeitlich zu Gunsten der Beklagten beim DPMA angemeldeten und natürlich gleichlautenden Marke zur Kenntnis nimmt. Dass die Priorität der früher aufgenommenen Geschäftsbezeichnung die nachträglich eingetragene Marke als Verteidigungsinstrument in zweiter Instanz wertlos erscheinen lässt, wusste der Kollege natürlich auch nicht. Das Oberlandesgericht war in der mündlichen Verhandlung freundlich und ließ erst den Kollegen und dann sogar den Geschäftsführer der Beklagten ausführlich Stellung nehmen. Die Rücknahme der Berufung war dennoch kein Thema.

Trotzdem hat es die Beklagte abermals geschafft, mich zu überraschen. Der Bundesgerichtshof in Zivilsachen übersandte mir den Schriftsatz eines beim BGH zugelassenen Anwalts, in dem dieser darum bat, die Frist für die Begründung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im betreffenden Rechtsstreit um zwei Monate zu verlängern. Ich habe mich schon zu Beginn des Prozesses gefragt, was den Geschäftsführer einer Firma dazu treibt, wissentlich den Namen einer bereits in Hannover existierenden Firma für seine Neugründung zu wählen. Ist die Namensführung derart gewinnträchtig, dass man bereit ist, in Abmahnkosten bis hin zu den Kosten der Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof zu investieren, nur um möglichst lange den Namen nutzen zu können? Die einzig überzeugende Antwort gab mir die Mandantin selbst und ich habe sie deshalb zur Überschrift werden lassen.       


Donnerstag, 17. August 2017

Erfreuliches vom besonderen elektronischen Anwaltspostfach

Manche Kollegen fluchen, manche jammern über das beA und mein erster persönlicher Kontakt mit dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA) scheint für den Kollegen, der mir eine besondere elektronische Anwaltspost über das Landgericht Bremen hat zukommen lassen, Teil eines Rettungsankers gewesen zu sein, den ich so nicht für möglich gehalten hätte: "In v.g. Streitsache muss ich auf diesem Weg um Verlängerung der heute abfaufenden Klageerwiderungsfrist um mindestens 2 Wochen nachsuchen. Am 04.08.2017 ist der Kanzleiserver abgestürzt und bisher ein Zugriff auf die Anwaltssoftware einschließlich Briefmanager nicht möglich. Daher kann die Klageerwiderung nicht gefertigt werden, das office-eMail-Programm ist davon nicht betroffen. vwxyz (Rechtsanwalt)". Das ist doch mal eine Werbung für das beA. Wenn bei einem Anwalt fast nichts mehr geht, rettet das besondere elektronische Anwaltspostfach eine Frist.