Montag, 27. Februar 2023

Panzer vor der russischen Botschaft in Berlin

Seit Freitag vergangener Woche, dem Jahrestag des erneuten russischen Angriffs auf die Ukraine, steht ein zerstörter Panzer des Typs T-72 vor der Botschaft der Russischen Föderation in Berlin. Ein Verein, der regelmäßig Veranstaltungen mit historischem Bezug in Berlin ausrichtet, hatte sich vor dem Verwaltungsgericht rechtzeitig gegen das Berliner Bezirksamt Mitte durchgesetzt, das eine Ausnahmegenehmigung für Kunst und Kultur im Stadtraum zwecks Aufstellung des Panzerwracks nicht erteilt hatte. Zur Begründung hatte die Stadtverwaltung ausgeführt, dass es wahrscheinlich sei, dass in dem Wrack Menschen gestorben seien. Daher sei die Ausstellung nicht angemessen. Zudem berühre die Ausstellung die außenpolitischen Interessen der Bundesrepublik Deutschland und eine Genehmigung könne nur im Einvernehmen nach Gesprächen mit der Senatskanzlei bzw. der Bundesregierung erteilt werden.

Dieser Ansicht war das Verwaltungsgericht Berlin im Beschluss vom 11.10.2022 zum Az.: 1 L 304/22 unter Verweis auf die verfassungsrechtlich geschützte Meinungsfreiheit entgegengetreten. Es bestehe ein Anspruch auf Erteilung der Ausnahmegenehmigung, weil das Verbot nicht geeignet sei, Gefahren vom Straßenverkehr abzuwenden. Der Verein könne sich auf die Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz (GG) stützen. Diesem Recht könne die Stadt Berlin keine entgegenstehenden öffentlichen Interessen gegenüberstellen, weil eine konkrete Gefährdung für den Straßenverkehr nicht gegeben sei. Mit dem Aufstellen des Panzerwracks würde der Protest gegen den Angriff der Ukraine durch Russland zum Ausdruck gebracht.

Die russische Botschaft betrachtet die Aufstellung des zerstörten Panzers als eine Provokation, die bei deutschen Bürgern kein Verständnis, keine Unterstützung und kein Mitgefühl finde. Bei der Massenkundgebung "Frieden in der Ukraine" in Berlin am 25.02.2023 hätten sich die Teilnehmer unmissverständlich für eine friedliche Konfliktlösung in der Ukraine und gegen eine Eskalation ausgesprochen, die durch deutsche Waffenlieferungen ans Kiewer Regime und eine weitere Ingangsetzung antirussischer Sanktionsspirale geschürt werde. Der Kommentar der Botschaft zur Installation vor dem Botschaftsgebäude interpretiert die Aufstellung des T-72 dann auch im eigenen Sinne und schließt die Stellungnahme wie folgt: "Wir danken allen, einschließlich unserer Landsleute in Deutschland, die am russischen Panzer Blumen niederlegten. Von nun an steht dieser für den Kampf gegen den Neonazismus in der Ukraine."

Montag, 13. Februar 2023

Sag zum Abschied leise Scheiße

Den Beruf "Ballettdirektor" kann es in Hannover nur geben, weil der Steuerzahler kräftig zuschießt. Das Land Niedersachsen subventioniert Theater und Orchester jedes Jahr im dreistelligen Millionenbereich, darunter auch die Staatsoper Hannover mit seiner Ballettsparte. Von den Trippelschritten abseits des wirtschaftlichen Wettbewerbs von Kulturschaffenden im Opernhaus Hannover kriege ich als Kunstbanause normaler Weise nichts mit. Das hat sich nun kurzfristig geändert, weil der großartige Ballettdirektor Marco Goecke der Kritikerin Wiebke Hüster von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung Scheiße ins Gesicht geschmiert haben soll.

Die Frankfurter Allgemeine schildert den in Rede stehenden Vorfall vom 11.02.2023 so: "Im Foyer des Opernhauses stellte der fünfzigjährige Goecke sich wütend unserer nichts ahnenden – und ihm persönlich bis dahin nicht bekannten – Kritikerin in den Weg, um zu fragen, was sie in der Premiere zu suchen habe. Offenbar provoziert durch ihre Rezension seines Den Haager Ballettabends „In the Dutch Mountains“, drohte er ihr zunächst ein „Hausverbot“ an und warf ihr vor, für Abonnementskündigungen in Hannover verantwortlich zu sein. Immer stärker außer Fassung geratend, wurde Goecke schließlich handgreiflich: Er zog eine Papiertüte mit Tierkot hervor und traktierte das Gesicht unserer Tanzkritikerin mit dem Inhalt."

Der SPIEGEL beschreibt die Tat ähnlich: "Nach Angaben der Betroffenen hatte Goecke sie am Samstag während einer Pause der Premiere zu einem neuen Ballettstück im Foyer des Theaters verbal konfrontiert und ihr anschließend Hundekot ins Gesicht geschmiert."

Seit der berühmten Fettecke von Joseph Beuys hat sich die Wahrnehmung von Kunst im öffentlichen Raum allerdings gewandelt und so könnte man ganz entfernt daran denken, dass die Anbringung von Hundekot im Gesicht einer Kritikerin unter den Schutz der Kunstfreiheit als ein Grundrecht fällt, weil darunter jede künstlerische Ausdrucksform fällt, die vom Betrachter auf verschiedene Weise interpretiert werden kann und die deshalb immer neue Deutungsmöglichkeiten eröffnet. Letztlich ist jedes Verhalten geschützt, das dazu dient, der Idee eines Künstlers einem Publikum zugänglich zu machen, da Kunst als Kommunikationsgrundrecht auf die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit angewiesen ist.

Wollte der hochbegabte Ballettdirektor den anwesenden Gästen im Opernhaus Hannover seine persönlichen Auffassung "Scheißkritikerin" mit einer besonders dynamischen Kurzchoreografie demonstrieren? Schließlich ist die Kunstform des Happenings als das Werfen von Gegenständen ins Publikum, Exhibitionismus, Kot-, Blut- und Farborgien, Zerstören, Zerreißen und Verdrecken von Gegenständen und Personen bekannt. Durch unterschiedlichste Handlungen soll eine Schockwirkung auf das Publikum erreicht werden, welches auf diese Weise in das Ereignis einbezogen wird. Das hat Goecke sicherlich erreicht.

Das Niedersächsische Staatstheater selbst wertet den Einsatz von Hundekot gegen die Kritikerin als rechtswidrigen Angriff, spricht aber von einer "impulsiven Reaktion" gegenüber der Journalistin gegen alle Verhaltensgrundsätze der Staatsoper Hannover. Damit habe Goecke das Publikum, die Mitarbeitenden des Hauses und die allgemeine Öffentlichkeit "auf das Extremste verunsichert" und das Theater möchte dem Ballettdirektor deshalb in den nächsten Tagen Gelegenheit geben, sich umfassend zu entschuldigen und der Theaterleitung gegenüber zu erklären, bevor weitere Schritte eingeleitet werden.

Die hannoversche Justiz wird das Verhalten des Ballettdirektors als Körperverletzung und Beleidigung werten und das Arbeitsgericht Hannover würde eine Klage gegen die Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit Marco Goecke sicherlich abweisen. Ob das Staatstheater Hannover die fällige Kündigung allerdings aussprechen wird, scheint derzeit offen. Denn für einen der weltbesten Choreografen könnten an einem subventionierten Staatsbetrieb, dessen Engagement Hannover vor drei Jahren zu einer der "wichtigsten Ballettstädte der Republik" gemacht hatte, andere Maßstäbe gelten, als in der Privatwirtschaft.

Dienstag, 13. Dezember 2022

"Adel" gegen Deutschland

Die stets präsenten und regelmäßig offen agierenden Feinde des demokratischen Rechtsstaats werden von der deutschen Presse trotz der offensichtlichen Beteiligung von Heinrich Prinz Reuß als angeblich Adligen an dem geplanten Angriff auf demokratische Institutionen und staatliche Repräsentanten in Deutschland nicht genannt, denn die staatsfeindliche Haltung des ehemaligen Adels in Deutschland wird selbst im Moment der Verhinderung eines Staatsstreichs durch rund 3000 polizeiliche Einsatzkräfte nicht in ihrem vollen Umfang erkannt. Sie füttern das Volk auf harmlosen Festen mit Kultur, Keksen und Glühwein, schmeicheln sich bei Lokalpolitikern mit großzügigen Gesten gegenüber der lokalen Wirtschaft ein und warten doch nur auf den Moment, um den demokratischen Rechtsstaat mit Waffengewalt abzuschaffen.

Anstatt sich endlich der über ein Jahrhundert währenden Untergrabung demokratischer Strukturen durch den deutschen Pseudo-Adel und dessen Taktik zu widmen, mittels andauernder Irreführung der Öffentlichkeit dem längst abgeschafften Adelskult das Überleben zu sichern, verbeugt sich die bundesdeutsche Presse noch im Moment eines verhinderten Staatsstreichs vor den ewiggestrigen Demokratiefeinden und lässt den Schein-Adel in aller Breite zu Wort kommen, als gäbe es im Jahre 2022 in Deutschland oder Österreich noch Fürsten und Hauschefs: "Wir waren 850 Jahre lang ein tolerantes, weltoffenes Fürstentum in Ostthüringen. Jetzt stehen wir in der ganzen Welt als Terroristen und Reaktionäre da. Es ist ganz fürchterlich", wird der sich selbst als Heinrich XIV. Fürst Reuß, Hauschef des ehemaligen Ostthüringer Herrscherhauses, titulierende Prahlhans in der „Bild“ zitiert. Dabei läge die Welt nicht ganz falsch, wenn man den Scheinadel in Deutschland unmissverständlich als Verfassungsfeind brandmarken würde. Es ist jetzt an der Zeit, in aller Deutlichkeit auszusprechen, dass jeder, der sich in Deutschland noch als Fürst, Hauschef oder Erbprinz bezeichnet, ein lupenreiner Antidemokrat ist, der durch sein scheinbar harmloses Adelsgehabe den Boden für Reichsbürger, Neofaschisten und Verschwörungstheoretiker bereitet, die Willens sind, der Bundesrepublik Deutschland den Todesstoß zu versetzen.

Ihrer Aufgabe, den bundesdeutschen Adelsschwindel als großangelegtes Täuschungsmanöver zu entlarven, kann selbst die Qualitätspresse in der Regel gar nicht nachkommen, denn mangels grundlegender historischer Kenntnisse ist die Mehrheit der Journalisten, die sich lieber an schlichten Feindbildern wie Corona-Leugnern und Klimaklebern abarbeitet, dazu gar nicht in der Lage. Weil schon die grundsätzliche Information, dass die Preußische Landesversammlung am 23. Juni 1920 mit dem "Gesetz über die Aufhebung der Standesvorrechte des Adels und die Auflösung der Hausvermögen" die Abschaffung des Adels beschloss und anschließend mit einem Adelstitel keine Rechtsfolgen mehr verbunden waren, so dass Adelstitel fortan nur noch als Teil des bürgerlichen Namens galten, dem Durchschnittsschreiber unbekannt ist, lässt er sich leicht vom Scheinadel instrumentalisieren. Wer nicht über die Kenntnis verfügt, dass auch das "Gesetz über die Aufhebung der Standesvorrechte des Adels und die Auflösung der Hausvermögen" des Freistaats Schaumburg-Lippe am 30. April 1928 den Adelstitel "Prinz" zum bloßen Namensbestandteil degradierte, wird weiter von Adelsmärchen berichten, wie man zahlreichen Überschriften dieser Tage entnehmen kann:

"Jetzt spricht die Adelsfamilie des Reichsbürger-Anführers" (Focus), "Nach Putsch-Plänen des Prinzen: Das Mini-Reich der Reußen" (MOPO), "Jetzt spricht die Adelsfamilie des Terror-Prinzen" (BILD), "Razzia bei Reichsbürgern Die Putschpläne des Prinzen" (TAZ), "Prinz, Richterin und KSK-Soldat planten Putsch in Deutschland" (BZ), "Terrorismus: Der Prinz, der Putsch und der Pöbel" (SZ). All diesen Zeitungsmeldungen ist gemein, dass sie unterstellen, es gäbe in Deutschland noch Adel und damit auch Prinzen. Es mangelt bereits an dem schlichten Wissen, dass das Adelsprädikat "Prinz" nach Art. 109 Weimarer Reichsverfassung nur noch ein Teil des Nachnamens ist. Mehr nicht. Würde der Gymnasiallehrer Achim Bäcker einen Bankraub begehen, wäre am nächsten Tag auch nicht die Überschrift zu lesen, "Bäcker überfällt Bank". So ist dann auch die Einordnung der Putsch-Beteiligung von Herrn Heinrich Prinz Reuß als "Prinz" schlicht irreführend.

Obwohl doch bekannt ist, dass wegen der Abschaffung des Adels in der Weimarer Republik und des damit verbundenen Verlusts des Rechts auf eigene Gesetzgebung und Gerichtsbarkeit viele ehemals adlige Familien die neue demokratische Staatsform ablehnten, wird bis heute vielfach verschwiegen, dass der in dieser Zeit aufkommende Nationalsozialismus dem vom weiteren sozialen Abstieg bedrohten ehemaligen Adel eine politische Heimat und Möglichkeiten zur Erlangung neuer Privilegien bot. Es scheint heute fast vergessen, dass Friedrich Christian Wilhelm Alexander Prinz zu Schaumburg-Lippe Ministerialrat im Propagandaministerium und Stellenleiter bei der Reichsleitung der NSDAP war und für seine großen Verdienste um die Partei das goldene Ehrenabzeichen der NSDAP von Adolf Hitler verliehen bekam. Auch Philipp von Hessen und sein Bruder Christoph machten während der Nazi-Zeit Karriere. Philipp von Hessen wurde Oberpräsident der Provinz Hessen-Nassau und Christoph von Hessen leitete als SS-Offizier des Forschungsamt im Reichsluftfahrtministerium.

Vollkommen verdrängt von der Öffentlichkeit scheint bis heute die Tatsache zu sein, dass Ernst Wolrad Prinz zu Schaumburg-Lippe seit 1937 das Amt eines Sturmführers in der Reiterstandarte der SA in Detmold inne hatte und ab 1940 im Generalgouvernement in Krakau und Lemberg tätig war und eine im Bundesarchiv aufbewahrte Liste von NSDAP-Mitgliedern weist nach, dass mindestens 270 Angehörige ehemals fürstlicher Familien von den Hohenzollern und Habsburgs über die Sachsen-Coburg-Gothas und Sachsen-Meiningens bis hin zu den Löwensteins, Hohenlohes und Sayn-Wittgensteins sowie Thurn und Taxis dort gelistet sind. Wer von einem Zufall spricht, dass jetzt ein Mann aus einer ehemals adligen Familie als Staatsoberhaupt im Zuge des geplanten Reichsbürgerputsches vorgesehen war, irrt. Die Nachfahren des deutschen Adels stehen seit der Weimarer Republik bereit, in ein sich bietendes Machtvakuum vorzustoßen.

Erst die andauernde konzertierte Irreführung der Öffentlichkeit über das Bestehen von Adelshäuern, Fürsten, Prinzen und die durch die Täuschung der Medien verbreite Idee des Fortbestehens feudaler Strukturen in Deutschland hat bei anderen Demokratiefeinden wie Nazis und Reichsbürgern die Vorstellung wecken können, dass eine Alternative zum bestehenden Rechtsstaat leicht zu installieren sei. Nur die jahrzehntelange mediale Erhöhung angeblich adeliger Familien, deren Privileg auch darin besteht, sich bis heute von dem Grundbesitz ernähren zu können, den ihre Vorfahren durch systematische Unterdrückung des Volkes zusammengerafft haben, konnte dazu führen, dass ein Antidemokrat Deutschland regieren sollte. Es ist daher an der Zeit, den noch 2020 von der SPD abgelehnten Juso-Antrag zur Änderung des deutschen Namensrechts ins Parlament zu tragen und dem Adelsspuk ein Ende zu bereiten: "Zukünftig muss es untersagt sein, als Namensbestandteile geführte Titulierungen und Prädikate an die nächste Generation weiterzugeben. Alle Titulierungen und Prädikate im Namen sind endgültig abzuschaffen."

Mittwoch, 7. Dezember 2022

Putsch der Reichsbürger in Deutschland


Als ich heute morgen meine Lieblingszeitung las, habe ich mich ganz doll erschrocken und meine Gebeine schon im Bückeburger Folterknast vermodern sehen. Da stand doch tatsächlich als Schlagzeile in der BILD: "REICHSBÜRGER SOLLEN PUTSCH IN DEUTSCHLAND GEPLANT HABEN Dieser Prinz sollte das neue Staatsoberhaupt werden". Mir fiel sofort ein Zitat aus einem SPIEGEL-Artikel des Jahres 1999 mit dem Titel "Aristokratischer Feinsinn" ein, das da lautet: "Es wird nichts unversucht gelassen, um die Exklusivität ehemaliger Adelsprädikate zu erhalten, auszubauen und zu steigern. Rücksichtslos werden dabei verfassungsrechtliche Grundsätze übergangen. Nicht ohne Hintergedanken. Bei einer eventuellen Änderung der Staatsform sollen die alten Machtstrukturen sofort wieder erkennbar sein." Mit Schweißperlen auf der Stirn und fiebriger Hast klickte ich auf den Artikel und konnte nach kurzer Recherche beruhigt in den Sessel zurücksinken. Denn nicht mein Lieblingsprinz, der immer so gerne Fürst sein will, wollte sich den Reichsapfel in unserer schönen Republik unter den Nagel reißen, sondern irgendein anderes armes Fürstchen aus Hessen.

Irgendwie hätte so ein Putsch in Deutschland auch nicht zu Herrn Prinz zu Schaumburg-Lippe gepasst, der ein ganz großer FDP-Fan ist, gerne auf Promi-Events rumtingelt und sich neulich sogar von seiner Inselfestung Wilhelmstein eine kleine Kanone hat klauen lassen. Eine Miniaturkanone, die nach den Worten des Inselherrschers einen unersetzlichen historischen und enormen ideellen Wert darstellt. So enorm, dass der Beklaute ganze 2.000 Euro Rückgabeprämie ausgelobt hat. Na ja, irgendwie alles nicht staatstragend, erst recht nicht revolutionär sondern eher provinziell. Wobei man fairerweise sagen muss, dass sich Herr Prinz zu Schaumburg-Lippe gerne mit stolzgeschwellter Brust als Mitglied der Bundesversammlung zur Verfügung stellt, die immerhin den Bundespräsidenten wählen darf. Ein Akt der Gehorsamkeit gegenüber der Bundesrepublik Deutschland, der jedem Reichsbürger als Todsünde erscheinen dürfte. Kurz gesagt: Der Bückeburger Schlossherr hat mit dem Reichsbürgerputsch nicht das geringste zu tun, ich darf mich weiterhin ungestraft als Feind des deutschen Pseudoadels generieren und die Presse in Deutschland fantasiert weiter von Prinzen und Adel, als hätte Artikel 109 der Weimarer Reichsverfassung (WRV) keinerlei Bedeutung mehr.

Sonntag, 4. Dezember 2022

Deutsche Staatsbürgerschaft, wie man sie los wird

Die aktuelle Regierung der Bundesrepublik Deutschland, im Volksmund Ampel-Koalition genannt, möchte das Staatsangehörigkeitsrecht derart ändern, dass es für in Deutschland lebende Ausländer leichter wird, die deutsche Staatsbürgerschaft zu erlangen. Nach dem Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft dürfen die Neubürger wählen, können bei strafrechtlichen Verurteilungen nicht mehr in ihr Herkunftsland abgeschoben werden und haben vollumfänglich und dauerhaft Anspruch auf sämtliche Sozialleistungen. Allein in Berlin haben von rund 3.000.000 erwachsenen Einwohnern 700.000 keine deutsche Staatsbürgerschaft. Der rot-grün-rote Berliner Senat möchte durch die Schaffung eines zentralen Landeseinbürgerungszentrums möglichst vielen ausländischen Einwohnern die deutsche Staatsbürgerschaft vermitteln. Vermutlich würden die zahlreichen Berliner Neubürger kaum dazu neigen, in Zukunft konservative Parteien zu wählen, die sich in der Vergangenheit mehrheitlich gegen eine Liberalisierung des Staatsangehörigkeitsrechts und die Ausweitung von staatlichen Sozialleistungen gewandt haben. Dieser Rückschluss dürfte prinzipiell auch für das restliche Bundesgebiet gelten und könnte zu einer Verfestigung der bestehenden politischen Verhältnisse führen.

Daher gibt es auch Stimmen in der Politik, die fordern, dass die deutsche Staatsbürgerschaft "nicht zur Ramschware verkommen" darf. Vor allem die AfD hält es für eine Illusion, zu glauben, ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz könnte Deutschlands Arbeitsmarktprobleme lösen. Denn die deutsche Migrationspolitik locke mit laxen Regeln, fehlenden Kontrollen und den großzügigsten Sozialleistungen aller EU-Länder vor allem Armutsmigranten an und lade zur Einwanderung in die Sozialsysteme ein. Das BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN möchte dagegen Visaverfahren und die Anerkennung ausländischer Bildungs- und Berufsabschlüsse in unserer "vielfältigen Einwanderungsgesellschaft" beschleunigen. Alle Migrantinnen und Geflüchteten sollen von Anfang an das Recht auf kostenfreie Sprach- und Integrationskurse sowie den unterschiedslosen Zugang zu Gesundheits- und Sozialleistungen als auch zu Kitas, Bildungseinrichtungen, Ausbildung und Arbeit haben. Angesichts der politischen Mehrheitsverhältnisse wird es wahrscheinlich dazu kommen, dass die deutsche Staatsangehörigkeit für Ausländer in Zukunft deutlich leichter erhältlich sein wird.

Pessimisten unter den Altbürgern, die nicht an einen nennenswerten Zuzug von Fachkräften glauben, steigende Krankenkassenbeiträge verfluchen und sich vor höheren Steuerabgaben zur Finanzierung der Einwanderungspolitik fürchten, reicht es oftmals nicht, nur einmal alle vier Jahre ein Kreuzchen zu machen, um anschließend die Ideen des neu gewählten deutschen Parlaments zu finanzieren. Pessimisten verneinen auch die unhinterfragte Behauptung von der dringenden Notwendigkeit der Zuwanderung qualifizierter Facharbeiter mit dem Hinweis darauf, dass das Märchen fortdauernden Wirtschaftswachstums durch klimaschädliche Industrien ohnehin ein Anachronismus sei. Sie denken darüber nach, die sich wandelnde Solidargemeinschaft in Deutschland einfach zu verlassen und nicht mehr auf eine Trendwende zu hoffen. Politikverdrossene sammeln sich in Gruppen auf Internetportalen wie Facebook unter dem Namen "Auswandern - Kontakte - Hilfe - Erfahrungen", "Auswandern aus Deutschland" oder "Jetzt auswandern! Noch ist Zeit", um ihren Ausstieg vorzubereiten. Weil das in Deutschland geltende "Welteinkommensprinzip" grundsätzlich auch für das weltweit erzielte Einkommen eines Deutschen unabhängig von dessen Wohnsitz gilt und finanzkräftige Menschen eine weitere Verschärfung der Wegzugsbesteuerung fürchten, denken viele Deutsche sogar an einen Vollausstieg.

Doch ganz so einfach wird man die deutsche Staatsbürgerschaft gar nicht los. § 17 Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) regelt die Fälle des Verlusts der deutschen  Staatsangehörigkeit. Nach § 17 StAG geht die Staatsangehörigkeit entweder durch Entlassung, durch den Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit, durch Verzicht, durch Annahme als Kind durch einen Ausländer, durch Eintritt in die Streitkräfte oder einen vergleichbaren bewaffneten Verband eines ausländischen Staates oder durch konkrete Beteiligung an Kampfhandlungen einer terroristischen Vereinigung im Ausland, durch Erklärung oder durch Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes verloren. Außerdem wird ein Deutscher nach § 18 StAG auf seinen Antrag hin aus der deutschen Staatsangehörigkeit entlassen, wenn er den Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit beantragt und ihm die zuständige Stelle die Verleihung zugesichert hat. Nach § 26 StAG kann ein Deutscher auf seine Staatsangehörigkeit auch verzichten, wenn er mehrere Staatsangehörigkeiten besitzt. Damit dürfte für die Mehrheit der unzufriedenen Steuerzahler ein kompletter Ausstieg aus der Finanzierung der deutschen Politik unter den Einschränkungen des § 25 Absatz 1 Satz 2 StAG nur über den Erwerb der Staatsangehörigkeit eines solchen Staates erfolgen können, der nicht Mitgliedstaat der Europäischen Union oder der Schweiz ist und der auch keinen völkerrechtlichen Vertrag mit der Bundesrepublik Deutschland nach § 12 Abs. 3 StAG abgeschlossen hat. Bis heute wurde kein solcher Vertrag geschlossen.

Donnerstag, 24. November 2022

Störung des beA

Seit dem 1.1.2018 gilt für Rechtsanwälte die passive Nutzungspflicht für das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA), das heißt, jeder Anwalt muss seit diesem Zeitpunkt ein besonderes elektronisches Anwaltspostfach zum Empfang von Nachrichten vorhalten.

Seit dem 1.1.2022 gilt für Rechtsanwälte die aktive Nutzungspflicht für ihr besonderes elektronisches Anwaltspostfach (beA), das heißt, jeder Rechtsanwalt darf nicht mehr per Brief und Telefax mit den Gerichten kommunizieren, sondern muss seine Schriftsätze zwingend per beA versenden. Werden Schriftsätze nicht mittels beA  an die Gerichte versandt, sind sie in der Regel rechtlich nicht beachtlich.

§ 130d ZPO bestimmt jedoch nicht nur die Nutzungspflicht für Rechtsanwälte und Behörden, wonach vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht werden, als elektronisches Dokument zu übermitteln sind, sondern bestimmt auch, dass wenn dies aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich ist, die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig ist.

Genau dieser Fall ist am 24.11.2022 um 14:06 Uhr eingetreten. Das beA-System ist gestört und eine Adressierung von beA-Postfächern ist derzeit nicht möglich. Von der Störung ist das bundesweite amtliche Anwaltsverzeichnis ebenfalls betroffen. Bis zur Wiederherstellung des beA-Systems kann also das Faxgerät und ggf. Briefpost eingesetzt werden, um Schriftsätze bei Gerichten einzureichen.

Montag, 21. November 2022

One-Love-Kapitänsbinde

Das Geschrei ist wie erwartet groß. Das Sprachrohr der ahnungslosen Massen titelt "Wir schämen uns für euch!", nachdem der Deutsche Fußball-Bund e.V. (DFB) von seinem ursprünglichen Plan abgerückt war,  während der Fußball-WM in Katar mit einer speziellen One-Love-Kapitänsbinde ein Zeichen gegen die Ausgrenzung von LGBTQ+ Menschen und Rassismus zu setzen. Denn die Fédération Internationale de Football Association* (FIFA) hatte deutlich gemacht, dass sie sportliche Sanktionen verhängen würde, sollten die Kapitäne verschiedener Fußballverbände die One-Love-Armbinden auf dem Platz tragen.

Hintergrund für den Hinweis an die verschiedenen Nationalverbände ist die Regel 13.8 Spielführerbinde des Ausrüstungsreglements der FIFA, die wie folgt lautet:

13.8 Spielführerbinde:

13.8.1 Bei FIFA-Endrunden muss der Spielführer jedes Teams die von der FIFA bereitgestellte Spielführerbinde tragen. Falls die FIFA verschiedene Spielführerbinden bereitstellt, sollte ein Modell getragen werden, das sich am besten vom Ärmel abhebt, über dem sie getragen wird.

13.8.2 Die von den Spielführern der Teams bei anderen Wettbewerben und bei internationalen Freundschaftsspielen getragenen Spielführerbinden:

13.8.2.1 müssen sich farblich klar vom Ärmel abheben, über dem sie getragen werden,

13.8.2.2 dürfen nicht ins Trikot eingearbeitet werden, sondern müssen von diesem getrennt sein,

13.8.2.3 dürfen keine Herstellerkennzeichen, Sponsorwerbung oder Dekorationselemente enthalten,

 13.8.2.4 dürfen das Wort „Spielführer“ aufweisen (oder eine Abkürzung oder eine Übersetzung davon), das in leserlicher Schrift mit maximal 5 cm hohen Buchstaben geschrieben ist.

Damit ist zunächst einmal klar, dass das sogenannte Verbot des Tragens der One-Love-Kapitänsbinde tatsächlich nur das Bestehen der FIFA auf die Einhaltung der für alle Mitgliedsverbände bestehenden Regeln bedeutet und kein explizites und spezielles Verbot der One-Love-Kapitänsbinde.

Für das Erklären der Bereitschaft, sich an längst bekannte Regeln zu halten, muss sich niemand schämen, auch nicht die Masse der BILD-Zeitungsleser stellvertretend für den DFB e.V. oder die Spieler der Nationalmannschaft. Regeln einzuhalten ist gerade im Sport ein unverzichtbares Element und dazu gehören auch Details wie die Beachtung eines Ausrüstungsreglements.

Vielmehr hätten sich die Vertreter der nationalen Fußballverbände von England, Holland, Wales, Schweiz, Frankreich, Dänemark, Belgien und Deutschland als Mitglieder der FIFA innerhalb der dort vorgesehenen Gremien rechtzeitig darum kümmern können, dass die FIFA eine den angegebenen Zielen angemessen erscheinende Binde zur Verfügung stellt. Zeit genug dafür war allemal und die Kritik an der Gesellschaftsordnung in Katar ist nicht neu.

Dass die FIFA nun die Einhaltung ihres Regelwerks kontrolliert und Verstöße angemessen sanktionieren will, dient dem ordnungsgemäßen Ablauf der Fußballweltmeisterschaft in Katar und damit den kommerziellen Interessen aller beteiligten Wirtschaftsgrößen, zu denen sicherlich auch die Spieler und die Sponsoren gehören. Dass das Publikum dabei nicht gefragt wird, ist auch keine spektakuläre Neuigkeit.

* im Handelsregister des Kantons Zürich eingetragener Verein im Sinne von Art. 60 ff. des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (ZGB)

Samstag, 19. November 2022

Fußball-WM in Katar boykottieren?

Die FIFA-Fußballweltmeisterschaft beginnt am Sonntag den 20.11.2022 mit dem Eröffnungsspiel zwischen Gastgeber Katar und Ecuador. Wenn man dem vielfach reproduzierten Gejammer zahlreicher Fußballfans und öffentlicher Lautsprecher trauen darf, werden viele grundsätzlich an Fußball interessierte Personen nicht nur auf das Eröffnungsspiel verzichten, sondern die ganze Weltmeisterschaft dadurch boykottieren, dass sie sich diese nicht ansehen.

Als Gründe für die Kritik werden die unfaire Vergabe der Ausrichtung der Fußballweltmeisterschaft 2023 an Katar durch korrupte FIFA-Funktionäre und der Tod zahlreicher Arbeitsmigranten aus den Ländern Sri Lanka, Indien, Nepal, Bangladesch und Pakistan genannt, wobei die offiziellen Zahlen drei Tote auf den Baustellen und andere Quellen über 10.000 Tote beim Bau der Stadien nennen. Darüber hinaus wird der Umstand kritisiert, dass Homosexualität in Katar strafbar ist.

Während also der engagierte Fußballfan in zahlreichen Bundesligastadien selbstgebastelte Banner mit der Aufschrift "Boycott Qatar" hochhält, lassen sich weder öffentlich-rechtliche Fernsehanstalten noch private Medienkanäle durch diese Kritik dazu bringen, die WM zu boykottieren. Magenta TV überträgt alle 64 Spiele der Fußball-WM 2022 in Katar, ARD und ZDF übertragen insgesamt 48 Spiele, darunter alle Spiele der Deutschen Nationalmannschaft, das Eröffnungsspiel, die Halbfinals und das Finale.

Weder der Trainer der deutschen Fußballnationalmannschaft noch ein einziger für die WM nominierter Spieler aus Deutschland boykottieren die Teilnahme an der Weltmeisterschaft in Katar. Mit Thomas Hitzlsperger, Bastian Schweinsteiger, Sami Khedira, Per Mertesacker, Christoph Kramer, Toni Kroos, Michael Ballack, Fredi Bobic und Lars Stindl werden sogar ehemalige Nationalspieler als Experten die Spiele in Katar kommentieren. Wissen Fans mehr als Spieler und Trainer oder brauchen letztere das Geld? 

Die Sponsoren der FIFA wie Adidas, Coca Cola, McDonalds, Hyundai-Kia, Qatar Airways, Visa, The Wanda Group, Anheuser-Busch, Hisense, Mengniu Dairy und Vivo werden ohne Zweifel ihren vertraglichen Verpflichtungen als Werbepartner nachkommen, ganz egal ob 3, 6.500 oder über 10.000 Gastarbeiter beim Bau der WM-Stadien gestorben sind, Homosexualität als strafbare Sünde im von der Scharia dominierten Katar angesehen wird oder kein Alkohol in den Stadien verkauft wird. 

Fußball spielende Millionäre lassen sich bestenfalls zu bunten Armbinden und Milliarden scheffelnde Konzerne zu besorgten Statements hinreißen, während Bundeskanzler Olaf Scholz immer noch ganz glücklich über die Energiepartnerschaft zwischen Deutschland und Katar ist, weil der islamische Staat als einer der weltweit größten Flüssiggas-Exporteure eine zentrale Rolle für die deutsche Versorgung mit Gas einnehmen soll, damit sich der Fußballfan während seines Boykotts zu Hause nicht den Arsch abfriert.

Seit ich weiß, dass jedes Jahr sechs Millionen Kinder vor ihrem fünften Geburtstag verhungern, jeden Tag 6.000 Menschen an HIV sterben und weitere 8.000 Menschen an Aids erkranken, verschwende ich nicht nur keinen Gedanken daran, dass alle 30 Sekunden ein afrikanisches Kind an Malaria stirbt und eine angesichts dieser Umstände verzichtbar erscheinende Fußball-WM in Katar stattfindet, mit der zeitgleich Umsätze in Milliardenhöhe erwirtschaftet werden, sondern schalte die Glotze auch zur WM in Katar einfach ein.

Donnerstag, 17. November 2022

Cyberstalking

Unter Cyberstalking versteht man das Nachstellen, Verfolgen und auch Überwachen einer Person mit digitalen Hilfsmitteln. Die häufigsten Fälle sind die virtuelle Verfolgung eines Opfers über das Handy und/oder mit Hilfe von sozialen Netzwerken wie Facebook oder Instagram. Für das Cyberstalking werden öffentlich zugängliche Informationen und private Informationen verwendet, die einem eingeschränkten Personenkreis oder auch nur dem Täter bekannt sind. Daher ist es grundsätzlich ratsam, die Sicherheitseinstellungen in sozialen Netzwerken möglichst sorgfältig zu konfigurieren und seine Handynummer nicht sorglos zu verteilen.

Üblicherweise erhält das Opfer nämlich eine hohe Anzahl an E-Mails, SMS, wiederholte Telefonanrufe rund um die Uhr und seine Profile in sozialen Netzwerken werden ausgewertet und für belästigende Veröffentlichungen wie das ungefragte Teilen von Inhalten des Opfers genutzt. Üblich ist auch eine Kombination mehrerer Verhaltensweisen wie das Auftauchen an Orten, die dem Cyberstalker wegen der andauernden Beobachtung der Aktivitäten seines Opfers in sozialen Netzwerken als dessen Treffpunkt oder Lebensmittelpunkt bekannt sind.

Die wiederkehrenden Handlungen eines Täters erreichen in der Einzelfallbetrachtung oftmals nicht die Schwelle der Illegalität und sind deswegen in ihrer Gesamtheit nicht leicht zu verfolgen. Dennoch kann das Opfer in seiner Lebensführung stark beeinträchtigt werden und hat unter den ständigen Belästigungen im Internet zu leiden. Vielfach will sich ein Täter für eine verschmähte Zuneigung rächen und versucht, der strafrechtlichen Verfolgung seiner Nachstellungen durch gespielte Freundlichkeit während seines Cyberstalkings zu entgehen.

Zur effektiveren Bekämpfung von Nachstellungen und der besseren Erfassung des Cyberstalkings wurden zum 01.10.2021 in § 238 Absatz 1 StGB der Begriff "beharrlich" durch den Begriff "wiederholt" und das Merkmal "schwerwiegend" durch das Merkmal "nicht unerheblich" ersetzt und damit auch die Strafbarkeitsschwelle des Cyberstalkings heruntergesetzt. Außerdem wurden typische Begehungsformen des Cyberstalkings in den Handlungskatalog des § 238 Absatz 1 StGB aufgenommen.

Wer also einer anderen Person in einer Weise unbefugt nachstellt, die geeignet ist, deren Lebensgestaltung nicht unerheblich zu beeinträchtigen, indem er wiederholt die räumliche Nähe dieser Person aufsucht oder unter Verwendung von Telekommunikationsmitteln oder sonstigen Mitteln der Kommunikation oder über Dritte Kontakt zu dieser Person herzustellen versucht, muss mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe rechnen, auch wenn er selbst sein Cybermobbing im Einzelnen oder im Ganzen als harmlos einstuft.

Freitag, 11. November 2022

Klarna Bank AB - coeo Inkasso GmbH - Rechtsanwaltskanzlei Mumm, Teil 2

 

Ich habe schon wieder Post von der coeo Inkasso GmbH bekommen und die lautet nun wie folgt:


Forderung der Firma Klarna Bank AB (publ)

 

 

Sehr geehrter Herr Möbius,

 

vielen Dank für die Zahlung in Höhe von € 36,28 vom 10.11.2022.

 

Die Forderung ist nach Verrechnung dieser Zahlung ausgeglichen.

 

Mit freundlichen Grüßen

coeo Inkasso GmbH


Das stimmt natürlich nicht und ich gehe auch nicht davon aus, dass die coeo Inkasso GmbH meinen Blog liest, also scheint es doch so zu sein, dass aussichtslose Fälle schnell abgeblasen werden oder sich ein Volljurist auf Seiten von Klarna die Akte angesehen hat und von einer negativen Feststellungsklage verschont bleiben möchte.

Donnerstag, 10. November 2022

Klarna Bank AB - coeo Inkasso GmbH - Rechtsanwaltskanzlei Mumm


Ich habe Post von der coeo Inkasso GmbH bekommen und die lautet wie folgt:




Forderung der Firma Klarna Bank AB (publ)

 

Sehr geehrter Herr Möbius,

 

wir haben die Forderungsangelegenheit in Sachen Klarna Bank AB (publ) zwischenzeitlich an die Rechtsanwaltskanzlei Mumm abgegeben, um die gerichtliche Geltendmachung der Forderung einzuleiten. Bitte nehmen Sie unter der Rufnummer 0 00 00 - 000 00 00 dringend Kontakt mit der Kanzlei Mumm auf, damit noch eine außergerichtliche Lösung gefunden werden kann.

 

Zur umgehenden Bezahlung der Forderung stehen Ihnen nachfolgend mehrere Zahlmethoden zur Verfügung; hier finden Sie auch die notwendigen Daten zur Bezahlung per Überweisung:

 

  Jetzt bezahlen  

 

  Mit freundlichen Grüßen

  coeo Inkasso GmbH



Hintergrund des Rechtsstreits ist der Umstand, dass ich einen ebay-Kauf unter Angabe des konkret gekauften Artikels inclusive der bis dahin angefallenen Mahnkosten bezahlt hatte, aber nicht das von Klarna angegebene Aktenzeichen vermerkt hatte. Klarna hatte das Geld einfach zurücküberwiesen und dann mehrfach die (erneute) Bezahlung angemahnt. Das hatte ich coeo wie folgt mitgeteilt:



"Sehr geehrte Damen und Herren,


anbei nun die erneute Zahlung incl. angefallener Verzugskosten für die erste Mahnung bis zum 05.08.2022.


Mein Vertragspartner für den in Rede stehenden Kauf war die Fxxxxxx & Fxx GmbH.


Nach Überprüfung der Vertragsbedingungen des Kaufs konnte ich nicht feststellen, dass eine Verpflichtung meinerseits gegenüber der Fxxxxxx & Fxx GmbH bestand, an einen Abtretungsempfänger der Kaufpreisforderung nur unter Angabe des Aktenzeichens des Abtretungsempfängers zu zahlen.


Die einseitige Weisung des Abtretungsempfängers, dass Zahlungen für jede Rechnung separat und unter Angabe des jeweiligen, korrekten Verwendungszwecks vorzunehmen sind, ist für mich nicht verbindlich.


Seit der Rücküberweisung an mich befand sich der Abtretungsempfänger im Annahmeverzug und ist für die anschließend entstandenen Kosten verantwortlich.


Für die Erklärung, dass Sie von der über meine erneute Zahlung hinausgehenden Forderung Abstand nehmen, setze ich Ihnen eine Frist bis zum 04.11.2022.


Bei fruchtlosem Fristablauf müssen sie mit der Erhebung einer negativen Feststellungsklage rechnen."



Klarna oder coeo möchte die Forderung offensichtlich weiter verfolgen und hat die Sache nun an die Rechtsanwaltskanzlei Mumm abgegeben. Ich bin gespannt, ob die Kollegen die Zahlung der nach Rücküberweisung durch Klarna angefallenen Mahnkosten tatsächlich weiter verfolgen möchten.    

Mittwoch, 9. November 2022

Homosexualität ist ein "geistiger Schaden"

Foto: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier begrüßt Scheich Tamim bin Hamad bin Khalifa al Thani, Emir von Katar, anlässlich der Energiepartnerschaft im Schloss Bellevue. Foto: Bernd Elmenthaler

Der katarische Fußball-WM-Botschafter und Ex-Fußballnationalspieler Khalid Salman Al-Muhannadi hat anlässlich eines Interviews mit dem Journalisten Jochen Breyer  im Rahmen der ZDF-Dokumentation „Geheimsache Katar“ Homosexualität als Sünde (ḥarām) bezeichnet und seine Ansicht damit begründet, dass Homosexualität ein geistiger Schaden sei. Wörtlich nutzte er die englische Umschreibung "damage in the mind".

Katar ist ein Emirat am Persischen Golf und Staatsreligion ist der Islam. Nach Artikel 1 der Verfassung von Katar ist die Scharia als Gesamtheit aller religiösen und rechtlichen Normen des Islam die Hauptquelle der katarischen Gesetzgebung. Nach der in Katar vertretenen islamischen Auffassung gilt Homosexualität als eine Sünde, die bestraft wird. Insoweit hatte Khalid Salman Al-Muhannadi ohne Zweifel recht.

In der Wissenschaft ist ungeklärt, welche Einflüsse beim Menschen zur Ausbildung einer bestimmten sexuellen Orientierung führen. Die sexuelle Orientierung könnte bereits vor der Geburt festgelegt sein oder durch Einflüsse in der frühen Kindheit oder Pubertät erlangt werden. Schon Forschungen zur Ursache von Homosexualität werden kritisiert, weil damit eine Stigmatisierung von Homosexualität als unnatürlich, abnormal oder krankhaft einhergehen könnte.

Homosexualität ist kein Teil der gattungserhaltenden Fortpflanzung als unabdingbares Element der Evolution und der Sicherung des Bestands von Populationen und insoweit eine Randerscheinung. Homosexualität wird deshalb in vielen islamischen Ländern nicht nur als unnatürlich sondern auch als strafwürdig angesehen. Insoweit hat der katarische Fußball-WM-Botschafter im ZDF-Interview eine Meinung geäußert, die in islamischen Ländern keine Seltenheit ist.

Zu den Staaten, in denen Homosexualität strafbar ist, gehören Algerien, Ägypten, Bangladesch, Gambia, Guinea, Komoren, Katar, Libyen, Malaysia, Malediven, Marokko, Oman, Pakistan, Senegal, Sudan, Syrien, Tschad, Tunesien, Turkmenistan und Usbekistan. In Afghanistan, Pakistan, Katar, Somalia und den Vereinigten Arabischen Emiraten kann Homosexualität mit dem Tod bestraft werden und in Brunei, Iran, Jemen, Mauretanien, Nigeria und Saudi-Arabien ist die Todesstrafe für Homosexualität unumgänglich.

Der katarische Fußball-WM-Botschafter Khalid Salman Al-Muhannadi hat sich von der hypokritischen Präsentation westlicher Werte aufs Glatteis führen lassen. Er war offensichtlich nicht davon informiert, dass die Meinungsfreiheit hierzulande einerseits als hohes demokratisches Rechtsgut propagiert wird, andererseits aber schon die Äußerung einer in anderen Kulturkreisen gängigen Meinung sofort hart sanktioniert werden kann - wie der Abbruch des in Rede stehenden Interviews.

Khalid Salman Al-Muhannadi ist auch ein Opfer westlich geprägter Scheinheiligkeit, die aktuell zur Fußball-WM-Vergabe nach Katar und dem langjährigen Aufbau wirtschaftlicher Beziehungen zu rohstoffreichen Ländern mit interessanten Absatzmärkten geführt hat, obwohl Homosexualität dort streng bestraft wird. Das Ausmaß der westlichen Heuchelei im Umgang mit Werten wie Freiheit und Toleranz im Verhältnis zu wirtschaftlichem Profit werden die Araber spätestens während der Fußball-Weltmeisterschaft in Katar bitter erlernen müssen.

Donnerstag, 3. November 2022

HSV verliert Klage wegen viagogo-Tickets

Eine empfindliche Niederlage musste die HSV Fußball Aktiengesellschaft (AG) kürzlich vor dem Landgericht Hamburg einstecken, als deren Klage wegen angeblicher viagogo-Verkäufe größtenteils abgewiesen wurde. Die Kartenkäufer hatten jeweils zwei Karten für das Heimspiel des HSV gegen den FC St. Pauli am 22.2.2020 für insgesamt EUR 302,00 erworben und wegen persönlicher Verhinderung an Dritte weiterverkauft. Nach dem Spiel erhielten die Ticketverkäufer eine Abmahnung der HSV AG mit der Aufforderung, derartiges in Zukunft zu unterlassen sowie Namen und Anschrift der Empfänger der Karten für das Derby zu benennen, weil die Karten angeblich über die Ticketplattform www.viagogo.de zu einem Preis von EUR 361,00 bzw. EUR 349,62 weiter veräußert worden seien.

Außerdem forderte die HSV AG eine Vertragsstrafe in Höhe von EUR 1.000,- sowie die Zahlung der für die Abmahnung entstandenen Anwaltskosten in Höhe von EUR 1.029,35. Weil die Kartenverkäufer keiner der Aufforderungen der HSV AG Folge leisteten, klagte diese gegen die Fußballfreunde vor dem Landgericht Hamburg auf Unterlassung, ohne Zustimmung der HSV AG Eintrittskarten für Heimspiele der Bundesligamannschaft der HSV AG über einen Internet-Marktplatz zu veräußern, auf Zahlung der geforderten Vertragsstrafe nebst Abmahnkosten sowie darauf, Auskunft zu erteilen, wann, auf welche Weise und an wen die Eintrittskarten zu welchem Preis weitergegeben wurden.

Das Landgericht Hamburg wies die Klage der HSV AG mit Urteil vom 14.10.2022 zum Az.: 312 O 106/20 ganz überwiegend ab und verurteilte die HSV AG zur Übernahme der gesamten Prozesskosten. Lediglich die Klage auf Auskunft erachtete das Landgericht Hamburg in beschränktem Umfang für begründet. Das Gericht stellte fest, dass die HSV AG keine Rechtsverletzung durch die Beklagten dargelegt hätte und die Kartenverkäufer grundsätzlich berechtigt gewesen seien, die Bundesligakarten an Dritte weiterzugeben. Dass die Verkäufer die Ticktes über viagogo.de zum Verkauf angeboten hätten, habe die HSV AG weder dargelegt noch bewiesen. Die Kartenverkäufer seien auch nicht zur weiteren Sachaufklärung verpflichtet gewesen, da die HSV AG keine Tatsachen vorgetragen habe, aus denen sich eine Pflichtverletzung der Beklagten ergeben hätte.

Ob die Kartenverkäufer die Eintrittskarten zu den Spielen der Fußball-Bundesliga selbst bei viagogo verkauft hatten, diese den Verkauf über viagogo durch Dritte gebilligt hätten oder aber der Verkauf über viagogo gänzlich ohne Zutun und Kenntnis der Ersterwerber abgelaufen ist, sei vollkommen unklar. Ein Unterlassungsanspruch der HSV AG scheide genauso aus wie der Anspruch auf Zahlung der Vertragsstrafe oder Abmahnkosten. An wen die Ticketkäufer die Eintrittskarten für die Spiele gegen den FC St. Pauli weitergegeben hatten, müssten diese allerdings sagen, weil sich diese Pflicht schon aus den gültigen Geschäftsbedingungen der HSV AG ergebe.

Mit diesem Urteil des Landgerichts Hamburg wurde wieder einmal bestätigt, dass das Bestreben der Lizenznehmer der DFL Deutsche Fußball Liga e.V., nämlich die Vereine und Kapitalgesellschaften, welche sich die Nutzung der Formate "Bundesliga" oder "2. Bundesliga" gesichert haben, bei dem Bestreben, die Fußballfans mit Hilfe von überzogenen Geschäftsbedingungen zu drangsalieren, klare Grenzen haben. Mit der bloßen Spekulation, weil von Fußballfans gekaufte Karten letztlich über viagogo vertrieben wurden, müssten die Erstkäufer dieser Karten auch etwas mit dem viagogo-Verkauf zu tun haben, kommen die Clubs nicht weiter. Schon der Bundesgerichtshof hatte festgestellt, dass vielfach als Verkäufer in Betracht kommende Privatpersonen nicht wirksam einem Weiterverkaufsverbot unterworfen sein würden.

Ein Verkaufsverbot komme nicht in Betracht, wenn Karten privat verschenkt worden seien, der Erwerber am Besuch des Spiels plötzlich gehindert ist oder wenn bei einer Kartenbestellung Allgemeine Geschäftsbedingungen eines Clubs nicht wirksam einbezogen wurden. Das grundsätzliche Konzept von viagogo hat auch deshalb Bestand, weil für den Durchschnittskunden erkennbar ist, dass auf der Online-Plattform von Viagogo Tickets weiterverkauft würden. Das Unternehmen gibt nämlich nicht an, Erstverkäufer zu sein. Während die DFL Deutsche Fußball Liga e.V. mit dem Verkauf von Fernsehrechten jährlich über eine Milliarde Euro verdient, Fußballtrainer und Fußballspieler Millionen einstecken und viagogo beim Ticketvertrieb in einem Multimillionenmarkt mitmischt, setzen Bundesligavereine Anwälte auf Endverbraucher an, die bestenfalls dann bescheidene Gewinne für Ticketverkäufe einstreichen, wenn die Karten für begehrte Spiele knapp geworden sind.

Wem "sein Verein" derart ans Herz gewachsen ist, dass er menschenunwürdige Qualen erleiden würde, wenn er das Spiel seiner Wahl nur in einer Kneipe ansehen könnte, hat in der Regel die Möglichkeit, sich Vorzugsrechte für Stadionbesuche über den Erwerb von Dauerkarten oder Mitgliedschaften in Vereinen oder Fan-Clubs zu sichern. Die Preise für Eintrittskarten zu Spielen der Fußball-Bundesliga haben längst die Sphäre der Kosten eines Restaurantbesuchs überschritten und die erwirtschafteten Gewinne werden an Kicker ausgeschüttet, die sich durch ihren Halbtagsjob Luxusimmobilien und Edelkarossen leisten können, die mehr Geld kosten, als viele Fußballfans im ganzen Leben verdienen werden.

Das Geschwätz der Fußball-Aktiengesellschaften und Vereine über sozialverträgliche Preise bei Stadionbesuchen zur Begründung der juristischen Verfolgung von Kartenverkäufern ist angesichts der Preise in der Milliardenindustrie Fußball längst ein untaugliches Feigenblatt. Tatsächlich geht es um die Ausübung von Macht. Dem Gelegenheitsbesucher, Ultra oder Dauerkarteninhaber soll unmissverständlich vermittelt werden, dass er sich als einfacher Konsument strikt an Stadionordnungen und Allgemeine Ticket-Geschäftsbedingungen zu halten hat. Der Fußballfan wird auf unterster Ebene mit seitenlangen und kleingedruckten Geschäftsbedingungen vorgekocht, um ihn im Falle eines Weiterverkaufs von Eintrittskarten mit dem Hinweis verspeisen zu können, dass für den mickrigen Gewinn eines schlichten Endverbrauchers kein Platz im Fußballbusiness ist.

Montag, 26. September 2022

Stell Dir vor es ist Krieg und keiner geht hin

deserteur

Es ist unklar, ob der 25-jährige russische Staatsbürger Ruslan Alexandrovich Zinin aus der ostsibirischen Stadt Ust-Ilimsk in der Oblast Irkutsk in Russland an den in der Überschrift aus einem Gedicht von Carl Sandburg abgeleiteten Vers gedacht hat, als er auf den Leiter der örtlichen Einberufungsstelle, Militärkommissar Alexander Vladimirovich Eliseev, geschossen hat. Klar dürfte sein, dass Ruslan Alexandrovich Zinin nicht zum Militärdienst eingezogen wird und deshalb nicht in den russischen Krieg gegen die Ukraine ziehen muss, weil er sich vor einem russischen Gericht für sein Handeln strafrechtlich verantworten muss und danach voraussichtlich für lange Zeit in Haft genommen wird.

Zahlreiche andere Russen im wehrfähigen Alter entkommen der Teilmobilmachung auf weniger spektakuläre Weise, in dem sie Russland verlassen. Russischen Kriegsdienstverweigerern drohen schwere Repressionen in ihrem Heimatland und könnten daher über das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) Asyl wegen politischer Verfolgung beantragen, da dieses Recht im Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland durch Artikel 16a Absatz 1 Grundgesetz "Politisch Verfolgte genießen Asylrecht" gewährleistet wird. Praktisch dürfte allerdings eine Mehrzahl von Asylanträgen scheitern, da sich nach Artikel 16a Absatz 2 GG derjenige nicht auf sein Asylrecht berufen kann, der aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist.

Allerdings könnte jeder Russe zunächst Asyl beantragen und das Verfahren dauert aktuell etwa ein Jahr. Während dieses Zeitraums erhält der Asylbewerber Sachleistungen zur Sicherung seines Lebensunterhalts sowie einen monatlichen Geldbetrag. Das Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) stellt die Grundbedürfnisse sicher und regelt die Versorgung, auf die ein Anspruch besteht: Unterkunft, Verpflegung, Kleidung, Heizung, Körperpflege und Gesundheitsversorgung, Leistungen für den persönlichen Bedarf, Gebrauchsgüter und Verbrauchsgüter für den Haushalt, Leistungen bei Krankheit, Schwangerschaft und Geburt und weitere individuelle Leistungen. Wird das Verfahren mit einer Ablehnung als „unzulässig“ oder „offensichtlich unbegründet“ abgeschlossen, hat der Antragsteller eine Woche Zeit, um Klage beim zuständigen Verwaltungsgericht einzureichen und zusätzlich einen Eilantrag zu stellen. Wird der Eilantrag als begründet angesehen, kann der Antragsteller während des Gerichtsverfahrens in Deutschland bleiben und sich vor einer endgültigen Entscheidung immer noch ins europäische Ausland absetzen.

Montag, 5. September 2022

Olympiade München 1972 - Millionenzahlung nach 50 Jahren

Während der Olympischen Sommerspiele in München nahm ein palästinensisches Kommando des "Schwarzer September" am 5. September 1972 elf israelische Sportler als Geiseln. Zwei Geiseln starben im Olympischen Dorf, die anderen neun Geiseln kamen bei einer Befreiungsaktion der Polizei auf dem Militärflugplatz Fürstenfeldbruck ums Leben. Auch ein Polizist und fünf Geiselnehmer wurden getötet. Die Forderung der Freilassung von 232 in Israel inhaftierten Palästinensern und der RAF-Mitglieder Andreas Baader und Ulrike Meinhof sowie eines Mitglieds der Nihon Sekigun scheiterte. Die drei überlebenden Palästinenser wurden noch 1972 im Zuge des Überfalls eines weiteren palästinensischen Kommandos auf die Lufthansa-Maschine „Kiel“ von der Bundesregierung freigelassen und die Forderung dieses Kommandos damit erfüllt.

Am 14. Oktober 1994 erhoben 29 Angehörige der israelischen Geiseln Klage beim Landgericht München I gegen den Freistaat Bayern, die Landeshauptstadt München und die Bundesrepublik Deutschland und verlangten Zahlung in Höhe von mehr als 40 Millionen DM. Zur Begründung der Klage wurden mangelhafte Sicherheitsvorkehrungen im olympischen Dorf und schwere Fehler bei der misslungenen Geiselbefreiung angeführt. Weil den Hinterbliebenen durch den Tod der Geiseln Unterhalt entgangen sei, sollten der Freistaat Bayern, die Landeshauptstadt München und die Bundesrepublik Deutschland als Verursacher für den Ersatz aufkommen.

Am 25. Oktober 1995 erließ das Landgericht München I zum Aktenzeichen 9 O 19482/94 zunächst ein Teilzwischen- und Teilendurteil, später wurden mit Teilendurteil vom 16. April 1996 die Klagen der ausländischen Kläger für zurückgenommen erklärt, die trotz Aufforderung durch das Gericht keine Prozesskostensicherheit (§ 113 ZPO) gezahlt hatten. Mit Schlussendurteil vom 6. Mai 1996 wies das Landgericht dann auch die weiteren Klagen ab, weil bei Klageerhebung 1994 die dreijährige Verjährungsfrist abgelaufen sei, Amtshaftungsansprüche verwirkt seien und die Voraussetzungen für "Allgemeine Aufopferungsansprüche" nicht vorlägen.

Noch im Jahre 1995 legten 22 Angehörige fristgerecht Berufung beim Oberlandesgericht München ein. Mit Urteil vom 28. Januar 2000 zum Az.: 1 U 5890/95 wies das Oberlandesgericht München die Berufung der Kläger als unbegründet zurück. Das Gericht verneinte Amtshaftungsansprüche der Kläger gegen die Bundesrepublik Deutschland mangels verbürgter Gegenseitigkeit mit Israel, ferner gegen die Bundesrepublik Deutschland, den Freistaat Bayern und die Landeshauptstadt München aufgrund der bereits eingetretenen Verjährung. Gegen dieses Urteil legten die Kläger und Berufungskläger Revision beim Bundesgerichtshof in Zivilsachen ein, die anschließend zurückgezogen wurde, so dass das Urteil des Oberlandesgerichts München vom 28. Januar 2000 zum Az.: 1 U 5890/95 rechtskräftig wurde. Mangels umfassender Dokumentation dieser historischen Vorgänge sind weder das Urteil des Landgerichts München I noch das Urteil des Oberlandesgerichts München im Internet aufzurufen.

Schon 1972 und auch 2002 hatte Deutschland etwa 4,6 Millionen Euro als humanitäre Geste gezahlt und das Nationale Olympische Komitee sowie das Deutsche Roten Kreuz zahlten weitere 500.000,- Euro. Anfang September 2022 hat sich nach Informationen der Nachrichtenagentur AFP die Bundesrepublik bereit erklärt, weitere 22,5 Millionen Euro von den immer noch geforderten Zahlungen an die Hinterbliebenen der Anschlagsopfer zu zahlen. Das Bundesland Bayern zahlt fünf Millionen Euro und weitere 500.000 Euro zahlt die bayerische Landeshauptstadt München. Mit dieser Zahlung trotz entgegenstehendem Urteil des OLG München hat sich die deutsche Regierung ein harmonisches Umfeld erkauft. Denn die Hinterbliebenen der Opfer hatten eine Einigung nach ihren Vorstellungen zur Voraussetzung einer Teilnahme an den Gedenkfeiern zum 50. Jahrestag der Geiselnahme gemacht und auch der israelische Staatspräsident Jitzchak Herzog wäre ohne die Millionenzahlung wohl nicht zu der geplanten Gedenkfeier gekommen.

Mit der nun vollzogenen Einigung komme die Regierung "ihrer historischen Verpflichtung gegenüber den Opfern und deren Hinterbliebenen nach", erklärte Regierungssprecher Steffen Hebestreit. Die Einigung auf die Zahlung von weiteren 28 Millionen Euro schaffe "nach nunmehr 50 Jahren die Voraussetzungen, ein schmerzhaftes Kapitel in der gemeinsamen Geschichte aufzuarbeiten, angemessen zu würdigen und legt die Grundlage für eine neue lebendige Erinnerungskultur." Durch die Teilnahme der Hinterbliebenen der Opfer und hochrangiger Vertreter des israelischen Staates wurde nun kurzfristig eine würdige Kulisse für die Trauerfeier zum Gedenken an das Attentat aus dem Jahre 1972 gesichert, auf welcher deutsche Politiker ihre Demut und Betroffenheit vor aller Welt in angemessenem Rahmen präsentieren können.

Donnerstag, 25. August 2022

Hannover 96 gegen Eintracht Braunschweig, Karten im Verkauf

Das Derby zwischen Hannover 96 und Eintracht Braunschweig am 10. September 2022 wirft seine Schatten voraus. Wie bei diesem Derby üblich, sind die Tickets heiß begehrt und unter den Fans, die sich nur zu besonderen Spielen ins Niedersachsenstadion bewegen, breitet sich im Vorfeld Panik aus. Denn wie üblich erhalten bei diesem Spiel nach den Mitgliedern des Hannoverschen Sportverein von 1896 e.V. auch Dauerkarteninhaber und Mitglieder offizieller 96-Fanclubs ein Vorkaufsrecht auf Derby-Karten, weil sich die Hannover 96 Sales & Service GmbH & Co. KG und auch die anderen Gesellschaften im Verbund mit dem Hannoverschen Sportverein von 1896 e.V. beim Aufeinandertreffen mit dem BTSV viele 96er im Stadion, die die Mannschaft lautstark unterstützen, wünscht. Dieser Wunsch geht soweit, dass alle Fans mit Vorkaufsrecht Tickets für das Niedersachsenderby ohne Mengenbegrenzung kaufen können: "Ihr könnt so viele Tickets wie gewünscht und benötigt erwerben".

Ab dem 29.08.2022 dürfte sich dann der gewöhnliche Pöbel um die übrigen Tickets über offizielle Verkaufsstellen balgen, wenn es dann noch verbleibende Tickets für den freien Verkauf gibt. Allerdings werden schon jetzt Tickets über Viagogo angeboten, für die von Erwerbern mit Vorkaufsrecht ein Vielfaches des Einstandspreises von Interessierten verlangt werden:

Ganz im Sinne der Hannover 96 Sales & Service GmbH & Co. KG, möchte man meinen, denn wer EUR 200,- pro Person für einen Stehplatz unter 96-Fans im Stadion zahlt, muss schon ein riesengroßer 96-Fan sein und viele 96er im Stadion werden ja ausdrücklich gewünscht. Außerdem hat die GmbH & Co. KG mangels Mengenbegrenzung diese Karten jedenfalls für den von ihr verlangten Preis verkaufen können.

Die Einladung, so viele Tickets wie gewünscht und benötigt zu erwerben, hat natürlich einen Haken, der sich "Unzulässige Weitergabe" nennt und dieser findet sich in Ziffer 9.2 der Allgemeinen Ticket-Geschäftsbedingungen (ATGB):

"Der Verkauf von Tickets erfolgt ausschließlich zur privaten, nicht kommerziellen Nutzung durch den Kunden. Jeglicher gewerblicher oder kommerzieller Weiterverkauf der Tickets durch den Kunden ist grundsätzlich untersagt. Dem Kunden ist es insbesondere untersagt,

a) Tickets öffentlich, insbesondere bei Auktionen oder im Internet und/oder bei nicht von HANNOVER 96 autorisierten Verkaufsplattformen zum Kauf anzubieten;

b) Tickets zu einem höheren als dem bezahlten Preis weiterzugeben; ein Preisaufschlag von bis zu 10% zum Ausgleich tatsächlich entstandener Transaktionskosten ist zulässig;

c) Urheberrechte sowie sonstige Rechte von HANNOVER 96 bei der Vorbereitung, Durchführung und Abwicklung der privaten Weitergabe zu nutzen;

d) Tickets regelmäßig und/oder in einer größeren Anzahl, sei es an einem Spieltag oder über mehrere Spieltage verteilt, weiterzugeben;

e) Tickets an nicht seitens HANNOVER 96 autorisierte gewerbliche und kommerzielle Wiederverkäufer und/oder Tickethändler zu veräußern oder weiterzugeben;

f) Tickets ohne ausdrückliche vorherige schriftliche Zustimmung von HANNOVER 96 kommerziell oder gewerblich zu nutzen oder nutzen zu lassen, insbesondere zu Zwecken der Werbung, der Vermarktung, als Bonus, als Werbegeschenk, als Gewinn oder als Teil eines nicht autorisierten Hospitality- oder Reisepakets;

g) Tickets an Personen weiterzugeben, die derzeit aus Sicherheitsgründen vom Besuch von Sportveranstaltungen ausgeschlossen sind, sofern dem Kunden dieser Umstand bekannt war oder bekannt sein musste;

h) Tickets an Fans von Gastvereinen weiterzugeben, sofern dem Kunden dieser Umstand bekannt war oder bekannt sein musste."

Damit ist klar, dass nicht erst der Verkauf von Tickets über Viagogo oder ebay nach den Allgemeinen Ticket-Geschäftsbedingungen (ATGB) der Hannover 96 Sales & Service GmbH & Co. KG untersagt ist, sondern schon das Angebot im Internet. Darüber hinaus dürfen Tickets auch nur zu einem Preisaufschlag von bis zu 10% zum Ausgleich tatsächlich entstandener Transaktionskosten verkauft werden.

Dennoch ist es nicht einfach, einem Ticketverkäufer, der Karten zu hohen Preisen im Internet verkauft hat, gerichtsfest auf die Schliche zu kommen, denn zumindest Viagogo gibt die Namen derjenigen, die auf der Plattform von Viagogo die Tickets angeboten haben, nicht heraus. Außerdem könnte der ursprüngliche Erwerber der Karten seine Karten in zulässiger Weise weitergegeben haben und erst der Zweit- oder gar Dritterwerber könnte auf die abscheuliche Idee gekommen sein, sich eine goldene Nase zu verdienen.

Tatsächlich wird der zulässige Weiterverkauf von Tickets in Ziffer 9.3 der Allgemeinen Ticket-Geschäftsbedingungen (ATGB) der Hannover 96 Sales & Service GmbH & Co. KG geregelt:

"Eine private Weitergabe eines Tickets aus nicht kommerziellen Gründen, insbesondere in Einzelfällen bei Krankheit oder anderweitiger Verhinderung des Kunden, ist zulässig, wenn kein Fall der unzulässigen Weitergabe im Sinn der Regelung in Ziff. 9.2 vorliegt und

a) der Kunde den Zweiterwerber und neuen Ticketinhaber auf die Geltung und den Inhalt dieser ATGB ausdrücklich hinweist,

b) der neue Ticketinhaber sich durch den Erwerb und die Nutzung des Tickets mit der Geltung dieser ATGB zwischen ihm und HANNOVER 96 einverstanden erklärt und

c) HANNOVER 96 auf seine Anforderung hin (aufgrund behördlich oder gesetzlich vorgegebener Schutz- bzw. Hygienemaßnahmen) unter Nennung des neuen Ticketinhabers rechtzeitig über die Weitergabe des Tickets informiert wird oder HANNOVER 96 die Weitergabe an den neuen Ticketinhaber konkludent als zulässig erklärt hat."

Mit diesen Regelungen wird es für die Sales & Service GmbH & Co. KG auch nach einer Abmahnung gegen einen vermeintlichen Spitzbuben schwierig, Sanktionen durchzusetzen, denn die Beweislast liegt natürlich bei dem Verwender der Allgemeinen Ticket-Geschäftsbedingungen und dieser ist schwierig nachzukommen, wenn nach einem unzulässigen Ticketverkauf der tatsächlich Verantwortliche gefunden werden soll und die GmbH & Co. KG auf eine Mauer des Schweigens trifft. Wer die Karte am Ende im Internet angeboten hat, dürfte oftmals im dunkeln bleiben. Immerhin ist es ja unter kaufmännischen Aspekten tröstlich, wenn durch geschicktes Marketing ohne Verkaufsbeschränkungen für Vorkaufsberechtigte alle Tickets zum vorgesehenen Preis verkauft wurden und damit der kalkulierte Gewinn aus dem Ticketverkauf vollständig gesichert werden konnte.

Freitag, 12. August 2022

Messergewalt und Polizeigewalt

Symbolvideo 

Der Deutsche Anwaltverein (DAV), in dem mehr als als ein Drittel aller in Deutschland zugelassenen Anwälte organisiert sind, fordert nach dem Tod eines mit einem Messer bewaffneten 16-jährigen Senegalesen durch Schüsse aus der Maschinenpistole eines Polizisten Aufklärung und die Einrichtung unabhängiger Beschwerdestellen bei den Polizeien in Bund und Ländern, welche mutmaßliche Grenzüberschreitungen der Polizei aufklären sollen. Eine erstaunlich schnelle Reaktion ohne genaue Kenntnis der Umstände des konkreten Falls. Damit reiht sich der Deutsche Anwaltverein (DAV) in das planlose Geschrei der Medien nach der erfolgreichen Beendigung eines Messerangriffs des afrikanischen Migranten Mohammed D. ein. Denn es gibt längst Stellen, die mit unabhängigen Volljuristen besetzt sind, welche die Verhältnismäßigkeit polizeilicher Maßnahmen im konkreten Einsatz bei Zweifeln gründlich überprüfen.

Vermutlich ist die Kenntnis über das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland und den darin enthaltenen Artikel 97 Absatz 1, der da lautet "Die Richter sind unabhängig und nur dem Gesetze unterworfen", angesichts der in Eile aufgestellten Forderung nach Beschwerdestellen beim DAV etwas in den Hintergrund gerückt, denn Richter sind als Volljuristen grundsätzlich in der Lage und auch dafür vorgesehen, bei Todesfällen im Zusammenhang mit polizeilichen Maßnahmen das Geschehen ganz konkret und gründlich zu überprüfen. An Stelle der nach dem abgewehrten Messerangriff eines afrikanischen Angreifers umgehend aufgeworfenen Gleichung "Polizeigewalt = unabhängige Beschwerdestellen nötig" auszurufen, wäre es auch nicht fernliegend, die Gleichung "Messergewalt = unabhängige Registrierungsstellen nötig" aufzustellen. Insbesondere, weil die Messergewalt bei nichtdeutschen Staatsbürgern gemessen an ihrem Anteil in der Gesamtbevölkerung als überproportional repräsentiert gilt und dieses Phänomen vorliegend eine Rolle spielen könnte.

Details wie der Umstand, dass der Senegal als politisch und wirtschaftlich stabil gilt, sich 96 Prozent der Einwohner zum Islam bekennen und Deutschland, Frankreich als auch Luxemburg die Heimat des getöteten Teenagers als sicheres Herkunftsland betrachten, werden bislang nicht in eine fundierte Gesamtbetrachtung des Falles einbezogen. Obwohl fest steht, dass Asylanträge von Senegalesen in Deutschland regelmäßig als offensichtlich unbegründet behandelt werden und der Begriff Flüchtling im Verständnis des Asylrechts nur anerkannte Flüchtlinge nach der Genfer Flüchtlingskonvention erfasst, d.h. Personen, die nach Abschluss eines Asylverfahrens den Flüchtlingsschutz im Sinne des Art 16a des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland auch erhalten, ist vorliegend stets von einem Flüchtling die Rede. Zutreffender dürfte hier der Begriff Wirtschaftsmigrant sein, den sogar der Bundespräsident fehlerfrei einordnen kann.

Dienstag, 9. August 2022

Tod bei Angriff mit Messer

Symbolvideo

Der 16-jährige Mohammed aus dem Senegal wurde am Montag in Dortmund von mehreren Kugeln aus der Waffe eines Polizisten verletzt und ist wenig später an seinen Verletzungen während einer Not-Operation verstorben. Da nach Angaben der Polizei weder 11 Polizisten noch das eingesetzte Reizgas oder ein Treffer mit dem Taser den mit einem Messer bewaffneten Teenager stoppen konnten, entschied sich ein Polizist schließlich zur Abgabe von scharfen Schüssen.

Wie in solchen Fällen üblich, ermittelt nun die Staatsanwaltschaft wegen eines Tötungsdelikts gegen den Polizisten, der geschossen hat. Sofern die Voraussetzungen einer Notwehr oder eines Notstands gegeben waren, war der Polizeibeamte strafrechtlich gerechtfertigt. Denn ein Verteidiger darf alle erforderlichen und geeigneten Mittel einsetzen, um eine derartige Attacke zu beenden, wenn er während eines gegenwärtigen rechtswidrigen Angriffs eine Verteidigungshandlung mit Verteidigungswillen vorgenommen hat.

Interessanter als das einigermaßen absehbare Ergebnis der konkreten Ermittlungen* ist der Umstand, dass von der Polizei seit Anfang Januar 2021 bis Ende Juni 2022 in Nordrhein-Westfalen 7371 Straftaten mit dem Tatmittel „Stichwaffe“ registriert wurden, während 2019 noch 6827 vergleichbare Fälle gelistet wurden. Messerstraftaten werden in Nordrhein-Westfalen erst seit 2019 einzeln ausgewertet. Der Anteil der ermittelten Tatverdächtigen ohne deutschen Pass lag laut Ministerium 2021 bei 39,8 Prozent und im ersten Halbjahr 2022 bei 41,7 Prozent.

Demgegenüber hat nur etwa jeder Achte in Deutschland lebende Einwohner keine deutsche Staatsbürgerschaft, so dass dieser Bevölkerungsanteil in etwa 12,5 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmacht. Tatverdächtige Ausländer scheinen daher jedenfalls bei Messerstraftaten überdurchschnittlich stark vertreten zu sein. Die Anzahl der rechtskräftig verurteilten Messerstraftäter dürfte naturgemäß deutlich unter dem genannten Anteil liegen, da Verurteilungen bei jeglichen Delikten stets signifikant geringer sind.

* Nachtrag: Der Polizist verteidigte sich mit mindestens 6 Schüssen aus einer Maschinenpistole vom Typ MP5 von Heckler und Koch. Das rückt die Bewertung der Notwehr in eine anderes Licht und der Fall dürfte doch vor Gericht landen.

Samstag, 16. Juli 2022

Hurra, hurra, der Fürst hat einen Orden!

Seine Untertanen hatten Tränen in den Augen und ganz Schaumburg-Lippe fiel in einen kollektiven Freudentaumel, als der wahre Herrscher des kleinen Landes, Alexander Prinz zu Schaumburg-Lippe, am vergangenen Donnerstag das Verdienstkreuz 1. Klasse des Niedersächsischen Verdienstordens von Niedersachsens Minister für Wissenschaft und Kultur, Björn Thümler, überreicht bekommen hat. 

Auch im Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur kannte die Glückseligkeit keine Grenzen und so wurde Herr Prinz zu Schaumburg-Lippe angesichts des freudigen Ereignisses in einer feierlichen Pressemeldung gleich auch zum "Fürst zu Schaumburg-Lippe" verwandelt, wohl um dem Volk in Niedersachsen zu demonstrieren, dass es sich in unsicheren Zeiten wie dieser auf eine starke Führungspersönlichkeit verlassen kann.

Vergessen sind nun die Querelen der Vergangenheit, als sich die Landesregierung von Schaumburg-Lippe mit Schreiben vom 14.04.1936 beim Reichs- und Preußischen Minister des Innern, Wilhelm Frick, über den Großvater des nun geehrten Ordensträgers, Ernst Wolrad Prinz zu Schaumburg-Lippe, beschwerte, weil dessen Selbstbezeichnung "Fürst zu Schaumburg-Lippe" nicht dem Gesetz über die Aufhebung der Standesvorrechte des Adels und die Auflösung des Hausvermögens vom 30.04.1928 entspreche.

Endlich ist keine Rede mehr von dem lästigen Wikipedia-Eintrag, wonach Großvater Wolrad nach dieser Beschwerde an den damaligen preußischen Ministerpräsidenten Hermann Göring schrieb und am 07.05.1936 darum bat, sich - entgegen den Bestimmungen der Weimarer Reichsverfassung zur Abschaffung der Vorrechte des Adels (WRV Artikel 109, Abs. 2) - Fürst nennen zu dürfen, worauf ihn Göring zurück an den Reichs- und Preußischen Minister des Innern verwies, der dann mit Schreiben vom 13.08.1936 feststellte, dass Opa Wolrad das Recht zur Führung des Namens "Fürst zu Schaumburg-Lippe" gar nicht zustand.

Schwamm über das unerfreuliche Wikipedia-Gerücht, wonach Großvater Ernst Wolrad Prinz zu Schaumburg-Lippe sodann am 01.09.1936 einen Rückdatierungsantrag für die Aufnahme in die NSDAP stellte, der am 07.12.1936 von Rudolf Heß befürwortet und daraufhin der Eintritt in die NSDAP auf das Jahr 1928 rückdatiert wurde, so dass die rechtswidrige Bezeichnung "Fürst" anschließend wohl keine große Rolle mehr spielte.

Heute wird mit dem Adelstitel "Fürst" zum Glück etwas entspannter umgegangen. Opas NSDAP ist längst Geschichte und den Sturz der Monarchie durch die Novemberrevolution von 1918/19 mit dem Inkrafttreten der Weimarer Reichsverfassung vom 11. August 1919, mit welcher die öffentlich-rechtlichen Vorrechte oder Nachteile der Geburt oder des Standes aufgehoben wurden, kennen durchschnittliche Politiker heute nicht einmal mehr aus dem Fernsehen.

Über hundert Jahre nach der Abschaffung des Adels kann man sich als Landespolitiker schon einmal mit innerlicher Demut an Wolrads Enkel Alexander Prinz zu Schaumburg-Lippe heranpirschen, ihm den Verdienstorden des Landes Niedersachsen in der Ordensstufe "Verdienstkreuz 1. Klasse" umbinden und schließlich durch eine devote Pressemittelung mit achtfacher Anbiederung als "Fürst zu Schaumburg-Lippe" den Bauch pinseln.

Ob die Ehrwürdigkeit des Verdienstkreuzträgers als selbständige und auszeichnungswürdige Leistung für das allgemeine Wohl unter Zurückstellung eigener Interessen vom Land Niedersachsen auch darin gesehen wurde, dass er dem unseligen Zeitgeist zuwider das traditionelle Erbe nur an den erstgeborenen Sohn Donatus und nicht an seine Töchter Felipa und Philomena weitergeben will oder auf die Zustimmung zur Sanierung seines Schlosses Bückeburg mit 350.000,- Euro aus dem Denkmalschutz-Sonderprogramm des Bundes, bleibt unklar.

Das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur findet jedenfalls an der Erhaltung des privaten Eigentums des Herrn Prinz zu Schaumburg-Lippe durch ihn selbst auch unter Zuhilfenahme öffentlicher Mittel einen besonderen Gefallen: "Kulturdenkmale wie Schloss Bückeburg, die fürstlichen Mausoleen oder der Wilhelmstein sind kein bequemer Luxus, sondern eine Verpflichtung." Deshalb sei die Auszeichnung mit dem Verdienstorden auch eine Anerkennung dafür, dass Herr Prinz zu Schaumburg-Lippe diese Verpflichtung lebe. Hurra!