Freitag, 29. Dezember 2017

Was droht Anwälten, die sich wegen Sicherheitsbedenken weigern, das beA zu nutzen?

Kurz vor Jahresende möchte es die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) nicht verpassen, mir die neusten Mitteilungen zum beA persönlich zu übermitteln. Das ist ja grundsätzlich erfreulich. Die BRAK weiß offenbar auch um das enorme Konfliktpotential, welches aus der unvorhergesehenen Stilllegung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs wegen Sicherheitsrisiken resultiert, dessen Benutzung für Anwälte ab Januar 2018 verpflichtend ist. Die BRAK weiß auch, dass manche Anwälte ein rebellisches Innenleben pflegen und möchte daher auch auf die Frage eine Antwort geben, was Anwälten droht, die sich wegen Sicherheitsbedenken weigern, das Postfach zu nutzen?

Die Antwort verblüfft mich doch etwas und ich habe sie deshalb als Screenshot diesem Beitrag vorangestellt: "Die BRAK hat in einer Sondersitzung des Präsidiums über die Feiertage erneut beschlossen, dass sie keinerlei Abstriche an der Sicherheit der beA Plattform hinnehmen kann. Für die Ausübung des anwaltlichen Berufs ist Vertraulichkeit und Sicherheit einer solchen Plattform und der jeweiligen Client Security einer Anwaltskanzlei von zentraler Bedeutung. Die BRAK wird daher beA solange vom Netz lassen, wie nicht alle Sicherheitsfragen gelöst sind. Die Anwälte können also fest davon ausgehen, dass sie keinerlei Sicherheitsbedenken mehr haben müssen, sobald die beA Plattform wieder verfügbar ist." Keine Antwort ist auch eine Antwort: Nichts.

Freitag, 22. Dezember 2017

Die Paketannahme durch den Nachbarn

Tausende von Weihnachtspaketen kreuzen durch Deutschland und viele kommen nicht an. Eine häufige Konstellation ist dabei die Annahme eines Pakets durch den Nachbarn. Das erinnert mich an einen Fall, der jüngst sein 10-jähriges Jubiläum gefeiert hat und natürlich nicht alle denkbaren Möglichkeiten abbildet. Im vom Amtsgericht Hannover mit Urteil zum Az.: 564 C 939/07 entschiedenen Fall wollte der Versender eines Pakets schlicht den Kaufpreis für ein Paar Kinderschuhe, die versendet wurden, aber nie ankamen. Denn: Nachweisbar war zwar die Auslieferung des Pakets an den Nachbarn, aber nicht die Ankunft des Pakets bei der Käuferin. Das bedeutete viel Ärger für alle Beteiligten. Die Verkäuferin bekam keinen Kaufpreis und zahlte sämtliche Prozesskosten, der Nachbar musste vor Gericht aussagen und die modebewusste Mama musste ihren süßen Fratz in popligen Normaloschuhen weiterlaufen lassen. In dieser Variante war die Annahme eines Pakets durch den Nachbarn jedenfalls ein voller Reinfall.

Donnerstag, 21. Dezember 2017

Turboquerulantin auf Rekordjagd

Mittlerweile komme ich nicht mehr dazu, über jedes einzelne Ordnungsgeld aus jedem einzelnen Verfahren zu berichten und deshalb will ich der treuen Leserschaft und Fangemeinde der Turboquerulantin wenigstens im "Königsverfahren" vor dem Amtsgericht Nienburg einen kleinen Überblick gönnen, wie sich unser Türbchen via Facebook von Ordnungsgeld zu Ordnungsgeld hangelt. Zwischenzeitlich kann man als gesicherte Erkenntnis festhalten, dass es ihr vollkommen scheißegal ist, was das Amtsgericht Nienburg zum Besten gibt, denn "Die Wahrheit darf gesagt werden".

Die Interpretation von "Wahrheit" ist allerdings nicht ganz ohne Risiko und anlässlich des bis heute höchsten Ordnungsgeldbeschlusses vom 14.11.2017 über EUR 1.500,- habe ich einen kleine Übersicht (Mausklick zum Vergrößern) erstellt, mit welcher man die bereits festgesetzten Ordnungsgelder ganz gut überblicken kann. Auffällig ist, dass die Höhe der Ordnungsgelder zwar stetig ansteigt, aber darüber hinaus keinem erkennbaren Muster folgt. Ein fachgerechtes Ermessen scheint der Erhöhung von EUR 1.000,- auf EUR 1.300,- und von dort dann auf lediglich EUR 1.500,- nicht zu Grunde zu liegen. Aus der zuletzt geringeren Erhöhung des Ordnungsgelds um lediglich EUR 200,- wird man kaum ablsesen wollen, dass die viermalige Missachtung des gerichtlichen Tenors eine relativ höhere Bestrafung verdient, als die darauf folgende fünfte Nichtbefolgung des Urteils.

Ein Ordnungsgeld nach § 890 ZPO hat nämlich nach ständiger Rechtsprechung eine Beuge- und eine Straffunktion und ist im Hinblick auf dessen Zweck zu bemessen. Dieser doppelte Zweck erfordert es, die Bemessung des Ordnungsgeldes im Hinblick auf das Verhalten des Schuldners vorzunehmen. Zu berücksichtigen sind insbesondere Art, Umfang und Dauer des Verstoßes sowie der Verschuldensgrad des Rechtsverletzers. Zu all diesen Kriterien sind die Ausführungen des Amtsgerichts Nienburg recht dürftig und es bleibt unklar, warum das Ordnungsgeld mal um EUR 300,- und dann wieder nur um EUR 200,- erhöht wird und weshalb immer noch von der umgehenden Anordnung einer Ordnungshaft abgesehen wird. Wir blicken daher gespannt auf das herannahende Jahr 2018, denn selbstverständlich ist ein neuer Antrag auf Festsetzung eines weiteren Ordnungsmittels längst anhängig.

Montag, 18. Dezember 2017

Amtsgericht Nienburg: Richterfortbildung durch Fachanwalt

Während sich jeder Rechtsanwalt nach § 43a Abs. 6 der Bundesrechtsanwaltsordnung und jeder Fachanwalt nach § 15 der Fachanwaltsordnung fortbilden muss, gibt es einen ähnlichen Zwang für Richter nicht. Die vom Gesetzgeber seit langem geplante Einführung einer richterlichen Fortbildungspflicht im Deutschen Richtergesetz wird auch mit dem Hinweis, dass darin ein ungerechtfertigter Eingriff in die Richterautonomie nach Art. 97 Abs. 1 GG liegen würde, von der Richterschaft erfolgreich blockiert.

Als Fachanwalt für IT-Recht kann ich die vor den deutschen Gerichten rechtsuchenden Bürger trotzdem beruhigen. Denn die Richter des Bundesgerichtshofs haben das Problem des unvollkommenen rechtlichen Erkenntnisvermögens auf Seiten der Richterschaft ganz geschickt gelöst. Mit Urteil vom 13.10.2016 zum Az.: IX ZR 214/15 haben die Spezialisten vom BGH den "Schwarzen Peter" einfach an die Anwaltschaft weitergereicht und dazu ausgeführt: "Der Rechtsanwalt ist vertraglich verpflichtet, einer gerichtlichen Fehlentscheidung entgegenzuwirken. Mit Rücksicht auf das auch bei Richtern nur unvollkommene rechtliche Erkenntnisvermögen und die niemals auszuschließende Möglichkeit des Irrtums ist es die Pflicht des Rechtsanwalts, nach Kräften dem Aufkommen von Irrtümern und Versehen des Gerichts zu begegnen. Der Rechtsanwalt muss alles - einschließlich Rechtsausführungen - vorbringen, was die Entscheidung günstig beeinflussen kann. Er hat auch eine vom Gericht im Verlauf der Instanz vertretene Rechtsansicht im Interesse seines Mandanten zu überprüfen, selbst wenn sie durch Nachweise von Rechtsprechung und Schrifttum belegt ist. Insbesondere muss der Anwalt zum Beispiel auf die höchstrichterliche Rechtsprechung hinweisen. Der Schutz des Mandanten gebietet es, dass der Rechtsanwalt dafür Sorge trägt, dass diese Argumente bei der gerichtlichen Entscheidung berücksichtigt werden können."

Mit anderen Worten. Jeder Richter kann sich abseits der beruflichen Tätigkeit intensiv mit seiner Briefmarkensammlung beschäftigen, denn für die Berücksichtigung aktueller Rechtsprechung in laufenden Verfahren sind die Rechtsanwälte der Parteien zuständig, die ihm die neusten Erkenntnisse des Bundesgerichtshofs schriftlich unterbreiten müssen, damit sie bei der Urteilsabfassung in den Niederungen der bundesdeutschen Rechtsprechung nicht übersehen werden.

Dieses Fortbildungsprinzip funktioniert auch beim Amtsgericht Nienburg. Zunächst war das Gericht noch der Ansicht, dass ein Verbot beleidigender Äußerungen nur dann missachtet wird, wenn diesem erneut aktiv zuwidergehandelt wird. Dies folge auch aus der Androhung von Ordnungsmitteln „für jeden Fall der Zuwiderhandlung". Nicht sanktioniert sei vom Urteilstenor daher das bloße Unterlassen der Löschung gleichlautender Beleidigungen aus der Zeit vor der Rechtskraft eines Urteils.

Nach einem in der Beschwerdeinstanz erfolgten Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aus seinem Urteil vom  19. November 2015 zum Az.: I ZR 109/14, wonach die Verpflichtung zur Unterlassung einer Handlung, durch die ein fortdauernder Störungszustand geschaffen wurde, mangels abweichender Anhaltspunkte regelmäßig dahin auszulegen ist, dass sie nicht nur die Unterlassung derartiger Handlungen, sondern auch die Vornahme möglicher und zumutbarer Handlungen zur Beseitigung des Störungszustands umfasst, stellte sich der gewünschte Fortbildungseffekt ein und das Amtsgericht Nienburg berücksichtigte diese bislang nicht bekannte BGH-Rechtsprechung im Wege der Abhilfe.

Nach erneuter Prüfung der Sach- und Rechtslage war das Gericht nunmehr der Auffassung des Antragstellers, dass auch das bloße Unterlassen der Löschung eines beleidigenden Kommentars auf Facebook einen Verstoß gegen das Verbot des Urteilstenors "im Internet zu behaupten, der Kläger sei Mitglied einer Betrügergruppe" darstellt. "Auch wenn sich dieses Ergebnis nicht unmittelbar - wie im angefochtenen Beschluss ausgeführt - aus dem Wortlaut des Tenors des Urteils vom 04.01.2017 zu ergeben scheint, folgt es letztlich doch aus Sinn und Zweck dieser Untersagung, künftige Diffamierungen des Antragstellers durch die Antragsgegnerin in den sozialen Medien des Internets zu vermeiden. Dies geschieht nicht nur durch Wiederholung ausdrücklich untersagter Äußerungen, sondern vorliegend mangels entgegenstehender Anhaltspunkte auch durch Aufrechterhaltung entsprechender bereits in der Vergangenheit getätigter Aussagen, die nicht gelöscht werden (vgl. nur BGH, Urteil vom 19.11.2015, Gesch.Nr. l ZR 109/14, bei Juris Rn. 34)."   

Montag, 11. Dezember 2017

1000 Euro in 5 Minuten

Anwälte verdienen viel Geld. Dass diese Einschätzung nicht der Regelfall ist, zeigt schon der Umstand, dass ich mich bemüssigt fühle, über eine Konstellation zu schreiben, in welcher für wenig Arbeit tatsächlich verhältnismäßig viel Geld verdient wurde.

Am 30. Mai erhielten wir eine eingelegte Berufung, die am Vortag bereits zurückgenommen wurde. Allerdings erreichte uns die Berufungsrücknahme erst am 31. Mai vorab per Fax durch das Gericht und zu diesem Zeitpunkt war unser Antrag auf Zurückweisung der Berufung vom 30. Mai schon auf dem Weg zum Gericht. Mehr als "vertreten wir die Beklagte auch im Berufungsverfahren und werden beantragen, die Berufung zurückzuweisen" hatte ich nicht geschrieben und durch die Rücknahme der Berufung stand schon bei der Anfertigung dieses Schriftsatzes fest, dass mehr auch nicht zu schreiben war.

Durch einen Streitwert von 30.000,- EUR wurde der Fünfminuteneinsatz recht üppig entlohnt und es bleibt festzuhalten, dass die Einlegung eines Rechtsmittels wohlüberlegt sein will, dessen Rücknahme nicht nur dem Gericht mitgeteilt werden sollte und es auf der anderen Seite nicht schaden kann, die Verteidigungsbereitschaft stets umgehend anzuzeigen. Von Zwangsvollstreckungsverfahren, bei denen zwei Stunden Arbeit knapp 20,- EUR abwerfen, berichte ich ein anderes Mal. 

Mittwoch, 6. Dezember 2017

"Sayn-Wittgenstein, Fürstin von, Doris"

Der Deppenwettlauf um den entlarvendsten Artikel über eine Rechtsanwältin aus Kiel, die im Landtagsinformationssystem Schleswig-Holstein wie in der Überschrift wiedergegeben gelistet ist, hat nach deren Rede beim Bundesparteitag der AfD in Hannover begonnen. Ein schönes Beispiel für minderwertigen Journalismus liefert Volontär Jörn Wenge mit seinem Artikel „Ich vermute, dass sie adoptiert worden ist“ in der Online-Ausgabe der "Frankfurter Allgemeine Zeitung".

Schon die Unterüberschrift seines Artikels zeigt, dass er einem Angehörigen der pfiffigsten Hochstaplerkaste in Deutschland auf den Leim gegangen ist: "Ein Fürst und vermeintlicher Verwandter hat eine Idee." Jedenfalls liegt unser Jörn mit der ihm untergeschobenen Vorstellung, es gäbe in Deutschland noch Fürsten, vollständig daneben. Der Volontär schwafelt von Neu-Adligen als ob es noch Alt-Adlige gäbe und lässt einen Wichtigtuer, der auf der Webseite "sayn.de" selbst ungeniert verfassungsmäßige Grundsätze zur eigenen Erhöhung ignoriert, in Bezug auf die Vorsitzende des Landesverbandes der AfD in Schleswig-Holstein ohne einen Funken von Ironie als "Fürst" die Worte „Das ist ganz offensichtlich Hochstapelei“ zum Besten geben. Soviel zum staatsrechtlichen Verständnis von Nachwuchsjournalisten bei der Präsentation deutschen Scheinadels.

Ich selbst konnte mir anschließend eine Anfrage an den Schleswig-Holsteinischen Landtag nicht verkneifen:

"Guten Tag,

anlässlich der Presseberichterstattung über "Frau Fürstin von Sayn-Wittgenstein" möchte ich meinen Lesern in meinem Blog erklären, was es mit der Namensführung dieser Parlamentarierin auf sich hat. Sie kennen ja sicher den bis heute gültigen Artikel 109 Weimarer Reichsverfassung, der bestimmt: "Öffentlich-rechtliche Vorrechte oder Nachteile der Geburt oder des Standes sind aufzuheben. Adelsbezeichnungen gelten nur als Teil des Namens und dürfen nicht mehr verliehen werden."

Wenn ich nun im Landtagsinformationssystem Schleswig-Holstein lese:

"Sayn-Wittgenstein, Fürstin von, Doris"

scheint es so, als möchten Sie das Privileg eines Adelstitels berücksichtigen. Denn wenn der Nachname "Fürstin von Sayn-Wittgenstein" wäre, kann ich mir schlicht nicht erklären, warum dort nicht auch steht "Fürstin von Sayn-Wittgenstein, Doris." Wollen Sie mit der konkreten Listung in Ihrer Datenbank ein Privileg suggerieren? Werden Nachnamen nicht durchgängig gleichmäßig als Nachnamen behandelt und werden Namensträger, die eine Adelsbezeichnung im Namen tragen, anders gelistet als jeder andere Namensträger? Oder glauben Sie, dass die gelistete Parlamentarierin tatsächlich Fürstin ist?

Ich weise darauf hin, dass ich Ihre Antwort meinen Lesern mitteilen werde.

Vielen Dank.

Mit freundlichen Gruessen
Rechtsanwalt Ralf Möbius LL.M."

Sonntag, 3. Dezember 2017

"provinzieller Staatsanwalt" Teil 2

"Menschen, die miteinander Kaffee trinken und gemeinsam zu Mittag essen, pissen sich nicht gegenseitig ans Bein", lautete die kühne These einer Rechtsreferendarin, die sie im Jahre 2011 per E-Mail an ihren damaligen Ausbilder, einen Staatsanwalt, übersandte. Weitere mit gleicher E-Mail übersandte Bemerkungen zur Person ihres Ausbilders führten im Jahre 2013 zu einer Verurteilung wegen Beleidigung, die im Februar 2014 rechtskräftig wurde.

Die im August 2014 beantragte Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wurde der ehemaligen Rechtsreferendarin von der Rechtsanwaltskammer per Bescheid verwehrt, weil sie sich eines Verhaltens schuldig gemacht habe, das sie unwürdig erscheinen lasse, den Beruf einer Rechtsanwältin auszuüben. Ihre unprofessionellen Äußerungen und der respektlose Umgang mit anderen belege die Unfähigkeit, als Teil der Rechtspflege mit anderen, ggf. übergeordneten Organen, adäquat zu agieren und die Funktion der Rechtspflege sicherzustellen.

Der Anwaltsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen bestätigte den Ablehnungsbescheid durch Urteil vom 30.10.2015 zum Az.: 1 AGH 25/15, liess die Berufung wegen des Mangels besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten gar nicht erst zu und auch der Bundesgerichtshof in Anwaltssachen sah in seinem Beschluss vom 27.06.2016 zum Az.: AnwZ (Brfg) 10/16 keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Anwaltsgerichtshofs, der widerspenstigen Volljuristin die Anwaltszulassung zu verwehren. Die sich stets auf ihre Berufsfreiheit nach Artikel 12 GG berufende Antragstellerin hätte das Urteil nicht mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt, so dass die Nichtzulassung der Berufung und damit der angefochtene Bescheid rechtmäßig sei.

Um das endgültige Ergebnis der Auseinandersetzung vorwegzunehmen: Die Käffchentrinker bei der Rechtsanwaltskammer, dem Anwaltsgerichtshof Nordrhein-Westfalen und dem Anwaltssenat beim Bundesgerichtshof lagen falsch und die bis zum Bundesverfassungsgericht kämpfende Volljuristin hatte Recht. Die Versagung ihrer Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zwecks Ausübung des Berufs, für den sie die fachlichen Voraussetzungen hat und dessen Ausübung sie als Grundlage ihrer Lebensführung anstrebt, war ein schwerwiegender Eingriff in ihr Grundrecht auf die Freiheit der Berufswahl aus Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG, der durch entgegenstehende Gemeinwohlbelange nicht gerechtfertigt werden konnte und sich damit als rechtswidrig erwies.

Die bei der Rechtsanwaltskammer mit Zulassungsfragen betrauten Fachgremien, der Senat des Anwaltsgerichtshofes in einer Besetzung von drei Rechtsanwälten und zwei Berufsrichtern und der Senat für Anwaltssachen beim Bundesgerichtshof, besetzt mit der Präsidentin des Bundesgerichtshofs Limperg, der Richterin Roggenbuck, dem Richter Seiters nebst Rechtsanwalt Dr. Braeuer und Rechtsanwältin Merk, waren zwar in der Lage, den mahnenden Zeigefinger gegenüber der Antragstellerin mit Begriffen wie Berufsunwürdigkeit, Uneinsichtigkeit und mangelnder Reue zu erheben, nicht aber eine den Anforderungen der grundgesetzlich gewährten Berufsfreiheit genügende einzelfallbezogene Abwägung zu Gunsten der Bewerberin zu leisten.

Wenigstens hat das Bundesverfassungsgericht mit seinem Beschluss vom 22.10.2017 zum Az.: 1 BvR 1822/16 belegt, dass die 1. Kammer des Ersten Senats keine Grundstudiumsvorlesung zur Vertiefung der Bedeutung der verfassungsmäßigen Rechte aus den Art. 1 – 19 des Grundgesetzes mehr braucht.

Donnerstag, 30. November 2017

Turboquerulantin - jetzt am Landgericht Duisburg

Vielleicht erinnert sich ja noch jemand an die falsche Behauptung der Turboquerulantin auf Facebook, unser Mandant hätte ein Massaker im Amtsgericht Nienburg angedroht. Die Verbreitung dieser "Räuberpistole" war unserer Heldin vom Amtsgericht Duisburg-Ruhrort zunächst mit einer Säumnisentscheidung und schießlich durch Urteil vom 10.04.2017 zum Az.: 10 C 313/16 verboten worden.

Nachdem ihr tapferer und stets ausdauernder Rechtsanwalt aus Ettlingen schließlich die Flinte ins Korn geworfen hatte, versucht nun ein nicht minder zäher Anwalt aus Oberhausen die mittlerweile obdachlos gewordene Kampfmaschine mit dem leicht verschobenen Gerechtigkeitssinn im Berufungsverfahren aus den Klauen der Justiz zu befreien. Leider mit mäßigem Erfolg, wie ein ausführlicher Hinweisbeschluss des Landgerichts Duisburg vom 16.10.2017 zum Az.: 11 S 44/17 belegt.

Das Landgericht möchte dem munteren Zickzack-Kurs der Turboquerulantin nicht so recht folgen und beabsichtigt, die Berufung durch Beschluss zurückzuweisen. Auch die eher halbherzigen Äußerungen des in die Bresche gesprungenen Kollegen zu den Hintergründen des verworrenen Facebook-Krimis vermochten nicht wirklich zu überzeugen. Allerdings wurde die Stellungnahmefrist zur geplanten Zurückweisung der Berufung durch das Gericht für die Turboquerulantin großzügig verlängert, da ihr ein Krankenhausaufenthalt in die Quere gekommen ist. Vielleicht gelingt ja nach einer kurzen Erholungspause mit einem festen Dach über dem Kopf am Ende doch noch der große Wurf in einer bislang (noch) aussichtslos scheinenden Sache.

Sonntag, 26. November 2017

Kinderbild auf Facebook

Kinderbilder auf Facebook. Eine Seuche, die recht unkontrolliert durch das beliebte Social-Network schwappt. Wenn nur ein Elternteil das Sorgerecht innehat, läßt sich der Unfug allerdings recht einfach durch die sorgeberechtigte Mutter oder den sorgeberechtigten Vater stoppen. Ist nämlich die auf dem Foto abgebildete Person geschäftsunfähig, bedarf es der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters für die Veröffentlichung eines Bildes dieser Person. Bestenfalls bei einsichtsfähigen Minderjährigen wird als Ausfluss des Bestimmungsrechts des Minderjährigen eine Doppelzuständigkeit angenommen. Bei einem Kleinkind kommt es daher allein auf die Einwilligung des gesetzlichen Vertreters an. Wenn der sorgeberechtigte Elternteil die Kinderfotos des nicht sorgeberechtigten Elternteils nach einem Wochenendbesuch auf dessen Facebook-Profil unerträglich findet, lässt sich die Entfernung des Bildes durch eine Abmahnung per Anwalt oder bei Uneinsichtigkeit auch durch eine einstweilige Verfügung mit gerichtlicher Hilfe schnell durchsetzen. Die Argumente, "es sind meine Fotos" oder "es ist auch mein Kind", verhallen vor Gericht ungehört, wie jüngst das Amtsgericht Bremerhaven per Beschluss vom 09.05.2017 zum Az.: 56 C 750/17 bestätigt hat. Denn das Recht, über die nach § 22 KUG erforderliche Einwilligung für die Veröffentlichung des Kinderbilds zu entscheiden, steht gem. §§ 1626, 1626 a Abs. 2, 1627, 1629 BGB allein dem sorgeberechtigten Elternteil zu.

Donnerstag, 23. November 2017

Abmahnung.org und Fachanwalt.de

Längst hat es sich auch unter Anwälten rumgesprochen, dass über das Internet Mandate verteilt werden. Ich erinnere mich noch gut an eine Unterhaltung unter Kollegen im Jahre 2000, in der ein Anwalt meinte, dass er noch nie gehört hätte, dass auch nur ein einziges Mandat über eine Homepage gekommen sei. Zu diesem Zeitpunkt wurden etwa 60% meiner Mandate über rechtsanwaltmoebius.de generiert.

Das war allerdings auch im Bereich des Internetrechts, das damals gerade erst richtig anlief und bundesweit nur wenige Anwälte hinter dem Ofen vorgelockt hat. Den Titel "Fachanwalt für IT-Recht" gab es noch nicht und das EULISP Studienprogramm an der Leibniz Universität Hannover im Bereich der Rechtsinformatik war gerade angelaufen. Mittlerweile ist das erste Semester des LL.M.-Studiengangs im IT-Recht auf die Anforderungen an die theoretische Qualifikation für den Erwerb der Fachanwaltschaft Informationstechnologierecht nach § 14k FAO abgestimmt und Studenten können die von der Fachanwaltsordnung geforderten Kenntnisse während des Semsters in Hannover erwerben.

Heutzutage ist es auch kein Geheimnis mehr, dass es sich lohnt, die Begriffe, mit denen man als Rechtsanwalt mit seiner Internetpräsenz bei Google gefunden werden möchte, bereits in der Domain seines Auftritts zu führen. Auf diesen Umstand setzen auch die beiden Anwaltsportale "Abmahnung.org" und "Fachanwalt.de", die interessierten Kollegen die Möglichkeit geben, sich dort mit ihren Webseiten zu präsentieren. Eine solche Verlinkung auf die eigene Homepage dürfte angesichts der bekannten Google-Algorithmen für die eigene Präsenz durchaus nützlich sein und ist angesichts der von diesen Portalen angebotenen Inhalte und beworbenen Schlagworte "Abmahnung" und "Fachanwalt" durchaus zu empfehlen, wenn man seine Fachkenntnisse entsprechend bewerben möchte.

Weil es angesichts der unzähligen Anwaltswebsites für die ganz überwiegende Anzahl von Präsenzen naturgemäß unmöglich ist, bei beliebten Suchworten auf der ersten Seite bei Google angezeigt zu werden, gibt es so wenigstens Hoffnung, in einem nach Orten strukturierten Internetverzeichnis neue Mandate generieren zu können. Unschlagbar sind natürlich eigene und möglichst exklusive Inhalte für den Netzauftritt, bei dem man darauf achten muss, dass dieser auch für Mobilgeräte optimiert sein muss, um Google gnädig zu stimmen. Altbackene Programmierungen, die sich nicht auf Smartphones darstellen lassen, werden nämlich von Google gnadenlos mit Verliererplätzen abgestraft, wie ich selbst leidvoll erfahren musste.

Ich hatte als Handyverweigerer eigentlich vor, das Grundgerüst meiner seit 1999 bestehenden Homepage nie zu ändern und wollte mich bis ans Ende meines Berufslebens nicht nur mit einem veralteten Foto präsentieren, sondern auch mit einem Design aus dem vorigen Jahrhundert. Nachdem mich Google aber monatelang freundlich darauf hingewiesen hatte, dass meine Seite nicht für mobile Endgeräte optimiert sei und ich die Raten für meinen gebrauchten Ferrari kaum noch zahlen konnte, hat mir ein guter Freund unter die Arme gegriffen und meine Website unter vollständiger Aufrechterhaltung der internen Struktur neu programmiert. Ist immer noch oldschool, aber Google mag mich wieder und bis zum Ruhestand sollte es reichen.

Dienstag, 21. November 2017

Schiedsmann verarscht Anwalt

In meinem Studium und Referendariat hat das Schiedswesen überhaupt keine Rolle gespielt, Kenntnisse darüber wurden mir jedenfalls nicht vermittelt und auch in meinen juristischen Examina hat diese Unkenntnis keinen Nachteil bedeutet. Als Anwalt sieht das ganz anders aus, denn für bestimmte Streitigkeiten ist ein Schiedsverfahren zwingend vorgeschrieben, bevor sich ein Amtsgericht inhaltlich damit befassen kann. Dazu zählen das Nachbarrecht, Ansprüche wegen Verletzung der persönlichen Ehre und einige Ansprüche aus dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz. Erhebt ein Rechtsanwalt Klage ohne ein obligatorisches Schlichtungsverfahren durchgeführt zu haben, wird diese vom Amtsgericht als unzulässig abgewiesen und der Mandant bleibt auf allen Kosten sitzen, auch wenn er noch so grob beleidigt wurde.

In einem gerade vor dem Amtsgericht Burgdorf verhandelten Streit unter Nachbarn um Hunde und veröffentlichte Schreiben mit den Personalien der Klägerinnen über das Internetportal Facebook fanden die Parteien mit Hilfe eines Schiedsmannes in erster Runde eine gemeinsame Lösung. Allerdings veröffentlichte die Beklagte das Protokoll der Sitzung vor dem Schiedsmann und einen Artikel aus der Zeitung über die Arbeit des Schiedsmannes unter Hinweis auf die Klägerinnen auch wieder über Facebook, so dass der Streit in eine neue Runde ging.

Soweit nicht unbedingt spannend, denn der Anwalt der Klägerinnen beantragte umgehend ein neues Schiedsverfahren und machte bis zu diesem Zeitpunkt alles richtig. Wenn nicht der Schiedsmann gewesen wäre, der auf den erneuten Antrag folgendes antwortete, wäre die Sache auch nicht der Rede wert, aber es kam eben anders: „Nach dem Niedersächsischen Schlichtungsgesetz (NSchlG) Leitlinien § 1 VV zum NschlG Obligatorische Streitschlichtung 2.1.2 handelt es sich in diesem Fall nicht um eine obligatorische Streitschlichtung, d.h., dass dieser Fall nicht schiedsamtspflichtig ist und eine Schlichtungsverhandlung vor dem Schiedsamt nicht vorgeschaltet sein muss. Ich bitte Sie sich deshalb in dieser Sache mit Ihren Anwälten in Verbindung zu setzen, damit Sie den weiteren Verfahrensweg abklären können.“

Man ahnt das Drama, was nun folgte. Der wackere Rechtsanwalt der Klägerinnen verließ sich auf die Einschätzung des Schiedsmannes und erhob schnurstracks Klage auf Unterlassung vor dem Amtsgericht Burgdorf mit dem Ziel, die Veröffentlichung des dem ersten Streit vorangegangenen Schlichtungsverfahrens und damit zusammenhängende ehrverletzende Kommentare zu unterbinden.

Da § 1 Abs. 2 Nr. 3 des Niedersächsischen Schlichtungsgesetzes die außergerichtliche Streitschlichtung nur für Verletzungen der persönlichen Ehre vorschreibt, die nicht in Presse oder Rundfunk begangen worden sind, entbrannte ein Streit darüber, ob das soziale Netzwerk Facebook insoweit nicht auch zu Presse und Rundfunk gezählt werden müsste, so dass ein Schlichtungsverfahren entbehrlich gewesen wäre. Das Amtsgericht Burgdorf gab zunächst einen richterlichen Hinweis auf den Beschluss des Landgerichts Oldenburg zum Az.: 5 T 529/12 und entschied sich mit Urteil vom 14.11.2017, Az.: 5 T 529/12, erwartungsgemäß dafür, Facebook nicht mit Presse und Rundfunk gleichzusetzen und wies die erhobene Klage als unzulässig ab. Ein Schlichtungsverfahren hätte trotz anderslautender Behauptung des zunächst angerufenen Schiedsmannes durchgeführt werden müssen. Böser Schiedsmann ;-)

Sonntag, 19. November 2017

männlich, 55+ und einem "Nein" nicht gewachsen

Es gibt viele Fälle, in die steigt man als Anwalt ein und ist sich relativ sicher, dass der Rechtsstreit spätestens nach einer Instanz beendet sein wird. Der Grund dafür ist regelmäßig die als eindeutig abzuschätzende Rechtslage und bisweilen auch die Schriftsätze des gegnerischen Kollegen, aus denen man abzulesen meint, dass er mit der den Fall beherrschenden Rechtsmaterie nicht besonders vertraut ist und dem Anspruch der eigenen Mandantschaft daher wenig entgegenzusetzen hat. Das passiert häufiger im Markenrecht, in denen hohe Streitwerte die Regel sind und im Markenrecht nicht besonders bewanderte Kollegen die Sache genau aus diesem Grund ungern aus der Hand geben, sollte sich einmal ein Mandant mit entsprechendem Anliegen zu ihnen verirren. Jeder Rechtsanwalt möchte ab und an auch mal überdurchschnittlich hohe Gebühren kassieren.

Vielen Kollegen ist der Umstand daher nicht bewußt, dass das Markenrecht nicht nur eingetragene Marken durch die Eintragung eines Zeichens als Marke in das vom Patentamt geführte Register gem. § 4 Markengesetz schützt, sondern ohne formelle Eintragung in gleicher Weise auch geschäftliche Bezeichnungen in Form eines Unternehmenskennzeichens oder Werktitels gem. § 5 Markengesetz. Der Schutz einer geschäftlichen Bezeichnung entsteht dann durch deren Benutzung im Geschäftsverkehr und ist mangels formeller Eintragung in ein Register natürlich deutlich schwerer nachzuweisen. Als Rechtsanwalt ist man in einem solchen Fall gefordert, einen Haufen Rechnungen, Briefverkehr und sonstige Unterlagen bei Gericht einzureichen, die eine möglichst lückenlose Benutzung der geschäftlichen Bezeichnung im Geschäftsverkehr nachweisen.

Wenn man dann einen schweren Packen an Unterlagen als Anlagen zur Klage bei Gericht eingereicht hat, um das eigene Recht zu belegen und in der Klageerwiderung liest "Es bleibt auch angesichts der immensen Stärke des vorgelegten Schriftsatzes, der dann allerdings nur fünf Seiten Vortrag enthält, die Frage offen, was die Klägervertreter mit einem solchen Vorgehen überhaupt erreichen wollten.", kann man darauf vertrauen, dass der Kollege den zentralen Punkt der Klage überhaupt nicht erkennt und die mühsam vorgetragene Benutzung der Geschäftsbezeichnung nicht angreifen wird. Sollte dann in einem weiteren Schriftsatz behauptet werden, "dass die Klägerin gleichwohl die von ihr behaupteten Rechte gerade nicht haben kann, da insoweit der Auszug aus dem DPMA-Register deutlich zeigt, dass die Schutzrechte für die Zeichenfolge, die sich dann insoweit aus der Eintragung des Markenrechts in das Register ergibt, bei ganz anderen Rechtsinhabern liegen als bei der Klägerin", scheint die Sache definitv gelaufen.

Umso überraschender ist es daher, wenn der durch das Markenrecht strauchelnde Kollege trotz didaktisch hervorragend aufgebautem Urteil erster Instanz in die Berufung geht. Die Überraschung legt sich ein wenig, wenn man in der Berufungsbegründung den schlechten Bauerntrick einer zwischenzeitlich zu Gunsten der Beklagten beim DPMA angemeldeten und natürlich gleichlautenden Marke zur Kenntnis nimmt. Dass die Priorität der früher aufgenommenen Geschäftsbezeichnung die nachträglich eingetragene Marke als Verteidigungsinstrument in zweiter Instanz wertlos erscheinen lässt, wusste der Kollege natürlich auch nicht. Das Oberlandesgericht war in der mündlichen Verhandlung freundlich und ließ erst den Kollegen und dann sogar den Geschäftsführer der Beklagten ausführlich Stellung nehmen. Die Rücknahme der Berufung war dennoch kein Thema.

Trotzdem hat es die Beklagte abermals geschafft, mich zu überraschen. Der Bundesgerichtshof in Zivilsachen übersandte mir den Schriftsatz eines beim BGH zugelassenen Anwalts, in dem dieser darum bat, die Frist für die Begründung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im betreffenden Rechtsstreit um zwei Monate zu verlängern. Ich habe mich schon zu Beginn des Prozesses gefragt, was den Geschäftsführer einer Firma dazu treibt, wissentlich den Namen einer bereits in Hannover existierenden Firma für seine Neugründung zu wählen. Ist die Namensführung derart gewinnträchtig, dass man bereit ist, in Abmahnkosten bis hin zu den Kosten der Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof zu investieren, nur um möglichst lange den Namen nutzen zu können? Die einzig überzeugende Antwort gab mir die Mandantin selbst und ich habe sie deshalb zur Überschrift werden lassen.       


Mittwoch, 1. November 2017

Anwaltstypen: Der Frustbeißer

Es war eine unspektakuläre Sache im Wohnungseigentumsrecht am Amtsgericht Hannover. Die Entlastung für den Verwalter und den Verwaltungsbeirat sowie ein Beschluss über Zahlungsrückstände der Kläger scheiterten an formalen Voraussetzungen, Streitwert um die EUR 1.000,-. Allerdings war ein promovierter Rechtsanwalt Mitglied der beklagten Wohnungseigentümergemeinschaft und insofern natürlich Anführer der übrigen Miteigentümer. Die vollständige Niederlage der WEG-Mannschaft unter seinem Kommando scheint jedoch einen erheblichen Gesichtsverlust für den Kollegen mit sich gebracht zu haben, so dass dem eindeutigen Urteil taktische Spielchen inclusive Verwalterrücktritt ohne Nachfolgeregelung mit diversen Zustellungsproblemen folgten.

Wie man nach der unvermeidlichen und selbstredend erfolglosen Beschwerde gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss seine Enttäuschung über die unerwartete Niederlage weitergehend kompensieren kann, habe ich erst in diesem Verfahren gelernt: Der Befangenheitantrag gegen die den Kostenfestsetzungsbeschluss erlassende Rechtspflegerin und schließlich die sofortige Beschwerde gegen den entsprechenden Zurückweisungsbeschluss. Die Beschlüsse des Amtsgerichts Hannover und des Landgerichts Lüneburg sind lesenswert, jedoch nicht so unterhaltsam, wie die Ausführungen des umtriebigen Kollegen, der sich am Ende sogar noch die Verfahrensakten zur Ansicht kommen ließ - nicht ohne einen lehrreichen Hinweis, den ich so auch noch nicht gelesen hatte: "Es wird darum gebeten, eine sichere Versendungsform und einen zuverlässigen Zustelldienst zu wählen. Es wird weiterhin darum gebeten, den Versendungsstatus und den gewählten Zustelldienst per E-Mail mitzuteilen. Soweit die Versendung mit Rückschein erfolgt, wird um Rücklaufkontrolle gebeten und darauf hingewiesen, dass Rückscheine nur von der Kanzlei des Unterzeichners stammen, wenn sie den Kanzleistempel tragen."

Den Befangenheitsantrag gegen die Rechtspflegerin kann man wie folgt zusammenfassen. Soweit die Rechtspflegerin eine Überprüfung von Zustellungen tatsächlich vorgenommen hätte, wäre ihr aufgrund dieses Vermerks sofort klar gewesen, dass nicht an alle Beklagten eine Zustellung erfolgt ist. Demgemäß wäre sofort eine weitere umfassende Überprüfung notwendig gewesen. Allein anhand der Aktenlage ist feststellbar, dass die Angelegenheit nicht ordnungsgemäß von der Rechtspflegerin bearbeitet worden ist. Wie nachlässig die Rechtspflegerin in dieser Angelegenheit tätig war, ergibt sich im übrigen neben den bereits ausgeführten Punkten auch aus dem Umstand, dass sie in der Verfügung vom 20.02.2017, vgl. Blatt 205 d. A., nicht in der Lage ist, den Unterzeichner ordnungsgemäß zu bezeichnen, wie dies ansonsten in dem Verfahren stets erfolgt ist. Zusammenfassend ist damit festzustellen, dass Fehler bezüglich der Zustellung nicht bei der Serviceeinheit, sondern bei der Rechtspflegerin liegen und die Rechtspflegerin weder in der Lage ist, den Unterzeichner ordnungsgemäß zu benennen noch eine ordnungsgemäße Versendung der Akten zu gewährleisten.

Denn zu allem Übel war die Verpackung der versendeten Akten beim Empfang arg beschädigt worden. Wie man aus den Vorwürfen bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Zweifel an der Unvoreingenommenheit der Rechtspflegerin konstruieren kann, hat der verbissene Kollege leider nicht erläutert. Das war aber wohl auch nicht das eigentliche Ziel stundenlanger Mühen.

Mittwoch, 25. Oktober 2017

Claudia Roth nicht ekelhaft IV

Wenn der Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts Prof. Dr. Ferdinand Kirchhof, flankiert von den Verfassungsrichtern Prof. Dr. Johannes Masing und Prof. Dr. Andreas L. Paulus, vereint in der 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts, irgendein Wort über die Verfasssungsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Brühl vom 24.08.2016, Az.: 50 Ds-121 Js 882/15-229/16, das Urteil des Landgerichts Köln vom 03.02.2017, Az.: 157 Ns 102/16 und den Beschluss des Oberlandesgerichts Köln vom 02.06.2017, Az.: III-1 RVs 110/17, verloren hätten, um in aller Kürze zu erläutern, warum die in einer privaten E-Mail an eine einzige Person gerichtete Äußerung „Wie lange soll eigentlich noch der Eidbruch (...Schaden vom deutschen Volke abwenden,..) von Merkel durch devote Bürgermeister und Landräte unterstützt werden? Kriegt hier vor Feigheit wieder mal keiner sein Maul auf?! Oder beginnt hier die humane Ausrottung des deutschen Volkes durch vollständige Durchrassung? So wurde es jedenfalls von dieser ekelhaften Claudia Roth in einer Talkshow herbeigesehnt!“ den sozialen Geltungsanspruch von Frau Roth als Politikerin derart massiv bedroht, dass das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Art. 5 Abs. 1 GG vollständig zurückzutreten hat und nicht etwa Frau Roth als prominente Vertreterin einer politischen Richtung im Kontext dieser nicht öffentlich geäußerten Kritik angesichts der geringstmöglichen Streubreite der Kritik diese noch hinzunehmen hat, hätte ich mich wahrscheinlich ohne zu murren der nahezu unantastbaren Kompetenz der 3. Kammer des Ersten Senats gebeugt. Haben sie aber nicht.

Da eine Verfassungsbeschwerde der Annahme zur Entscheidung bedarf und für die Ablehnung der Annahme der Verfassungsbeschwerde keine Begründung notwendig ist, konnten die drei Richter das höchstinstanzliche Aufbegehren des Rothlästerers per Beschluss vom 17.09.2017 zum Az.: 1 BvR 1541/17 mit wenig mehr als einem Federstrich beenden. Vielleicht hatten sich die Verfassungsrichter am Vortag einfach über eine unzulässige Beschwerde mit einem frechen Befangenheitsantrag derart geärgert, dass sie den Folgetag dazu genutzt haben, ihren Schreibtisch schnell, gründlich und ohne überflüssige Worte aufzuräumen.

Claudia Roth nicht ekelhaft I
Claudia Roth nicht ekelhaft II
Claudia Roth nicht ekelhaft III

Sonntag, 22. Oktober 2017

Turboquerulantin obdachlos

Wer in den letzten Wochen am Amtsgericht Nienburg ein und aus ging, mag sich über ein altes Mütterchen gewundert haben, dass am Eingang des Nienburger Gerichtszentrums um Spenden für die Begleichung von Ordnungsgeldern bettelte. Gerüchte besagen, dass es sich bei der still in der Ecke des Eingangs kauernden Frau um die einstmals so stolze Turboquerulantin gehandelt habe, die sich nicht mehr anders zu helfen wusste, als die vorbeiziehenden Gerichtsbesucher um eine milde Gabe zu bitten.

Kein Gerücht ist es dagegen, dass die Turboquerulantin bedingt durch die Zwangsversteigerung ihres Hauses derzeit obdachlos ist und dem Vernehmen nach bei wechselnden Bekannten unterkommt.* Aus verlässlicher Quelle wird außerdem berichtet, dass es innerhalb der Familie der Turboquerulantin zu erheblichen Spannungen gekommen ist und sich die eigene Nachkommenschaft mittlerweile um anwaltlichen Beistand bemüht hat, damit der sich ausweitende Schaden in den eigenen Reihen in einem für die Familie erträglichen Rahmen gehalten werden kann. Ob sich das Türbchen auch jetzt noch im Raum Nienburg verkriecht, ist unklar, schließlich ist sie eine bundesweite Widerstandsikone, deren Fans deutschlandweit verteilt sind und sicher nicht zögern werden, Tisch und Bett mit ihr zu teilen.

Dass die Nienburger Richterschaft zwecks dauerhafter Anmietung einer außerhalb des Amtsgerichtsbezirks Nienburg gelegenen Unterkunft für die Turboquerulantin zusammengeschmissen hat, um in Zukunft mangels Zuständigkeit für kommende Verfahren gegen den unbeugsamen Richterschreck aus der Schusslinie zu geraten, ist natürlich nur eine abwegige Story, die wider besseren Wissens in den allerdunkelsten Gruppen auf Facebook verbreitet wird. Wir wünschen der Turboquerulantin von Hannover aus alles Gute und hoffen, dass ihre nun anstehende Fan-Tour kreative Kräfte freisetzt, die den von ihr maßgeblich geprägten deutschen Enthüllungsjournalismus in neue Höhen katapultiert.

*Nach eigenen Angaben ist die Turboquerulantin aktuell nicht mehr obdachlos. Gerichtliche Zustellungen konnten im Jahre 2019 und 2020 an eine Adresse in Hoya bewirkt werden. Hannover, den 10.04.2020.

Mittwoch, 18. Oktober 2017

Heute vor 40 Jahren

starben in der Justizvollzugsanstalt Stuttgart Stammheim die Anführer der Rote Armee Fraktion (RAF) Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe in ihren Gefängniszellen. Irmgard Möller überlebte die "Todesnacht von Stammheim" schwer verletzt. Am frühen Morgen des gleichen Tages wurde die Entführung des Lufthansa-Flugzeugs „Landshut“ in Mogadischu durch die GSG 9 gewaltsam beendet. Die Flugzeugentführung sollte dazu dienen, elf in Deutschland inhaftierte RAF-Mitglieder - unter anderem die Toten - freizupressen. Andreas Baader starb an einem Genickschuss, Jan-Carl Raspe starb an einem Schuss in die rechte Schläfe und Gudrun Ensslin wurde mit einem Kabel am Fensterkreuz ihrer Zelle hängend aufgefunden. Am selben Fenster wurde ein Jahr zuvor bereits Ulrike Meinhof erhängt entdeckt.

Die offizielle Todesursache aller Inhaftierten lautet Selbstmord. Die Theorie der Ermordung der Häftlinge wird allgemein als Verschwörungstheorie bezeichnet. Die mit vier Einstichen in der Herzgegend aufgefundene Überlebende Irmgard Möller bestreitet den kollektiven Selbstmord und gibt an, dass einer von vier Stichen mit großer Wucht ausgeführt worden sei und ihren Herzbeutel getroffen habe. Sie sagte: "Wir wollten nicht sterben, wir wollten da sein. Und wir wussten andererseits, dass der Apparat die Vorstellung hatte, mit uns, vor allem mit Andreas und Gudrun, die ganze RAF auslöschen zu können, sich die ganze Guerilla mit einem Schlag vom Hals zu schaffen."

Auch wenn man an die Umstände des tödlichen Schusses des Kriminalbeamten Karl-Heinz Kurras auf den Studenten Benno Ohnesorg am 2. Juni 1967 im Anschluss an eine politische Demonstration denkt, bei dem Ärzte Schädelteile um das Einschussloch herum entfernten, die Kopfhaut wieder zunähten und im Totenschein als Todesursache angaben: "Schädelverletzung durch stumpfe Gewalteinwirkung", kann man in Anbetracht der Gesamtumstände zu dem Schluss kommen, dass offizielle Darstellungen nicht immer stimmen müssen.

Schließlich wiederholten sich ähnliche Fehler im Zuge des Todes des RAF-Mitglieds Wolfgang Grams am 27. Juni 1993, der auf dem Bahnhof in Bad Kleinen ebenfalls an einem Kopfschuss starb. Wolfgang Grams hatte zuvor bei einem Schusswechsel den GSG 9-Beamten Michael Newrzella erschossen. Das Projektil, das für den tödlichen Kopfschuss bei Grams verantwortlich war, wurde nie gefunden. Vor der Obduktion am nächsten Tag wurde Grams’ Kopf gewaschen, einige Haare weggeschnitten, weggeworfen und die Hände zur Abnahme von Fingerabdrücken gereinigt. Eindeutige Schmauch-, Blut- und Gewebespuren am Körper von Grams konnten nicht sichergestellt werden. Die offizielle Todesursache von Wolfgang Grams lautete ebenfalls Selbstmord.

Sonntag, 8. Oktober 2017

Der Baum als Strafe Gottes

Es geht natürlich nicht um den Baum als solchen, sondern um einen umgestürzten Baum, der während des Sturms „Xavier“ am 05. Oktober 2017 in Berlin die Journalistin Sylke Tempel erschlug. Insbesondere geht es um die Äußerung des Journalisten Martin Lejeune auf Twitter "Die Gebete der Muslime wurden erhört Der Baum ist die Strafe Gottes für Sylke Tempel's Taten. Gottes Gerechtigkeit siegt الله أكبر@SylkeTempel.".

Informativ zu diesem Sachverhalt ist der Umstand, dass Frau Tempel Nahost-Korrespondentin, Redakteurin der „Jüdischen Allgemeinen“ und Chefredakteurin der von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik herausgegebenen Zeitschrift „Internationale Politik“ war.

Der Journalist Martin Lejeune konvertierte nach eigenen Angaben bereits im Jahr 2003 zum Islam und bekannte sich am 05.07.2016 jedenfalls öffentlich zu seinem islamischen Glauben. Martin Lejeune behauptet "Der Islam ist die Religion des Friedens" und zeichnet sich durch eine Befürwortung der offiziellen türkischen Politik und eine pro-palästinensische Grundhaltung aus. Abseits seiner auf Twitter geäußerten Meinung bezeichnet er die ums Leben gekommene Journalistin Sylke Tempel als Unterstützerin des zionistischen Kolonialisierung-Projektes in Palästina, der andauernden Vertreibung der Palästinenser und als eine Gegnerin der Türkei.

Nach seinem auf breite Ablehnung stoßenden Twitter-Kommentar zum Tod von Frau Tempel ließ der Ruf nach strafrechtlichen Sanktionen nicht lange auf sich warten. Der mittlerweile weit verbreitete Hang, unpopulären oder abstoßenden Kommentaren insbesondere auf Facebook oder Twitter mit Strafanzeigen zu begegnen, ist ein Trend, der durch eine meinungsfeindliche Rechtsprechung oftmals seine Bestätigung findet. Die Idee, gesellschaftliche Außenseiter mit dem geltenden Recht zu disziplinieren, gefällt natürlich nicht nur den konkret von scharfer Kritik getroffenen Gegenspielern, sondern auch der von der Allgegenwärtigkeit des Internets in die Enge getriebenen Politik, die in Deutschland bereits mit dem Gesetz zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken reagiert hat, welches eine Löschung unzulässiger oder auch nur kritischer Inhalte abseits staatlicher Kontrolle begünstigt.

Im konkreten Fall wurde Martin Lejeune wegen des Verdachts der Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener gem. § 189 StGB angezeigt. Der objektive Tatbestand des Verunglimpfens des Andenkens Verstorbener kann durch ein unzulässiges Werturteil im Sinne einer Beleidigung nach § 185 StGB, durch die Behauptung einer nicht erweislich wahren Tatsachen nach § 186 StGB aber auch in der Form einer wider besseren Wissens abgegebenen unwahren Tatsachenbehauptung gem. § 187 StGB erfüllt werden.

Angesichts der in Deutschland nach Art. 5 GG geschützten Meinungsfreiheit und der nach Art. 4 GG gewährten Religionsfreiheit ist der Wunsch der nach Strafe rufenden Laien in einer zunehmend meinungsfeindlichen Gesellschaft zwar verständlich, juristisch allerdings unvertretbar. Denn einer Religion, der das Konzept eines Gottes entnommen werden kann, wonach dieser nicht willkürlich sondern nach Plan handelt und den irdischen Weltenverlauf bereits detailliert vorbestimmt hat, ergäbe sich auch der Tod von Frau Tempel als Schöpfungshandeln Allahs: "Weißt du denn nicht, dass Allah es ist, der die Herrschaft über die Himmel und die Erde hat, und dass ihr außer Allah weder Schutzherrn noch Helfer habt?"

Den Unfalltod von Frau Tempel insoweit als Strafe einzuordnen, scheint nachvollziehbar. Da Teil der Religionsfreiheit die Bekenntnisfreiheit als das Recht, seinen Glauben auch privat oder öffentlich auszudrücken ist, durfte Herr Lejeune als Muslim selbstverständlich den sich aus seiner religiösen Überzeugung heraus ergebenden Umstand öffentlich äußern, dass der Tod von Frau Tempel die Strafe seines Gottes sei. Denn der Schutz der Grundrechte erlaubt dem Äußernden auch, seine Überzeugung unabhängig davon kundzutun, ob sie "wertvoll" oder "wertlos", "richtig" oder "falsch", emotional oder rational begründet ist.

Mittwoch, 4. Oktober 2017

Verband Deutscher Rechtssachverständiger

Das Rechtsdienstleistungsgesetz erlaubt grundsätzlich außergerichtliche Rechtsdienstleistungen, die nicht im Zusammenhang mit einer entgeltlichen Tätigkeit stehen. Allerdings müssen unentgeltliche Rechtsdienstleistungen außerhalb familiärer oder persönlicher Beziehungen wenigstens unter Anleitung einer Person mit Befähigung zum Richteramt erfolgen. Kurz gesagt, ein Volljurist mit zwei Staatsexamina muss irgendwie im Spiel sein, wenn gefährliches Halbwissen kostenlos unters Volk gestreut werden soll. Die Verbreitung von kostenpflichtigem Halbwissen erfolgt ja bekanntermaßen exklusiv durch Anwälte und Richter.

Da sich ein Teil der Bürger innerhalb der Landesgrenzen unserer schönen Republik aber immer mehr von den gängigen Gesetzen abwendet und aus verschiedenen Gründen die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland ablehnt, innerhalb derer ausgebildete Volljuristen ihre professionelle Hilfe anbieten, entstand in letzter Zeit ein erheblicher Bedarf an Rechtsberatung außerhalb des anerkannten Rechtssystems. Was machen Reichsbürger oder Reichsdeutsche, die sich nicht alleine vor einer Justiz verantworten wollen, die sie als solche nicht anerkennen und die ihnen zu ihrer Unterstützung natürlich nur Systemknechte anbietet, die sich "Rechtsanwalt" nennen?

In diese Marktlücke scheint der Verband Deutscher Rechtssachverständiger zu stoßen, der nach eigenen Angaben "als Beistand vor BRD-Behörden, auf der Rechtsgrundlage des Deutschen Reichs 1871, unter Beachtung von internationalen Gesetzen und den derzeit noch bestehenden Besatzungsvorschriften" berät, handelt und hilft." Sage und schreibe über 2500 Rechtssachverständige und Rechtskonsulenten sollen bis heute ausgebildet worden sein, deren Tätigkeit als ein wichtiger Träger für die Herstellung der Handlungsfähigkeit des Volks- und Heimatstaats Deutsches Reich bezeichnet wird. Eine klare Empfehlung für den Verband kann ich leider nicht aussprechen, da meine systemkonforme Ausbildung außerhalb des Verbands Deutscher Rechtssachverständiger selbstredend erhebliche Lücken aufweist, die ich auch in absehbarer Zeit nicht zu schließen vermag. Lesenswert ist die Website des Verbands aber allemal.

Freitag, 29. September 2017

Polizeiverordnung über die Kennzeichnung von AfD-Parlamentariern im Deutschen Bundestag

Auf Grund der Verordnung des Bundestagspräsidenten vom 01. Oktober 2017 wird verordnet:

§ 1. (1) AfD-Parlamentariern ist es verboten, sich in den Räumen des Bundestags ohne AfD-Plakette zu zeigen.

(2) Die AfD-Plakette besteht aus einem handtellergroßen Quadrat aus hellblauem Stoff mit der roten Aufschrift "AfD". Sie ist sichtbar auf der rechten Brustseite des Kleidungsstücks fest aufgenäht zu tragen.

§ 2. AfD-Parlamentariern ist es verboten,
a) den nicht für sie besonders gekennzeichneten Bereich in der Bundestagskantine ohne eine schriftliche Erlaubnis des Bundestagspräsidenten zu nutzen;
b) im Bereich des Bundestags mit anderen Parlamentariern ohne deren ausdrückliche schriftliche Erlaubnis zu kommunizieren.

§ 3. (1) Wer dem Verbot der §§ 1 und 2 vorsätzlich oder fahrlässig zuwiderhandelt, wird mit Geldstrafe bis zu 150 Euro oder mit Haft bis zu sechs Wochen bestraft.

(2) Weitergehende polizeiliche Sicherungsmaßnahmen sowie Strafvorschriften, nach denen eine höhere Strafe verwirkt ist, bleiben unberührt.

§ 4. Die Polizeiverordnung tritt am Tage nach ihrer Verkündung in Kraft.

Berlin, den 01. Oktober 2017.

Der Bundestagspräsident

Montag, 25. September 2017

Claudia Roth nicht ekelhaft III

Erst in der dritten Instanz erkannten die Richter des OLG Köln nun, dass die folgende E-Mail eines aufgebrachten Bürgers an den ehemaligen Flüchtlingskoordinator der Stadt Brühl keine Schmähkritik war:

„Wie lange soll eigentlich noch der Eidbruch (...Schaden vom deutschen Volke abwenden,..) von Merkel durch devote Bürgermeister und Landräte unterstützt werden? Kriegt hier vor Feigheit wieder mal keiner sein Maul auf?! Oder beginnt hier die humane Ausrottung des deutschen Volkes durch vollständige Durchrassung? So wurde es jedenfalls von dieser ekelhaften Claudia Roth in einer Talkshow herbeigesehnt!“.

Man musste kein Volljurist sein, um erkennen zu können, dass die Ausführungen des Amtsgerichts Brühl im Urteil vom 24.08.2016 zum Az.: 50 Ds-121 Js 882/15-229/16 falsch waren: „Nicht von seinem Recht auf Bezeichnung und Aufführung von angeblichen Missständen ist hingegen die persönliche Diffamierung eines Politikers, zumal sie ohne jeden Sachzusammenhang zu der von ihm vorgenommenen Kritik steht.“ Auch das Landgericht Köln war in seinem Urteil vom 03.02.2017 zum Az.: 157 Ns 102/16 nicht in der Lage, die angegriffene Kritik fachgerecht einzuordnen: "Die Bezeichnung steht auch nicht in irgendeinem inhaltlichen Zusammenhang zu den sonstigen zulässigen Äußerungen des Angeklagten."

Die überfällige Korrektur der richterlichen Fehleinschätzungen erster und zweiter Instanz leistete erst das OLG Köln in seinem Beschluss vom 02.06.2017 zum Az.: III-1 RVs 110/17 unter Hinweis auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 29. Juni 2016, 1 BvR 2646/15. Soweit das Tatgericht der Sache nach davon ausging, bei der Bezeichnung von Frau Roth als „ekelhaft“ handele es sich um Schmähkritik, vermochte der Kölner Senat dem nicht zu folgen. Es sei „für den Streitfall nicht zu verkennen, dass der Verwendungskontext (jedenfalls auch) auf die politische Auffassung von Frau Roth zu einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage, nämlich der Flüchtlingsfrage, zielt.“

Bei der durch die zutreffende Einordnung der Äußerung erforderlich werdenden Abwägung zwischen dem Grundrecht des Angeklagten aus Art. 5 Abs. 1 GG und dem Persönlichkeitsrecht von Claudia Roth war für den Senat allerdings bestimmend, „dass die Bezeichnung von Frau Roth als „ekelhaft“ eine Ehrkränkung von erheblichem Gewicht darstellt, wird ihr als Person doch - wie das Tatgericht mit Recht ausführt - eine Eigenschaft als gleichsam invariant zugeschrieben, die gemeinhin mit dem Auslösen von erheblichen negativen, nicht nur psychischen, sondern insbesondere auch körperlichen Sensationen beim Gegenüber in Verbindung gebracht wird. Vom Ekelhaften wendet sich jedermann ab. Der soziale Geltungsanspruch des solchermaßen Angegangenen ist massiv in Frage gestellt.“

Leider spielte bei der erforderlichen Gewichtung der Rechte des Angeklagten der Umstand überhaupt keine Rolle, dass die streitgegenständliche Kritik nicht öffentlich verbreitet wurde, sondern nur Inhalt einer privaten E-Mail war. Es wäre interessant gewesen zu erfahren, wie durch eine einzige E-Mail der soziale Geltungsanspruch von Frau Roth als Politikerin derart massiv bedroht werden kann, dass das Grundrecht des Angeklagten aus Art. 5 Abs. 1 GG vollständig zurückzutreten hat. Die Strenge eines Strafsenats am OLG Köln scheint dabei diejenige eines Zivilsenats des gleichen Gerichts deutlich zu überschreiten, wie man dem Beschluss des 15. Zivilsenats des OLG Köln vom 07.04.2016 zum Az. 15 W 14/16 entnehmen kann, in dem es um eine öffentlich geäußerte Kritik an Frau Roth ging.

Da der 1. Strafsenat des OLG Köln zudem nicht ein Wort über die ebenfalls in Rede stehende Verurteilung wegen Beleidigung anlässlich einer Auseinandersetzung unter Hausbewohnern verloren hat, obwohl für die dort streitgegenständlichen Äußerungen ein Freispruch des Angeklagten wegen unstreitig erfolgter wechselseitiger Beleidigungen im Sinne des § 199 StGB in Betracht kam, ruhen die Hoffnungen des Angeklagten nun auf der Einsichtsfähigkeit des Bundesverfassungsgerichts.

Mittwoch, 20. September 2017

Deutschlands Justiz ist noch lange nicht am Ende

Den Beweis hierfür liefert wie folgt der Kreis Borken – Der Landrat:

Ordnungswidrigkeit nach dem Gesetz zum Schutz der Natur in Nordrhein-Westfalen (Landesnaturschutzgesetz - LNatSchG NRW) Grünlandmahd von außen nach innen auf einer landwirtschaftlich genutzten Fläche in Borken-Borkenwirthe, Klosterdiek / Mittbrake

Az.: 2017/270            14.09.2017

Sehr geehrter Herr xxxxxxxx,

in dem gegen Sie eingeleiteten Ordnungswidrigkeitenverfahren erteile ich Ihnen eine

V e r w a r n u n g.

Ich erhebe ein Verwarnungsgeld von 50,00 Euro.

Begründung:

Am 14.05.2017 wurde gegen Sie bei der Kreispolizeibehörde Borken Strafanzeige erstattet. Ihnen wurde vorgeworfen, am gleichen Tag gegen 14 Uhr auf einer landwirtschaftlich genutzten Fläche an der Kreuzung Klosterdiek / Mittbrake in Borken-Borkenwirthe Grünland von außen nach innen gemäht und dabei ein Wirbeltier (Maus) getötet zu haben. Die in der Örtlichkeit erschienenen Polizeibeamten erstellten belegende Fotos.

Das Verfahren wurde von der Kreispolizeibehörde an die Staatsanwaltschaft Münster zur weiteren Entscheidung über den Tatvorwurf einer Straftat nach § 17 Tierschutzgesetz übersandt. Da Ihnen ein vorsätzliches Töten der Maus nicht nachgewiesen und somit keine Straftat nach dem Tierschutzgesetz festgestellt werden konnte, wurde das Verfahren zunächst durch Verfügung vom 31.05.2017 von der Staatsanwaltschaft eingestellt und zur Verfolgung der Ordnungswidrigkeit an mich als zuständige Ordnungsbehörde abgegeben.
Mit Schreiben vom 15.06.2017 legte der Anzeigeerstatter gegen den Einstellungsbescheid der Staatsanwaltschaft Münster bei der Generalstaatsanwaltschaft Hamm Beschwerde ein. Von dort wurde nach erneuter Prüfung des Sachverhaltes unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens kein Anlass gesehen, die Wiederaufnahme von strafrechtlichen Ermittlungen gegen Sie anzuordnen. Das Verfahren wurde daher erneut an mich zur Verfolgung der Ordnungswidrigkeit weitergeleitet.

Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 Landesnaturschutzgesetz Nordrhein-Westfalen (LNttSchG NRW) ist bei der landwirtschaftlichen Nutzung verboten, bei der Mahd auf Grünlandflächen ab 1 Hektar von außen nach innen zu mähen. ....

Dienstag, 5. September 2017

Nazi-Schlampe

Nachdem am Sonntagabend die beiden obersten Langweiler von CDU und SPD telegen belegen konnten, dass sich auch in der kommenden Legislaturperiode nichts wesentliches ändern soll, hatten gestern fünf Strampler um Platz drei im Fernsehen die Gelegenheit, einigen weiteren Parteigenossen mittels möglichst gelungener Selbstdarstellung den Weg ins Diätenparadies zu ebnen. Am meisten hat mich dabei der Auftritt von Dr. Alice Weidel (AfD) interessiert, weil sie sich vor einigen Monaten im NDR von extra3-Moderator Christian Ehring als "Nazi-Schlampe" bezeichnen lassen musste und Jan Böhmermann vor 2 Tagen via Twitter noch behauptet hatte, dass in 21 Tagen "zum ersten Mal seit Kriegsende wieder die Nazis im deutschen Parlament sitzen". Da hatte Böhmermann wohl die Liste ehemaliger NSDAP-Mitglieder, die nach Mai 1945 politisch tätig waren, gerade nicht zur Hand.

Derartige Beißreflexe von Journalisten machen mich jedenfalls stutzig und die öffentliche Intoleranz gegenüber politisch Andersdenkenden führte in meinem Fall dazu, bei der angegriffenen Person genauer hinzusehen. Um die abgeschwächte Nazi-Schiene kam dann auch Linken-Frontfrau Sarah Wagenknecht im TV-Fünfkampf nicht vorbei, als sie gegenüber Dr. Weidel mit dem Hinweis auf "handfeste Halbnazis" in der AfD punkten wollte. Immerhin stellte Frau Wagenknecht Dr. Weidel das bemerkenswerte Zeugnis aus, mit ihren Meinungen durchaus Teil des demokratischen Diskurses zu sein.

Ähnlich sah dies übrigens auch das Landgericht Hamburg in seinem Beschluss vom 11. Mai 2017 zum Az.: 324 O 217/17, welches die Bezeichnung "Nazi-Schlampe" in einem satirischen Kontext deshalb für zulässig hielt, weil dem Zuschauer bewusst sei, dass Frau Weidel weder hinter dem Leitbild des Nationalsozialismus stehen würde noch einen Anlass für die Bezeichnung als „Schlampe“ gegeben hätte und sich die Reaktion des Moderators einzig auf die Forderung der AfD-Spitzenkandidatin bezogen hätte, dass die politische Korrektheit auf den Müllhaufen der Geschichte zu werfen sei.

Als Fazit des TV-Fünfkampfs lässt sich festhalten, dass die plumpe Diffamierung politischer Gegner als "Nazi" aus taktischer Sicht jedenfalls dann ein schwerer Fehler ist, wenn die so angegangene Partei den pauschalen Angriff allein schon durch den souveränen Auftritt ihrer Spitzenkandidatin mit Leichtigkeit kontern kann. Auch die unmissverständliche Koalitionsabsage aller anderen Parteien an die AfD wird bei den Wählern angesichts der weit verbreiteten Unzufriedenheit mit der aktuellen politischen Situation in Deutschland dazu führen, erst Recht AfD zu wählen. Denn die damit von den Altparteien deutlich erklärte Distanz der AfD zum althergebrachten Parteiengeschacher und der damit einhergehenden Betonung mangelnder Verantwortlichkeit für die derzeitige Lage in Deutschland macht sie als Oppositionspartei noch deutlich attraktiver.

Mittwoch, 30. August 2017

Verunglimpfen

Mit dem Verunglimpfen muss man aufpassen. Und zwar deshalb, weil kaum einer weiß, was das ist. Das liegt zunächst einmal daran, dass erst recht keiner weiß, was ein Glimpf ist. Wenn man nun herausgefunden hat, dass sich das Wort "Glimpf" aus dem althochdeutschen Wort "gilimpf" mit der Bedeutung „gelegen sein“ ableitet und "Glimpf" daher so viel wie "Schonung" bedeutet, könnte man "Verunglimpfen" auch mit "Verunschonen" übersetzen. Sich auf derartige linguistische Gymnastik einzulassen, dürfte in großen Bevölkerungskreisen nur auf geringe Gegenliebe stoßen. Das aber kann gefährlich sein.

Man muss mit dem Verunglimpfen nämlich auch deshalb aufpassen, weil bestimmte Verunglimpfungen sogar strafbar sind. Das Geniale an der Verwendung des weitgehend unbekannten Wortes "Verunglimpfen" in einem Strafgesetz ist zunächst, dass sich die Justiz dem Vorwurf der Verletzung des strafrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatzes entziehen kann, weil es das Wort "Verunglimpfen" nun einmal gibt und desweiteren, dass man auf der Basis dieses justiziellen Geheimcodes ganz einfach biedere Bürger überrumpeln kann, die selbst nach dem Lesen der Vorschrift des § 90a Abs. 1 Nr. 2 StGB gar nicht genau wüssten, was man mit den Farben, der Flagge, dem Wappen oder der Hymne der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder ganz und gar nicht anstellen darf.

Mit einem prima Trick konnte die Polizei daher in Dresden am letzten Montag Teilnehmer einer Pegida-Demonstration überrumpeln, die mit bananenverzierten Deutschlandfahnen unterwegs waren und sich mit dem Vorwurf der Verunglimpfung der Flagge der Bundesrepublik Deutschland konfrontiert sahen. Denn selbst wenn die Staatsanwaltschaft den ganzen Glimpfblödsinn unter den Tisch fallen lässt, weil man dort natürlich weiß, das das öffentliche Tragen der Bananen-Fahnen gar keine keine Verunglimpfung der Bundesflagge war, kann man die Demonstranten nun wegen Beleidigung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte in die Pfanne hauen, denn die verdutzten Patrioten hatten sich natürlich gewehrt, als die bösen Polizisten die schönen Bananenflaggen klauen wollten. Das muss ein Riesenspass gewesen sein.        

Turboquerulantin, Kanalratte und Scheißhausfliege

Während sich Deutschlands fähigste Strafrechtler den Kopf darüber zerbrechen, ob es im Vorfeld der Bundestagswahlen den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllt, wenn sich ein Politiker während einer Wahlkampfveranstaltung öffentlich wünscht, eine Integrationsbeauftrage mit türkischen Wurzeln "in Anatolien entsorgen" zu können, lehnen sich entspannte Flachlandjuristen lässig zurück und betrachten wohlwollend das immer einfacher zu durchschauende Treiben der Turboquerlantin.

Diesmal wurde der Scherzbeauftragten mit Bückeburger Wurzeln vom Amtsgericht Nienburg durch eine einstweilige Verfügung mit Beschluss vom 10.07.2017 verboten, einen unbescholtenen Bürger als Kanalratte zu bezeichnen und ihn mit einer Scheißhausfliege zu vergleichen. Juristisch leichte Kost, die mit wenigen Federstrichen zu erledigen ist und nur deshalb erwähnenswert ist, weil der rechtsfeindliche Provinzpanzer mit stählerner Ignoranz weiterhin vollkommen immun gegenüber der sich als sinnlos entpuppenden Juristerei des Amtsgerichts Nienburg ist.

Einstweilige Verfügungen, Hauptsacheurteile und Beschlüsse über Ordnungsgeld füllen die Akten ohne ersichtlichen Erfolg. Was nützt es, wenn die Tatbestände leicht subsumiert werden können aber für die sich anhäufenden gerichtlichen Entscheidungen jeglicher Vollstreckungsdruck fehlt? Die auf Facebook geteilten Worte der Turboquerulantin selbst formulieren eine schlichte Antwort: "Ab und zu drehe ich mich um. Nur um zu gucken, was mir am Arsch vorbeigeht."

Dienstag, 29. August 2017

Claudia Roth nicht ekelhaft II

Wer sich in der Berufungsverhandlung vor einer Strafkammer dem Vorwurf der Beleidigung der Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages und ausländischen Mitbewohnern ausgesetzt sieht und dann Begriffe wie "Kampfraum Stalingrad", "Walhall", die „Tafelrunde der Edlen“ und den „Adler der Ostfront" fallen lässt, ist einerseits wohl unbelehrbar ehrlich und andererseits von einem Vertrauen in die Kompetenz und Neutralität der deutschen Justiz geprägt, das man auch als Naivität bezeichnen könnte und schließlich als naiv bezeichnen muss, wenn man das Urteil des Landgerichts Köln vom 03.02.2017 zum Az.: 157 Ns 102/16 auch nur oberflächlich analysiert.

Der Angeklagte war in der ersten Instanz für den Versand einer E-Mail verurteilt worden, in der u.a. zu lesen war "Oder beginnt hier die humane Ausrottung des deutschen Volkes durch vollständige Durchrassung? So wurde es jedenfalls von dieser ekelhaften Claudia Roth in einer Talkshow herbeigesehnt!" und hatte sich im übrigen im Treppenhaus ein mindestens scharfes Wortgefecht mit ausländischen Hausgenossen, die später als Zeugen auftraten, geliefert, für das er ebenfalls zur Rechenschaft gezogen worden war.

Erwähenswert ist im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung unter Hausbewohnern, dass es das Gericht nur für strafmildernd hielt, dass der Angeklagte vom Zeugen ebenfalls beleidigt wurde. Die Voraussetzungen des § 199 StGB wurden verneint, obwohl der Zeuge angab, den Angeklagten ebenfalls beschimpft zu haben, weil der zeitliche Zusammenhang und die Reihenfolge der Äußerungen unklar geblieben seien. Da haben wohl die Gedanken an Stalingrad und die Ostfront die mentale Beweglichkeit des Landgerichts etwas einfrieren lassen, sonst hätte der Umstand, dass es für die Straffreiheit wechselseitiger Beleidigungen nach § 199 StGB nicht auf deren zeitliche Abfolge ankommt, sicherlich eine größere Rolle spielen müssen, denn "entscheidend ist allein, dass es sich um wechselseitige, d.h. unmittelbar aufeinanderfolgende, in einem spezifischen Zusammenhang stehende Beleidigungen handelt", vgl. Beschluss des OLG Koblenz v. 24.02.2011, Az.: 2 Ss 30/11.

So verwundert es dann auch nicht, dass das Gericht bei der Betrachtung der Äußerung über Frau Roth ganz unverhohlen die Hühneraugen zudrückte, allerdings noch einmal zu Lasten des Angeklagten. Dass Gericht verstieg sich angesichts des oben zitiertren E-Mail-Inhalts tatsächlich zu folgendem Nonsens: "Bezeichnet man einen Menschen als "ekelhaft", so impliziert dies, dass diesem Menschen eine unabhängig von der Situation, von seinem Verhalten, dem was er sagt oder tut, zukommende Eigenschaft anhaftet. Eine derartige Äußerung hat mit scharfem Meinungskampf in der Politik nichts zu tun, sondern dient einzig der persönlichen Herabwürdigung. Auch aus dem Kontext der Äußerung, den sonstigen Passagen des Schreibens und seinem Anlass, ergibt sich nichts Abweichendes." Schräg, oder? Aber es kommt noch besser: "Die Bezeichnung steht auch nicht in irgendeinem inhaltlichen Zusammenhang zu den sonstigen zulässigen Äußerungen des Angeklagten."

Das ist angesichts der E-Mail so falsch, dass es eigentlich keiner näheren Erörterung bedarf. Denn der Wortlaut der in Rede stehenden Äußerung zielt eindeutig auf den vom Angeklagten angeführten Umstand ab, dass Frau Roth angeblich die humane Ausrottung des deutschen Volkes durch vollständige Durchrassung herbeigesehnt hätte. Wie man auf die Idee kommen kann, der Ekel des Angeklagten gegenüber Frau Roth bezöge sich nicht wenigstens auch auf deren angebliche Einstellung zum deutschen Volk, bleibt unergründlich.

Zurück bleibt der fade Nachgeschmack, dass sich die deutsche Justiz mit den Prinzipien der Meinungsfreiheit immer dann besonders schwer tut, wenn dem Delinquenten eine "rassistische bzw. fremdenfeindliche Gesinnung" nachgesagt werden kann, die per se nicht strafbar ist. Es ist allerdings kein nachvollziehbarer Grund ersichtlich, warum gerade in solchen Fällen mit leicht durchschaubaren Falschbegründungen Grundrechte über Bord geworfen werden sollten. Das Landgericht muss sich deshalb schlicht eine Gesinnungsjustiz vorwerfen lassen, denn dass die Bezeichnung einer "ekelhaften Claudia Roth" im inhaltlichen Zusammenhang mit deren angeblich gewünschter Durchrassung steht, ist selbst für einen durchschnittlich begabten Gymnasiasten erkennbar.