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Montag, 31. Dezember 2018

Der Spickzettel im dritten Versuch des zweiten juristischen Staatsexamens

Um Rechtsanwalt, Staatsanwalt oder Richter zu werden, benötigt man nicht nur ein erfolgreich abgeschlossenes Jura-Studium, sondern auch ein ebenso erfolgreich abgeschlossenes Referendariat. Das Studium und anschließend auch das Referendariat werden mit juristischen Staatsprüfungen beendet und entsprechend als erstes und zweites Staatsexamen bezeichnet. Die Durchfallquoten in beiden Examina sind hoch und so kann es passieren, dass man nach 6 Jahren Studium und 2 Jahren Referendariat noch auf der Zielgeraden scheitert. Erst wer seine Klausuren einigermaßen ordentlich abgeliefert hat, wird überhaupt zur mündlichen Prüfung geladen und darf Hoffnungen haben, auch die letzte Hürde zu meistern.

Die psychische Belastung ist natürlich enorm und wird nicht durch den Umstand gemildert, dass jeder Kandidat nur zwei Versuche hat. Höchstens in Ausnahmefällen wird vom zuständigen Justizministerium ein dritter Examensversuch genehmigt. Über einen solchen Kandidaten, der nach zwei vergeblichen Versuchen im zweiten Staatsexamen mit einer Ausnahmegenehmigung im dritten Versuch endlich zur abschließenden mündliche Prüfung geladen wurde, habe ich ein Urteil gefunden, dessen Dramatik wohl nicht nur Juristen nachvollziehen können. Zu Beginn einer mündlichen Prüfung des zweiten Staatsexamens gilt es, einen 20-minütigen Aktenvortrag zu halten, auf den man sich nach Erhalt der entsprechenden Akte eine Stunde lang vorbereiten kann, um der Kommission in freier Rede eine Lösung zu präsentieren. Und in dieser Situation ist einem bedauernswerten Prüfling folgendes passiert, das ich direkt aus dem Urteil zitieren möchte:

"Am 15.11.2006 fand die mündliche Prüfung des Klägers statt. Nachdem dieser den ihm für die Vorbereitung auf den Aktenvortrag zugewiesenen Tisch im Vorbereitungsraum verlassen hatte, wurde von der Aufsicht, die zwei liegengelassene Stifte in das von dem Kläger auf dem Tisch vergessene Federmäppchen zurücklegen wollte, in dem Mäppchen neben 4 Stiften, einem Textmarker, einer Tablette und Bonbons ein ca. 3,8 x 5 cm großer beidseitig handschriftlich beschrifteter gelber Zettel aufgefunden. Auf der einen Seite des Zettels befinden sich mit Bleistift geschriebene Anmerkungen zur Geschäftsführung ohne Auftrag einschließlich der einschlägigen Paragraphen des Bürgerlichen Gesetzbuches. Auf der anderen Seite sind mit blauer Schrift einzelne Rechtsbehelfe des 8. Buches der ZPO samt einschlägiger Vorschrift aufgeführt sowie mit Bleistift eingeklammert, wem - Gläubiger (Gl.) oder Schuldner (Sch.) - diese zustehen."

Der Laie ahnt, was der Fachmann schon weiß. Das Prüfungsamt bewertete den Aktenvortrag am Ende mit 0 Punkten, weil ein nicht zugelassenes Hilfsmittel in der Prüfung verwendet wurde und damit endete auch der dritte Durchgang im zweiten Staatsexamen mit einem Fehlschlag. Ein vergessener 3,8 x 5 cm großer Zettel beendete die juristische Laufbahn, die ohne die eigene Nachlässigkeit jedenfalls hätte fortgesetzt werden können, denn der Aktenvortrag war ohne den Täuschungsversuch zunächst mit vier Punkten bewertet worden und hätte damit zu einem Bestehen insgesamt gereicht. Das in bestem Juristendeutsch abgefasste Urteil nach der gegen die Entscheidung des Prüfungsamts gerichteten Klage vor dem Verwaltungsgericht Köln zum Az.: 6 K 5366/07, lässt erahnen, welche Leiden der gescheiterte Jurist durchleben musste, bevor er sein endgültiges Scheitern schwarz auf weiß übermittelt bekam. Spickzettel-Fans sollten aus dieser Erfahrung lernen, dass nicht nur die Anfertigung und Verwendung eines Spickzettels größte Sorgfalt erfordert, sondern auch der Entsorgung des unerlaubten Hilfsmittels ungetrübte Aufmerksamkeit gewidmet werden sollte. Eine ca. 3,8 x 5 cm große Nachspeise aus Papier hätte hier schlimmere Magenschmerzen verhindern können.   

Montag, 26. November 2018

Amtsgericht Nienburg: Turboquerulantin verfehlt Rekord

Die "Forschungsgruppe Ordnungsgeld" und die Fangemeinde der Turboquerulantin haben ein neues Ordnungsgeld im "Königsverfahren" vor dem Amtsgericht Nienburg eingetragen, dass die Turboquerulantin durch Beschluss des Amtsgerichts Nienburg zum Az.: 6 C 409/16 im April 2018 verwirkt hat. Wer allerdings auf eine höhere Strafe seit des letzten Ordnungsgeldes in Höhe von EUR 1.500,- gehofft hat, dürfte enttäuscht sein. Zwar ist es unserer Enthüllungsjournalistin weiterhin vollkommen egal, was das Amtsgericht Nienburg an Urteilen und Beschlüssen verschickt, aber dem Amtsgericht Nienburg ist nicht egal, dass seine prominenteste Kundin vom fernab der niedersächsischen Auen lebenden Antragsteller immer wieder mit bösartigen Ordnungsgeldanträgen behelligt wird.

Um dem gesetzlosen Wirbelwind etwas entgegen zu kommen, hat sich das Gericht nun ausgedacht, einfach mal strafmildernde Gründe heranzuziehen, weshalb es ab sofort nicht mehr ganz so schlimm ist, das Urteil des Amtsgerichts Nienburg vom 04.01.2017 zum Az.: 6 C 409/16 zu missachten: "Andererseits hat es aber auch einbezogen, dass auch der Antragsteller trotz ausdrücklichen Hinweises des erkennenden Gerichts, dass zu Unrecht auf eine adelige Herkunft hinweisende, von ihm selbst gewählten Namenszusätze in Deutschland im Rechtsverkehr nicht zulässig sind, diese ebenso fortdauernd weiterführt, mithin selbst auch gerichtliche Hinweise bewusst ignoriert und dadurch zugleich auch zumindest einzelne Tatbestandsmerkmale eines Betruges im Sinne von § 263 StGB verwirklicht, indem er durch Vorspiegelung falscher Tatsachen - nämlich seiner Adelsherkunft - gezielt einen entsprechenden Irrtum hierüber erregen will. Eine weitere Erhöhung des bereits zuletzt auf 1.500,00 € festgesetzten Ordnungsgeldes war danach nicht gerechtfertigt." 

Wer mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung bislang der Meinung war, dass sich die Bemessung eines Ordnungsgeldes am Verhalten des Verurteilten zu orientieren habe und insbesondere Art, Umfang und Dauer des Verstoßes und Verschuldensgrad des Rechtsverletzers berücksichtigt werden müsse, wird in Zukunft als Element der Bemessung auch das Wohlverhalten des Gläubigers gegenüber dem Gericht zu berücksichtigen haben. Wie willkürlich diese neue Entscheidung des Amtsgerichts Nienburg ist, kann man vor allem daran erkennen, dass der Antragsteller seinen angeblich unzulässigen Namen vom ersten bis zum letzten Tag des Urteilsverfahrens geführt hat und auch bei jedem einzelnen der fünf vorhergehenden Ordnungsgeldverfahren. Weshalb die seit Jahren ununterbrochene (zulässige) Namensführung des Klägers neuerdings zu einem Strafrabatt bei der Turboquerulantin führt, kann nur mit absolutem Insiderwissen beantwortet werden.

Montag, 15. Oktober 2018

Die Turboquerulantin erobert Bremen

Nach dem Siegeszug der Turboquerulantin in Bayern und Schleswig-Holstein war es nun für sie an der Zeit, auch dem Bundesland Bremen ihre Aufwartung zu machen. Wie gemeinhin üblich, hatte Niedersachsens prominenteste Journalistin wieder einmal unseriösen Quellen vertraut und in einem aufsehenerregenden Bericht schwerwiegende Diebstahlsvorwürfe geäußert und nicht belastbare Hintergrundinformationen zu einer versuchten Kindesentführung veröffentlicht.

Auch das Landgericht Bremen ließ sich nicht durch den Promi-Bonus der Turboquerulantin blenden und verurteilte sie antragsgemäß zur Unterlassung der angegriffenen Berichterstattung. In seinem Urteil vom 06.09.2018 zum Az.: 7 O 715/17 wies das Gericht darauf hin, dass ein Unterlassungsanspruch (anders als ein etwaiger Schadensersatzanspruch) kein Verschulden voraussetze und es nicht darauf ankomme, was die Klägerin der Turboquerulantin gegenüber geäußert habe. Entscheidend sei lediglich, ob die Beklagte beweisen könne, dass die Klägerin tatsächlich gestohlen habe und mit dem Verdacht der Kindesentführung aufgegriffen worden sei, wofür sie keinen Beweis angeboten habe.

Auch der Streitpunkt der Wiederholungsgefahr wurde vom Landgericht Bremen überzeugend dargestellt: "Für das Bestehen der Wiederholungsgefahr ist unerheblich, ob es die „Bianca xxxxxxx Mitteilungsgruppe“ bei Facebook noch gibt. Denn die Klägerin macht weder Beseitigung noch Widerruf geltend, sondern Unterlassung der Veröffentlichung der streitgegenständlichen Behauptungen im Internet. Da die Beklagte sich geweigert hat, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben, besteht grundsätzlich Wiederholungsgefahr. Denn die Beklagte könnte die getätigten Äußerungen in anderen Mitteilungsplattformen bei Facebook wiederholen."

Trotz den überzeugenden Kritiken für ihre Darbietungen in Dachau und Pinneberg sowie dem gefeierten Debut in Bremen steht die Fortsetzung der "Deutschland ich komme-Tournee" der Turboquerulantin derzeit noch in den Sternen, denn nach Differenzen mit dem aktuellen Tourmanagement ist sogar der Wiederholungsauftritt in Bayern gefährdet, der nach der grandiosen Performance am Amtsgericht Dachau vor einem noch größeren Publikum beim Landgericht München fest gebucht war.

Dienstag, 4. September 2018

Die Turboquerulantin erobert Schleswig-Holstein

Nach ihrem glanzvollen Auftritt in Bayern nutzte die Turboquerulantin Deutschlands Jahrhundertsommer nun auch zu einem kleinen Ausflug ins schöne Pinneberg in Schleswig-Holstein. Wie jeder Journalist unterliegt nämlich auch die Turboquerulantin bei ihren investigativen Recherchen bestimmten Sorgfaltspflichten, deren Einhaltung sie im vorliegenden Fall nicht ausreichend belegen konnte.

Im Mai 2018 hatte sie in einer ihrer bundesweit bekannten Publikationen einen Text veröffentlicht, in welchem sie darlegte, dass eine Person mit Vorsatz falsche Haftbefehle durch Täuschung an den Gerichten bewirken würde und damit mehrere Freiheitsberaubungen begangen habe. Sicherlich selbst für eine der profiliertesten Enthüllungsjournalistinnen Deutschlands eine spektakuläre Geschichte und deshalb auch ein besonderes Ärgernis für die von den Aufdeckungen betroffene Person.

Diese wehrte sich deshalb als Antragsteller durch eine einstweilige Verfügung gegen den wohl nicht mit letzter Sorgfalt recherchierten Artikel der Turboquerulantin und erwirkte von dem Amtsgericht Pinneberg einen Beschluss, mit welchem unserer standhaften Verfechterin der Wahrheit die Behauptung verboten wurde, der Antragsteller habe falsche Haftbefehle und mehrere Freiheitsberaubungen an Gerichten bewirkt. Nun ist die Recherche ein unverzichtbares Instrument journalistischer Sorgfalt und angesichts der bundesweiten Bedeutung der von der Turboquerulantin herausgegebenen Publikationen war ein Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung der einzig denkbare Weg, um vor Kolleginnen und Kollegen als auch ihrer treuen Leserschaft belegen zu können, dass die von ihr zur Veröffentlichung preisgegebenen Informationen über den Antragsteller mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf ihren Wahrheitsgehalt geprüft und wahrheitsgetreu wiedergegeben wurden.

Trotz umfangreicher Darlegungen und einer stichhaltigen Argumentation in der daraufhin anberaumten mündlichen Verhandlung gelang es der Turboquerulantin jedoch nicht, das Amtsgericht Pinneberg davon zu überzeugen, dass ihre Recherchen zutreffen und darüber hinaus auch ein anzuerkennendes Interesse der Öffentlichkeit an den über die Person des Antragstellers veröffentlichten Informationen besteht. Mit Urteil vom 01.08.2018 zum Az.: 73 C 84/18 trug sich deshalb auch das Amtsgericht Pinneberg in das Deutschland-Archiv der TQ-Rechtsprechung ein und konnte für das Bundesland Schleswig-Holstein den ersten Punkt noch vor der Konkurrenz aus Bremen verbuchen, deren erster Archivbeitrag im September 2018 erwartet wird.

Mittwoch, 18. Juli 2018

Turboquerulantin erobert Bayern

In aller Stille mausert sich Niedersachsens prominenteste Enthüllungsjournalistin nun auch zum bundesweiten Justizstar. Nachdem ihre querulantische Premiumqualität in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen mittlerweile unumstritten ist, hat die Turboquerulantin jüngst auch die bayerische Justiz von ihrer Durschschlagskraft überzeugen können. Das Amtsgericht Dachau bescheinigte der Turboquerulantin daher mit Urteil vom 19.06.2018 zum Az.: 2 C 1091/17, eine Abmahnung via facebook ignoriert und grundlos die Behauptung aufgestellt zu haben, die Klägerin sei eine Frau die Cybermobbing betreibt, lügt, krank ist und man ihr daraufhin ihr Kind wegnahm. Kenner wissen schon lange, dass es eine leichte Übung unserer Serienheldin ist, ihr unbekannte Dritte wegen unhaltbarer Gerüchte mit wenigen Facebook-Postings fachgerecht in die Pfanne zu hauen. Die nicht ganz neue Masche der Turboquerulantin, nicht mehr den unerbittlichen Kampf um Wahrheit zu proklamieren, sondern mit dem Kopf in der Schlinge von gehackten Facebook-Profilen zu schwafeln, hat das Amtsgericht Dachau schnell durchschaut. Ob die Justiz in Schleswig-Holstein das Cybermobbing aus Niedersachsen ebenfalls durch Urteil mit einem Qualitätssiegel versieht, werden wir in Kürze beantworten.

Sonntag, 27. Mai 2018

Amtsgericht Gelsenkirchen: Hund hat Persönlichkeitsrechte

Für große Aufmerksamkeit unter Tierfreunden sorgt derzeit eine Entscheidung des Amtsgerichts Gelsenkirchen vom 15.05.2018 zum Az.: 405 C 177/18, das die öffentliche Berichterstattung über einen Hund verboten hatte, sofern die Äußerung Rückschlüsse auf dessen Identität zulässt.

Bislang wurde in der bundesdeutschen Judikatur lediglich darüber diskutiert, ob es für Tierhalter ein Recht am Bild des eigenen Tieres gebe, das sich eventuell aus den Persönlichkeitsrechten des Eigentümers herleiten ließe. Nach § 90a BGB sind Tiere nämlich keine Sachen und werden durch besondere Gesetze geschützt. Allerdings sind auf Tiere die für Sachen geltenden Vorschriften nur dann entsprechend anzuwenden, soweit nicht etwas anderes bestimmt ist.

Ohne anderweitige Bestimmungen kann man daher davon ausgehen, dass die Anfertigung von Fotografien fremder Hunde und deren nichtgewerbliche Veröffentlichung allgemein zulässig ist. Jedenfalls gilt dies dann, wenn das Tier frei zugänglich ist und die Anfertigung der Fotografien somit ohne Eingriff in das Hausrecht oder die Privatsphäre des Eigentümers des Gegenstandes möglich ist. Es gibt in Anlehnung an § 22 KunstUrhG kein Recht am Bild der eigenen Sache und damit entsprechend auch kein Recht am Bild des eigenen Hundes. Denn die Herstellung von Abbildungen eines Hundes greift in keiner Weise in das Recht des Eigentümers zum Besitz und zur Benutzung seines Hundes ein. Ein individuelles Tierrecht am eigenen Bild ist ebenfalls nicht ersichtlich.

Obwohl damit bislang einhellige Meinung war, dass selbst die Fotografie eines fremden Tieres nicht in die Rechte des Eigentümers und auch nicht in die Rechte des Tieres eingreift, ist das Amtsgericht Gelsenkirchen nunmehr noch einen Schritt weiter gegangen und hat grundsätzlich sogar die Berichterstattung über einen Familienhund untersagt, sofern dieser durch Namen, Daten oder Abkürzungen identifizierbar ist. Damit hat es dem Hund ein Persönlichkeitsrecht zuerkannt, der im bundesdeutschen Zivilrecht bisher nur für Personen bekannt ist. In der juristischen Fachwelt wird darüber gerätselt, auf welche Rechtsgrundlage das Amtsgericht Gelsenkirchen den Schutz der Persönlichkeit des Hundes stützt. Einigkeit herrscht allerdings darüber, dass sich dieser Schutz nur aus den in § 90a BGB genannten besonderen Gesetzen in Verbindung mit § 1004 Abs. 1 BGB analog ergeben kann. Dazu gehört etwa das Tierschutzgesetz, welches natürlich auch im Hunderecht einschlägig ist.

Weil es sich bei dem Urteil des Gerichts nur um ein Versäumnisurteil handelt, liegen bislang leider keine Entscheidungsgründe vor und es muss erst der endgültige Ausgang des Verfahrens abgewartet werden, um die Entscheidung des Amtsgerichts Gelsenkirchen aus tierrechtlicher Sicht abschließend bewerten zu können. Der einschlägige Tenor des Urteils liegt jedoch schon im Originaltext vor und lautet wie folgt: "Der Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, sich über die Klägerin, ihre Familie (Mutter, Vater, Schwester, Kinder, Hund), ihre Geschichte unter Nennung ihres Namens/Daten/Abkürzungen, unter Nutzung öffentlich zugelassener Beiträge/Kommentare von der Klägerin (bei facebook oder dergleichen) oder in anderer Weise, die geeignet sind, Rückschlüsse auf die Identität zuzulassen, öffentlich zu äußern."

Anfragen zum Urteil beantwortet das nordrheinwestfälische Ministerium der Justiz unter der Telefonnummer 0211 8792-255 oder -464 oder per E-Mail via pressestelle@jm.nrw.de

Mittwoch, 21. März 2018

Wenn der Zahnarzt Schmerzen kriegt

Zahnarzthonorare scheinen bisweilen erschreckend hoch und so landet der Streit um das Honorar von einem Zahnarzt nicht selten vor Gericht. Häufig wird der Einzug derartiger Honorare von Inkassobuden vorgenommen, die sich das Honorar vom Zahnarzt oder der Zahnärztin haben abtreten lassen. Trotzdem spätestens seit des Urteils des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen vom 10.07.1991 zum Az.: VIII ZR 296/90 klar ist, dass die Abtretung einer ärztlichen oder zahnärztlichen Honorarforderung an eine gewerbliche Verrechnungsstelle, die zum Zweck der Rechnungserstellung und Einziehung unter Übergabe der Abrechnungsunterlagen erfolgt, wegen Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht nach § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB gem. § 134 BGB nichtig ist, wenn der Patient ihr nicht zugestimmt hat, klagen Inkassounternehmen immer wieder abgetretene Honorare ein, obwohl der beklagte Patient einer Abtretung gerade nicht zugestimmt hat. Vor dem Amtsgericht Burgwedel hatten wir deutlich auf diese Rechtslage hingewiesen und angeboten, auf eine Strafanzeige gegen die Zahnärztin zu verzichten, welche ihre Honorarforderung abgetreten hatte, wenn die Forderung insgesamt fallen gelassen würde. Leider war das Inkassounternehmen uneinsichtig, so dass nicht nur die Klage auf Honorarzahlung per Urteil abgewiesen wurde, sondern zusätzlich ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen die Zahnärztin wegen Verletzung ihrer ärztlichen Schweigepflicht eingeleitet wurde.

Mittwoch, 28. Februar 2018

Sind Bundesbildungsministerinnen immer doof?

Wohl nicht zwingend, aber auch die Nachfolgerin der unsäglichen Annette Schavan, die aktuelle Bundesministerin für Bildung und Forschung, Prof. Dr. rer. nat. Johanna Wanka, gehört sicher nicht zu den hellsten Lichtern im Parlament. Ihre Steilvorlage für das von der AfD initierte Organstreitverfahren wäre für jeden staatsrechtlich halbgebildeten Politiker in einem öffentlichen Amt vermeidbar gewesen, der verstanden hätte, dass das verfassungsrechtliche Neutralitätsgebot auch Staatsorgane zur parteipolitischen Neutralität verpflichtet.

Um die AfD im parlamentarischen Ränkespiel auszugrenzen, bedarf es geschickterer Strategien, wie etwa die einer allgemeinen Änderung der Geschäftsordnung des Bundestags nur um einen bestimmten Alterspräsidenten der AfD im zukünftigen Bundestag zu verhindern. Nun musste sich Johanna endgültig werbewirksam zu Gunsten der AfD vom Bundesverfassungsgericht per Urteil unter dem Az. 2 BvE 1/16 aufschreiben lassen, dass ihre Veröffentlichung der Pressemitteilung 151/2015 „Rote Karte für die AfD“ auf der Homepage des Bundesministeriums für Bildung und Forschung die Rechte der AfD auf gleichberechtigte Teilnahme am politischen Wettbewerb und auf Versammlungsfreiheit aus Artikel 21 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes verletzt hat.

Im allgemeinen Entsetzen über dieses ministerielle Missgeschick geht etwas unter, dass Johanna die Pressemitteilung 151/2015 längst von der Homepage des Bundesministeriums für Bildung und Forschung entfernt hatte, nachdem ihr dies bereits durch die einstweilige Anordnung des Bundesverfassungsgerichts per Beschluss vom 7. November 2015 im vorangegangenen Eilverfahren unter dem Az. 2 BvQ 39/15 aufgegeben worden war. Schon im Eilverfahren hatte das Bundesverfassungsgericht recht deutlich gemahnt, dass unser Dummerchen mit der Verbreitung der Erklärung über die Homepage des von ihr geführten Ministeriums Ressourcen in Anspruch nahm, die ihr aufgrund ihres Regierungsamtes zur Verfügung stehen und politischen Wettbewerbern verschlossen sind.

Die Entscheidung im Hauptsacheverfahren ist daher entsprechend schnell auf den Punkt zu bringen: "Die chancengleiche Beteiligung an der politischen Willensbildung des Volkes macht es erforderlich, dass Staatsorgane im politischen Wettbewerb der Parteien Neutralität wahren. Demgemäß wird in den Anspruch der Parteien auf Chancengleichheit gemäß Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG eingegriffen, wenn staatliche Organe auf die Ankündigung oder Durchführung politischer Kundgebungen in einseitig parteiergreifender Weise reagieren. Auch außerhalb von Wahlkampfzeiten erfordert der Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien die Beachtung des Gebots staatlicher Neutralität. Denn der Prozess der politischen Willensbildung ist nicht auf den Wahlkampf beschränkt, sondern findet fortlaufend statt."

Was bleibt ist der Beleg, dass die Angst vor der AfD die seit langem etablierten Parteien und ihre Mitglieder immer wieder zu kontraproduktivem und vor allem undemokratischen Aktionismus antreibt, der erschreckend transparent ist und auch am dunkelsten Stammtisch unserer Republik durchschaut wird.

Freitag, 22. Dezember 2017

Die Paketannahme durch den Nachbarn

Tausende von Weihnachtspaketen kreuzen durch Deutschland und viele kommen nicht an. Eine häufige Konstellation ist dabei die Annahme eines Pakets durch den Nachbarn. Das erinnert mich an einen Fall, der jüngst sein 10-jähriges Jubiläum gefeiert hat und natürlich nicht alle denkbaren Möglichkeiten abbildet. Im vom Amtsgericht Hannover mit Urteil zum Az.: 564 C 939/07 entschiedenen Fall wollte der Versender eines Pakets schlicht den Kaufpreis für ein Paar Kinderschuhe, die versendet wurden, aber nie ankamen. Denn: Nachweisbar war zwar die Auslieferung des Pakets an den Nachbarn, aber nicht die Ankunft des Pakets bei der Käuferin. Das bedeutete viel Ärger für alle Beteiligten. Die Verkäuferin bekam keinen Kaufpreis und zahlte sämtliche Prozesskosten, der Nachbar musste vor Gericht aussagen und die modebewusste Mama musste ihren süßen Fratz in popligen Normaloschuhen weiterlaufen lassen. In dieser Variante war die Annahme eines Pakets durch den Nachbarn jedenfalls ein voller Reinfall.

Sonntag, 19. November 2017

männlich, 55+ und einem "Nein" nicht gewachsen

Es gibt viele Fälle, in die steigt man als Anwalt ein und ist sich relativ sicher, dass der Rechtsstreit spätestens nach einer Instanz beendet sein wird. Der Grund dafür ist regelmäßig die als eindeutig abzuschätzende Rechtslage und bisweilen auch die Schriftsätze des gegnerischen Kollegen, aus denen man abzulesen meint, dass er mit der den Fall beherrschenden Rechtsmaterie nicht besonders vertraut ist und dem Anspruch der eigenen Mandantschaft daher wenig entgegenzusetzen hat. Das passiert häufiger im Markenrecht, in denen hohe Streitwerte die Regel sind und im Markenrecht nicht besonders bewanderte Kollegen die Sache genau aus diesem Grund ungern aus der Hand geben, sollte sich einmal ein Mandant mit entsprechendem Anliegen zu ihnen verirren. Jeder Rechtsanwalt möchte ab und an auch mal überdurchschnittlich hohe Gebühren kassieren.

Vielen Kollegen ist der Umstand daher nicht bewußt, dass das Markenrecht nicht nur eingetragene Marken durch die Eintragung eines Zeichens als Marke in das vom Patentamt geführte Register gem. § 4 Markengesetz schützt, sondern ohne formelle Eintragung in gleicher Weise auch geschäftliche Bezeichnungen in Form eines Unternehmenskennzeichens oder Werktitels gem. § 5 Markengesetz. Der Schutz einer geschäftlichen Bezeichnung entsteht dann durch deren Benutzung im Geschäftsverkehr und ist mangels formeller Eintragung in ein Register natürlich deutlich schwerer nachzuweisen. Als Rechtsanwalt ist man in einem solchen Fall gefordert, einen Haufen Rechnungen, Briefverkehr und sonstige Unterlagen bei Gericht einzureichen, die eine möglichst lückenlose Benutzung der geschäftlichen Bezeichnung im Geschäftsverkehr nachweisen.

Wenn man dann einen schweren Packen an Unterlagen als Anlagen zur Klage bei Gericht eingereicht hat, um das eigene Recht zu belegen und in der Klageerwiderung liest "Es bleibt auch angesichts der immensen Stärke des vorgelegten Schriftsatzes, der dann allerdings nur fünf Seiten Vortrag enthält, die Frage offen, was die Klägervertreter mit einem solchen Vorgehen überhaupt erreichen wollten.", kann man darauf vertrauen, dass der Kollege den zentralen Punkt der Klage überhaupt nicht erkennt und die mühsam vorgetragene Benutzung der Geschäftsbezeichnung nicht angreifen wird. Sollte dann in einem weiteren Schriftsatz behauptet werden, "dass die Klägerin gleichwohl die von ihr behaupteten Rechte gerade nicht haben kann, da insoweit der Auszug aus dem DPMA-Register deutlich zeigt, dass die Schutzrechte für die Zeichenfolge, die sich dann insoweit aus der Eintragung des Markenrechts in das Register ergibt, bei ganz anderen Rechtsinhabern liegen als bei der Klägerin", scheint die Sache definitv gelaufen.

Umso überraschender ist es daher, wenn der durch das Markenrecht strauchelnde Kollege trotz didaktisch hervorragend aufgebautem Urteil erster Instanz in die Berufung geht. Die Überraschung legt sich ein wenig, wenn man in der Berufungsbegründung den schlechten Bauerntrick einer zwischenzeitlich zu Gunsten der Beklagten beim DPMA angemeldeten und natürlich gleichlautenden Marke zur Kenntnis nimmt. Dass die Priorität der früher aufgenommenen Geschäftsbezeichnung die nachträglich eingetragene Marke als Verteidigungsinstrument in zweiter Instanz wertlos erscheinen lässt, wusste der Kollege natürlich auch nicht. Das Oberlandesgericht war in der mündlichen Verhandlung freundlich und ließ erst den Kollegen und dann sogar den Geschäftsführer der Beklagten ausführlich Stellung nehmen. Die Rücknahme der Berufung war dennoch kein Thema.

Trotzdem hat es die Beklagte abermals geschafft, mich zu überraschen. Der Bundesgerichtshof in Zivilsachen übersandte mir den Schriftsatz eines beim BGH zugelassenen Anwalts, in dem dieser darum bat, die Frist für die Begründung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im betreffenden Rechtsstreit um zwei Monate zu verlängern. Ich habe mich schon zu Beginn des Prozesses gefragt, was den Geschäftsführer einer Firma dazu treibt, wissentlich den Namen einer bereits in Hannover existierenden Firma für seine Neugründung zu wählen. Ist die Namensführung derart gewinnträchtig, dass man bereit ist, in Abmahnkosten bis hin zu den Kosten der Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof zu investieren, nur um möglichst lange den Namen nutzen zu können? Die einzig überzeugende Antwort gab mir die Mandantin selbst und ich habe sie deshalb zur Überschrift werden lassen.       


Montag, 25. September 2017

Claudia Roth nicht ekelhaft III

Erst in der dritten Instanz erkannten die Richter des OLG Köln nun, dass die folgende E-Mail eines aufgebrachten Bürgers an den ehemaligen Flüchtlingskoordinator der Stadt Brühl keine Schmähkritik war:

„Wie lange soll eigentlich noch der Eidbruch (...Schaden vom deutschen Volke abwenden,..) von Merkel durch devote Bürgermeister und Landräte unterstützt werden? Kriegt hier vor Feigheit wieder mal keiner sein Maul auf?! Oder beginnt hier die humane Ausrottung des deutschen Volkes durch vollständige Durchrassung? So wurde es jedenfalls von dieser ekelhaften Claudia Roth in einer Talkshow herbeigesehnt!“.

Man musste kein Volljurist sein, um erkennen zu können, dass die Ausführungen des Amtsgerichts Brühl im Urteil vom 24.08.2016 zum Az.: 50 Ds-121 Js 882/15-229/16 falsch waren: „Nicht von seinem Recht auf Bezeichnung und Aufführung von angeblichen Missständen ist hingegen die persönliche Diffamierung eines Politikers, zumal sie ohne jeden Sachzusammenhang zu der von ihm vorgenommenen Kritik steht.“ Auch das Landgericht Köln war in seinem Urteil vom 03.02.2017 zum Az.: 157 Ns 102/16 nicht in der Lage, die angegriffene Kritik fachgerecht einzuordnen: "Die Bezeichnung steht auch nicht in irgendeinem inhaltlichen Zusammenhang zu den sonstigen zulässigen Äußerungen des Angeklagten."

Die überfällige Korrektur der richterlichen Fehleinschätzungen erster und zweiter Instanz leistete erst das OLG Köln in seinem Beschluss vom 02.06.2017 zum Az.: III-1 RVs 110/17 unter Hinweis auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 29. Juni 2016, 1 BvR 2646/15. Soweit das Tatgericht der Sache nach davon ausging, bei der Bezeichnung von Frau Roth als „ekelhaft“ handele es sich um Schmähkritik, vermochte der Kölner Senat dem nicht zu folgen. Es sei „für den Streitfall nicht zu verkennen, dass der Verwendungskontext (jedenfalls auch) auf die politische Auffassung von Frau Roth zu einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage, nämlich der Flüchtlingsfrage, zielt.“

Bei der durch die zutreffende Einordnung der Äußerung erforderlich werdenden Abwägung zwischen dem Grundrecht des Angeklagten aus Art. 5 Abs. 1 GG und dem Persönlichkeitsrecht von Claudia Roth war für den Senat allerdings bestimmend, „dass die Bezeichnung von Frau Roth als „ekelhaft“ eine Ehrkränkung von erheblichem Gewicht darstellt, wird ihr als Person doch - wie das Tatgericht mit Recht ausführt - eine Eigenschaft als gleichsam invariant zugeschrieben, die gemeinhin mit dem Auslösen von erheblichen negativen, nicht nur psychischen, sondern insbesondere auch körperlichen Sensationen beim Gegenüber in Verbindung gebracht wird. Vom Ekelhaften wendet sich jedermann ab. Der soziale Geltungsanspruch des solchermaßen Angegangenen ist massiv in Frage gestellt.“

Leider spielte bei der erforderlichen Gewichtung der Rechte des Angeklagten der Umstand überhaupt keine Rolle, dass die streitgegenständliche Kritik nicht öffentlich verbreitet wurde, sondern nur Inhalt einer privaten E-Mail war. Es wäre interessant gewesen zu erfahren, wie durch eine einzige E-Mail der soziale Geltungsanspruch von Frau Roth als Politikerin derart massiv bedroht werden kann, dass das Grundrecht des Angeklagten aus Art. 5 Abs. 1 GG vollständig zurückzutreten hat. Die Strenge eines Strafsenats am OLG Köln scheint dabei diejenige eines Zivilsenats des gleichen Gerichts deutlich zu überschreiten, wie man dem Beschluss des 15. Zivilsenats des OLG Köln vom 07.04.2016 zum Az. 15 W 14/16 entnehmen kann, in dem es um eine öffentlich geäußerte Kritik an Frau Roth ging.

Da der 1. Strafsenat des OLG Köln zudem nicht ein Wort über die ebenfalls in Rede stehende Verurteilung wegen Beleidigung anlässlich einer Auseinandersetzung unter Hausbewohnern verloren hat, obwohl für die dort streitgegenständlichen Äußerungen ein Freispruch des Angeklagten wegen unstreitig erfolgter wechselseitiger Beleidigungen im Sinne des § 199 StGB in Betracht kam, ruhen die Hoffnungen des Angeklagten nun auf der Einsichtsfähigkeit des Bundesverfassungsgerichts.

Dienstag, 29. August 2017

Claudia Roth nicht ekelhaft II

Wer sich in der Berufungsverhandlung vor einer Strafkammer dem Vorwurf der Beleidigung der Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages und ausländischen Mitbewohnern ausgesetzt sieht und dann Begriffe wie "Kampfraum Stalingrad", "Walhall", die „Tafelrunde der Edlen“ und den „Adler der Ostfront" fallen lässt, ist einerseits wohl unbelehrbar ehrlich und andererseits von einem Vertrauen in die Kompetenz und Neutralität der deutschen Justiz geprägt, das man auch als Naivität bezeichnen könnte und schließlich als naiv bezeichnen muss, wenn man das Urteil des Landgerichts Köln vom 03.02.2017 zum Az.: 157 Ns 102/16 auch nur oberflächlich analysiert.

Der Angeklagte war in der ersten Instanz für den Versand einer E-Mail verurteilt worden, in der u.a. zu lesen war "Oder beginnt hier die humane Ausrottung des deutschen Volkes durch vollständige Durchrassung? So wurde es jedenfalls von dieser ekelhaften Claudia Roth in einer Talkshow herbeigesehnt!" und hatte sich im übrigen im Treppenhaus ein mindestens scharfes Wortgefecht mit ausländischen Hausgenossen, die später als Zeugen auftraten, geliefert, für das er ebenfalls zur Rechenschaft gezogen worden war.

Erwähenswert ist im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung unter Hausbewohnern, dass es das Gericht nur für strafmildernd hielt, dass der Angeklagte vom Zeugen ebenfalls beleidigt wurde. Die Voraussetzungen des § 199 StGB wurden verneint, obwohl der Zeuge angab, den Angeklagten ebenfalls beschimpft zu haben, weil der zeitliche Zusammenhang und die Reihenfolge der Äußerungen unklar geblieben seien. Da haben wohl die Gedanken an Stalingrad und die Ostfront die mentale Beweglichkeit des Landgerichts etwas einfrieren lassen, sonst hätte der Umstand, dass es für die Straffreiheit wechselseitiger Beleidigungen nach § 199 StGB nicht auf deren zeitliche Abfolge ankommt, sicherlich eine größere Rolle spielen müssen, denn "entscheidend ist allein, dass es sich um wechselseitige, d.h. unmittelbar aufeinanderfolgende, in einem spezifischen Zusammenhang stehende Beleidigungen handelt", vgl. Beschluss des OLG Koblenz v. 24.02.2011, Az.: 2 Ss 30/11.

So verwundert es dann auch nicht, dass das Gericht bei der Betrachtung der Äußerung über Frau Roth ganz unverhohlen die Hühneraugen zudrückte, allerdings noch einmal zu Lasten des Angeklagten. Dass Gericht verstieg sich angesichts des oben zitiertren E-Mail-Inhalts tatsächlich zu folgendem Nonsens: "Bezeichnet man einen Menschen als "ekelhaft", so impliziert dies, dass diesem Menschen eine unabhängig von der Situation, von seinem Verhalten, dem was er sagt oder tut, zukommende Eigenschaft anhaftet. Eine derartige Äußerung hat mit scharfem Meinungskampf in der Politik nichts zu tun, sondern dient einzig der persönlichen Herabwürdigung. Auch aus dem Kontext der Äußerung, den sonstigen Passagen des Schreibens und seinem Anlass, ergibt sich nichts Abweichendes." Schräg, oder? Aber es kommt noch besser: "Die Bezeichnung steht auch nicht in irgendeinem inhaltlichen Zusammenhang zu den sonstigen zulässigen Äußerungen des Angeklagten."

Das ist angesichts der E-Mail so falsch, dass es eigentlich keiner näheren Erörterung bedarf. Denn der Wortlaut der in Rede stehenden Äußerung zielt eindeutig auf den vom Angeklagten angeführten Umstand ab, dass Frau Roth angeblich die humane Ausrottung des deutschen Volkes durch vollständige Durchrassung herbeigesehnt hätte. Wie man auf die Idee kommen kann, der Ekel des Angeklagten gegenüber Frau Roth bezöge sich nicht wenigstens auch auf deren angebliche Einstellung zum deutschen Volk, bleibt unergründlich.

Zurück bleibt der fade Nachgeschmack, dass sich die deutsche Justiz mit den Prinzipien der Meinungsfreiheit immer dann besonders schwer tut, wenn dem Delinquenten eine "rassistische bzw. fremdenfeindliche Gesinnung" nachgesagt werden kann, die per se nicht strafbar ist. Es ist allerdings kein nachvollziehbarer Grund ersichtlich, warum gerade in solchen Fällen mit leicht durchschaubaren Falschbegründungen Grundrechte über Bord geworfen werden sollten. Das Landgericht muss sich deshalb schlicht eine Gesinnungsjustiz vorwerfen lassen, denn dass die Bezeichnung einer "ekelhaften Claudia Roth" im inhaltlichen Zusammenhang mit deren angeblich gewünschter Durchrassung steht, ist selbst für einen durchschnittlich begabten Gymnasiasten erkennbar.

Dienstag, 16. Mai 2017

Turboquerulantin - Das Massaker nach Anwaltswechsel

Nach gefühlten 30 verlorenen Verfahren auf Seiten der Turboquerulantin haben wir den tapferen Kollegen aus Ettlingen verabschiedet und durften für das Rückspiel am Amtsgericht Duisburg-Ruhrort im Massaker-Verfahren einen Rechtsanwalt aus Oberhausen als Vertreter des angeblichen Justizopfers begrüßen. Dass es für den neuen Bevollmächtigten der Turboquerulantin nicht besser lief, war keine Überraschung, denn die von der Gegenseite angekündigten Beweise für einen rauschenden Triumph blieben schlicht aus.

Im Mittelpunkt des Prozesses stand ein Konto auf Facebook mit dem Namen "Turboquerulantin", dass angeblich von unserem Mandanten betrieben wurde. Von dort aus sollte er ein Massaker am Amtsgericht Nienburg angedroht haben. Eine falsche Tatsachenbehauptung, die nach höchstpersönlichem Einspruch der juristischen Geisterfahrerin gegen ein Versäumnisurteil vom Amtsgericht Duisburg-Ruhrort durch Urteil vom 10.04.2017 zum Az.: 10 C 313/16 erneut verboten wurde.

Das Amtsgericht musste sich auch mit der wiederkehrenden Behauptung einer Prozess- oder Verhandlungsunfähigkeit der TQ befassen, die regelmäßig durch nichtssagende ärztliche Bescheinigungen gestützt werden sollen: "Für eine Prozessunfähigkeit der Verfügungsbeklagten bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte. Vielmehr war erkennbar, dass die Verfügungsbeklagte die angebliche Verhandlungsunfähigkeit vorschob, um sich vor einer gerichtlichen Ahndung der Vorwürfe gegen sie zu schützen. Das lässt sich aus der Weigerung, eine aussagekräftige ärztliche Bescheinigung vorzulegen, entnehmen."

Wir haben die Masche der Turboquerulantin, sich vor unangenehmen Verfahren mittels Attest zu drücken, zum Anlass genommen, die Bestätigungen einer psychischen Krankheit als auch die mehrfache Bestätigung von Verhandlungsunfähigkeit oder Haftunfähigkeit durch den Hausarzt einer juristischen Überprüfung durch die Staatsanwaltschaft unterziehen zu lassen. Denn nach § 278 StGB macht sich ein Arzt strafbar, der ein unrichtiges Zeugnis über den Gesundheitszustand eines Menschen zum Gebrauch bei einem Gericht wider besseren Wissens ausstellt. Als Allgemeinmediziner ohne das notwendige Fachwissen vor anstehenden Gerichtsterminen stereotype ärztliche Gesundheitszeugnisse auszustellen, die eine psychische Krankheit attestieren, könnte schlicht strafbar sein.

Mittwoch, 8. März 2017

Claudia Roth nicht ekelhaft


Zugegeben, diese Überschrift ist falsch. Denn ob Claudia Roth als ekelhaft empfunden wird oder nicht, bestimmt sich ausschließlich nach der Gefühlswelt des jeweiligen Zuhörers oder Betrachters und lässt sich daher nicht allgemeingültig festlegen. Im stillen Kämmerlein darf man die aktuelle Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages durchaus ekelhaft oder ausgesprochen sexy finden. Problematisch wird die eigene Einstellung zu einer der prominentesten Politikerinnen von Bündnis 90/Die Grünen allenfalls dann, wenn man seine persönliche Einstellung über Frau Roth öffentlich kundgeben möchte. Insbesondere dann, wenn man sie nicht als liebreizend oder warmherzig sondern gar als ekelhaft empfindet. Gegenstand eines laufenden Strafverfahrens ist deshalb die folgende E-Mail eines besorgten Bürgers an den früheren Flüchtlingskoordinator der Stadt Brühl:

„Wie lange soll eigentlich noch der Eidbruch (...Schaden vom deutschen Volke abwenden,..) von Merkel durch devote Bürgermeister und Landräte unterstützt werden? Kriegt hier vor Feigheit wieder mal keiner sein Maul auf?! Oder beginnt hier die humane Ausrottung des deutschen Volkes durch vollständige Durchrassung? So wurde es jedenfalls von dieser ekelhaften Claudia Roth in einer Talkshow herbeigesehnt!“

Auch wenn man die Ansicht des E-Mail-Schreibers nicht teilt, wird man dem Äußernden zugestehen müssen, dass sich dessen Kundgabe im Kontext der E-Mail nicht auf das Äußere von Frau Roth bezog, sondern auf ihr angebliches Herbeisehnen der humanen Ausrottung des deutschen Volkes durch vollständige Durchrassung. Für eine auf die physische Erscheinung der Politikerin bezogene Aussage gibt es keinen Anhaltspunkt.

Richterin Alexandra von Albedyll vom Amtsgericht Brühl hielt die oben angeführte Äußerung dennoch für eine strafbare Beleidigung und begründete ihre Auffassung im Urteil zum Az.: 50 Ds-121 Js 882/15-229/16 wie folgt:

„Indem der Angeklagte am 3.11.2015 in der E-Mail an den ehemaligen Flüchtlingskoordinator der Stadt Brühl u.a. die „ekelhafte Claudia Roth“ schrieb, hat er ihren Ehr- und Achtungsanspruch verletzt, ohne dass dies zugleich von der ihm zustehenden Meinungsfreiheit gedeckt gewesen wäre. Die Bezeichnung als „ekelhaft“ stellt die Kundgabe der Missachtung eines anderen Menschen dergestalt dar, dass dieser in seinem Achtungsanspruch als Mensch herabgesetzt und als widerlich und abstoßend gleichgesetzt wird. Hierbei wird einem anderen Menschen eine negative Qualität zugesprochen, die diesen als minderwertig darstellen lässt. Durch die Verwendung eines solchen Adjektivs in Bezug auf einen anderen Menschen kommt nicht lediglich das Gefühl einer starken Abneigung zum Ausdruck, sondern vielmehr eine Herabsetzung dieses Menschen. Durch die Klassifizierung von Menschen als „nicht ekelhaft" und solchen, die „ekelhaft“ seien, findet gerade eine kategorische Absprechung deren personalen Geltungswertes statt.

Die öffentliche Bezeichnung eines Menschen als „ekelhaft“ ist auch nicht unter Berücksichtigung der dem Angeklagten zustehenden Meinungsfreiheit zulässig und damit gem. § 193 StGB gerechtfertigt. Soweit sich der Angeklagte mit seiner E-Mail an den ehemaligen Flüchtlingskoordinator der Stadt Brühl über die Flüchtlingspolitik und die angeblichen durch Flüchtlinge hervorgerufenen Missstände äußern wollte, so ist dies grundsätzlich sein ihm aus Art. 5 Abs.1 GG zustehendes Recht. Nicht von seinem Recht auf Bezeichnung und Aufführung von angeblichen Missständen ist hingegen die persönliche Diffamierung eines Politikers, zumal sie ohne jeden Sachzusammenhang zu der von ihm vorgenommenen Kritik steht. Zur Kundgabe der von ihm vertretenen Auffassung zu der Flüchtlingspolitik bedurfte es nicht der Bezeichnung von Claudia Roth als „ekelhaft”. Dies stellt eine im konkreten Falle unverhältnismäßige Formulierung dar, da sie bereits zur Wahrnehmung des von ihm Verfolgten Interesses der Kritik an der Flüchtlingspolitik weder geeignet noch erforderlich war.“

Schlicht falsch dürfte die Begründung der Richterin sein, wenn sie die Äußerung „ekelhafte Claudia Roth“ als ohne jeden Sachzusammenhang zu der geäußerten Kritik an Angela Merkel sowie Bürgermeistern und Landräten einordnet. Denn gerade deren Verhalten sollten nach Ansicht des Delinquenten als Teil der „Ausrottung des deutschen Volkes durch vollständige Durchrassung“, wie angeblich von Roth gewünscht, in Betracht kommen. Mit dieser Fehleinschätzung des Gerichts wird der streitgegenständlichen Meinungsäußerung aber genau der Verwendungskontext in einer Sachauseinandersetzung abgesprochen, unter dessen Prämisse der ehrbeeinträchtigende Gehalt der Meinungsäußerung zwischen der Meinungsfreiheit des Angeklagten und dem Persönlichkeitsrecht von Frau Roth zu gewichten gewesen wäre, vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 29. Juni 2016, 1 BvR 2646/15.

Das Argument des Gerichts, dass es zur Kundgabe der Auffassung zur kritisierten Flüchtlingspolitik nicht der Bezeichnung von Claudia Roth als „ekelhaft” bedurft hätte, ist zwar richtig, geht aber am Kern der Meinungsfreiheit vollständig vorbei, denn die Notwendigkeit, Erforderlichkeit oder Geeignetheit einer Meinungsäußerung ist keine Voraussetzung für deren Schutz. Das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung ist als subjektive Freiheit des unmittelbaren Ausdrucks der menschlichen Persönlichkeit ein grundlegendes Menschenrecht. Sie umfasst nicht zuletzt die Freiheit, die persönliche Wahrnehmung von Ungerechtigkeiten in subjektiver Emotionalität in die Welt zu tragen, vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 10. März 2016, 1 BvR 2844/13.

Ganz deutlich und für eine Prädikatsjuristin im Staatsdienst nicht zu übersehen sagt das Bundesverfassungsgericht, dass Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG nicht nur sachlich-differenzierte Äußerungen schützt, sondern gerade Kritik auch pointiert, polemisch und überspitzt erfolgen darf; insoweit liegt die Grenze zulässiger Meinungsäußerungen nicht schon da, wo eine polemische Zuspitzung für die Äußerung sachlicher Kritik nicht erforderlich ist. Auch eine überzogene oder gar ausfällige Kritik macht eine Äußerung für sich genommen noch nicht zur Schmähung. Eine Äußerung nimmt diesen Charakter erst dann an, wenn nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern - jenseits auch polemischer und überspitzter Kritik - die Diffamierung der Person im Vordergrund steht.

Wenn man sich nun fragt, weshalb Richterin von Albedyll trotzdem die Erforderlichkeit der in Rede stehenden Äußerung zum Kriterium ihres Urteils gemacht hat und ohne plausible Begründung jeden Sachzusammenhang der ausfallenden Kritik an Frau Roth verneint hat, muss man beachten, dass Alexandra von Albedyll erst 2016 zur Richterin auf Probe ernannt wurde und in dieser noch unsicheren Position die undankbare Aufgabe hatte, darüber zu entscheiden, ob man die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestags ungestraft in aller Öffentlichkeit als ekelhaft bezeichnen darf. Man stelle sich die Schlagzeile „Claudia Roth ekelhaft“ in der Tagespresse und die Wogen der Bestürzung vor, zu denen sich die Direktorin des Amtsgerichts Brühl dann hätte äußern müssen.

Mal ehrlich, würden Sie nach einem guten Abitur und Prädikatsexamen auf der dreijährigen Zielgeraden zum Richter auf Lebenszeit ihre Hand für die Meinungsfreiheit ins Feuer halten, wenn ein Mitglied des Präsidiums des Deutschen Bundestags Strafantrag gestellt hat und sich der Angeklagte im gleichen Verfahren neben der herabsetzenden Äußerung gegenüber Frau Roth den - bestrittenen - Vorwurf gefallen lassen muss, anderen Personen gegenüber „Scheiß Ausländer“, „Ich bin ein Nazi“ oder „Heil Hitler" gesagt zu haben?

Montag, 30. Januar 2017

Die Turboquerulantin schreibt Rechtsgeschichte

Mit Hilfe das Amtsgerichts Nienburg ist es nunmehr nicht nur gelungen, gegen Deutschlands bekannteste Mobberin einen Unterlassungstitel im Hauptsacheverfahren an ihrem allgemeinen Gerichtsstand durchzusetzen, sondern auch deren Kampfname "Turboquerulantin" in die amtliche deutsche Jurisprudenz einzuführen. Denn mit dem Urteil vom 04.01.2017 zum Az.: 6 C 409/16 hat das Amtsgericht Nienburg die Frage behandelt, ob Kommentare des von der Turboquerulantin Beleidigten im Blog seines Anwalts zur Straffreiheit der sprachgewaltigen Hetzerin führen könnten:

"Schließlich kann nicht allein aus dem Umstand, dass auch der Kläger ehrenrühriges Verhalten zu Lasten der Beklagten an den Tag gelegt haben könnte, indem er sich an einem eventuell die Beklagte allein aufgrund des Titels „Turboquerulantin" diffamierenden Blog beteiligt hat, unter Anwendung des Rechtsgedankens von § 199 StGB, wonach auf der Stelle erwiderte Beleidigungen für straffrei erklärt werden können, hergeleitet werden, dass deswegen die Bezeichnung des Klägers als „Betrüger“ durch die Beklagte auch zivilrechtlich sanktionslos bleiben müsse. Dem steht bereits die Überlegung entgegen, dass dann gerade auch in den sozialen Medien des Internets ein rechtsfreier Raum für wechselseitige Beleidigungen der Beteiligten entstünde, obwohl diese nach den allgemein bekannten Erkenntnissen ohnehin schon - wie dieser Fall auch zeigt - jedes erträgliche Maß deutlich überschreiten." 

Die mit der Urteilsbegründung aufgeworfene Frage, ob bereits die Namensgebung „Turboquerulantin" diffamierenden Charakter habe, wurde vom Amtsgericht Nienburg offen gelassen. Bei Wikipedia findet man zur Grundform der Begriffsschöpfung die Definition eines Menschen, der trotz geringer Erfolgsaussicht besonders unbeirrbar und zäh einen Rechtskampf führt. "Dabei steht ein geringfügiger oder vermeintlicher Anlass kaum noch in einem angemessenen Verhältnis zum rechthaberischen, misstrauischen, fanatischen und unbelehrbaren Vorgehen der so bezeichneten Menschen." Ob die Bezeichnung Querulantin unter Zuhilfenahme des Präfixes "Turbo" eine von der Meinungsfreiheit gedeckte Äußerung ist, wird man daher wohl nur durch Auflistung sämtlicher bekannter Streitigkeiten klären können. Allein über die Anzahl der von uns geführten Verfahren habe ich ehrlich gesagt den Überblick verloren, aber die jährliche Misserfolgsquote der Turboquerulantin dürfte in etwa bei 30:0 liegen.

Dienstag, 17. Januar 2017

SCHÜLERZEITUNG

Dass die juristische Berichterstattung des SPIEGEL mit Vorsicht zu genießen ist, habe ich schon mehrfach festgestellt. Heute hat die Laienspielschar des SPIEGEL allerdings den Bundesadler abgeschossen, als auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Januar 2017, Az.: 2 BvB 1/13, die Eilmeldung "Bundesverfassungsgericht verbietet NPD" verbreitet wurde, obwohl das Bundesverfassungsgericht den Verbotsantrag tatsächlich abgelehnt hat, weil es an konkreten Anhaltspunkten von Gewicht fehlt, die eine Durchsetzung der von der NPD verfolgten verfassungsfeindlichen Ziele möglich erscheinen lassen.

Wie wenig vertraut die Redakteure Deutschlands größter Schülerzeitung mit juristischen Prozessen sind, lässt sich folgender Erklärung der Redaktion entnehmen:
  
"Als der Vorsitzende des Zweiten Senats, Andreas Voßkuhle, zu reden begann, zitierte er zunächst den Antrag auf das NPD-Verbot. Der Antrag wurde von uns versehentlich mit dem - tatsächlich anderslautenden - Urteil verwechselt."

Vielleicht gönnt sich der SPIEGEL ja auf diese Blamage hin endlich mal einen schreibenden Volljuristen für die Gerichtsberichterstattung.

Montag, 9. Januar 2017

Der wehrhafte Gottesmann

Dass die Freiheit des Glaubens in Deutschland mittlerweile auch für Christen ein hart umkämpftes Rechtsgut sein kann, wird angesichts der allgegenwärtigen Islamdebatte derzeit etwas in den Hintergrund gedrängt. Umso erfreulicher ist ein klares Signal des Landgerichts Hagen in Form eines Urteils zu Gunsten eines Geistlichen christlichen Glaubens, der sich gegen bösgemeinte Attacken eine lokalen Zeitung zur Wehr setzen musste.

Der ehrenamtlicher Priester der Freie Katholische Gemeinde Deutschland e.V. aus Duisburg hatte sich mit der untragbaren Auffassung von Religionsfreiheit einer kleinen niedersächsischen Zeitung auseinanderzusetzen, die ihm schlichtweg das Recht absprach, Messen halten zu können, freie Hochzeiten und Taufen zu feiern oder als Geistlicher bei Beerdigungen sprechen zu dürfen. Die kleinstädtische Postille hatte sich blindlings auf die falschen Äußerungen eines Geistlichen der Christus-Gemeinde Wunstorf e.V. verlassen und daraus ein eigenes Statement gebastelt, das jeder tatsächlichen und rechtlichen Grundlage entbehrte.

Ob der Herausgeber und Geschäftsführer des Zeitungsverlags die Tragweite der verfassungsmäßig gewährten Religionsfreiheit trotz aufklärender Abmahnung verkannt hat, wonach die Glaubensfreiheit nicht nur den Mitgliedern anerkannter Kirchen und Religionsgemeinschaften, sondern auch den Angehörigen anderer religiöser Vereinigungen zusteht, konnte vor dem Landgericht Hagen nicht abschließend geklärt werden. Denn auch der Rechtsanwalt des Herausgebers zeigte sich gegenüber den Ausführungen des geduldigen Vorsitzenden der 2. Kammer des Landgerichts Hagen arg verschlossen und mochte der Erläuterung der Auswirkungen des für den Staat verbindlichen Gebots weltanschaulich-religiöser Neutralität nicht so recht lauschen.

Damit blieb der Zivilkammer des Landgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 03.08.2016 nichts anderes übrig, als außer den Auswirkungen des Artikels 4 unseres Grundgesetzes in einem auch für juristische Laien verständlich gehaltenen Urteil zusätzlich aufzuschreiben, worin die Geheimnisse des besonderen Gerichtsstands der unerlaubten Handlung liegen. Auch Ausführungen zur Anonymisierung und Auslegung von Zeitungsartikeln blieben dem Gericht nicht erspart, da der gegnerische Kollege und der von ihm vertretene Zeitungschef sich ganz und gar nicht mit einer gütlichen Einigung arrangieren konnten. Vergelt's Gott.

Mittwoch, 29. Juni 2016

Anwalt mit Eiern

Das Urteil hat 9 Seiten, meine Berufungsbegründung hat 13 Seiten und der Kollege hat einen Monat Zeit, darauf zu erwidern. Nach drei Tagen ist die Erwiderung da: "In dem Rechtsstreit A gegen B zeige ich die Vertretung der rechtlichen Interessen der Antragsgegnerin auch im Berufungsverfahren an. Es wird kostenpflichtige Zurückweisung der Berufung beantragt. Das Urteil des Landgerichtes ist richtig. Auf die zutreffenden Ausführungen wird Bezug genommen." Das würde ich mich nicht trauen.

Dienstag, 12. April 2016

"provinzieller Staatsanwalt"

Eine selbstbewusste Rechtsreferendarin hatte es gewagt, ihrem Ausbilder bei der Staatsanwaltschaft per E-Mail die Meinung - nicht nur - über ihr Stationszeugnis mitzuteilen, nachdem dieser zu einer Abänderung des Zeugnisses nicht bereit war:

"[…] Alles andere hätte mich sehr gewundert, denn Menschen, die miteinander Kaffee trinken und gemeinsam zu Mittag essen, pissen sich nicht gegenseitig ans Bein, nicht wahr? […]

Sie sind ein provinzieller Staatsanwalt, der nie aus dem Kaff rausgekommen ist, in dem er versauert. Ihr Weltbild entspricht dem des typischen deutschen Staatsbürgers von 1940. Mit Ihrem Leben und Ihrer Person sind Sie so zufrieden wie das Loch vom Plumpsklo.

Als Sie mich vor sich hatten, sind Sie vor Neid fast erblasst. Ich konnte Ihren Hass geradezu sinnlich wahrnehmen. Am liebsten hätten Sie mich vergast, aber das ist ja heute out. Also taten Sie das einzige, wozu Ihnen Ihre begrenzte Position die Möglichkeit bietet: Sie stellten mir ein wirres Zeugnis aus, das an jeder Realität vorbeigeht.

Nun, ich beglückwünsche Sie zu diesem strahlenden Sieg, genießen Sie ihn aufrichtig, kosten Sie ihn bloß richtig aus – denn während es für mich nur ein unerhebliches Ärgernis ist (welches mich, zugegeben ziemlich in meinem Rechtsempfinden berührt), ist es für SIE der Höhepunkt Ihres Lebens. Etwas Schöneres wird Ihnen während Ihrer armseligen Existenz nie erfahren.[…]"

Für diese Mitteilung wurde die ehemalige Referendarin zunächst rechtskräftig wegen Beleidigung zu 60 Tagessätzen a 30,00 EUR Geldstrafe verurteilt und darauf aufbauend hielt es nicht nur die zuständige Rechtsanwaltskammer für angemessen, der meinungsfrohen Volljuristin die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu verweigern, sondern auch der 1. Senat des nordrheinwestfälischen Anwaltsgerichtshofs, der seine Entscheidung mit Urteil vom 30.10.2015 zum Aktenzeichen 1 AGH 25/15 fixierte.

Gemäß § 7 Nr. 5 BRAO sei die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu versagen, wenn sich der Bewerber eines Verhaltens schuldig gemacht habe, das ihn unwürdig erscheinen lasse, den Beruf des Rechtsanwaltes auszuüben. Gemessen an diesen Maßstäben stehe die von der Klägerin begangene Straftat der Beleidigung der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft bei Würdigung aller Umstände entgegen. Auch die Einlassung und die in der mündlichen Verhandlung gerade nicht geäußerte Entschuldigung zeige, dass es ihr nach wie vor an Einsicht und Reue hinsichtlich ihrer Verurteilung und der zugrunde liegenden Straftat fehle. Denn nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs komme der Frage besondere Bedeutung zu, wie der Bewerber in der Zwischenzeit mit seinem Fehlverhalten umgegangen sei. Zeige er Einsicht und Reue, schlüge dies positiv zu Buche; gegenläufiges Verhalten wie im vorliegenden Fall sei dagegen negativ zu bewerten.

Es ist also offensichtlich nicht gelungen, der Fastkollegin während der Ausbildung und des Strafverfahrens bis hin zum anwaltlichen Zulassungsverfahren die Eigenschaften abzuerziehen, die im anwaltlichen Berufsleben für viele Mandanten von entscheidender Bedeutung sind: Standhaftigkeit verbunden mit dem Willen, sich der Autorität des Staates nicht gegen die eigene Überzeugung zu beugen und bereit zu sein, sich daraus ergebende persönliche Nachteile in Kauf zu nehmen. Glücklicherweise ist es nur eine Frage der Zeit, wann die abgelehnte Bewerberin die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft erhält, denn ein lebenslanges Berufsverbot kommt selbst für aufmüpfige Volljuristen nicht in Betracht.

UPDATE: Stellungnahme der Bundesrechtsanwaltskammer vom Januar 2017

Freitag, 19. Februar 2016

Zentrales Gewerberegister zur Erfassung und Registrierung USt-IdNr.

Sie lieben es, amtlich wirkende Formulare auszufüllen, Ihre Firmendaten an überflüssige Internetbuden zu übermitteln und die deutsche Bürokratie hat Ihnen als Kleinunternehmer sämtliche Abwehrkräfte geraubt, so dass Sie bereit sind, jeden Blödsinn mitzumachen, nur um sich der Illusion hinzugeben, irgendwann einmal Ordnung auf dem mit lästigem Papier überhäuften Schreibtisch schaffen zu können? Dann sind Sie der Kandidat für ein Zentrales Gewerberegister zur Erfassung und Registrierung inkl. Umsatzsteueridentifikationsnummern, das von der DR Verwaltung AG, Siemensstraße 36, 53121 Bonn auf einem mit Liebe gestaltetem Formular auch Zentrales Gewerberegister zur Erfassung inkl. USt-IdNr. genannt wird und das durch den auf dem Eintragungsformular verwendeten Doppeladler signalisiert, Albanien näher zu sein als Deutschland.

Wahrscheinlich haben die Jungs der DR Verwaltung AG das Grundsatzurteil des BGH vom 26. 7. 2012 zum Az.: VII ZR 262/11 auch gelesen, in welchem ausgesprochen wurde, dass wenn eine Leistung (Grundeintrag in ein Branchenverzeichnis im Internet) in einer Vielzahl von Fällen unentgeltlich angeboten wird, eine Entgeltklausel, die nach der drucktechnischen Gestaltung des Antragsformulars so unauffällig in das Gesamtbild eingefügt ist, dass sie von dem Vertragspartner des Klauselverwenders dort nicht vermutet wird, gemäß § 305c Abs. 1 BGB nicht Vertragsbestandteil ist und bei der Formulargestaltung versucht, sich nicht an den Kriterien des BGH messen lassen zu müssen.

Daher wird, wenn auch kleindgedruckt, im Formular der DR Verwaltung AG darauf hingewiesen, dass die Erfassung der Unternehmensdaten unter www.ustid-nr.de eine nicht amtliche, kostenpflichtige Eintragung ist, die von der DR Verwaltung AG angeboten wird und bislang keinerlei Geschäftsbeziehung bestünde. Wer überlicherweise nur das Eingangsblabla seines Steuerbescheids liest und es gewohnt ist, seine Augen sofort zum wesentlichen Teil eines behördlichen Formulars schweifen zu lassen, könnte nach dem Ausfüllen und Übermitteln des Formulars der DR Verwaltung AG in Zukunft mehr Arbeit haben, als erhofft, wenn er endlich merkt, dass - wie schon im Formular am Ende aufgeführt - der Veröffentlichungsbetrag für das Spaßregister jährlich 398,88 Euro zzgl. MwSt. beträgt und durch die Veröffentlichung der eingetragenen Firmendaten über einen Zeitraum von mindestens zwei Jahren verbindlich bestellt wurde.