Die absolute Pflichtlektüre zum NSU-Prozess ist auch für Juristen die BILD-Zeitung als Sprachrohr der Unwissenden und Empörten. Es ist interessant zu lesen, wie BILD das Gerechtigkeitsempfinden des Volkes hinsichtlich des NSU-Prozesses zu steuern sucht. Die Angeklagte Beate Zschäpe wird nahezu ausschliesslich als "Nazi-Braut" bezeichnet und schon ihr Recht zu schweigen wird in einer Überschrift verurteilt: "Nazi-Braut sagt nicht einmal ihren Namen". Immerhin gibt Väterchen Volkszorn Franz Josef Wagner zu, warum es bei der BILD an einer sachlichen Darstellung mangelt: "Schlimmer NSU-Prozess - Wir hören juristisches Zeug, was niemand versteht." Genauso geht es auch NSU-Opfer Abdullah Özkan, der sein Unverständnis ebenfalls zu Protokoll gibt: „Ich verstehe diese Anwälte nicht. Warum diese Verzögerungen? Das ist unerträglich!“.
In die Reihe der Unwissenden soll sich sein Anwalt nach Angaben der BILD ganz vorne eingereiht haben: „Man sollte diesen Anwälten die Zulassung entziehen. Das ist kein Niveau, die stellen einen Antrag nach dem anderen – ohne nachzudenken. Das ist beinahe schon skandalös!“. Sicherlich nur eine gespielte Empörung des Kollegen, denn so schwer ist das Grundprinzip des Strafprozesses im Hinblick auf die Verteidigung selbst für Laien nicht zu verstehen. Ein Verteidiger hat nur die Aufgabe, die Rechte des Angeklagten umfassend wahrzunehmen und ist verpflichtet, sich ausschließlich für die Belange des Angeklagten einzusetzen. Dies zu erläutern kann sogar einem Journalisten gelingen - aber nur, wenn man das juristische Zeugs versteht und dieses Wissen auch vermitteln möchte.