Freitag, 21. August 2015

Nachts vor einer roten Ampel

Was macht ein radfahrender Rechtsanwalt nachts an einer roten Ampel, wenn auf der kreuzenden Fahrspur weit und breit kein Fahrzeug zu sehen ist? Richtig. Er bedankt sich innerlich für die wohlwollende Installation einer Ampel, die bei erhöhtem Verkehrsaufkommen durchaus nützlich sein kann und überfährt mit dem gewohnten Mass an Eigenverantwortung die rote Ampel.

Das deutsche Recht erlaubt diese Form der Umsetzung einer individuellen Handlungsfreiheit vor roten Ampeln jedoch nicht und sieht für Fahrradfahrer in einem solchen Fall ein Bußgeld von mindestens EUR 60,- und einen Punkt im Fahreignungsregister in Flensburg vor. Deshalb ist es auch für Fahrradfahrer insbesondere nachts wichtig, immer ein offenes Auge für Fahrzeuge mit Aufbauten für Blinklicht und Einsatzhorn zu haben.

Gestern war ich einfach etwas unaufmerksam, als ich nachts eine große Straßenkreuzung bei Rot überquerte und erst nach dem Passieren der Kreuzung sah, dass genau ein Fahrzeug auf der mir entgegenkommenden Fahrspur vor der roten Ampel hielt. Es war ein Polizeiauto und sofort wurden die örtlichen Kenntnisse über Einbahnstraßen, Fusswegpoller und U-Bahnstationen inclusive passender Risikoeinstufung abgerufen.

Unnötig, wie sich nach dem Bruchteil der Sekunde herausstellte, in dem man den Blick zum Fahrzeugführer sucht, um zu herauszufinden, ob eine Flucht tatsächlich nötig ist. Die beiden Polizeibeamten sassen regungslos vor der roten Ampel in ihrem Einsatzfahrzeug, ihre Gesichter waren von einem matten blauen Glanz erhellt und sie starrten vollkommen in sich versunken auf ihre Smartphones. Sie hatten mich gar nicht gesehen. Schöne neue Welt.

Donnerstag, 20. August 2015

Tina Wendt - Interview mit einer Reichsdeutschen

Immer wieder fällt das Stichwort „Reichsbürger“ im Internet. Während wohl jeder weiß, was mit einem „Bundesbürger“ gemeint ist, lässt sich der „Reichsbürger“ nicht sofort einordnen. Die Schublade „Nazi“ ist immer leicht zu öffnen, aber bevor sie mit dem flüchtig hineingestopften Reichsbürger wieder geschlossen wird, wollte ich noch einmal bei einer bekennenden Reichsbürgerin nachfragen.

Frau Wendt, Sie bezeichnen sich selbst als Reichsbürgerin, warum?

Zunächst einmal bezeichnen mich immer nur andere als Reichsbürgerin und meinen, ich bekenne mich dazu. Mit Reichsbürgertum haben meine Sichtweisen und Auffassungen kaum etwas gemein. Wenn überhaupt, bezeichne ich mich als Reichsdeutsche. Wenn man nun auf „Reichsbürgerin“ kommt, mag das daran liegen, dass ich mich der geltenden Fakten zum Rechtsstand des Deutschen Reichs  bediene.

Das Deutsche Reich ist nämlich weniger nur meiner Meinung nach, sondern auch nach der geltenden Rechtsprechung der Bundesrepublik nach bis heute völkerrechtlich fortbeständig. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungserichts (BverfG) der Bundesrepublik ist das Deutsche Reich, ein Synonym für Deutschland, „bis heute nicht untergegangen“.  Es wird sogar daran festgehalten dass das Deutsche Reich den Zusammenbruch 1945 überdauert hat (vgl. z.B. BVerfG vom 17.08.1956, 1 BvB 2/51, BVerfGE 5, 85 <126>).

Dabei spielt auch die sog. Wiedervereinigung, tatsächlich nur ein Beitritt der DDR zur BRD, aus dem Jahr 1990 kaum eine Rolle. Es ist kein Grund die These aufzustellen, die Frage nach dem Fortbestand des Deutschen Reichs sei hiermit obsolet geworden.

Denn nach § 31 BVerfGG binden die Entscheidungen des Bundesverfassungserichts die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden. Die Entscheidung hat darüber hinaus im vorliegenden Fall gem. § 13 BVerfGG Gesetzeskraft. So galt es auch schon nach Carlo Schmidt, SPD, weniger einen neuen deutschen Staat zu gründen, sondern nur einen Teil Deutschlands wieder bis zu einer endgültigen Lösung neu zu organisieren; dies mit Gründung der Bundesrepublik Deutschland über die alliierten Westmächte als Ausfluss der Haager Landkriegsordnung (HLKO).

So war der parlamentarische Rat lediglich durch die westalliierten Besatzungsmächte und nicht durch Wahlen des Deutschen Volkes damit beauftragt, für die westlichen Besatzungssektoren, die man auch als vereintes deutsches Wirtschaftsgebiet bezeichnet, mit der Ausnahme für den Westsektor der Hauptstadt des Deutschen Reichs Berlin, das Grundgesetz  und eben keine neue Verfassung, auch ersichtlich aus Art. 146 GG, für die zu errichtende Bundesrepublik Deutschland - englisch: Federal Republic of Germany übersetzt „Bundesrepublik von Deutschland“ - unter Kontrolle der Besatzungsmächte mit deren Genehmigungsvorbehalt zu schaffen.

Einen Volksentscheid oder freie Wahlen für die Gründung der Bundesrepublik hat es entgegen der alten wie auch der neuen 1990er Präambel des Grundgesetzes bis heute niemals gegeben. Auch gab es niemals sogenannte Bundestagswahlen, für die dieses Thema thematisiert worden ist. So ergibt sich auch aus dem Grundgesetz selbst, dass der Bund lediglich in die Verwaltung der vereinten deutschen Wirtschaftsgebiete eingetreten, mithin nichts anderes als die Treuhandverwaltung der besetzten Westgebiete, nach dem Beitritt der DDR zur BRD nunmehr auch Mitteldeutschlands, ist, vgl. Art. 133 GG.

Dies kann sich auch schon aus der einfachen Logik erschließen. Denn wenn man sich einfach einmal die Frage stellt, warum wir von den sogenannten „neuen“ Bundesländern als Ostdeutschland reden, aber merkwürdigerweise nach dem Beitritt dieses so bezeichneten Ostdeutschlands die Gründung des immer noch existenten Mitteldeutschen Rundfunks hatten. Wo ist denn dann nun tatsächlich Mitteldeutschland und Ostdeutschland oder besser, was ist mit den deutschen Ostgebieten, von denen ein Teil als Insel in der so bezeichneten EU immer noch durch die Russen unter dem Namen Kaliningrad beherrscht wird?

Das kann ich leider nicht beantworten, ohne mich mit dieser Frage und den Hintergründen intensiver zu beschäftigen, aber was haben diese Ausführungen nun mit dem „Reichsbürgertum“ zu tun?

Das ist eine gute Frage! Dies liegt wohl daran, dass man meint, dass die stetig steigende und immer größer werdende Anzahl von Menschen in diesem Land, die sich mit dem Deutschen Reich beschäftigt, zu denen auch sehr viele Ausländer zählen, aus politischer Motivation der derzeitigen Machthaber automatisch in die Ecke der sog. „Neurechten“ gesteckt und suggeriert werden soll, man wünsche sich die Zeit des Nationalsozialismus wieder her. Das ist aber tatsächlich weniger der Fall. Denn der überwiegende Teil jener Menschen beschäftigt sich einfach nur mit der Frage nach ihrer Heimat.

So resultiert der Begriff des „Reichsbürgers“ tatsächlich nämlich auf der Grundlage des „Reichsbürgergesetzes“ vom 15. September 1935 und beschäftigt sich wie die nationalsozialistische „Verordnung zur Staatsangehörigkeit“ vom 5. Februar 1934 mit der Vereinheitlichung aller deutschen Staaten, wie Preussen, Bayern, dem selbsternannten Schaumburg-Lippe etc., im Staatenbund des Deutschen Reichs mit der Vereinheitlichung zu einem gesamten Deutschen Staatsvolk und der Abschaffung der Bundesstaaten des Deutsche Reichs.

Dies wird jedoch von dem größten Teil der sich mit dem Deutschen Reich beschäftigenden Menschen in diesem Land abgelehnt. Wie ich selbst schon mitteilte, fühle ich mich natürlich als Deutsche mit der mittelbaren Zugehörigkeit zum Deutschen Reich, aber genauso auch als Preussin mit der diesbezüglichen Staatsangehörigkeit.

So stellen sich eigentlich alle diejenigen als Reichsbürger dar, die an der nationalsozialistischen Idee eines Gesamtdeutschen Staatsvolkes festhalten, mithin alle, die am System der Bundesrepublik festhalten, es unterstützen und in ihm, mit ihm und auch von ihm leben wollen.

Lediglich um dieses ausschließlich auf Macht- und Geldgier basierende, faschistische - zu neudeutsch kapitalistische - System aufrecht erhalten zu können, werden die tatsächlichen Motive der fälschlicherweise immer als „Reichsbürger“ bezeichneten Menschen in diesem Land versucht zu verschleiern, obwohl es doch die derzeitigen Machthaber selbst sind, die sich weiterhin nationalsozialistischer  Gesetze und Methoden, damit reichsbürgerlicher Denkweisen, bedienen. 

Ausschließlich aus diesem Grund werden alle Menschen, die sich mit der Existenz des Deutschen Reichs beschäftigen, sich hierzu in der Öffentlichkeit äußern, das bundesrepublikanische System hinterfragen, unter Vortäuschung falscher Tatsachen durch die vermeintlichen Machthaber in eine bestimmte politische Ecke gestellt, mit dem Ziel das völkerrechtlich immer noch existente „wahre“ Deutsche Reich, das ist etwas anderes als das so bezeichnete 3. Reich oder Großdeutsche Reich, niemals wieder handlungsfähig werden zu lassen und endgültig zu zerstören.  

Dies gilt auch für diejenigen, die sich nur in verschiedenen Bereichen mit den derzeit willkürlich als gültig angenommenen Gesetzen beschäftigen. Auch für immer mehr Menschen, die sich auf Rechtsprechung beziehen, nach der Voraussetzung für gültige Gesetze innerhalb der Verwaltung der vereinten deutschen Wirtschaftsgebiete mit dem Namen Bundesrepublik (von) Deutschland bestimmte Normen des Grundgesetzes sind, speziell Art. 19 Abs. 1 S. 2 GG als so genanntes Zitiergebot, welches nahezu kaum noch bei der Erschaffung von Gesetzen eingehalten wird. Alle diese Menschen werden mittlerweile als Reichsbürger bezeichnet.

Der Reichsbürger gilt bei vielen Leuten als Nazi. Wohl einfach mit der Begründung, dass das Deutsche Reich zuletzt unter nationalsozialistischer Herrschaft gestanden hat und jemand, der sich zum Deutschen Reich bekennt, daher Nazi sein muss. Ist diese Schlussfolgerung zutreffend?      

Das hätte man so sehr gerne. Richtig ist, dass der Reichsbürger  bei vielen als Nazi gilt. Er ist es ja auch, da er, der „Reichsbürger“, dem schon erwähnten nationalsozialistischen „Reichsbürgergesetz“ entspringt. Doch ist deshalb nicht gleich jeder, der sich zum Deutschen Reich bekennt automatisch, wie aus meinen vorherigen Ausführungen eigentlich hervorgehen sollte, ein Nazi.

Nachvollziehbar. Damit scheint der pauschale Vorwurf der braunen Gesinnung gegenüber Reichsdeutschen nicht ohne genaues Hinsehen haltbar.  

Ja, aber nun noch nebenher. In diesem Land wird interessanter Weise auch jeder, der sich darauf beruft, dass die Anwendung nationalsozialistischer Gesetze innerhalb der Bundesrepublik verboten ist, ableitbar über Art. 139 GG, nach dem die Befreiungsgesetze von Nationalsozialismus und Militarismus vom Grundgesetz unberührt bleiben, mithin also weiter Gültigkeit besitzen, als Reichsbürger bezeichnet.

Es ist ferner zu bemerken, dass es sich bei den Befreiungsgesetzen um die SHAEF Gesetzgebung, die SMAD-Befehle, Proklamationen und Kontrollratsgesetze sowie die in Gesetzesstand erhobenen Entscheidungen der Besatzungsmächte handelt. Erwähnt sei hier insbesondere die „Tillessen“ Entscheidung des Tribunal Général de la Zone Francaise d'Occupation in Rastatt vom 06.01.1947. Auch nach ihr ist die Anwendung nationalsozialistischen Rechts aus der Zeit von 1933 bis 1945, aber auch solcher Gesetze aus der Vorzeit von 1933, verboten, an denen die Nationalsozialisten seit ihrem Einzug in den Reichstag maßgeblich mit beteiligt gewesen sind.

Tatsächlich handelt es sich deshalb bei der Begrifflichkeit des „Reichsbürgers“ um  Menschen, die sich nicht nur aus ihrer eigenen, sondern auch aus Sicht der Regierung, Behörden und Justiz das Wiederaufleben des so bezeichneten aber niemals existenten 3. Reichs zurückwünschen.

Dies ist bei mir und dem Großteil der als Reichsbürger bezeichneten Menschen jedoch alles andere als der Fall. Mir und einem sehr großen Teil von Bewegungen geht es ausschließlich um das 1871 gegründete Deutsche Reich als Staatenbund. So fühle ich mich zwar als Deutsche mit einer mittelbaren Reichsangehörigkeit als quasi Mitglied im Staatenbund des Deutschen Reichs, aber genauso auch als Preussin mit dessen unmittelbarer Staatsangehörigkeit, eine Staatsangehörigkeit, die mir zwar von der Bundesrepublik (von) Deutschland über Artikel 116 Abs. 2 Grundgesetz mit einem Wiedereinbürgerungsrecht garantiert wird, aber tatsächlich von den Behörden der Bundesrepublik und den ihr angehörenden Bundesländern verwehrt wird.

Wenn man Ihren staatsrechtlichen Erläuterungen folgt, dürften ja in Bezug auf die Geltung bundesdeutscher Gesetze erhebliche Zweifel bestehen, oder?

Das kann man so oder so sehen. Eine gewisse gesellschaftliche Ordnung sollte es geben. So kann man bundesdeutsches Recht schon als geltend ansehen. Doch sollte es dann auch über die tatsächlichen Regelungen entstanden sein. Nationalsozialistisches ist so z.B. als ungültig anzusehen, dessen Anwendung über Art. 139 GG jedenfalls, wie zuvor schon erwähnt, rechtswidrig, da verboten. Soweit es sich um geändertes vorkonstitutionelles und um nachkonstitutionelles Recht handelt, können bundesdeutsche Gesetze auch nur gelten, wenn sich auch an die Vorgaben des Grundgesetzes, speziell an das von mir auch schon erwähnte Zitiergebot gem. Art. 19 Abs. 1 S. 2 Grundgesetz, gehalten worden ist. Dies ist jedoch kaum noch der Fall, obwohl selbst die Mitglieder des Bundestages durch das Justizministerium des Bundes stets regelmäßig die aktuellste Ausgabe des „Handbuchs der Rechtsförmlichkeit“ mit der Bitte um Beachtung für die Gesetzgebung erhält, in dem auch explizit auf die Beachtung des „Zitiergebots“ eingegangen wird.

Was passiert, wenn ein Reichsbürger vor bundesdeutschen Gerichten darauf hinweist, dass das nach Ansicht des Gerichts anzuwendende Recht gar keine Gültigkeit besitzt?

Da ich selbst keine Reichsbürgerin, sondern lediglich auch nach „bundesdeutschem Recht“ Reichsdeutsche bin, auch selbst keine Reichsbürger kenne, die ihren Status aus dem nationalsozialistischen „Reichsbürgergesetz“ ableiten, kann ich weniger sagen, was passiert, wenn ein Reichsbürger darauf hinweist, dass das anzuwendende Recht ungültig ist. Als Reichsdeutsche kann ich nur sagen, dass Gerichte niemals darauf eingehen, schon gar nicht, wenn man sich auf das ihnen durch die bundesrepublikanische Legislative und das durch bundesrepublikanische Gerichte selbst hierzu gesprochene Recht bezieht. Sehr häufig packen die so bezeichneten Richterinnen und Richter ihre Unterlagen ein, verlassen den Gerichtssaal und fällen dann in Abwesenheit der Betroffenen willkürliche Urteile, bei denen sie ihrer Begründungspflicht zu den aufgeworfenen Tatsachen nicht nachkommen.

Sie sehen sich also selbst nicht als Reichsbürger, sondern als Reichsdeutsche. Gibt es denn auch Leute, die sich selbst ausdrücklich als Reichsbürger sehen?

Ich sehe mich nicht nur selbst nicht als Reichsbürgerin. Ich bin keine Reichsbürgerin! Ich empfinde diese Begrifflichkeit eher sogar als Beleidigung! Ansonsten ist natürlich auch das eine gute Frage, die aber mit Sicherheit von Mitgliedern und Wählern der NPD, mit denen ich weder etwas zu tun noch sonst irgendetwas gemein habe, besser beantwortet werden kann. Es ist jedem selbst überlassen, ob er Bürger sein und somit bürgen möchte. Ich bürge jedenfalls für gar nichts! Ich stehe lediglich zu meiner Meinung und meinem Wort!

Gab es schon mal ein deutsches Gericht, dass sich ernsthaft mit Ihren Argumenten auseinandergesetzt hat?

Nach meinen Ausführungen sollten wir uns zuerst einmal die Frage stellen, ob es überhaupt noch deutsche Gerichte gibt. Ansonsten denke ich, die Frage dürfte  mit meiner Antwort auf die vorherige Frage schon beantwortet sein. Wer sägt schon gerne an dem eigenen Ast, auf dem er sitzt!? Wer möchte schon gerne seinen vordersten Platz am „Fressnapf“ verlieren!?

Wie viele Menschen in Deutschland glauben Sie, folgen Ihrer Ansicht, Reichsdeutsche zu sein und lehnen die aktuelle staatliche Ordnung Deutschlands als weitgehend rechtswidrig ab?

Da muss ich erst einmal fragen, von was für einer staatlichen Ordnung überhaupt  die Rede ist!? Soweit hier eine rechtsstaatliche gemeint ist, ist diese sowieso kaum noch vorhanden. Soweit eine staatsrechtliche gemeint ist, so dürfte die Zahl hier mittlerweile in die Millionen gehen. 

Ihr abschließendes Statement zum Reichsbürger?

Vielen Menschen, denen ich einen Reichsbürger angeboten habe, sind direkt und zielstrebig zu McDonalds gegangen, haben dort dann aber leider keinen Reichsbürger bekommen. Konsequenz deshalb: Es gibt in meinem direkten Umfeld keine Reichsbürger. Selbst im Spiegel kann ich keinen erkennen.

Dienstag, 18. August 2015

Mord an Anneli - Entführer nutzten Facebook-Profil

facebook
Mit Hilfe des Facebook-Profils des getöteten 17-jährigen Mädchens konnten sich die Täter ein Bild über die Lebensumstände und Gewohnheiten des Opfers und ihrer Familie aus Sachsen machen. Zwei Männer hatten der 17-Jährigen aufgelauert und sie in ein Auto gezerrt, als Anneli-Marie am Donnerstagabend den Hund der Familie mit dem Fahrrad ausführte. Mit dem Handy von Anneli hatten die Täter anschließend Kontakt mit dem Vater aufgenommen und das Lösegeld in Höhe von 1,2 Millionen Euro gefordert, das Mädchen jedoch getötet, um von ihr nicht erkannt werden zu können.

Mit Fotos, Kommentaren und Verknüpfungen zu Freunden und Familienmitgliedern eines Facebook-Nutzers lässt sich in kurzer Zeit und ohne großen Aufwand relativ verlässlich herausfinden, welche Wege zu welcher Uhrzeit ein potentielles Opfer regelmäßig nimmt, welche Aufenthaltsorte es bevorzugt, ob die über Facebook transparent gewordene Person einen hohen Lebensstandard genießt oder ob das persönliche Umfeld eine Lösegeldforderung durchsetzbar erscheinen lässt.

Es kann immer wieder nur davor gewarnt werden, über Facebook Informationen preiszugeben, die von Dritten zum Nachteil des Profilinhabers oder seiner "Freunde" genutzt werden können. Aktuelle Urlaubsfotos für ungestörte Wohnungseinbrüche sind insoweit nur ein geringes Übel. Insbesondere Kinder und Jugendliche im Smartphonerausch neigen dazu, in großem Umfang Bilder zu veröffentlichen, deren gesammelte Informationen die Herstellung eines sehr genauen Opferprofils ermöglicht. Eingefleischten Facebook-Freaks sei insoweit einmal die Nutzung der Website http://www.takethislollipop.com/ bei eingeloggtem Facebook-Konto empfohlen.

Montag, 17. August 2015

Amtsgericht München - FCK CPS Urteil

FCK CPS
FCK CPS
Mit Urteil vom 13.04.2015 hat das Amtsgericht München eine 19-jährige Studentin wegen der Beleidigung eines Polizeibeamten zu einer Arbeitsauflage von 32 gemeinnützigen Arbeitsstunden verurteilt. Die Studentin hatte am 05.09.2014 an einer Kundgebung der „Bürgerinitiative Ausländerstopp“ in München teilgenommen. Sie trug eine schwarze Umhängetasche auf der die in großen Lettern die Aufschrift „FCK CPS“ gedruckt war. Die Studentin hielt die Tasche für die Umgebung gut sichtbar in den Händen, so dass auch ein bei der Versammlung eingesetzter Polizeibeamter den Schriftzug sehen konnte. Diese Aufschrift soll nach Angaben des Amtsgerichts München für die Redewendung "„Fuck Cops" stehen“ und das Amtsgericht unterstellte, dass die Studentin mit dem Tragen dieser Tasche ihre Missachtung gegenüber der Polizei ausdrücken wollte.

Ein Polizeibeamter, der zum Schutz der Kundgebung mit seinen Kollegen eingesetzt war, hatte die Angeklagte angesprochen und erklärt, dass der Schriftzug eine Beleidigung darstelle und sie aufgefordert, die Tasche zu verdecken. Er drohte ihr auch eine Anzeige an, wenn der Schriftzug noch einmal offen sichtbar getragen werde. Zunächst hielt sich die junge Frau an die Anweisung, indem sie ihre Jacke über die Tasche hängte. Kurze Zeit später jedoch sei die Jacke wieder entfernt und der Schriftzug auf der Tasche deutlich sichtbar gewesen. Dies geschah in unmittelbarer Nähe von mehreren Polizeibeamten, die gerade mit Versammlungsteilnehmern diskutierten.

Einer dieser Polizeibeamten und dessen Dienstvorgesetzter stellten daraufhin Strafantrag wegen Beleidigung. Die Studentin wurde wegen Beleidigung angeklagt. In der Verhandlung vor dem Amtsgericht München räumte sie ein, die Tasche getragen zu haben und von einem Polizeibeamten auf dessen Ansicht, sie verhielte sich strafbar, aufmerksam gemacht worden zu sein. Sie habe die Tasche im Internet bestellt und dort aber recherchiert, dass es einen Beschluss des Oberlandesgerichts Nürnberg gäbe, wonach das Tragen einer Tasche mit dieser Aufschrift nicht strafbar sei.

Die zuständige Richterin verurteilte die Taschenträgerin nach Jugendstrafrecht zur Ableistung von 32 Stunden gemeinnütziger Arbeit und begründete das Urteil mit der Annahme, dass der Aufdruck auf der Tasche dem Wortsinn nach eine Beleidigung sei. Sie richtete sich auch gegen konkret eingesetzte Personen. Das habe der Studentin spätestens bewusst werden müssen, als sie von dem Polizeibeamten auf dessen Ansicht hingewiesen wurde. Auch sei es ihr gerade darauf angekommen, die in ihrer unmittelbaren Nähe stehenden Beamten zu erreichen. Die Androhung der Strafanzeige durch einen der Polizeibeamten habe ihr deutlich vor Augen geführt, dass ihr Verhalten beleidigend und damit strafbar sei.

Erst vor kurzem hatte das Bundesverfassungsgericht mit seinem Beschluss zum Az.: 1 BvR 1036/14 vom 26. Februar 2015 noch offen gelassen, inwieweit die Verwendung des bewusst kryptischen und damit bewusst unklar oder mehrdeutig gehaltenen Kürzels FCK CPS einer Beurteilung zugänglich ist, als ob der diesen Kürzeln (wohl) unterliegende Sinn "Fuck Cops" ausdrücklich geäußert worden wäre. Wie das Amtsgericht München diese Problematik ausgelegt hat oder ob sich die verurteilte Studentin mit der Mehrdeutigkeit des Kürzels  FCK CPS verteidigt hatte (etwa FC Kaiserserslautern Cup-Sieger), ist leider noch nicht bekannt.

Im Gegensatz zum vom Bundesverfassungsericht aufgehobenen Urteil des Amtsgerichts Bückeburg zum Az.: 60 Ds 39/13, 60 Ds 407 Js 4872/13 (39/13) vom  07.11.2013, in welchem es an hinreichenden Feststellungen zu den Umständen fehlten, die die Beurteilung tragen konnten, dass sich die Äußerung auf eine hinreichend überschaubare und abgegrenzte Personengruppe bezieht, scheint das Münchner Urteil vom 13.04.15 diese Umstände darin gesehen zu haben, dass die der Tragetasche zu entnehmende Äußerung gegenüber genau dem Polizisten wiederholt wurde, der zuvor auf dessen seiner Ansicht nach beleidigenden Inhalt hingewiesen hatte und der Slogan damit einen objektiv auf diesen Polizisten konkretisierten Aussagegehalt gewonnen hatte.
  
Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Donnerstag, 13. August 2015

Keine Erstattung der Fahrtkosten für Innung des Kraftfahrzeuggewerbes aus Regensburg bei UWG-Prozess in Hannover

Die Innung des Kraftfahrzeuggewerbes Oberpfalz u. Kreis Kelheim/Ndb. aus Regensburg war der Ansicht, für Ihre Mitglieder einen KfZ-Händler aus Hannover wegen seiner unzureichend gekennzeichneten Angebote bei ebay mit einer Abmahnung durch einen Rechtsanwalt und schließlich mit einer Klage zur Zahlung einer Vertragsstrafe in Anspruch nehmen zu müssen. Nach einer vergleichsweisen Lösung des Rechtsstreits wurden die Reisekosten der Prozessbevollmächtigten der KfZ-Innung von Augsburg nach Hannover vom Landgericht Hannover allerdings nicht für erstattungsfähig angesehen, wie mit Beschluss vom 06.08.2015 zum Az.: 23 O 6/15 dargelegt wurde:

"Rechtsfähige Verbände zur Förderung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen (§ 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG; § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UKIaG) und qualifizierte Einrichtungen, die in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 des Unterlassungsklagengesetzes eingetragen sind (§ 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG; § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UKIaG), sind wie Unternehmen mit eigener Rechtsabteilung zu behandeln. Solche Verbände und Einrichtungen müssen personell, sachlich und finanziell so ausgestattet sein, dass sie auch ohne anwaltlichen Rat in der Lage sind, in typischen und durchschnittlich schwierigen Fällen Wettbewerbs Verstöße (§ 3 UWG) bzw. Verstöße gegen die §§ 307 bis 309 BGB (§ 1 UKIaG) und gegen Verbraucherschutzgesetze (§ 2 UKIaG) zu erkennen und zu verfolgen.

Sie müssen daher regelmäßig in der Lage sein, einen Prozessbevollmächtigten am Sitz des Prozessgerichts schriftlich und telefonisch zu instruieren (BGH GRUR 2004, 448 - Auswärtiger - 6 - Rechtsanwalt IV; BGH NJW 2006, 301, 303). Solchen Verbänden und Einrichtungen steht - anders als gewerblichen Unternehmen - insoweit nicht frei, wie sie sich intern organisieren. Die Verfolgung von Gesetzesverstößen im Sinne der § 3 UWG, §§1,2 UKIaG gehört zu den ihnen vom Gesetz zugewiesenen Aufgaben. Ihre Klage- und Anspruchsbefugnis hängt davon ab, dass sie nach ihrer personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung imstande sind, in typischen und durchschnittlich schwierigen Fällen derartige Gesetzesverstöße zu erkennen und zu verfolgen.

Ihnen ist es daher zwar unbenommen, einen Prozessbevollmächtigten mit der Verfolgung solcher Verstöße zu betrauen. Sie können sich aber im Rahmen der Kostenerstattung regelmäßig nicht darauf berufen, es sei ihnen nicht möglich gewesen, einen Prozessbevollmächtigten am Sitz des Prozessgerichts schriftlich oder telefonisch zu instruieren. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Verband oder die Einrichtung sich zu einer solchen Unterrichtung eines auswärtigen Prozessbevollmächtigten nicht in der Lage sieht, weil hierfür keine qualifizierten Mitarbeiter beschäftigt oder die hier-für an und für sich qualifizierten Mitarbeiter anderweitig eingesetzt werden (a.A. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.12.2006 - 20 W 86/06, juris Tz. 9). Festgesetzt wurden lediglich 25,00 EUR für die Information eines Prozessbevollmächtigten am Sitz des Prozessgerichts."

Freitag, 7. August 2015

30 Jahre Haft für Majestätsbeleidigung auf Facebook

Nein, nicht im Fürstentum Schaumburg-Lippe und auch nicht beim FC Bayern. Nicht, dass es nicht möglich wäre, "Fürst" Alexander und "Kaiser" Franz nach bundesdeutschem Recht zu beleidigen, aber einen eigenen Straftatbestand der Majestätsbeleidigung gibt es weder bei den Unterwerfungsmasochisten aus Bückeburg noch beim FC Bayern München, denn das Strafmonopol liegt beim Staat.

Im Königreich Thailand ist das ähnlich, nur werden dort abfällige Äußerungen über den obersten Grüßaugust des Landes nach einschlägigen Strafvorschriften hart von der Landesjustiz bestraft. Für 6 tatbestandsmäßige Äußerungen wurde ein kritischer Thailänder nun zu je fünf Jahren Haftstrafe pro Beleidigung auf Facebook verurteilt, wobei die Rekordstrafe schon einen 50%-Rabatt enthielt, weil der Täter geständig war.

Das preußische Allgemeine Landrecht von 1794 (ALR) enthielt im fünften Abschnitt des Strafrechtsteils wegen Verbrechen gegen die innere Sicherheit und den Staat immerhin noch sieben Bestimmungen zur Beleidigung des Landesherrn und weitere vier Vorschriften zu Beleidigungen der königlichen Familie. In Deutschland ist derzeit immerhin noch die Verunglimpfung des Bundespräsidenten nach § 90 StGB gesondert strafbar. Das Delikt kann jedoch nur strafrechtlich verfolgt werden, wenn der Bundespräsident selbst die Strafverfolgungsbehörden dazu ermächtigt.

Montag, 3. August 2015

Man darf jetzt nicht mehr Neger sagen

Ich bin ja noch aufgewachsen mit Negerküssen und fand das Wort Neger nie diskriminierend. Für mich kamen die Neger aus Afrika und hatten schwarze Haut. Das schien früher so üblich zu sein. Das Wörterbuch der deutschen Gegenwartssprache definierte 1975 „Neger, dunkelhäutiger Mensch mit sehr krausem schwarzen Haar".

Heute sieht das anders aus. Der DUDEN als eine Institution für die deutsche Rechtschreibung sagt heute zwar immer noch "Person von [sehr] dunkler Hautfarbe", übermittelt vorsorglich aber noch eine Art Gebrauchsanweisung: "Die Bezeichnung Neger gilt im öffentlichen Sprachgebrauch als stark diskriminierend und wird deshalb meist vermieden." Wikipedia drückt sich noch klarer aus: "Neger gilt heute allgemein als Schimpfwort und als abwertende, rassistische Bezeichnung für schwarze Menschen."

Wer auch immer beim DUDEN oder Wikipedia das Sagen hat, bestimmt damit auch ein wenig über die deutsche Rechtsprechung, denn nach § 185 StGB wird eine Beleidigung mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, ohne dass § 185 StGB auch nur die kleinste Andeutung dazu macht, was eine Beleidigung überhaupt ist. Das muss ja auch nicht sein, könnte man denken, denn DUDEN und Wikipedia sagen ja schon, was im öffentlichen Sprachgebrauch beleidigend ist. Wer im ersten juristischen Studienjahr etwas aufgepasst hat, wird aber wissen, dass Artikel 103 Absatz 2 Grundgesetz das sogenannte Bestimmtheitsgebot wie folgt umschreibt: "Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde."

Eigentlich ist jedem Juristen klar, dass § 185 StGB dem Bestimmtheitsgebot deshalb nicht genügt und damit verfassungswidrig ist, aber der Laden muss ja irgendwie laufen und so hat das Bundesverfassungsgericht den von Zweifeln geplagten Amtsrichtern eine Ausrede als Textbaustein unter den Hintern geschoben: "Auch wenn das für eine unter der Geltung des Grundgesetzes erlassene Strafvorschrift als unzureichend anzusehen sein sollte, hat der Begriff der Beleidigung jedenfalls durch die über hundertjährige und im wesentlichen einhellige Rechtsprechung einen hinreichend klaren Inhalt erlangt, der den Gerichten ausreichende Vorgaben für die Anwendung an die Hand gibt und den Normadressaten deutlich macht, wann sie mit einer Bestrafung wegen Beleidigung zu rechnen haben", 1 BvR 1476, 1980/91 und 102, 221/92.

Alles klar? Und im Vertrauen: Die Justiz funktioniert genau nach diesem Prinzip und nach spätestens 3 Jahren Praxis als Richter, Staatsanwalt oder Rechtsanwalt hat man das auch kapiert. Und nun noch einmal kurz zurück zur Ausgangslage. Duden und Wikipedia haben mit ihren Definitionen deutlich gemacht, dass man bei der Verwendung des Wortes "Neger" in Bezug auf einen schwarzen Menschen mit einer Bestrafung wegen Beleidigung zu rechnen hat. Zum Glück habe ich das heute im Internet nachgelesen.  

Hinweis: "Man darf doch manchmal Neger sagen", Artikel vom 29.05.2020

Freitag, 31. Juli 2015

Schwulenparade als Gottes Probe

So jedenfalls interpretierte der ultraorthodoxe Jude Yishai Shlissel die gestern in Jerusalem abgehaltene "Gay Pride Parade" und wertete seinen Messerangriff auf sechs Teilnehmer dieser Veranstaltung als Beweis für die uneigennützige Hingabe an Gott. Denn Gott wolle sehen wie fromm wir seien und ob die Herabwürdigung seines Namens uns berührt oder wir nur an uns selbst denken.

Abgesehen davon, dass die Freiheit der Religionsausübung natürlich auch in Israel seine Grenzen hat, wäre es ja doch interessant zu wissen, ob Gott die Schwulen denn wirklich so wenig mag, dass er mit dem Kunstgriff einer öffentlichen Parade gläubige Messermänner auf sie hetzen würde. Nun wissen wir zwar alle, dass Moses die 10 Gebote direkt von Gott empfangen hat, doch über Homosexualität war auf den Steinplatten leider nichts zu lesen. Aber schon Gott kannte den Trick mit dem Kleingedruckten, das man in der Regel gerne überliest.

Dazu gehört der im Deutschen als das 3. Buch Mose oder auch Levitikus bezeichnete Text, welcher im Original in hebräischer Sprache geschrieben und Teil der jüdischen Tora und des Alten Testaments ist. Im Buch Levitikus handelt das Kapitel 20 über todeswürdige Verbrechen und so führt Lev 20,13 folgendes aus: "Schläft einer mit einem Mann, wie man mit einer Frau schläft, dann haben sie eine Gräueltat begangen; beide werden mit dem Tod bestraft; ihr Blut soll auf sie kommen." Gleichgeschlechtliche Liebe unter Männern ist demnach jedenfalls eine Todsünde. Während Lev 20,15 und Lev 20,16 jeweils ausdrücklich die körperliche Liebe durch Mann oder Frau mit Tieren sanktionieren, wird die weibliche Homosexualität im Talmud in Lev 18,3 nur indirekt unter Hinweis auf die praktizierte „Sittenlosigkeit" in Ägypten und Kanaan, zu der auch die lesbische Liebe gehörte, verboten. Aber sie wurde nicht als todeswürdiges Verbrechen eingeordnet.

Nach diesem kurzen Quellenstudium kann man um den heißen Brei kaum länger herumreden und muss Yishai Shlissel zugestehen, dass seine Interpretation des gestrigen Geschehens als die eines ultraorthodoxen Juden durchaus eine Berechtigung hat aber natürlich auch zu der Frage führt, ob denn die unbedingte Hingabe an die Tora als maßgebendes Wort Gottes zeitgemäß sein kann. Er selbst wird die Antwort für sich schon gefunden haben, denn wer nach einer zwölfjährigen Haftstrafe wegen einer ähnlichen Attacke im Jahre 2005 schon drei Wochen nach der vorzeitigen Freilassung unbeirrt auf dem gleichen Pfad wandelt, wird auch in Zukunft keine Zweifel am Wert der Tora haben.  

Donnerstag, 30. Juli 2015

Meinungsfreiheit im Stadion - Pfiffe gegen König und Hymne werden bestraft

Mit einem gellenden Pfeifkonzert der Fans des FC Barcelona und Athletic Club Bilbao wurde nicht nur König Felipe VI. von Spanien im Stadion Camp Nou von Barcelona empfangen, sondern die spanische Nationalhymne anlässlich des Pokalfinales 2015 geradezu übertönt. Dieser Vorfall war für die staatliche Komission gegen Gewalt, den Rassismus, die Fremdenfeindlichkeit und die Intoleranz ein Anlass, Geldstrafen gegen den spanischen Fußballverband (RFEF) als Ausrichter (EUR 123.000,-), die katalanische Unabhängigkeitsbewegung Catalunya Acció (EUR 100.000,-) und deren Präsidenten Santiago Espot (EUR 90.000,-), die katalanischen Bewegungen Sobirania i Progrés, CADCI, PDD, ICEC, Fundació President Macià, Ara o Mai!, Catalunya diu prou, CLIC, SOCALL, Moviment de Cultura Popular 'El Sotrac' und UPDIC (EUR 70.000,-) sowie die Vereine Athletic Club Bilbao (EUR 18.000,-) und FC Barcelona (66.000,-) auszusprechen. Die genannten katalanischen Organisationen hatten ein Manifest gegen das Erscheinen des Königs und das Abspielen der Nationalhymne im Stadion Camp Nou unterzeichnet. Die überwiegende Anzahl der Anhänger beider Fußballvereine demonstrierte mit Fahnen und Pfiffen für die vollständige Unabhängigkeit der an der Grenze zu Frankreich liegenden autonomen Regionen Katalonien (Barcelona) und des Baskenlands (Bilbao) von Spanien.

Die Strafe gegen den FC Barcelona gliederte sich dabei in EUR 60.000,- wegen Verstößen gegen die Sicherheitsauflagen (u.a. Pyrotechnik) und EUR 6.000,- wegen mangelnder Zusammenarbeit gegen die Verhinderung intoleranter politischer Äußerungen während des Spiels. Zumindest der FC Barcelona will sich gegen die Strafe wehren und für die Meinungsfreiheit seiner Fans eintreten. Er sieht sich zudem ausserhalb einer organisatorischen Verantwortung für den mit Pfiffen gegen die Zentralgewalt zum Ausdruck gebrachten katalonischen Patriotismus. Es ist aber davon auszugehen, dass auch die mit Strafe belegten Bürgerbewegungen Rechtsmittel einlegen und damit die Freiheit, ihre politische Gesinnung auch im Stadion mit friedlichen Mitteln zum Ausdruck bringen zu können, verteidigen werden. In der digitalen Welt konnten sich das Baskenland (Euskadi) und Katalonien (Catalunya) mit den Top-Level-Domains .eus und .cat bereits erfolgreich von Spanien (.es) absetzen.                    


Mittwoch, 29. Juli 2015

Amtsgericht Hannover: Filesharing-Urteil Note 2

Nach einem kleinen Qualitätsausrutscher in Sachen Filesharing ist das Amtsgericht Hannover mit Urteil vom 26.06.2015 zum Aktenzeichen 524 C 9788/14 nun wieder zu bewährter Qualität zurückgekehrt und hat eine Klage der TopWare Entertainment GmbH und deren in filesharing-Angelegenheiten betrauten Prozessbevollmächtigten, Rechtsanwälte rka aus Hamburg, abgewiesen.

Gegen die Beklagte zu 1. hat das Amtsgericht die Einrede der Verjährung durchgreifen lassen, gegen den Beklagten zu 2. wurde die Klage als unzulässig abgewiesen. Das Gericht folgte den Hinweisen der Beklagten zu 1., dass sich aus §§ 256 Abs. 2, 261 Abs. 2, 297 ZPO ergibt, dass die Erhebung einer neuen Klageforderung oder einer Klageerweiterung durch einen nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichten Schriftsatz unzulässig ist, weil Sachanträge spätestens in der letzten mündlichen Verhandlung gestellt werden müssen. Mangels Antragstellung in der mündlichen Verhandlung darf nämlich über eine nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichte Klageerweiterung nicht entschieden werden.

Weil das Verfahren zuvor gemäß § 240 ZPO unterbrochen wurde, da mit Beschluss des Amtsgerichts Karlsruhe (G1 IN 772/14) am 08.09.2014 ein vorläufiger Insolvenzverwalter für die TopWare Entertainment GmbH bestellt wurde, der das Verfahren anschließend fortführen ließ, bleibt zunächst abzuwarten, was aus dem Kostenerstattungsanspruch der Beklagten zu 1. wird. Übrigens konnte die Note 1 für das Urteil nicht vergeben werden, weil die Beklagte zu 1. mehrfach behauptet hatte, nicht als Anschlussinhaberin qualifiziert zu sein, weil sie dargelegt hatte, weder unter der in der Abmahnung genannten Anschrift noch unter ihrer Wohnadresse einen Internetanschluss gehabt zu haben. Insoweit war der Tatbestand des Urteils, wonach die Beklagte behauptet hätte, dass Familienangehörige Zugang zu ihrem Anschluss hatten, schlicht falsch.

Freitag, 24. Juli 2015

NSU-Prozess: Strafanzeige durch die Angeklagte gegen Verteidiger wegen Geheimnisverrats

Der Vorwurf der Verletzung von Privatgeheimnissen nach § 203 StGB wiegt schwer, denn wer unbefugt ein fremdes Geheimnis, namentlich ein zum persönlichen Lebensbereich gehörendes Geheimnis offenbart, das ihm als Rechtsanwalt, Notar, Verteidiger in einem gesetzlich geordneten Verfahren etc. anvertraut worden oder sonst bekanntgeworden ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

Die im NSU-Prozess Angeklagte Beate Zschäpe hat ihre Anwälte Anja Sturm, Wolfgang Stahl und Wolfgang Heer bei der Staatsanwaltschaft in München während deren Tätigkeit als Pflichtverteidiger angezeigt. Vorangegangen war bereits ein Entpflichtungsantrag von Zschäpe gegen Rechtsanwältin Anja Sturm und Rechtsanwalt Wolfgang Heer. Auch die drei Pflichtverteidiger Sturm, Stahl und Heer hatten zuvor schon den Antrag gestellt, von ihrem Mandat entpflichtet zu werden. Der kurz zuvor neu bestellte Pflichtverteididiger Rechtsanwalt Mathias Grasel soll an der Strafanzeige mindestens mitgewirkt haben.

Aus meiner Sicht wird dem Oberlandesgericht München aus der Gesamtbetrachtung der Umstände wenig anderes übrig bleiben, als die Verteidiger Sturm, Stahl und Heer zu entpflichten, denn ein unwiderruflich gestörtes Vertrauensverhältnis zwischen (Alt-) Verteidiger und Mandant lässt sich kaum besser ausdrücken, als den in einer Strafanzeige durch den erst jüngst verpflichteten (Neu-) Verteidiger formulierten Vorwurf des Geheimnisverrats gegenüber den (Alt-) Verteidigern. Denn der von der Verfassung verbürgte Anspruch auf ein rechtsstaatlich faires Verfahren umfasst das Recht des Angeklagten, sich im Strafverfahren (nur) von einem Rechtsanwalt seines Vertrauens verteidigen zu lassen.

Obwohl in den Fällen der Pflichtverteidigung dieses Recht eingeschränkt wird, als der Angeklagte keinen Anspruch auf Bestellung des gewünschten Rechtsanwalts zum Pflichtverteidiger hat, bleibt der Anspruch des Angeklagten auf eine Verteidigung durch einen Anwalt seines Vertrauens unberührt. Im konkreten Fall würde jedenfalls ein Verteidiger des Vertrauens verbleiben. Schließlich gilt es auch zu Gunsten der Angeklagten als Ausprägung des Anspruchs auf ein faires Verfahren, einen juristischen Grabenkampf im Verteidigerteam zu vermeiden. Verfahrensökonomische Gründe scheiden in einer solcher Konstellation naturgemäß aus.

Donnerstag, 16. Juli 2015

Amtsgericht Bückeburg: Meinungsfeinde durch Bundesverfassungsgericht gestoppt

Bueckeburg Justiz
Wieder einmal lässt die Justiz in Bückeburg mit einer gegen die Freiheit der Meinungsäußerung gerichteten Entscheidung aufhorchen. Erst das Bundesverfassungsgericht konnte das Amtsgericht Bückeburg mit seinem Beschluss zum Az.: 1 BvR 1036/14 vom 26. Februar 2015 in seinem durch vorkonstitutionellen Gehorsam und konservativer Ordnungsliebe geprägten Tatendrang stoppen und hob dessen Urteil zum Az.: 60 Ds 39/13, 60 Ds 407 Js 4872/13 (39/13) vom  07.11.2013 im angegriffenen Umfang auf.

Das Amtsgericht Bückeburg - mit dem Grundgesetz nicht verwandt oder verschwägert - hatte das Tragen eines Buttons mit der Aufschrift „FCK CPS“ in der Bückeburger Innenstadt für eine konkrete Kundgabe der Missachtung gegenüber den etwa 25 in Uniform diensttuenden Polizistinnen und Polizisten des Polizeikommissariats Bückeburg gehalten und die Trägerin wegen Beleidigung verurteilt, weil aus dem Sinngehalt der Äußerung deutlich geworden sei, dass eine hinreichend abgrenzbare Gruppe von Polizeibeamten bewusst in deren Ehre im Ergebnis mit dem Slogan „Fuck Cops“ herabgewürdigt werden sollte.

Dieser Ansicht widersprach das Bundesverfassungsgericht, weil das Amtsgericht Bückeburg die verfassungsrechtlichen Maßstäbe jedenfalls dadurch verkannt habe, dass es eine hinreichende Individualisierung eines negativen Werturteils angenommen habe, obwohl keinerlei Feststellungen dazu getroffen wurden, dass sich die Buttonträgerin vorsätzlich in eine Situation begeben hätte, in der sie damit rechnen musste, mit einiger Sicherheit auf bestimmte Polizeibeamte zu treffen.

Es sei verfassungsrechtlich nicht zulässig, eine auf Angehörige einer Gruppe im Allgemeinen bezogene Äußerung allein deswegen als auf eine hinreichend überschaubare Personengruppe bezogen zu behandeln, weil eine solche Gruppe eine Teilgruppe des nach der allgemeineren Gattung bezeichneten Personenkreises bilde. Es reiche nicht aus, dass die Kräfte des örtlichen Polizeikommissariats eine Teilgruppe aller Polizisten und Polizistinnen seien, vielmehr bedürfe es einer personalisierenden Zuordnung, für die es hier keinerlei Anhaltspunkte gäbe. Es könne nicht angenommen werden, dass die dem Anstecker zu entnehmende Äußerung „FCK CPS“ allein durch das Aufeinandertreffen der Beschwerdeführerin mit den kontrollierenden Polizeibeamten einen objektiv auf diese konkretisierten Aussagegehalt gewonnen habe.

Die Sache wurde daher im Umfang der Aufhebung zur erneuten Verhandlung an das Amtsgericht Bückeburg zurückverwiesen. Ob das Amtsgericht Bückeburg am 25.08.2015 erneut Klimmzüge zur Verurteilung der widerborstigen Untertanin vornehmen wird oder das Bekanntwerden des verfassungsfeindlichen Treibens zu einem geräuschlosen Freispruch führt, bleibt abzuwarten.

Aus meiner Sicht ist es allerdings übertrieben, sich gleich mit FCK-BBG T-shirts auf die Strassen der ehemaligen Residenzstadt des Fürstentums Schaumburg-Lippe zu begeben, denn sicherlich gibt es selbst in Bückeburg vereinzelt Menschen, die Meinungsfreiheit nicht für ein fürstliches Privileg halten und sich durchaus vorstellen können, dass Justizgrundrechte sogar in Bückeburg auch Andersdenkenden gewährt werden müssen.

Schließlich sollte man auch nicht zu streng sein mit der Bückeburger Justiz als Teil der „besseren Gesellschaft“ einer gemütlichen Kleinstadt, denn wie schon Hermann Löns erkannte, wirkt das Leben in Bückeburg „selbst auf den reichsten Geist und die feurigste Seele bald wie eine Mast- und Liegekur. Sobald ein Mensch ein Jahr in ihr verlebt hat, fühlt er eine wohltätige Abspannung im Gehirne, die ihn mit lächelndem Gleichmute allem gegenüber erfüllt, was irgendwie über die Grenzen des ortsüblichen Auffassungsvermögens hinausgeht“.

Dienstag, 14. Juli 2015

Amtsgericht Hannover: Filesharing-Urteil Note 6

Eine wichtige Folge der Unabhängigkeit jeden Richters ist sicherlich dessen Gewissheit, auch im Falle völligen Versagens nicht um seinen Arbeitsplatz bangen zu müssen. Allerdings schützt die richterliche Unabhängigkeit nicht davor, sich bisweilen von der nächst höheren Instanz eine Art Leistungsbeurteilung aufschreiben lassen zu müssen, die sich ein Student oder Rechtsreferendar als Kommentar zu einer völlig unbrauchbaren juristischen Leistung hätte einrahmen können.

Beim Streit um die Kosten einer Abmahnung gegen einen Arbeitgeber aus dem Bereich des Filesharings hat das Landgericht Hannover nun auf ein Urteil des Amtsgerichts Hannover mit einem Beschluss reagiert, dessen Deutlichkeit die Anhänger der juristischen Krähentheorie Lügen straft:

"Die Parteien werden auf folgendes hingewiesen:

1. Das Verfahren 1. Instanz dürfte schwerwiegende Verfahrensmängel aufweisen. Daher ist die Aufhebung und Zurückverweisung beabsichtigt. Das Amtsgericht hat vollständig darauf verzichtet, aufzuklären ob hier Dritte als Nutzer in Betracht kommen bzw. verantwortlich für das Filesharing Angebot sind, obwohl beide Parteien hierzu Beweis angeboten haben (vgl. Ss d. Kl. v. 22.1.2015 Bl. 127 d.A. bzw. Ss. d. Bekl. v.13.2.2015, Bl.183 ff d.A.).

2. Die Entscheidungsgründe tragen inhaltlich die Entscheidung nicht. Zutreffend wird zwar auf die für Betriebe geltende Verweisung in § 99 UrhG auf den Unterlassungsanspruch aus § 97 Abs. 1 UrhG verwiesen. Es wird aber weder ausgeführt, ob, noch warum sich diese Verweisung auf die in § 97 Abs. 2 UrhG normierten Schadensersatz-/Lizenzansprüche erstrecken soll, die hier streitig sind.

3. Darüber hinaus werden in den Urteilsgründen mit einer derartigen Häufigkeit Kläger und Beklagte verwechselt, dass die Kammer letztlich nicht sicher ist, ob das Amtsgericht bei der Abfassung tatsächlich die zutreffenden Parteirollen zugrunde gelegt hat."

Wer sich das amtsgerichtliche Urteil genauer ansieht, wird recht schnell erkennen, dass die vom Amtsgericht Hannover ausnahmslos unterstellte Haftung des Arbeitgebers für das Handeln seiner Mitarbeiter von der Rechtsprechung tatsächlich nur eingeschränkt gewährt wird.

Das Recht des Inhabers eines urheberrechtlichen Unterlassungsanspruchs, wonach dieser auch gegen einen Unternehmer vorgehen kann, wenn in dessen Unternehmen ein geschütztes Recht von einem Mitarbeiter verletzt worden ist, setzt voraus, dass der Arbeitnehmer oder Beauftragte die Rechtsverletzung im Rahmen des Tätigkeitsbereichs des Unternehmens begangen hat. Bei Handlungen, die nicht dem Unternehmen, sondern allein dem Handelnden zu Gute kommen, scheidet eine Zurechnung aus. Beim Filesharing von Filmen oder Musikstücken über Tauschbörsen durch Arbeitnehmer mit Hilfe des Internetanschlusses des Arbeitgebers kommt die Anwendung des § 99 UrhG daher regelmäßig nicht in Betracht.

Dienstag, 30. Juni 2015

Schloss Bückeburg in den Klauen des Burgfräuleins

Eine juristisch eher uninteressante Geschichte, dafür aber eine mit vorzüglichem Trash-Faktor meldet die Hauspostille des Fürstentums Schaumburg-Lippe. Die Zutaten der Schaumburg-Lippischen Landeszeitung erinnern ein wenig an den dritten Teil der Tanz-der-Teufel-Trilogie, "Armee der Finsternis": Ein Burgfräulein, ein Fürst, ein altes Handy und drei durchtriebene Angeklagte, denen das Wohlergehen des ohnehin von mangelndem Respekt gebeutelten deutschen "Hochadels" nicht so sehr am Herzen liegt, wie es bei guten Untertanen eigentlich sein sollte.

Im Zentrum des Dämonenthrillers um ein Handy mit möglicherweise intimen Inhalten steht auf der Seite des Guten der aus Funk und Fernsehen bekannte "Fürst" Alexander Prinz zu Schaumburg-Lippe, der wieder einmal heldenhaft gegen Besudler des von ihm mit harter aber gerechter Hand geführten Fürstenhauses Schaumburg-Lippe ankämpft.

Auf der Seite des Bösen drei Angeklagte, denen der Hang zu vorkonstitutionellem Deutschtum nachgesagt wird und die sich der Anklageschrift nach im Besitz eines Handys befanden, auf dem 1000 SMS gespeichert sein sollen, welche eine mehr als zehn Jahre zurückliegende Liebesbeziehung eines „Burgfräuleins“ mit seiner Durchlaucht "Fürst" Alexander Prinz zu Schaumburg-Lippe in schamesröteüberstrahlenden Farben illustrieren könnten.

Kern des Vorwurfs: Das jedenfalls bitterböse und eventuell rechtsradikale Trio soll es gewagt haben, den in Bückeburg auf seinem Schloss residierenden "Fürsten" um 235.000,- Euro zu bitten, damit er höchstselbst das Schicksal seiner persönlichen Botschaften bestimmen könne und diese nicht etwa in die Hände der nach wollüstigen Geschichten geifernden Boulevardpresse gelängen. Selbstredend ging der hochwohlgeborene Edelmann aus Bückeburg nicht auf das niederträchtige Angebot ein, sondern verständigte die fürstlichen Reitertruppen, im Volksmund "Staatsanwaltschaft" genannt.

Diese wollen den Spitzbuben nun vor dem Landgericht Paderborn das Handwerk legen und haben sich dazu die Vorschriften zur Sühne einer versuchten Erpressung ganz genau angeschaut.

Mittwoch, 17. Juni 2015

Hurensöhne

Am vergangenen Donnerstag wurde im Amtsgericht Hannover eine Gefangenenbefreiung im Gerichtssaal im Anschluss an eine öffentliche Strafverhandlung durch den Einsatz der anwesenden Justizwachtmeister verhindert. Ob sich ein zweiter Versuch anschließt, wird man im Fortsetzungstermin am 24.06.2015 erfahren können, wenn die Verhandlung weitergeht.

Aus der folgenden Pressemitteilung des Amtsgerichts Hannover lässt sich die sorgfältige Wortwahl erkennen, in welcher sich schon der kommende Prozess gegen die erfolglosen Gefangenenbefreier abzeichnet und die Handlungen der beteiligten Wachtmeister mit Bedacht beschrieben werden.Und es schwingt natürlich ein bisschen Stolz mit, dass die Justiz wohl fehlerlos reagiert hat:

In einem nichtöffentlichen Jugendverfahren gegen vier Jugendliche musste sich u.a. ein, in Untersuchungshaft befindlicher, 17-jähriger, wegen eines versuchten Einbruchsdiebstahls in ein Laatzener Eiscafé am 18.1.2015 vor dem Jugendrichter Detlef Süßenbach verantworten. Nach Beendigung der Sitzung wurde die Sitzungssaaltür geöffnet und mehrere, dem Umfeld der Angeklagten zuzurechnende Personen betraten den Saal. Als ein Wachtmeister dem 17-jährigen Angeklagten Handfesseln anlegen wollte und bereits die rechte Handfessel angelegt hatte, schlug der Angeklagte den Wachtmeister mit dem linken Unterarm gegen den Kehlkopf und drückte ihn über eine Stuhllehne. Der Wachtmeister bekam im weiteren Verlauf noch zwei Schläge gegen die linke Schläfe und musste den Angeklagten loslassen. Zu diesem Zeitpunkt waren bereits mehrere Personen aus dem Umfeld des Angeklagten herangetreten und bedrängten den Wachtmeister, so dass nicht sicher ist, wer die weiteren Schläge ausgeführt hat.

Dem Angeklagten gelang die Flucht aus dem Sitzungssaal im zweiten Stock, der Wachtmeister nahm sofort die Verfolgung auf, bekam von einem Unbekannten einen Tritt gegen das rechte Bein, woraufhin er stürzte. Nunmehr kamen vier Personen auf den Wachtmeister zu. Dieser Angriff konnte durch den Wachtmeister durch - zuvor angedrohten - Reizsprayeinsatz unterbunden werden. Da im Saal sofort ein Fluchtalarm ausgelöst worden war, konnte der Angeklagte im ersten Stock von zwei Wachtmeistern gestellt und zu Boden gebracht werden. Dem Angeklagten wurden Handfesseln auf dem Rücken angelegt. Als nunmehr erneut Personen aus dem Umfeld des Angeklagten in bedrohlicher Art und Weise auf die beiden Wachtmeister zukamen, drohten diese den Einsatz von Reizspray an, woraufhin die Angreifer zurückwichen und die Wachtmeister u.a. als „Hurensöhne" beleidigten. Der Angeklagte konnte nunmehr in die Haftzelle zurück gebracht werden. Der Einsatz im Gerichtsgebäude wurde in bewährter Übung durch die Wachtmeisterkollegen der Staatsanwaltschaft und des Landgerichts Hannover gut und professionell unterstützt. Vor dem Gebäude des Amtsgerichts übernahm die Polizei Hannover die Sicherung des Geschehens. Das Amtsgericht Hannover ist auf derartige Vorkommnisse vorbereitet, die Notfallpläne wurden erfolgreich umgesetzt.

Mittwoch, 10. Juni 2015

Fachanwalt für Verzögerungsrecht - Teil 3

Es wird wieder Freitag und wieder steht ein Gerichtstermin am Landgericht Hamburg an, der vorher bereits mehrfach verlegt wurde. Ein unbegründeter Verlegungsantrag führte zu einem Versäumnisurteil und angeblich hatte ich am Mittwoch vor dem letzten Freitagstermin im März 2015 einen grob rechtswidrigen Artikel voller Unwahrheiten über den Gegner beim Bauer-Verlag lanciert, weshalb der gegnerische Kollege mit dem Entwurf einer einstweiligen Verfügung überlastet gewesen sei und deshalb beantragt hatte, "den morgigen Termin ein letztes Mal verlegen zu lassen". So geschah es dann auch Ende März mit einer gnädigen Geste des Gerichts und der eloquente Anwalt aus dem Süden unserer Republik hatte sich nicht erst damit zum ungekrönten Herrscher der Fachanwälte für Verzögerungsrecht aufgeschwungen.

Mittlerweile habe ich noch eine weitere Kostprobe seines fachspezifischen Könnens genießen können, als ein Termin im April vor einem anderen Landgericht "wegen Verhinderung" aufgehoben wurde und nun zunächst über seinen Antrag verhandelt werden soll, ob der Haupttermin unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden muss. Ich habe mich mittlerweile schon daran gewöhnt, dass die Termine mit dem Verzögerungsspezialisten regelmäßig verlegt werden und kann mir gar nicht mehr vorstellen, eines Tages ohne das verbindende Element unserer gemeinsamen Prozesse den beruflichen Alltag durchstehen zu können.

Zwischenzeitlich ist er mir nämlich nicht nur durch seine virtuose und äußerst souveräne Art, den Gerichten ausschließlich seine Terminsplanung zum Maßstab der Verhandlungen aufzuoktroyieren, ans Herz gewachsen. Denn mit der Selbstsicherheit eines genialen Taktikers wischte er auch die anwaltliche Berufsordnung derart lässig vom Tisch, dass er wohl zum unumstrittenen Rockstar der für ihn zuständigen Rechtsanwaltskammer wurde. Er hat sich einfach aus dem steifen Korsett des gewöhnlichen Anwaltsdaseins gelöst, ist in seiner Prozessführung stets fantasievoll und versüßt mir in der Folge durch unsere gemeinsamen Prozesse das Berufsleben als Rechtsanwalt ungemein. Ich hoffe daher inständig, dass er auch den kommenden Freitagstermin wieder verlegen lässt und unsere prozessuale Verbundenheit noch lange andauert.

Dienstag, 9. Juni 2015

Schnauze voll vom "Adel"?

Die meisten Leser werden abwinken und der Meinung sein, dass ihnen der Adelszauber in den Medien gleichgültig ist, weil das Ganze ohnehin belanglos sei, denn wer liest schon BUNTE, BILD oder DAS NEUE BLATT? Kann sein, sicher gibt es auch wichtigere Themen. Aber seit ich mich beruflich mit einem Bückeburger Bürger befassen muss, der sich der restlichen Welt permanent als „Fürst“ verkaufen möchte und mit seiner diesbezüglichen Kampagne durchaus erfolgreich ist, habe ich einen Blick hinter die Kulissen geworfen und festgestellt, dass es nicht um bloße Eitelkeit geht, sondern um handfeste Vorteile. Seit sich das Landgericht Bückeburg weigerte, im Rubrum den bürgerlichen Namen „seiner Durchlaucht“ zu verwenden und trotz eindeutiger Auskunft des Standesamtes auf dem Adelsprädikat „Fürst“ beharrte, weiß ich, dass ein neutrales Urteil gegen den „Hauschef“ in Bückeburg nicht zu erwarten ist und die Schaumburg-Lipper Adelskampagne in Niedersachsen längst metastasiert. Erst gestern machte mich eine Mandantin auf eine Nachricht beim NDR unter dem Titel „Meyer fordert höhere EU-Mittel für Kleinbauern“ aufmerksam, in dem auch vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk der Titel „Fürst“ - diesmal in der kuriosen Variante „Fürst Alexander Prinz zu Schaumburg-Lippe“ - verliehen wurde.

Ich erinnere mich noch an einen Fernsehbeitrag in „DAS!“ vom November 2013, in welchem „Fürst Alexander zu Schaumburg-Lippe“ Gast gewesen war und die im Interview insoweit intellektuell überforderte Moderatorin Inka Schneider den Gast aus dem Schloss der 250 Zimmer mit den ehrfürchtig glänzenden Augen eines Schulmädchens fragte: „Prinz Harry, kennen sie sich, kennt man sich so in Adelskreisen?“ Och Inka, Du kleines Dummerchen, natürlich nicht. Herr Prinz zu Schaumburg-Lippe ist doch gar nicht adelig und sein Gefasel vom Auftrag, das Schaumburger Land nach außen zu vertreten, kann man doch nicht ernst nehmen.

Allerdings geht nicht nur der NDR „seiner hochfürstlichen Durchlaucht“ andauernd auf den Leim, sondern auch RTL oder SAT1 und die gedruckte Presse. Und längst nicht nur dem Bückeburger, denn das Land ist voll von Ewiggestrigen, denen von unfähigen Journalisten der hochwohlgeborene Pöter gepudert wird. Lange Rede kurzer Sinn: Wer nun von der Dummheit der freien Presse die Schnauze voll hat oder des Huldigens feudaler Strukturen überdrüssig ist, kann dem deutschen Presserat ab jetzt mit einem gegen das Adelsgewinsel der bundesdeutschen Presse gerichteten Beschwerdeformular (Muster) auf das mangelnde Demokratieverständnis der Medienlandschaft hinweisen und vielleicht so das Bewusstsein in den Redaktionen dafür schärfen, was korrekte Berichterstattung getreu der Maßstäbe des Pressekodex im Hinblick auf den in Deutschland längst abgeschafften Adel bedeutet.

Donnerstag, 28. Mai 2015

Piss-Mannschaft

Schon vor über 15 Jahren sorgte das Lied  der Toten Hosen "Bayern", dessen Message lautete: "Ich würde nie zum FC Bayern München gehen. Was für Eltern muss man haben, um so verdorben zu sein, einen Vertrag zu unterschreiben, bei diesem Scheißverein?" für Furore. Uli Hoeneß war schon damals außer sich: "Das ist der Dreck, an dem unsere Gesellschaft mal ersticken wird". Später wäre unser Uli fast selbst erstickt, aber eher, weil er den Hals nicht voll genug kriegen konnte. Jetzt machte Dieter Schatzschneider, dessen erfolgreiche Fußballzeit bei Hannover 96 Ewigkeiten zurückliegt, ähnliche Schlagzeilen. „Bayern ist eine Piss-Mannschaft", so äußerte er sich gegenüber der bekanntesten Boulevardzeitung Deutschlands, die mit Sicherheit auch die Häftlinge Deutschlands erreicht. Dass unter Fußballern das Sprichwort „erst denken, dann reden“ keine Gültigkeit besitzt, ist ja allseits bekannt. Doch welche juristischen Konsequenzen haben solche Äußerungen, muss sich Schatzschneider abducken?

Der Beleidigungstatbestand gemäß § 185 StGB erfordert die Kundgabe der Missachtung oder Nichtachtung in Form einer Äußerung  mit ehrverletzendem Charakter. Betroffen sein kann der sittliche, personale oder soziale Geltungswert einer Person. Wird dieser durch das Zuschreiben negativer Qualitäten ganz oder teilweise abgesprochen, kann eine ehrverletzende Äußerung vorliegen (BGH v. 15. 3. 1989 – 2 StR 662/88, BGHSt 36, 145 ff. = NJW 1989, 3028 f.). Auch Kollektivbeleidigungen und Beleidigungen unter einer Kollektivbezeichnung sind in der Rechtsprechung anerkannt.

Die herrschende Meinung bejaht die Möglichkeit der Beleidigung von Personengemeinschaften, indem sie sich auf die Regelungen des § 194 III, IV StGB stützt. Diese Vorschrift zeigt, dass zumindest Behörden und politische Körperschaften beleidigungsfähig sein müssen, denn andernfalls wäre die Regelung bezüglich des Strafantrags sinnlos. Eine Kollektivbeleidigung, also eine Beleidigung, die sich gegen die Personengesamtheit der FC-Bayern-Fußballmannschaft richtet, kommt dann in Betracht, wenn die FC-Bayern-Fußballmannschaft als Personengemeinschaft selbstständig beleidigungsfähig ist.

Der Gedanke, dass durch die Vorschrift des § 194 III, IV StGB Ämtern und anderen Stellen öffentlicher Verwaltung die Beleidigungsfähigkeit zuerkannt wird,  wird generell auf Personengesamtheiten unter der Voraussetzung übertragen, dass sie eine rechtlich anerkannte soziale Funktion erfüllen und einen einheitlichen Willen bilden können. Im vorliegenden Fall ist die Ehre des Kollektivs selbst maßgeblich und nicht etwa die von Einzelpersonen. Es dürfte eher abzulehnen sein, dass die Fußballmannschaft des FC Bayern eine rechtlich anerkannte soziale Funktion erfüllt, da die Mannschaftsmitglieder mit ihrer Tätigkeit zunächst eigenen wirtschaftlichen Interessen nachgehen. Ob die Fußballmannschaft eine rechtlich anerkannte soziale Funktion hat, kann aber im Ergebnis auch offen bleiben, wenn die einzelnen Fußballmannschaftsmitglieder jedenfalls unter der Kollektivbezeichnung beleidigt wurden.

Eine Mehrheit von Personen, welche durch einen Kollektivnamen bezeichnet wird, kann beleidigt werden, wenn der Beleidiger diesen Kollektivnamen mit dem Vorsatz auswählt, sämtliche Personen zu treffen, welche unter den Kollektivbegriff fallen. Die Verurteilung wegen Beleidung unter einer Kollektivbezeichnung  setzt aber voraus, dass sich die Äußerung auf eine hinreichend überschaubare und abgegrenzte Personengruppe bezieht, da ansonsten der Eingriff in die Meinungsfreiheit nicht gerechtfertigt erscheint. Herabwürdigende Äußerungen in Bezug auf eine Mannschaft beinhalten in der Regel eine Beleidigung der einzelnen Mannschaftsmitglieder unter einer Kollektivbezeichnung. Unter einer Fußballmannschaft versteht man eine Mannschaft, die den Fußballsport ausübt. Eine Fußballmannschaft besteht auf dem Platz aus einem Torwart und zehn Feldspielern (elf Spieler insgesamt).

Durch Auslegung ist der objektive Sinngehalt der Äußerung zu ermitteln. Maßgebend dafür ist, wie ein verständiger Dritter unter Beachtung der Begleitumstände und des Gesamtzusammenhangs sie versteht (BVerfG v. 25. 3. 2008 – 1 BvR 1753/03, NJW 2008, 2907 (2908); BGH v. 18. 2. 1964 – 1 StR 572/63, BGHSt 19, 235 (237) = NJW 1964, 1148 f.). Die Begleitumstände werden charakterisiert durch die Anschauungen der beteiligten Kreise, die örtlichen und zeitlichen Verhältnisse sowie die sprachliche und gesellschaftliche Ebene (OLG Düsseldorf v. 4. 3. 1998 – 5 Ss 47/98–25/98 II, NJW 1998, 3214 (3215)). Unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs bezog sich die Aussage des Dieter Schatzschneider auf die Einstellung der FC-Bayern-Fußballspieler im letzten Spiel gegen den SC Freiburg.  Aus dieser Auslegung ergeben sich die Spieler des FC Bayern, die an diesem Tag auf dem Platz standen, sodass der betroffene Personenkreis klar abgrenzbar und zahlenmäßig überschaubar ist.

Allerdings lässt sich bei herabsetzenden Äußerungen unter einer Sammelbezeichnung die Grenze zwischen einem Angriff auf die persönliche Ehre, die Art. 2 I i.V.m. Art. 1 I GG schützt und die nach Art. 5 II GG Beschränkungen der Meinungsfreiheit rechtfertigt, und einer Kritik an sozialen Phänomenen, staatlichen oder gesellschaftlichen Einrichtungen oder sozialen Rollen und Rollenerwartungen, für die Art. 5 I S. 1 GG gerade einen Freiraum gewährleisten will, nicht scharf ziehen. Einer Bestrafung wegen derartiger Äußerungen wohnt deswegen stets die Gefahr überschießender Beschränkungen der Meinungsfreiheit inne. Verschiedene ausländische Rechtsordnungen, namentlich des angelsächsischen Rechtskreises, kennen daher die Sammelbeleidigung gar nicht und bestrafen nur die ausdrücklich oder erkennbar auf einzelne bezogene Ehrverletzung (vgl. etwa Robertson/Nicol, Media Law, 3. Aufl. (1992), S. 57).
Die gefestigte Rechtsprechung wägt in diesen Fällen zwischen dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen und der Meinungsfreiheit des Äußernden ab, wenn nicht allein die Schmähung des Betroffenen im Vordergrund steht (BVerfG v. 28. 8. 2005 – 1 BvR 1917/04, NJW 2005, 3274; BVerfG v. 5. 12. 2008 – 1 BvR 1318/07, NJW 2009, 749 f. (Rn 12)). Bei der Schmähkritik steht nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung des Betroffenen im Vordergrund (BVerfG v. 29. 7. 2003 – 1 BvR 2145/02, NJW 2003, 3760; BVerfG v. 5. 12. 2008 – 1 BvR 1318/07, NJW 2009, 749 (750, Rn 12); BVerfG. v. 7. 12. 2011 – 1BvR 2678/10, BeckRS 2012, 46347, Rn 40). Merkmal der Schmähung ist also die das sachliche Anliegen völlig in den Hintergrund drängende persönliche Kränkung.

Solange eine Äußerung nicht jeder sachlichen Grundlage entbehrt und nicht überwiegend böswillig sowie gehässig ist, liegt keine Schmähkritik vor (OLG Nürnberg v. 14. 10. 2009 – 1 St OLG Ss 41/09, OLGSt 6/2010 § 185 Nr. 31 = Juris oder BeckRS 2010, 01748). Wegen des Verdrängungseffekts gegenüber der Meinungsfreiheit ist der Begriff der Schmähung eng auszulegen (BVerfG v. 29. 7. 2003 – 1 BvR 2145/02, NJW 2003, 3760). Die in Art. 5 GG verfassungsrechtlich garantierte Meinungsfreiheit gibt jedem das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten. Meinungen sind im Unterschied zu Tatsachenbehauptungen durch die subjektive Einstellung des sich Äußernden zum Gegenstand der Äußerung gekennzeichnet (vgl. zuletzt BVerfGE 90, 241 (247ff.) = NJW 1994, 1779 = NVwZ 1994, 892 L).

Bei der Aussage „Bayern ist eine Piss-Mannschaft“ handelt es sich um eine Meinung, weil sie eine persönliche Stellungnahme darstellt. Der Grundrechtsschutz besteht unabhängig davon, ob die Äußerung rational oder emotional, begründet oder grundlos ist und ob sie von anderen für nützlich oder schädlich, wertvoll oder wertlos gehalten wird (vgl. BVerfGE 30, 336 (347) = NJW 1971, 1555; BVerfGE33, 1 (14) = NJW 1972, 811; BVerfGE 61, 1 (7) = NJW 1983, 1415). Nach Art. 5 II GG findet das Grundrecht seine Schranken an den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der Jugend und dem Recht der persönlichen Ehre. Dazu gehört auch § 185 StGB. Um eine Beleidigung annehmen zu können, muss die Norm in verfassungsmäßiger Weise ausgelegt und angewandt werden (vgl.BVerfGE 7, 198 (208f.) = NJW 1958, 257; st. Rspr.).

In der Aussage „Bayern ist eine Piss-Mannschaft“ wird deshalb keine Schmähkritik zu sehen sein. Zum einen ist der Begriff „Schmähkritik“ wegen der Meinungsfreiheit, die schlechthin konstituierend für die freiheitlich-demokratische Ordnung ist (vgl. BVerfGE 7, 198 (208) = NJW 1958, 257), eng auszulegen, zum anderen geht mit der Aussage keine überwiegende Böswilligkeit oder Gehässigkeit einher. Der erforderliche sachliche Bezug zu dem letzten Bundesligaspiel ergibt sich mittels Auslegung aus dem Gesamtzusammenhang und den Begleitumständen. Auch liegt Schmähkritik bei einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage nur ausnahmsweise vor und ist eher auf die Privatfehde beschränkt (BVerfG v. 7. 12. 2011 – 1 BvR 2678/10, BeckRS 2012, 46347, Rn 40).

Die Aussage stammt aus dem Zusammenhang mit der Niederlage des Deutschen Meisters FC Bayern gegen den SC Freiburg auf dem letzten Nichtabstiegsplatz (vor Hannover 96), was zumindest im fußballbegeisterten Deutschland zu den die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Fragen gehört.
Die Äußerung lässt sich weder als Angriff auf die Menschenwürde noch als Formalbeleidigung oder Schmähung einstufen, sodass es für die Abwägung auf die Schwere der Beeinträchtigung der betroffenen Rechtsgüter ankommt.

Anders als bei Tatsachenbehauptungen ist es unerheblich, ob die Kritik berechtigt oder das Werturteil "richtig" ist (vgl. BVerfGE 66, 116 (151); BVerfGE 68, 226 (232)). Eine Äußerung, die lediglich unhöflich oder taktlos ist, begründet grundsätzlich noch keine Ehrverletzung (LG Regensburg v. 6. 10. 2005 – 3 Ns 134 Js 97458/04, NJW 2006, 629). Es ist auch nicht jede flapsige, spöttische Bemerkung schon als  Beleidigung anzusehen (AG Berlin-Tiergarten v. 26. 5. 2008 – (412 Ds) 2 JuJs 186-08 (74/08), NJW 2008, 3233). Dass eine Aussage polemisch oder verletzend formuliert ist und ihre Grundlage im Verhalten des Betroffenen hat, wie es hier der Fall ist, entzieht sie nicht schon dem Schutzbereich des Grundrechts auf Meinungsfreiheit (vgl. BVerfGE 54, 129 (138f.) = NJW 1980, 2069; BVerfGE 61, 1 (7f.) = NJW 1983, 1415).

Erschwerend ins Gewicht fällt, ob von dem Grundrecht auf Meinungsfreiheit im Rahmen einer privaten Auseinandersetzung zur Verfolgung von Eigeninteressen oder im Zusammenhang mit einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage Gebrauch gemacht wird. Handelt es sich bei der umstrittenen Äußerung um einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung, so spricht nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine Vermutung zugunsten der Freiheit der Rede (BVerfGE 7, 198 (208, 212) = NJW 1958, 257; BVerfGE 61, 1 (11) = NJW 1983, 1415); BVerfGE 93, 266 (294); BVerfGE 93, 266 (295)). Abweichungen davon bedürfen folglich einer Begründung, die der konstitutiven Bedeutung der Meinungsfreiheit für die Demokratie, in der die Vermutungsregel wurzelt, Rechnung trägt.

Das von der Aussage betroffene Bundesligaspiel gehört zu den die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Fragen. Bundesligaspieler bewegen sich bewusst in der Öffentlichkeit, sodass sie als diejenigen, die die Öffentlichkeit suchen, deren Meinung auch ertragen müssen, selbst wenn es mal nicht Lob regnet. Dies gilt auch und erst Recht für die erfolgsverwöhnten FC-Bayern-Spieler als
„Piss-Mannschaft“.

Donnerstag, 21. Mai 2015

So stelle ich mir einen CSU-Bürgermeister vor

Der ehemalige Bürgermeister von Zapfendorf wurde in Fußfesseln vor das Schöffengericht in Hof geführt, weil er knapp 280.000,- Euro aus der Gemeindekasse für eigene Zwecke verwandt haben soll. Mit zarten 37 Jahren gestand der CSU-Mann nicht nur ein, die Gemeinde beklaut zu haben, weil er für den imaginären Aufbau einer Zigarrenfabrik in der Dominikanischen Republik 160.000,- Euro seines Privatvermögens verschleudert hatte, sondern auch, dass er seit seiner Geburt bei seinen Eltern das gleiche Zimmer bewohnt. Mami hat ihren Jungen dann auch aus dem Gerichtssaal abgeholt, denn für die Unterschlagung des Geldes gab es nur zwei Jahre Haft auf Bewährung und 250 Stunden gemeinnützige Arbeit. Da kann Mami dann mit anpacken und vielleicht wird aus dem tapferen Sohnemann irgendwann doch noch einmal ein echter CSU-Finanzminister. Er wäre ja nicht das erste bayerische Stehaufmännchen.

Dienstag, 5. Mai 2015

Nachtwölfe

Nicht ganz meine Linie, aber wenigsten eine unterhaltsame Gegenposition zu der Nachtwölfe-Phobie die ganz allgemein in den Zeitungen Verbreitung findet. Es scheint eine inoffizielle Doktrin von Verwaltung, Politik und Polizei zu sein, das geplante Treffen des sogenannten Kreml-nahen Motorradclubs Nachtwölfe und deren Sympathisanten am 9. Mai 2015 in Berlin zu behindern oder gar zu verhindern - jedenfalls so klein wie möglich zu halten. Ich orientiere mich ja ganz gerne abseits von Moral und Gewissen an Recht und Gesetz und da kann ich auf den ersten Blick nichts erkennen, was gegen ein solches Treffen und die Anreise russischer Motorradtouristen zu diesem Treffen spricht und ich werde das Gefühl nicht los, dass es den Leuten, denen das Treffen nicht gefällt, ähnlich geht.

Die russischen Motorradfreunde auf ihren Harleys und Hondas einfach an den geltenden Normen zu messen, sich an der Grundidee der Freizügigkeit und der Meinungsfreiheit zu orientieren und damit einen deutlich sichtbaren Abstand zu angeblich längst überwundenen Strukturen zu demonstrieren, wäre eine souveräne Geste anlässlich einer Feier am 9. Mai in Berlin zum Gedenken an den Tag des russischen Sieges über Hitlerdeutschland.