Mittwoch, 31. März 2021

Der zahlungsunwillige Mandant

Kostenfestsetzung Mandant
Wenn ein Mandant, der von seinem Rechtsanwalt vor Gericht vertreten wurde, die Kosten des Gerichtsverfahrens nicht an seinen Anwalt zahlen möchte, muss der Rechtsanwalt seine im Prozess angefallenen Gebühren dem Gericht gem. § 11 RVG zur Festsetzung anmelden. Werden die vom Rechtsanwalt beantragten Gebühren durch das Gericht mit einem Kostenfestsetzungsbeschluss festgesetzt, ist dies ein Titel, aus dem der Anwalt gegen den eigenen Mandanten die Zwangsvollstreckung betreiben kann. Erst wenn das Gericht die Kostenfestsetzung ablehnt, kann ein Rechtsanwalt seinen Honoraranspruch im Wege der Klage geltend machen. Für die Erhebung einer Gebührenklage ohne vorherige Durchführung des Kostenfestsetzungsverfahrens würde dem Anwalt das Rechtsschutzbedürfnis fehlen und er würde trotz Bestehen der Zahlungsansprüche die Klage verlieren. 

§ 11 Absatz 5 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) bestimmt insoweit, dass die beantragte Festsetzung des Honorars durch das Gericht abzulehnen ist, wenn der Mandant Einwendungen oder Einreden erhebt, die nicht im Gebührenrecht ihren Grund haben. Also solche Einreden und Einwendungen wie "Berufungsfrist versäumt" oder "schlecht gearbeitet". Ein weiterer Grund für die Ablehnung der Kostenfestsetzung gegen den Mandanten könnte auch darin liegen, dass der Mandant sagt, dass er den Rechtsanwalt gar nicht beauftragt habe, für ihn vor Gericht tätig zu werden. Einen solchen Fall hat nun das Landgericht Bonn entschieden und die Kosten am Ende trotzdem gegen den zahlungsunwilligen Mandanten festgesetzt. Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 17.03.2021 zum Az.: 2 O 65/17 begründet das Gericht seine Festsetzung wie folgt:

"Die Antragsgegnerin erhebt den Einwand, dass Sie die Antragstellerin nicht beauftragt hätte. Grundsätzlich ist die Festsetzung gem. § 11 Abs. 5 RVG abzulehnen, wenn vom Antragsgegner Einwendungen erhoben werden, die nicht im Gebührenrecht ihren Grund haben. Hiervon ist jedoch eine Ausnahme zu machen, wenn die Einwendung den Mindestanforderungen nicht genügt. Dies ist der Fall, wenn die sie vollkommen unsubstantiiert oder haltlos ist (Gerold/Schmidt, 24. Auflage, § 11 Rn. 112f., 117).

Der Einwand der Nichtbeauftragung ist ein nichtgebührenrechtlicher Einwand, Die Beauftragung der Antragstellerin durch die Antragsgegnerin ergibt sich jedoch aus der von der Antragstellerin vorgelegten ProzessvolImacht vom 20.03.2017. Der von der Antragsgegnerin vorgebrachte Einwand ist somit offensichtlich unbegründet, sodass § 11 Abs. 5 RVG hier ausnahmsweise der Festsetzung nicht entgegensteht."

Es empfiehlt sich daher stets für einen Anwalt, vor Beginn eines Prozesses die Unterzeichnung einer Prozessvollmacht vom Mandanten zu verlangen, damit der Rechtsanwalt seine eigenen Honorare im Zweifel schon im einfachen und kostengünstigen Kostenfestsetzungsverfahren titulieren lassen kann. Denn obwohl die Kostenfestsetzung vom Gesetz her auch in einem Fall der angeblich nicht erteilten Vollmacht eigentlich ausscheidet, wird im Falle der Vorlage einer Vollmacht durch den Rechtsanwalt als Antragsteller von den Gerichten eine Ausnahme zu Gunsten des Anwalts gemacht.

Montag, 15. Februar 2021

Zweites Versäumnisurteil und Berufung

Wer einmal nicht zur mündlichen Verhandlung erscheint, kassiert in der Regel ein Versäumnisurteil, wenn die Klage schlüssig ist. Anschließend kann sich derjenige, gegen den das Versäumnisurteil gerichtet ist, mit einem Einspruch gegen das Versäumnisurteil zur Wehr setzen, § 338 ZPO. Erfolgt kein Einspruch, wird das Versäumnisurteil rechtskräftig, § 514 ZPO. Schwieriger wird es für denjenigen, der in der gleichen Sache zum zweiten Mal die mündliche Verhandlung verpasst, denn dann hilft der Einspruch nicht.

Erscheint eine Partei nach rechtzeitigem Einspruch gegen das erste Versäumnisurteil erneut nicht zur mündlichen Verhandlung über den Einspruch oder erscheint sie, ist aber nicht ordnungsgemäß vertreten oder verhandelt nicht, hat das Gericht nur noch die Voraussetzungen der wiederholten Säumnis, insbesondere die ordnungsgemäße Ladung zum Termin, zu prüfen, bevor es nach § 345 ZPO den Einspruch durch ein zweites Versäumnisurteil zu verwerfen hat. Dann hilft dem zum zweiten Mal nicht Erschienenen nur noch die Berufung gegen das zweite Versäumnisurteil.

Die Berufung gegen ein zweites Versäumnisurteil ist aber nur insoweit statthaft, als sie darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung des zweiten Verhandlungstermins nicht vorgelegen habe, § 514 Abs. 2 Satz 1 ZPO. Von der Schlüssigkeit der Darlegung dazu hängt die Zulässigkeit der Berufung ab. Der vorgetragene Sachverhalt, der danach die Zulässigkeit der Berufung rechtfertigen soll, muss in der Berufungsinstanz abschließend vorgetragen und darf in der Revisionsinstanz nicht ergänzt werden.

Denn wenn die Berufung gegen ein zweites Versäumnisurteil anschließend verworfen wird, bleibt immerhin noch die Rechtsbeschwerde als letztes Mittel. Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO mögliche Rechtsbeschwerde ist aber nur erfolgreich, wenn die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO, die auch bei einer Rechtsbeschwerde gegen einen die Berufung als unzulässig verwerfenden Beschluss gewahrt sein müssen, erfüllt sind. Schließlich kann die Rechtsbeschwerde gem. § 576 ZPO nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf der Verletzung des Bundesrechts oder einer Vorschrift beruht, deren Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Oberlandesgerichts hinaus erstreckt.

Samstag, 23. Januar 2021

Amtsgericht Weimar: Lockdown-Politik katastrophale politische Fehlentscheidung

 

Wer sich in irgendeiner Form mit der Corona-Pandemie und den daraufhin ergriffenen Maßnahmen durch die öffentliche Hand beschäftigt, sollte das Urteil des Amtsgerichts Weimar vom 11.01.2021 zum Aktenzeichen 6 OWi - 523 Js 202518/20 lesen. Sicherlich ist das etwa 20-seitige Urteil nicht für jeden juristischen Laien in allen Einzelheiten verständlich, aber das Gericht äußert sich in vielen Passagen überraschend klar und deutlich zu der derzeitig aktuellen Politik des Lockdowns.

Zunächst sollte man wissen, dass sich das Amtsgericht mit der aktuellen Corona-Politik beschäftigen musste, weil auf Grund eines Verstoßes gegen die §§ 2 Abs. 1 und 3 Abs. 1 der Dritten Thüringer Verordnung über erforderliche Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2  ein Busseld verhängt wurde, gegen das sich der Kläger im Verfahren vor dem Amtsgericht Weimar wehrte. In diesem Verfahren musste daher auch geklärt werden, ob die Thüringer Verordnung überhaupt verfassungsgemäß ist und deshalb ein Bußgeld verhängt werden durfte.

Das Amtsgericht Weimar hat den vom Bußgeld Betroffenen freigesprochen, weil § 2 Abs. 1 und § 3 Abs. 1 3. ThürSARS-CoV-2-EindmaßnVO verfassungswidrig und damit nichtig seien. Das Urteil liest sich wie eine Abrechnung mit der Politik des Lockdowns und wird insbesondere auf den letzten Seiten der Entscheidung überaus deutlich. Unter Beachtung verfassungsgemäßer Anforderungen sei die Frage, ob der Verordnungsgeber die Verlängerung des Lockdowns als erforderlich zur Abwendung einer Überlastung des Gesundheitssystems erachten durfte, eindeutig mit "Nein" zu beantworten.

Für die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Corona-Verordnung sei der Nutzen der Maßnahmen und die Kosten, die sich aus den Freiheitseinschränkungen und ihren Kollateralschäden und Folgekosten zusammensetzen, gegeneinander abzuwägen. Hinsichtlich der Kosten des Lockdowns sei festzuhalten, dass es sich bei den mit dem Lockdown verbundenen Freiheitseinschränkungen um die umfassendsten und weitreichendsten Grundrechtseinschränkungen in der Geschichte der Bundesrepublik handele. Schon daraus ergebe sich, dass die Freiheitseinschränkungen ein so großes Gewicht haben, dass sie allenfalls dann gerechtfertigt sein können, wenn die Gefahr, deren Bekämpfung sie dienten, ganz außergewöhnlich groß war und durch die Maßnahmen des Lockdowns zugleich ein großer positiver Effekt erwartet werden konnte, was aber nach der Darstellung des Gerichts nicht der Fall sei.

Bei der unmittelbaren Wirkung der Freiheitseinschränkungen seien unter Hinweis auf eine Stellungnahme von Professor Dr. Dietrich Murswiek von der Universität Freiburg folgende Schäden zu berücksichtigen:

aa) Ökonomisch bewertbare Schäden
(1) Gewinneinbußen/Verluste von Unternehmen/Handwerkern/Freiberuflern, die unmittelbare Folgen der an sie adressierten Freiheitseinschränkungen sind
(2) Gewinneinbußen/Verluste von Unternehmen/Handwerkern/Freiberuflern, die mittelbare Folgen der Lockdown-Maßnahmen sind (z.B. Gewinneinbußen von Zulieferern von unmittelbar betroffenen Unternehmen; Gewinneinbußen, die aus der Unterbrechung von Lieferketten resultieren und z.B. zu Produktionsausfällen führten; Gewinneinbußen, die aus Reisebeschränkungen resultierten)
(3) Lohn- und Gehaltseinbußen durch Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit
(4) Konkurse/Existenzvernichtungen
(5) Folgekosten von Konkursen/Existenzvernichtungen

bb) Leben und Gesundheit der Menschen in Deutschland
(1) die Zunahme häuslicher Gewalt gegen Kinder und Frauen
(2) Zunahme von Depressionen infolge sozialer Isolation
(3) Angst-Psychosen/Angst-Störungen infolge Corona-Angst
(4) andere psychische Störungen/nervliche Überlastung wegen familiärer/persönlicher/beruflicher Probleme infolge des Lockdown
(5) Zunahme von Suiziden, beispielsweise infolge von Arbeitslosigkeit oder Insolvenz(6) gesundheitliche Beeinträchtigungen infolge von Bewegungsmangel
(7) Unterlassung von Operationen und stationären Behandlungen, weil Krankenhausbetten für Coronapatienten reserviert wurden
(8) Unterlassung von Operationen, stationären Behandlungen, Arztbesuchen, weil Patienten Infizierung mit Covid-19 befürchten

cc) Ideelle Schäden
(1) Bildungseinbußen und Beeinträchtigung der psychosozialen Entwicklung von Kindern durch Ausfall oder Einschränkungen des Schulunterrichts bzw. der Schließung anderer Bildungseinrichtungen
(2) Verlust an kulturellen Anregungen/Erlebnissen durch Schließung von Theatern, Konzert- oder Opernhäusern und vielen anderen kulturellen Einrichtungen
(3) Verlust musischer Entfaltungsmöglichkeiten durch Verbote, die gemeinsames Musizieren in Orchestern oder Chören unterbinden
(4) Verlust von Gemeinschaftserlebnissen/persönlichem sozialem Miteinander durch Verbot von Zusammenkünften in Vereinen, Verbot von Veranstaltungen, Verbot von Ansammlungen, Schließung von Kneipen usw.
(5) Einschränkung sozialer Entwicklungsmöglichkeiten für Kinder durch Schließung von Kindergärten
(6) Isolierung von Kindern in Wohnungen ohne Kontakte zu anderen Kindern durch Schließung von Schulen, Kindergärten und Spielplätzen

dd) Folgekosten
(1) von Bund und Ländern an die Wirtschaftssubjekte geleistete Corona-Hilfen
(2) Steuerausfälle infolge der Einschränkung der Wirtschaftstätigkeit durch den Lockdown
(3) Kurzarbeitergeld und Arbeitslosenhilfe, die infolge des Lockdown gezahlt werden mussten
(4) Sozialhilfe für infolge des Lockdown auf Sozialhilfe angewiesene Menschen

ee) gesundheitliche und ökonomische Schäden in Ländern des Globalen Südens  

Inzwischen gäbe es mehrere wissenschaftliche Studien, die zu dem Ergebnis kommen, dass die in der Corona-Pandemie in verschiedenen Ländern angeordneten Lockdowns nicht mit einer signifikanten Verringerung von Erkrankungs- und Todeszahlen verbunden waren. Zwischen der Schwere und Dauer der Lockdowns und der Zahl der COVID-19-Todesfälle, zwischen Grenzschließungen und COVID-19-Todesfällen und zwischen durchgeführten Massentests und COVID-19-Todesfällen sei keine Korrelation festgestellt worden. Nach einer umfassenden Abwägung mit zahlreichen auch öffentlich verfügbaren Informationen kommt das Amtsgericht Weimar dann zu einem bemerkenswerten Schlusswort, das sicherlich auch mit der grundgesetzlich garantierten richterlichen Unabhängigkeit in Verbindung gebracht werden darf:

"Nach dem Gesagten kann kein Zweifel daran bestehen, dass allein die Zahl der Todesfälle, die auf die Maßnahmen der Lockdown-Politik zurückzuführen sind, die Zahl der durch den Lockdown verhinderten Todesfälle um ein Vielfaches übersteigt. Schon aus diesem Grund genügen die hier zu beurteilenden Normen nicht dem Verhältnismäßigkeitsgebot. Hinzu kommen die unmittelbaren und mittelbaren Freiheitseinschränkungen, die gigantischen finanziellen Schäden, die immensen gesundheitlichen und die ideellen Schäden. Das Wort "unverhältnismäßig" ist dabei zu farblos, um die Dimensionen des Geschehens auch nur anzudeuten. Bei der von der Landesregierung im Frühjahr (und jetzt erneut) verfolgten Politik des Lockdowns, deren wesentlicher Bestandteil das allgemeine Kontaktverbot war (und ist), handelt es sich um eine katastrophale politische Fehlentscheidung mit dramatischen Konsequenzen für nahezu alle Lebensbereiche der Menschen, für die Gesellschaft, für den Staat und für die Länder des Globalen Südens." 

Freitag, 22. Januar 2021

Vor Gericht per Videokonferenz

Seit dem Jahr 2002 bietet § 128a Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) Gerichten die Möglichkeit, den Parteien und ihren Bevollmächtigten auf Antrag oder von Amts wegen zu gestatten, sich während einer mündlichen Verhandlung an einem anderen Ort aufzuhalten und dort Verfahrenshandlungen vorzunehmen. Die Verhandlung wird dann zeitgleich in Bild und Ton an den Aufenthaltsort und in den Sitzungssaal des Gerichts übertragen. Ziel des Gesetzgebers war es, Verfahrensbeteiligten oder Zeugen die Teilnahme aus der Ferne zu ermöglichen um dadurch Zeit und Kosten zu sparen.

In Corona-Zeiten wird diese Möglichkeit wohl häufiger genutzt als vorher und ich habe nun die durch das Landgericht Hamburg angebotene Gelegenheit genutzt, mir die Anreise nach Hamburg zu ersparen und direkt von der Kanzlei aus in die mündliche Verhandlung einzugreifen. Durch eine freundliche E-Mail der Vorsitzenden wurde auf den Beschluss, den Parteien und ihren Anwälten die Teilnahme an der Verhandlung im Wege der Videokonferenz nach § 128a ZPO zu gestatten, hingewiesen. Beigefügt war die spezifische Konferenzeinladung mit allen erforderlichen Informationen:

"Um an der Videokonferenz zum vereinbarten Termin teilzunehmen, fügen Sie bitte folgenden Link in Ihren Chrome-Browser / Portable (wird präferiert) ein. (xxx) Den Link bitte in die Adresszeile des Chrome Browsers einfügen und bestätigen. Es findet dann eine Abfrage für den Zugriff auf Kamera und Mikrofon Ihres Gerätes statt. Bitte erlauben/genehmigen Sie den Zugriff und prüfen bitte, ob die Kamera Ihr Testbild zeigt und der Lautstärkepegel aktiv ist." Auch die Möglichkeit der Teilnahme über ein stationäres Videokonferenzsystem, Skype for Business oder einen Softwareclient wurde erläutert.

Der Aufruf der URL klappte problemlos, ebenso die Erlaubnis des Zugriffs auf Kamera und Mikrofon und nach zwei Mausklicks war ich mit dem Sitzungssaal verbunden. Die Darstellung der Videokonferenz war übersichtlich und Bild und Ton von guter Qualität (zum Vergrößern auf den Screenshot klicken). Das Landgericht beherrschte den besonderen Ablauf der mündlichen Verhandlung und zu keinem Zeitpunkt kam bei mir das Gefühl auf, dass technische Schwierigkeiten den Termin platzen lassen könnten oder dass meine Abwesenheit nachteiligen Einfluss auf die mündliche Verhandlung haben würde. Das Landgericht Hamburg muss ich für die professionelle Handhabung der Kommunikation vor und während der Videokonferenz loben und es ist zu hoffen, dass Gerichte die Möglichkeiten des § 128a ZPO zukünftig auch abseits einer Pandemie regelmäßig anbieten werden.

Montag, 18. Januar 2021

Das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) im Jahre 2021

Heute morgen hieß es im Betreff meines E-Mail-Postfachs mal wieder "[beA] Eingang einer Nachricht", denn "In dem beA-Postfach Möbius, LL.M., Ralf (30916 Isernhagen) ist eine Nachricht eingegangen." Das bedeutet, möglichst umgehend die eingegangene Nachricht abzurufen, denn nach § 31a Abs. 6 BRAO ist jeder Rechtsanwalt seit dem 01.01.2018 verpflichtet, die für dessen Nutzung erforderlichen technischen Einrichtungen vorzuhalten sowie Zustellungen und den Zugang von Mitteilungen über das beA zur Kenntnis zu nehmen. Eine Frist zu versäumen, weil man das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) nicht öffnen möchte, verbietet sich schon aus Haftungsründen.

Der Zeitplan für die Einführung der verpflichtenden Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs wird nicht verschoben. Einem entsprechenden Antrag der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, die allgemein ab dem 01.01.2022 eintretende aktive Nutzungspflicht des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs bis zum Jahr 2025 zurückzustellen, folgte der Bundestag in seiner Sitzung am 27.11.2020 nicht, denn die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) hatte sich gegen eine solche Verschiebung ausgesprochen.

Die BRAK ist rechtlich auch verantwortlich für den Betrieb des beA auf Seiten der Anwaltschaft, denn nach § 31a Abs. 1 BRAO richtet die Bundesrechtsanwaltskammer für jedes im bundesweiten amtlichen Rechtsanwaltsverzeichnis eingetragene Mitglied einer Rechtsanwaltskammer ein besonderes elektronisches Anwaltspostfach (beA) empfangsbereit ein. Deswegen darf die BRAK auch auf einen straffen Zeitplan bei der umfassenden Nutzungspflicht für Anwälte drängen. Umgekehrt sind die einzelnen Rechtsanwälte natürlich auch darauf angewiesen, dass das von der BRAK eingerichtete beA reibungslos funktioniert und das tut es bis heute nicht.

Ich habe mich ja schon daran gewöhnt, dass der Abruf einer Nachricht aus dem beA nicht beim ersten Mal klappt. So wie heute morgen. Nachdem ich etwa 12 Mal die beA-Software über meinen Computer neu gestartet hatte, die Zugangskarte immer wieder neu eingesteckt hatte und endlich die Verbindung über das Kartenlesegerät REINERSCT mit der Website der BRAK zustande gekommen war, musste ich nach Eingabe der zweiten PIN (Personal Identification Number) die erste Fehlermeldung "Kartenfehler Es ist ein Fehler bei der Kommunikation mit der Karte aufgetreten." hinnehmen.








Das bringt mich nicht aus der Fassung, denn das hatte ich erwartet. Die Verbindung des Kartenlesegeräts REINERSCT blieb stabil, dessen grünes Lämpchen leuchtete fröhlich und vor allem dauerhaft auf und signalisierte mir damit, dass mir ein weiteres Dutzend Verbindungsversuche wohl erspart bleiben würden.

Nun folgte nach der nächsten Eingabe der zweiten PIN eine andere Fehlermeldung, nämlich "Fehler Falscher Schlüssel ausgewählt. Bitte versuchen Sie es erneut."

Wer auch immer den falschen Schlüssel ausgewählt hatte, ich war es nicht. Es folgte der nächste Versuch und es folgte die nächste Fehlermeldung, abermals nach der Eingabe der zweite PIN: "PIN-Eingabe abgebrochen Die PIN-Eingabe wurde abgebrochen."








Das war nun schlicht falsch. Da nur ich die PIN-Eingabe vornehme und ich diese nicht abgebrochen hatte, wurde mein Verdacht, dass der Fehler nicht bei mir zu suchen ist, erneut gestärkt. Solange das grüne Lämpchen leuchtet, solange lasse ich mich aber nicht aus der Ruhe bringen und habe mich direkt gefreut, dass bei der vierten Eingabe der zweiten PIN nun die Fehlermeldung "PIN-Eingabe Die PIN-Eingabe wurde abgebrochen oder es ist ein Fehler bei der Kommunikation mit der Karte aufgetreten." auftauchte. Vier Eingaben und vier verschiedene Fehlermeldungen nacheinander, das kannte ich noch nicht.








Nun war der bunte Reigen beendet und es tauchten immer wieder die gleichen Fehlermeldungen auf und nach etwa 6 weiteren Versuchen bei der zweiten PIN-Eingabe öffnete sich mein besonderes elektronisches Anwaltspostfach (beA) mit zwei neuen Mitteilungen, nämlich von der Rechtsanwaltskammer für den Oberlandesgerichtsbezirk Celle. Einmal die Kammerkurzmitteilung Nr. 2 aus 2021 vom 18.01.2021 und der Beitragsbescheid für das Jahr 2021. Um diese Mitteilungen zu empfangen, habe ich meine Nerven aus Stahlseilen benutzt und etwa 40 Minuten meiner kostbaren Zeit. Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie es ist, am Abend des Tages eines Fristablaufs auf die Nutzung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs angewiesen zu sein. Ohne ein Faxgerät in der Hinterhand zu haben, würden da selbst meine Nerven versagen.

Donnerstag, 24. Dezember 2020

Ich wünsche ein frohes Fest und einen guten Rutsch ins neue Jahr



Aus dem niedersächsischen Bollwerk im Kampf für Freiheit und Gerechtigkeit sende ich insbesondere den Leser meines Blogs und den Freunden auf Facebook weihnachtliche Grüße und die besten Wünsche für das neue Jahr. Hoffen wir, dass sich die Justiz auch im kommenden Jahr an den Grundsatz "Das Recht braucht dem Unrecht nicht zu weichen" erinnert und jeden Rechtsbruch angemessen sanktioniert. Ihr Rechtsanwalt und Fachanwalt für IT-Recht Ralf Möbius LL.M..   


Montag, 21. Dezember 2020

OLG Schleswig: zu doof für PKH

Das Oberlandesgericht Schleswig-Holstein hat mit Beschluss vom 16.11.2020 zum Az.: 9 W 163/20 einer Antragstellerin die Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) verweigert, weil diese den amtlichen Prozesskostenhilfevordruck nicht vollständig ausgefüllt hatte. Es sei nicht Aufgabe des Gerichts, beigefügte Anlagen zu durchforsten und auszuwerten, um dann die fehlenden Angaben im amtlichen Vordruck zu ergänzen. Bereits das Landgericht hatte mit zwei richterlichen Verfügungen auf die fehlende Mitwirkung hingewiesen, ohne dass es die Antragstellerin für nötig gehalten hatte, ihre Angaben zu ergänzen.

Der Bundesgerichtshof meinte dagegen in seinem Beschluss zum Az.: IVb ZB 47/85, dass das unvollständige Ausfüllen eines PKH-Vordrucks folgenlos bleiben soll, wenn die Lücken im Vordruck durch beigefügte Anlagen geschlossen werden können und diese übersichtlich und klar seien. Ob die Anlagen im Falle der Entscheidung des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts übersichtlich und klar waren, kann ich nicht beurteilen, da diese dem Gegner vom Gericht üblicherweise nicht übersandt werden.

In jedem Fall ist der Antragstellerin durch ihre nachlässige Art die Chance auf ein Schmerzensgeld in Höhe von EUR 10.000,- durch die Lappen gegangen, da ohne die Gewährung von Prozesskostenhilfe kein Rechtsanwalt zur Verfügung stand, um die zunächst vor dem Amtsgericht wirksam erhobene Widerklage vor dem Landgericht weiter zu führen. Von der drohenden Last eines hohen Schmerzensgeldes ist unser Mandant wegen der Schlampigkeit der Antragstellerin daher auf Dauer befreit.

Montag, 7. Dezember 2020

Turboquerulantin: mal wieder 1.000,- Euro Ordnungsgeld

Die Gesellschaft zerbricht an den Belastungen der Pandemie, große Konzerne zerschellen an den Restriktionen der Corona-Krise und die Turboquerulantin marschiert aufrechten Ganges durch ein Weltuntergangsszenario ohne ihre Gegner auch nur eines Blickes zu würdigen. Das Versäumnisurteil des Amtsgerichts Gelsenkirchen vom 06.03.2020 zum Az.: 405 C 78/20 hatte unser Racheengel schon kurz nach der Zustellung vom Tisch gewischt und wurde dafür vom AG Gelsenkirchen durch Beschluss vom 14.04.2020 mit einem Ordnungsgeld in Höhe von 500,- Euro ermahnt, rechtskräftige Titel in Zukunft doch ein wenig mehr zu beachten.

Nun ist ein einzelnes Ordnungsgeld bei unserer Weltrekordlerin nicht viel mehr als ein Vogelschiss in über 5 Jahren erfolgreicher Turboquerulanz, so dass der Beschluss vom 21.08.2020 mit einer Verdoppelung des ersten Ordnungsgeldes auf eine Querulanzprämie in Höhe von 1.000,- Euro echte TQ-Fans auch nicht mehr zu Jubelstürmen veranlasst. Immerhin ein weiterer Beleg für die Unbeugsamkeit der Turboquerulantin vor der deutschen Gerichtsbarkeit in Zeiten, in denen eine Vielzahl aufmüpfiger Bundesbürger die Wucht der Autorität des Staates ganz anders zu spüren bekommt.

Der Erzengel der deutschen Volksseele lässt sich allerdings nicht einschüchtern und verfolgt mit eiserner Disziplin unaufhaltsam das Ziel, nach der erfolgreichen Unterwerfung des Amtsgerichts Nienburg weitere deutsche Gerichte dem Reich des Fehderechts der Turboquerulantin einzuverleiben.

Mittwoch, 25. November 2020

Staatstrauer zum Tode von Diego Maradona

Zum Tode von Diego Armando Maradona Franco ordnete die argentinische Regierung heute eine dreitätige Staatstrauer an und bot der Familie des Fußball-Weltmeisters von 1986 an, die traditionelle Aufbahrung des toten Nationalhelden zwecks öffentlicher Abschiednahme im Palast des Präsidenten von Argentinien vornehmen zu können.

In Deutschland regelt die Anordnung über Staatsbegräbnisse und Staatsakte vom 08.06.1966 die Voraussetzungen für eine derartige Staatstrauer. Darin ist geregelt, dass für Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, die sich um das deutsche Volk hervorragend verdient gemacht haben, von der Bundesrepublik Deutschland ein Staatsbegräbnis gewährt und ein Staatsakt angeordnet werden kann.

Bis auf die Opfer der Roten Armee Fraktion, Siegfried Buback, Wolfgang Göbel, Georg Wurster, Hanns Martin Schleyer und Detlev Karsten Rohwedder sowie dem ehemaligen Bundesverfassungsgerichtspräsidenten Gebhard Müller haben es bislang nur Politiker in die Liste der Trauerstaatsakte in Deutschland geschafft. Hervorragende Verdienste um das deutsche Volk können bei uns fast nur Politiker vorweisen, nicht aber Sportler oder Künstler.

Mittwoch, 11. November 2020

Eintracht Braunschweig: Stadionkriminalität

Glücklicherweise sind Staatsanwaltschaften und Gerichte in Niedersachsen mit Messermorden, Clan-Kriminalität und Verstößen gegen das Infektionsschutzgesetz noch nicht derart ausgelastet, als dass sich die Niedersächsische Justiz nicht auch noch um die sich gerade in Corona-Zeiten bedrohlich entwickelnde Stadion-Kriminalität kümmern könnte. Die übervollen Ränge in den Fan-Kurven des Eintracht-Stadions haben das Amtsgericht Braunschweig nun dazu veranlasst, mittels folgendem Strafbefehl dem Schreckgespenst längst vergangener Zeiten endgültig den Garaus zu machen:     

"Amtsgericht Braunschweig

Strafbefehl

Die Staatsanwaltschaft Braunschweig beschuldigt Sie,

in Braunschweig
am 29.02 2020 gegen 13:55 Uhr

vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat, nämlich rechtswidrig eine fremde Sache beschädigt zu haben, Hilfe geleistet zu haben.

Ihnen wird zur Last gelegt:

Sie breiteten mit weiteren Beteiligten im Braunschweiger Eintracht Stadion Block 9 eine Blockfahne über den Block 9 aus. Dies nutzten zwei unbekannte Beteiligte aus und vermummten sich unter der Fahne. Eine Identifizierung dieser Unbekannten war nicht möglich. Die Unbekannten klebten anschließend mit Hilfe der zuvor zu diesem Zweck hergestellten Fahnenstangen, an deren Ende ein mit mehreren Lagen Panzerband ausgelegter Markierungsteller angebracht war, die Linse der Videokamera im Block 9 mit dem Markierungsteller zu. Dadurch beseitigten Sie die bestimmungsgemäße Funktion der Kamera und verhinderten so die Überwachung des Blocks 9. Sie wirkten wissentlich und willentlich an der Platzierung der Blockfahne über die Block 9 mit und trugen wiederum wissentlich dazu bei, dass die unbekannten Beteiligten diese Gelegenheit nuteten und sich unter der Fahne vermummten. Durch die Vermummung wiederum waren die Unbekannten ermutigt, die Kamera funktionsunfähig zu machen. Dies nahmen Sie zumindest billigend in Kauf. Vergehen, strafbar gemäß §§ 303 Abs. 1, 303c, 27 Strafgesetzbuch."

Wer die einschlägige Rechtsprechung zur Sachbeschädigung kennt und weiß, dass schon die Beeinträchtigung der Brauchbarkeit eines Autos oder eines Fahrrades durch das Ablassen der Luft aus einem Fahrrad- oder Autoreifen grundsätzlich den Tatbestand der Sachbeschädigung erfüllt, kann sich ausmalen, dass die bitterbösen Fahnenkriminellen vom unserem Rechtsstaat keine Gnade erwarten dürfen. Weiter so!

Montag, 9. November 2020

Der besondere Messermord

Irgendwann Anfang Oktober 2020 habe ich einen Artikel in der BILD-Zeitung gelesen, in dem über einen Messer-Angriff in Dresden berichtet wurde. Zwei Touristen Mitte Fünfzig aus Krefeld und Köln seien in Dresden von einem Mann mit einem Messer angegriffen worden, einer hätte den Angriff nicht überlebt. Nun sind ja Messer-Morde durch Männer in Deutschland keine Seltenheit mehr, genauer gesagt, lese ich darüber seit einigen Jahren fast jeden Tag. Tatsächlich habe ich das durch die regelmäßige Online-Berichterstattung erzeugte Gefühl, dass Messer-Angriffe durch Männer heutzutage etwas alltägliches sind. Angeregt durch eine Vorschrift des Pressekodex (Richtlinie 12.1), wonach in der Berichterstattung über Straftaten die Zugehörigkeit eines Täters zu ethnischen oder religiösen Minderheiten nicht erwähnt werden soll, suche ich nach einer solchen Zugehörigkeit des Täters, wenn wieder von einem "Mann" die Rede ist. Mittlerweile ist das Wort "Mann" in der Presselandschaft ein ähnliches Synonym wie "Großfamilie", wirklich spannend ist die Suche nicht mehr.

Ungewöhnlich am erwähnten Artikel fand ich allerdings den Umstand, dass nun auch Touristen in Deutschland zur falschen Zeit am falschen Ort zu Messer-Opfern werden können, selbst wenn es sich nicht um eine Großveranstaltung wie ein Weihnachtsmarkt oder ein Musikfestival handelt. Schließlich bin ich auch ab und zu als Tourist unterwegs und dazu noch im Alter der beiden Opfer. Der Artikel und der Touristen-Mord sind bei mir allerdings in Vergessenheit geraten, denn es gab wieder neue Messerangriffe in Deutschland, die meine Aufmerksamkeit in Anspruch nahmen. Auch waren die jüngsten Enthauptungen in Frankreich und der Anschlag in Österreich wesentlich spektakulärer. Umso überraschter war ich dann, als ich heute zufällig auf die via Facebook publizierte Traueranzeige bezüglich des in Dresden ermordeten Touristen aus Krefeld stieß, die mir den Blick auf das Motiv des Dresdner Messer-Mörders eröffnete. Tatsächlich war der sogenannte Touristen-Mord nämlich ein Schwulen-Mord. Schon Ende Oktober hat unter anderem die Rheinische-Post (RP) über das homosexuellenfeindliche Motiv von Abdullah Al Haj Hasan berichtet. 

Damit dürfte der sogenannte "Touristen-Mord" der "erste Mordanschlag auf Homosexuelle in Deutschland durch einen islamistischen Gewalttäter" sein. Nun kann ich mein lückenhaftes Wissen um diesen Fall nicht verallgemeinern, allerdings glaube ich, dass mir aufgefallen wäre, wenn anlässlich der Dresdner Messer-Attacke über das Hissen der Regenbogenflagge auf öffentlichen Gebäuden oder über eine Geste der öffentlichen Solidarität mit homosexuellen Menschen durch unsere Kanzlerin berichtet worden wäre. Auf den Umstand, dass die FDP-Bundestagsabgeordneten Thomas Sattelberger, Christian Lindner und Jens Brandenburg einen offenen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel geschrieben hatten, wonach der Lebenspartner des Ermordeten und seinen Angehörigen nicht das Schweigen aus dem Bundeskanzleramt, sondern die volle Solidarität unserer freiheitlichen Gesellschaft und die höchste staatliche Anteilnahme verdienen, war in diesem Zusammenhang vom LGBTI-Onlinemedium queer.de hingewiesen worden. Dass diesem besonderen Mord in der Öffentlichkeit keine entsprechende Aufmerksamkeit gewidmet wird, ist ist ein schweres Versäumnis, dass es auszugleichen gilt, denn noch leben wir nicht in dem besten Deutschland, das es jemals gegeben hat.

Mittwoch, 28. Oktober 2020

Das fachärztlich psychiatrische Gutachten im Zivilprozess

Wenn ein Gericht ein fachärztlich psychiatrisches Gutachten anordnet, obwohl der Inhalt der Prozessakten dafür spricht, dass die zu begutachtende Partei im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte ist, kann diese Anordnung einen rechtswidrigen Grundrechtseingriff darstellen. Über den Umstand, dass allein die Anordnung einer psychiatrischen Untersuchung grundsätzlich einen Eingriff in die Grundrechte der Partei darstellt, besteht seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 29.11.2005, Az.: 1 BvR 1542/05, kein Zweifel mehr, denn das Bundesverfassungsgericht hatte ausgeführt, dass schon eine solche Anordnung den Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzen kann.

Ein universitäres Projekt der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bielefeld war im Rahmen einer Anmerkung zu einem einschlägigen Gerichtsbeschluss der nachvollziehbaren Ansicht, dass eine psychiatrische Begutachtung trotz des Umstands, dass ein Gericht zwar nicht auf die in §§ 355 ff. ZPO vorgesehenen Beweismittel beschränkt ist, sondern sich aller verfügbaren Erkenntnisquellen bedienen kann, nur dann angeordnet werden darf, wenn ernsthafte Zweifel an der Prozessfähigkeit der in Rede stehenden Partei bestehen. Wegen des zivilrechtlichen Beibringungsgrundsatzes dürfe ein Gericht aber nie von sich aus Beweis durch eine sachverständige Begutachtung erheben und dafür schon gar nicht einen bestimmten Gutachter benennen.

Die Begründung des Forschungsprojekts "Watch the Court" für diese Auffassung leuchtet ein: "Wenn ein Gericht die psychiatrische Begutachtung einer Person anordnet, die an einem Gerichtsverfahren beteiligt ist, ist allein schon diese Anordnung für jene Person in hohem Maße belastend: Allein schon die Äußerung des Verdachts einer krankhaften Störung der Geistestätigkeit bedeutet für die betroffene Person eine schwere Demütigung." Im Falle einer willkürlichen Anordnung der Untersuchung der Prozessfähigkeit einer Partei sieht das Projekt um Professor Dr. Martin Schwab daher auch die Möglichkeit eines Antrags auf Befangenheit gegen die Richter, weil bei vernünftiger Betrachtung das Vorgehen des Gerichts die Befürchtung beim Betroffenen erwecken dürfte, die Richter stünden der betroffenen Partei nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber.

Freitag, 16. Oktober 2020

Turboquerulantin: 1.500,- Euro Ordnungsgeld

Wir hatten es ja schon geahnt, dass unsere Turboquerulantin ein läppisches Ordnungsgeld in Höhe von nur EUR 500,- wegen des Verstoßes gegen die ihr auferlegte Unterlassungspflicht aus dem Beschluss des Landgerichts Hagen vom 19.02.2020 eher als Missachtung ihres unermüdlichen Strebens im Kampf gegen die Rechtsordnung betrachtet, denn als mahnenden Hinweis, endlich die Rechte unserer Mandanten zu achten.   

Deshalb folgte auf den ersten Ordnungsgeldbeschluss vom 20.04.2020 am 03.08.2020 ein zweiter Ordnungsgeldbeschluss, nunmehr mit einem Ordnungsgeld in Höhe von EUR 1.500,-, der die Verdienste der Turboquerulantin auf Twitter in der bundesdeutschen Querulantenszene  in deutlich angemessenerer Form berücksichtigt.

Das Landgericht Hagen erkennt nun auch ausdrücklich an, dass der niedersächsische Richterschreck besonders nachhaltig gegen geltendes Recht verstößt, weil er sich auch schriftsätzlich dahingehend äußerte, in den Entscheidungen des Gerichts Beihilfe bzw. Mittäterschaft zu den vermeintlichen Straftaten unseres Mandanten zu sehen. Eine Entscheidung des Landgerichts Hagen, die bei uns und unseren Mandanten uneingeschränkten Beifall findet.

Mittwoch, 14. Oktober 2020

praktizierender Moslem unerwünscht

Aktuell geistert der Fall einer Straßenbaufirma aus Brandenburg durch die Presselandschaft, der von den Medien fast einheitlich auf folgenden Nenner gebracht wird: "Ein Unternehmer lehnt einen Azubi ab, weil der Moslem ist." Wie bei fast allen Fällen mit rechtlichem Hintergrund, neigen Journalisten häufig dazu, ihr verkürztes Verständnis des Geschehens zur Grundlage weiterer Wertungen zu machen, ohne die Details einer möglichen juristischen Auseinandersetzung hinreichend genau zu betrachten.

Wenn es denn so wäre, wie unter anderem die Märkische Allgemeine Zeitung ausführt, würde das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ohne Zweifel zur Anwendung kommen, denn das Ziel des Gesetzes ist es, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen. Dementsprechend wäre nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 AGG die Benachteiligung eines Moslems wegen seiner Religionszugehörigkeit in Bezug auf den Zugang zu allen Formen und allen Ebenen der Berufsausbildung unzulässig.

Um den Fall besser beurteilen zu können, ist es allerdings wichtig, zumindest das ablehnende Schreiben der Straßenbaufirma aus dem Landkreis Spree-Neiße im Wortlaut zu lesen und zu verstehen: 

Sehr geehrter Herr XYZ,

vielen Dank für ihre Bewerbung und das gestern geführte Gespräch in unserem Hause.

Leider muß ich Ihnen jedoch mitteilen, daß wir Ihnen hier kein Ausbildungsplatz zur Verfügung stellen werden.

Dies möchte ich Ihnen aber gern noch begründen:

- Wir haben bisher 7 Bewerbungen um einen Ausbildungsplatz als Tief-/Straßenbauer. Wir vergeben jedoch nur maximal 2 Ausbildungsplätze. Unter den sieben Bewerbungen sind andere, besser geeignete Kanditaten vorhanden.

- Desweiteren ist die Mitarbeit in unserem Unternehmen als praktizierender Moslem unerwünscht. Der Islam ist in meinen Augen nicht mit der Verfassung der BRD in Einklang zu bringen. Nach meinen Erfahrungen ist dies eine für mich und meine Umgebung nicht wünschenswerte Gesellschaftsform und ich lehne die Auffassungen des Islam gegenüber Frauen und anders denkenden Menschen als zu tiefst diskrimminierend ab.

Ich wünsche Ihnen dennnoch für die Zukunft Alles Gute und hoffe, daß Sie den Weg in ihre Heimat finden und dort nach ihren Grundsätzen leben können, ..."

Damit dürfte zwar klar sein, dass die Mitarbeit praktizierender Moslems in dieser Firma grundsätzlich unerwünscht ist, in vorliegendem Fall für die Absage jedoch der Umstand entscheidend war, dass die beiden Ausbildungsplätze an besser geeignete Kandidaten vergeben wurden. Dass sich die schlechtere Eignung des muslimischen Bewerbers aus seiner Religionszugehörigkeit ergab, ist reine Spekulation und lässt sich dem Ablehnungsschreiben nicht entnehmen. Das Gegenteil ist der Fall, denn die gewählte Formulierung "Desweiteren" deutet darauf hin, dass über die schlechtere Eignung des Kandidaten hinaus und davon unabhängig schon im Allgemeinen die Mitarbeit von praktizierenden Moslems unerwünscht ist. Im Übrigen wurde auch die denkbare Formulierung "Desweiteren ist Ihre Mitarbeit in unserem Unternehmen ..." gerade nicht gewählt.

Auf die Religionszugehörigkeit stützt sich die Ablehnung damit ausdrücklich nicht, auch wenn man vermuten kann, dass dem abgelehnten Bewerber selbst bei bester Qualifikation der Ausbildungsplatz nicht gewährt worden wäre. Ob deshalb das Bedürfnis des Geschäftsführers des Unternehmens, seine Meinung über den Islam in das Ablehnungsschreiben zusätzlich einfließen zu lassen, vor Gericht noch zum Verhängnis werden wird, bleibt daher abzuwarten.

Samstag, 3. Oktober 2020

Tag der Deutschen Einheit

Um ein Haar hätten die Festlichkeiten zur Deutschen Einheit im Jahre 2020 ausfallen müssen, wenn nicht drei tapfere Polizisten in Berlin einen "unerträglichen Angriff auf das Herz unserer Demokratie"¹ abgewehrt hätten. Wir erinnern uns. Vor genau fünf Wochen wollte eine "ersichtlich rechtsradikale Minderheit den Sitz der Volksvertretung stürmen"². Die bis an die Zähne unbewaffneten Verschwörungstheoretiker und Reichsbürger, die an "unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung insgesamt Zweifel hegen und sie angreifen wollen"³, versuchten mit dem Sturm auf den Reichstag die Regierungsgeschäfte zu übernehmen und das demokratisch gewählte Parlament aus dem Amt zu jagen.

Nachdem ein erster schwarz-weiß-rote Reichsfahnen schwenkender Stoßtrupp ohne Spezialwerkzeuge einsetzen zu müssen die vor dem Reichstag sorgfältig aufgestellten Absperrgitter überwinden konnte, sahen sich deren Anführer kurz vor dem Eindringen in das Reichstagsgebäude unvermittelt drei hochgerüsteten Elitepolizisten gegenüber, die keine Sekunde zögerten und ihr Leben in die Waagschale warfen, um unsere Republik zu retten. Mit hartgummierten Spezialknüppeln hatten die skrupellosen Demokratiefeinde nicht gerechnet und so dauerte es nicht lange, bis der zu Hilfe eilende Nachschub von zu allem entschlossenen Spezialkräften das Blatt zu Gunsten unser Demokratie wenden konnte.

Wenn man Pressemeldungen glauben schenken mag, verbreiteten Aktivisten im Vorfeld des Treppensturms über soziale Netzwerke gar die Nachricht, es seien amerikanische und russische Soldaten auf dem Weg nach Berlin, die einen politischen Übergang absichern würden und eine optimistische Aktivistin vertrat vor dem Reichstag die Ansicht, man schreibe heute Weltgeschichte. Die Polizei sei bereits übergelaufen und Präsident Trump in Berlin. Sie rief "Wir haben gewonnen" und "Wir gehen da drauf und holen uns heute, hier und jetzt unser Haus zurück." Wie gesagt, es war knapp. Drei nicht übergelaufene Polizisten retteten Deutschland, die ausländischen Soldaten tauchten rechtzeitig unter und Trump ist jetzt mit Corona im Krankenhaus. Die Einheit kann gefeiert werden.

¹Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier
²Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble 
³Innensenator Berlin Andreas Geisel  

Mittwoch, 30. September 2020

Amtsgericht Hannover: Turboquerulantin darf Turboquerulantin genannt werden

Irgendwann war es selbst mir als seriösem und stets sachlichen Vertreter meines Berufsstands zu viel. Ich konnte den monotonen Singsang der Turboquerulantin in ihren selbstgebastelten Schriftsätzen, ich dürfe sie nicht Turboquerulantin nennen und müsse diesbezüglich alle Artikel in meinem Blog löschen, nicht mehr ertragen. Als dann sogar per E-Mail die Forderung von ihr an mich herangetragen wurde, ich müsse das Betiteln als Turboquerulantin unterlassen und sämtliche Bilder und Karikaturen von meinen Seiten https://fachanwalt-fuer-it-recht-blogspot.com und https://www.facebook.com/garage.hannover unverzüglich löschen, war selbst meine nahezu unerschöpfliche Geduld am Ende.

Der entschlossene Hilferuf ans Amtsgericht Hannover in Form einer negativen Feststellungsklage wurde erhört und nun durfte auch das Amtsgericht Hannover endlich einmal vom hauchzarten Hirnschmalz der niedersächsischen Weltrekordlerin naschen. Die Feststellungen des hannoverschen Gerichts im Urteil vom 15.07.2020 zum Az.: 537 C 1796/20 sind eindeutig und auch für den juristischen Laien unmissverständlich klar formuliert. "Den satirischen Berichten und den Karikaturen des Klägers liegt der erforderliche Tatsachenkern zu Grunde, da es sich um Erfahrungen mit der Beklagten aus seiner anwaltlichen Tätigkeit handelt. Seine Bewertung der Beklagten als Turboquerulantin, seine satirischen Berichte und Illustrationen stehen mit dem tatsächlichen Verhalten der Beklagten in Einklang."

Um unserem Türbchen auch den Zahn zu ziehen, dass deren Bezeichnung als Turboquerulantin "Cybermobbing, Hetze und Beleidigung" sei, wurde das Amtsgericht Hannover überdeutlich: "Die Bezeichnung der Beklagten durch den Kläger als Turboquerulantin sowie dessen Berichte und Illustrationen erfüllen weder Straftatbestände noch verletzen sie das Persönlichkeitsrecht der Beklagten. In dem Verhältnis zwischen den Parteien dieses Rechtsstreits kann in den Berichten, Illustrationen und der Bezeichnung als Turboquerulantin seitens des Klägers keine Ehrverletzung der Beklagten gesehen werden." Kann man die Rechtslage zutreffender wiedergeben, als es das Amtsgericht Hannover getan hat?

Die Antwort lautet natürlich "Nein", denn das Gericht führt überdies in höchst überzeugender Weise aus, weshalb die Turboquerulantin eine Turboquerulantin ist: "Jegliche gedankliche Auseinandersetzung, dass die satirischen Berichte, die Karikaturen und der Begriff "Turboquerulantin" ihre Ursache in dem eigenen Verhalten der Beklagten haben, findet nicht statt. Der Umstand, dass die Beklagte den Kläger sogar für ihre eigenen gesundheitlichen Probleme verantwortlich macht und von einer "organisierten Bande" spricht, spiegelt das Ausmaß der kognitiven Beeinträchtigung der Beklagten wieder. Zudem sind Querulanten für die betroffenen Personen - hier dem Kläger - nicht nur anstrengend, sondern auch zeitraubend."

Damit hat nun das Amtsgericht Hannover als erstes Gericht in Deutschland mit unerschütterlicher Deutlichkeit und zudem unumstößlicher Rechtskraft amtlich festgestellt, dass es sich bei der dauermobbenden Gesetzesbrecherin aus Niedersachsen tatsächlich um eine Querulantin handelt, die angesichts des Ausmaßes ihres rechtswidrigen Handelns und ihrer grenzenlosen Uneinsichtigkeit eine Person ist, die den Titel "Turboquerulantin" ohne Wenn und Aber verdient und von mir deshalb auch genau so bezeichnet werden darf.

Montag, 28. September 2020

Drogentests für hannoversche Ratsmitglieder

Mit einem bemerkenswerten Dringlichkeitsantrag hat der parteilose Ratsherr Tobias Braune den Rat der Stadt Hannover in Bedrängnis gebracht. Er hatte als Antrag Nr. 2198/2020 die Ratssitzung aufgefordert, ab Oktober 2020 einen monatlichen Drogentest für alle Ratsherren und Ratsdamen anzubieten und ab 2021 einen Pflichttest pro Quartal für hannoversche Politiker einzuführen. Zur Begründung führte er aus, dass der Rat der Landeshauptstadt Hannover allein 2020 ein Budget von ca. 2.200.000.000,- Euro und einem Nachtragskredit von ca. 800.000.000,- Euro zur Verfügung habe und damit eine hohe Verantwortung trage.

Um sicherzustellen, dass die Bürgervertreter stets bei klarem Verstand Entscheidungen für eine zukunftsfähige Stadt träfen, sei ein obligatorischer Test auf die besinnungseinschränkenden Drogen Alkohol, THC, Opiate und Cristal Meth hilfreich. Auch ein Busfahrer müsse alle 2 Jahre zu einer medizinisch-psychologischen Untersuchung und Leistungssportler würden mehrfach im Jahr auf illegale Substanzen geprüft, ohne auch nur annähernd eine ähnlich hohe Verantwortung zu tragen, wie die hannoverschen Ratspolitiker.

Wer sich daran erinnert, dass schon im Jahre 2000 von SAT.1-Reportern in 22 Toiletten des Reichstags und des Berliner Abgeordnetenhauses Spuren von Kokain gefunden worden waren, die anschließend in Nürnberg vom Institut für biomedizinische und pharmazeutische Forschung verlässlich untersucht worden sind, wird sicherlich auch in Erinnerung haben, dass diese Entdeckung keinerlei Konsequenzen hatte. Auch der Fund von Crystal Meth beim ehemaligen Bundestagsabgeordneten Volker Beck im Jahre 2016 führte lediglich zu einer Verfahrenseinstellung wegen geringer Schuld nach § 153a StPO gegen Zahlung einer Geldauflage von 7.000,- Euro.

Selbstverständlich hat auch der Dringlichkeitsantrag von Tobias Braune keinerlei Aussicht auf Erfolg, denn insbesondere in der Politik verhält sich die Neigung zur Selbstkontrolle reziprok zu den Missbrauchsmöglichkeiten, welche die Privilegierung als politscher Abgeordneter mit sich bringt. Immerhin erfreulich, von einem Mandatsträger zu hören, der sich entsprechend seiner Verpflichtung, als Ratsherr seine Aufgabe nach bestem Wissen und Gewissen unparteiisch zu erfüllen, noch traut, bei seinen Mitparlamentariern unbeliebte Forderungen zu erheben.

Donnerstag, 24. September 2020

schwule Sau

Bei einem Wahlkampftermin in Bergisch Gladbach am 29. August 2020 soll ein unzufriedener Mitbürger den homosexuellen Bundesminister für Gesundheit, Jens Spahn, deutlich hörbar als "schwule Sau" bezeichnet haben. Nachdem der Bundesgesundheitsminister rechtzeitig den zur strafrechtlichen Verfolgung einer Beleidigung notwendigen Strafantrag gestellt hatte, hat die Kölner Staatsanwaltschaft nun ein Ermittlungsverfahren gegen den zum fraglichen Zeitpunkt von der Polizei identifizierten mutmaßlichen Täter eingeleitet.

Anders als das gewöhnliche Fußvolk müssen sich Politiker nicht mit der Standardfloskel der Staatsanwaltschaften begnügen, welche die Verfahren bei Beleidigungen regelmäßig mit dem Hinweis, dass kein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung bestehe und der Privatklageweg offen stehe, einstellen. Rechtlich dürfte der mutmaßliche Täter kaum etwas gegen eine tatbestandsmäßige Beleidigung vorzubringen haben, denn schon das Landgericht Köln hatten in seinem Urteil vom 05.06.2002 zum Az.: 28 O 12/02 zur Bezeichnung "schwule Sau" deutliche Worte gefunden:

"Vorliegend kann dahinstehen, ob mit der zweifachen Betitelung des Klägers mit dem Wort "schwul", das mit der vorgenommenen Einspielung Prominenten in den Munde gelegt wurde, eine ehrkränkende Herabsetzung des Klägers verbunden ist. Jedenfalls das von ... stammende und durch den Zusammenschnitt der Szenen offensichtlich auf den Kläger bezogene Zitat "schwule Sau" ist seiner Natur nach offensichtlich geeignet, den Kläger herabzusetzen. Die Kundgabe der Nicht- bzw. Missachtung liegt hierbei nach Auffassung der Kammer weniger in der Frage der angeblichen sexuellen Orientierung des Klägers (also auf Tatsachenebene), sondern vielmehr auf der Wertungsebene, durch die zusätzliche Verwendung des Wortes "Sau". Hiermit ist der Tatbestand der Beleidigung grundsätzlich erfüllt."

Als denkbarer Ausweg erscheint für den Täter zunächst der Vortrag, er habe den Gesundheitsminister mit den Worten "schwule Sau" möglichst prägnant und in aller Kürze auf die Wiedereröffnung des hannoverschen Szeneclubs "Schwule Sau" hinweisen wollen, der am 10.10.2020 nach rund 7 Monaten wieder seinen Betrieb aufnehmen wird. Diese Ausrede dürfte allerdings schon daran scheitern, dass die Wiedereröffnung des Clubs am Tag der Tat noch gar nicht bekannt war.

Mittwoch, 23. September 2020

Spitzenjurist

Wer mit dem Begriff "Prädikatsanwalt" wirbt, sollte auch ein Spitzenjurist sein. Dies erläuterte der dritte Senat des Oberlandesgerichts Nürnberg in seinem Urteil vom 13.07.2009 zum Az. 3 U 525/09 mit der Auffassung, dass der Referenzverbraucher unter "Prädikatsanwalt" einen Anwalt verstehe, der nicht nur ein Examen mit dem in Bayern gebräuchlichen "kleinen Prädikat" erworben habe, sondern zu einer kleinen Gruppe von auch prüfungsmäßigen Spitzenjuristen zähle. Schon das Landgericht Regensburg hatte im Urteil vom 20.02.2009 zum Az. 2HK O 2062/08 geäußert, dass auch bei einer Quote von 47 % der Examenskandidaten, die in Bayern 2007 das 2. Staatsexamen bestanden haben und damit zumindest das "kleine Prädikat" erworben haben, welches bereits bei 6,5 von 18 möglichen Punkten verliehen werde, solche mit dem Begriff "Prädikatsanwalt" versehenen Rechtsanwälte nicht notwendig zu einer kleinen Gruppe von Spitzenjuristen zählen, die ihr Examen mit einer sehr guten Note bestanden haben. Zu sehr weiche die Vorstellung "Spitzenjurist" von der bei einer nennenswerten Zahl von "Prädikatsanwälten" tatsächlich vorhandenen Befähigung ab.

Damit stellten die Richter klar, dass die Werbung mit der Bezeichnung "Prädikatsanwalt" für einen Rechtsanwalt wegen der zumindest in Bayern äußerst verwässerten Bedingungen bei der Erreichung eines Prädikatsexamens beim Verbraucher die falsche Vorstellung auslöse, es tatsächlich auch mit einem Spitzenjuristen zu tun zu haben. Nach den Kriterien des Bundesgerichtshofs in seinem Urteil vom 16.11.2017 zum Az.  ZR 160/16 setzt eine zulässige Spitzenwerbung voraus, dass die Werbebehauptung wahr ist, der Werbende einen deutlichen Vorsprung gegenüber seinen Mitbewerbern vorzuweisen hat und der Vorsprung die Aussicht auf eine gewisse Stetigkeit bietet. Im Zusammenhang mit dem Umstand, dass ich im vergangenen Sommer den höchsten Berggipfel Deutschlands vom österreichischen Ehrwald aus zu Fuß erreicht habe, darf auch ich mich als Spitzenjurist bezeichnen. Ob die Verwendung dieser Bezeichnung für mein berufliches Wirken außerhalb der Zugspitzbesteigung zulässig wäre, lasse ich an dieser Stelle einfach mal offen.

Montag, 21. September 2020

Querulanten-Gebühr



In der ersten Bundesratssitzung nach der Sommerpause am 18.09.2020 wurde der Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer besonderen Verfahrensgebühr für Vielkläger im sozialgerichtlichen Verfahren eingebracht. Ziel der Gesetzesinitiative des Bundeslands Hessen ist eine Entlastung der Sozialgerichtsbarkeit durch die Einführung einer besonderen Verfahrensgebühr für Querulanten. Diese Gebühr soll für diejenigen anfallen, die innerhalb der letzten zehn Jahre zehn oder mehr Verfahren in einem Bundesland angestrengt haben. Die Höhe der Verfahrensgebühr soll EUR 30,- betragen. Erst wenn die Gebühr entrichtet ist, kann das Verfahren weiter betrieben werden. Um die gewünschte Wirkung der Querulantengebühr zu erreichen, soll die Gebühr nicht vom Anspruch auf Prozesskostenhilfe umfasst sein. Die Gebührenhöhe soll sehr niedrig sein, damit sie auch aus Existenzsicherungsleistungen erbracht werden kann. Gewinnt der Querulant, wird die Q-Gebühr erstattet.

In der Bundesrats-Drucksache 495/20 wird im Einzelnen erläutert, dass die Verfahren dieser Querulanten einen erheblichen Anteil der Ressourcen der Justiz beanspruchen. Die richterliche Erfahrung und die hohe Zahl der erfolglosen Verfahren der Querulanten zeige, dass in einer Vielzahl dieser Verfahren tatsächlich keine Rechtsverletzungen festgestellt werden können und dass diese Verfahren von den Klägerinnen und Klägern nur geführt werden, weil diese kostenfrei sind und Querulanten eine Plattform bieten, ihre oft schon mehrfach geprüften Anliegen immer und immer wieder vorzubringen. Querulanten vertreten sich typischerweise selbst oder sie werden von Familienmitgliedern vertreten. Auch Rechtsanwälte werden in den seltensten Fällen eingeschaltet.

Die Präsidentin des Sozialverbands Verband der Kriegsbeschädigten, Kriegshinterbliebenen und Sozialrentner Deutschlands (VdK) Deutschland e. V. sieht das Querulantentum kritisch: "Der Schritt ist überfällig. Zu viele Querulanten tummeln sich in Sozialrechtsverfahren, weil keine Gerichtskosten anfallen. Wir brauchen ein Preisschild für offensichtlich mutwillig erhobene Klagen. Sonst legen ein paar Streitsüchtige die Gerichte lahm. Klägerinnen und Kläger mit echten existenziellen Sorgen hängen in der Warteschleife bei Gericht. Sie kommen nur verzögert zu ihrem Recht, weil ein paar Freizeitjuristen gerne ihre Aufsätze an die Sozialgerichte schicken. Unsolidarisches Verhalten darf in einem Rechtsstaat in diesem Fall gerne etwas kosten."

Auch die stellvertretende Leiterin des Ressorts Politik der Bild am Sonntag (BamS), Angelika Hellemann, ist empört: "Diese Zahlen machen sauer! Acht notorische Nörgler klagen in zehn Jahren 2614-mal vorm Sozialgericht. Damit beschäftigte jeder dieser Querköpfe im Schnitt 32-mal pro Jahr einen Richter! Unser Sozialstaat muss gegen Leute, die ihn ausnutzen wollen, wehrhaft sein. Wer Richter mit Klagen zumüllt und Gerichte lahmlegt, den muss der Staat ausbremsen. Deshalb ist die Querulanten-Gebühr gut!" Ich bin der Meinung, dass sich der gewöhnliche Querulant von der geplanten Gebühr in Höhe von EUR 30,- nicht abhalten lassen wird, sein Steckenpferd vor den Sozialgerichten weiter zu reiten. Wenn sich die Turboquerulantin (ohne Berücksichtigung der Kosten des gesamten zivilrechtlichen Verfahrens) nicht einmal von zehn Ordnungsgeldern in einer Gesamthöhe von EUR 8.700,- in einem einzigen Zivilprozess bremsen lässt, dürften EUR 30,- für den einfachen Querulanten im Zuge eines Verfahrens auch keine entscheidende Hürde sein.